BVwG W232 2264986-1

BVwGW232 2264986-14.4.2023

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W232.2264986.1.01

 

Spruch:

 

W232 2264986-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2022, Zl. 1319670909-222525107, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 14.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Eine EURODAC-Abfrage des Beschwerdeführers ergab keine Treffermeldung.

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 14.08.2022 gab der Beschwerdeführer zu seiner Reiseroute befragt an, seinen Herkunftsstaat im Oktober 2020 verlassen zu haben und über die Türkei, Belarus und Litauen (einjähriger Aufenthalt) nach Österreich gelangt zu sein. In Litauen sei er festgenommen worden und im Gefängnis mehrmals geschlagen worden. Mithilfe einer Hilfsorganisation seien sie freigelassen worden und sie hätten das Land verlassen müssen. Ihnen sei gesagt worden, dass sie kein Recht auf Grundversorgung hätten und dass sie gehen sollten. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, wegen Al Shabaab geflohen zu sein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 07.10.2022 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Litauen.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Litauen mit, dass eine Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO vorliege.

Am 25.11.2022 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen Asyl. Zur geplanten Vorgehensweise ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Litauen auszuweisen, gab der Beschwerdeführer an, in Litauen ein Jahr lang eingesperrt worden zu sein, sie hätten ihnen die Fingerabdrücke zwangsweise abgenommen. Durch eine Hilfsorganisation seien sie entlassen worden. Sonst hätten sie für eineinhalb Jahre im Gefängnis bleiben müssen. Als sie rausgekommen seien, hätten sie gesagt, dass sie Land verlassen müssten. In Litauen sei er mehrmals geschlagen worden. Nachdem sie aus dem Gefängnis rausgekommen seien, hätten sie auch kein Quartier bekommen, sie seien dann obdachlos gewesen und sodann weggegangen. Er wolle nicht zurück nach Litauen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Litauen gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Litauen wurde in dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren in Litauen (aktualisiert September 2022)

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MD o.D.a; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).

Quellen:

- MD – Migration Department under the Ministry of the Interior of the Republic of Lithuania [Litauen] (ohne Datum a): I want to get asylum in the LR, https://www.migracija.lt/en/noriu-gauti-prieglobst%C4%AF-lr , Zugriff 27.7.2022

Situation an der Grenze zu Belarus

Ab Juni 2021 wurden zahlreiche irreguläre Migranten vom Lukaschenka-Regime in Weißrussland ermutigt, die Grenze nach Litauen zu überqueren (USDOS 12.4.2022).

Am 2. Juli 2021 rief die litauische Regierung wegen des Massenzustroms von Migranten den landesweiten Notstand aus (USDOS 12.4.2022).

Am 13. Juli 2021 verabschiedete das Parlament Gesetzesänderungen, um die Bearbeitung von Asylanträgen zu beschleunigen und die Rechte von Asylwerbern in Fällen einzuschränken, in denen der Staat diese Rechte aufgrund eines Kriegszustands oder eines Massenzustroms von Ausländern nicht schützen kann. Die Änderungen sehen vor, dass Migranten ohne Gerichtsbeschluss inhaftiert werden können und sich nicht frei bewegen dürfen. Das Litauische Rote Kreuz und andere Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Gesetz und erklärten, es verstoße gegen die internationalen Verpflichtungen des Landes und die Rechte der Migranten (USDOS 12.4.2022).

Am 2. August 2021 schränkte eine Notstandsentscheidung des Innenministeriums den Zugang zum Hoheitsgebiet und zu Asyl weiter ein, was am 10. August 2021 zu weiteren Änderungen des Asylgesetzes führte (u.a. keine Annahme von Asylanträgen von Personen, die irregulär einreisen, es sei denn, es handelt sich um Vulnerable; Anwendung von Gewalt zur Abschreckung der Einreise; Inhaftierung bis zu 18 Monaten; usw.) (CoE 29.9.2021).

Darüber hinaus wurde im Juli 2021 mit dem Bau einer Sperre an der weißrussisch-litauischen Grenze begonnen. Ein spezielles Gesetz über die Errichtung einer physischen Barriere auf dem Gebiet der Republik Litauen an der EU-Außengrenze zur Republik Belarus wurde am 12. August 2021 vom Parlament verabschiedet (CoE 29.9.2021).

Die Litauer drängten Fremde, welche den Grenzübertritt illegal versuchen wollten bzw. erfolgreich versucht hatten, wieder auf belarussisches Territorium zurück. Auf belarussischer Seite verhinderten Grenzbeamte jedoch oft die Rückkehr nach Belarus, wodurch die Betreffenden, oft unter widrigen Bedingungen, im Grenzbereich festsaßen. Ein Bericht der litauischen Ombudsperson aus dem Jahr 2021 ortete Defizite bei der Unterbringung, medizinischen Versorgung und Identifizierung Vulnerabler in den temporären Unterbringungen für Migranten (Ombudsman 11.10.2021).

Das Außenministerium meldete bis zum 31. Dezember 2021 4.326 irreguläre Migranten (verglichen mit 74 im Jahr 2020 und 37 im Jahr 2019). Die Behörden hielten diese zunächst in Einrichtungen im ganzen Land fest, darunter Gebäude, Zeltlager, winterfeste Container und ein leerstehendes Gefängnis. Ab dem 5. Oktober 2021 waren alle Migranten in beheizten, winterfesten Unterkünften untergebracht. Viele dieser irregulären Migranten beantragten Asyl im Land. Das Migrationsamt begann damit, die Anträge einzeln zu prüfen. Bis zum 31. Dezember 2021 hatte das Migrationsamt alle Fälle bearbeitet und 84 Personen Asyl gewährt (USDOS 12.4.2022).

Am 15. Januar 2022 beendete Litauen aufgrund sinkender Ankunftszahlen den Notstand an der Grenze zu Belarus. Die litauische Armee unterstützt weiterhin Grenzbeamte bei der Bewachung der Grenze. Nach den offiziellen Statistiken der Migrationsabteilung des Innenministeriums wurden 97 Asylanträge irregulär aus Weißrussland nach Litauen eingereister Personen positiv erledigt, 3.199 Asylanträge wurden abgelehnt (IFRC 20.1.2022). Von den abgelehnten Asylsuchenden weigerten sich jedoch viele, das Land zu verlassen. Viele von ihnen wurden in der Folge aus der geschlossenen Unterbringung entlassen und erhielten Zugang zum Arbeitsmarkt. Jedoch gibt es Kritik, dass sie großteils auf die Schattenwirtschaft angewiesen wären (LRT 10.8.2022). Die litauischen Behörden wiederum bestreiten Probleme (LRT 18.7.2022). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Fall eines Asylsuchenden, der inhaftiert worden war nachdem er die Grenze von Belarus nach Litauen überwunden hatte, vorab entschieden, dass es EU-Recht widerspreche, irregulären Migranten die Asylantragstellung zu verwehren und diese automatisch zu inhaftieren; das gelte auch für einen Ausnahmezustand (LRT 30.6.2022). Litauen hingegen sieht diese Maßnahmen als notwendig an, um sich und die EU-Außengrenze gegen einen „hybriden Angriff“ Weißrusslands zu verteidigen (LRT 1.7.2022).

Quellen:

- CoE – Council of Europe (29.9.2021): Increased migration pressure on the borders of Latvia, Lithuania and Poland with Belarus [Doc. 15382 rev], https://www.ecoi.net/en/file/local/2061065/doc.+15382+rev.pdf , Zugriff 8.9.2022

- IFRC – International Federation of the Red Cross (20.1.2022): Belarus and neighbouring countries. Emergency appeal No. MGR65001, Operation update # 2, https://reliefweb.int/attachments/e3294b17-7cbb-374c-bc6d-29cd7164c238/MGR65001ou2.pdf , Zugriff 23.8.2022

- LRT - Lithuanian Radio and Television (10.8.2022):Lithuania said it would deport irregular migrants. It hasn’t happened – what’s next?, https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1757054/lithuania-said-it-would-deport-irregular-migrants-it-hasn-t-happened-what-s-next , Zugriff 26.8.2022

- LRT - Lithuanian Radio and Television (18.7.2022): Lithuania is releasing migrants – but leaving them in limbo, https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1737400/lithuania-is-releasing-migrants-but-leaving-them-in-limbo , Zugriff 26.8.2022

- LRT - Lithuanian Radio and Television (1.7.2022): Minister insists Lithuania won’t change migrant policies despite clash with EU law, https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1731341/minister-insists-lithuania-won-t-change-migrant-policies-despite-clash-with-eu-law , Zugriff 26.8.2022

- LRT - Lithuanian Radio and Television (30.6.2022): CJEU finds Lithuania’s migrant policies in violation of EU law, https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1730702/cjeu-finds-lithuania-s-migrant-policies-in-violation-of-eu-law , Zugriff 26.8.2022

- Ombudsman - The Seimas Ombudsmen's Office of the Republic of Lithuania (Autor), veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture (11.10.2021): Regarding the Lithuanian Submission to the UN Committee Against Torture for the Review of the 4th Periodic Report of the Republic of Lithuania, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CAT/Shared Documents/LTU/INT_CAT_NHS_LTU_46978_E.pdf, Zugriff 29.8.2022

- USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071334.html , Zugriff 27.7.2022

Dublin-Rückkehrer

Dublin-Rückkehrer müssen in folgenden Fällen einen (neuen) Asylantrag stellen:

• wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Litauen gestellt hat.

• wenn das Verfahren zu einem früheren Antrag eingestellt wurde (wenn sich ein Antragsteller absetzt, wird die Prüfung seines Antrags für neun Monate ausgesetzt und dann eingestellt).

• wenn zu einem früheren Antrag bereits eine endgültige Entscheidung ergangen ist.

(AQ 2.6.2022)

Hingegen kann das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers fortgesetzt werden:

• wenn die Prüfung des Antrags für weniger als neun Monate ausgesetzt und somit noch nicht eingestellt wurde.

• wenn die Entscheidung über den früheren Antrag noch nicht rechtskräftig ist (z. B. weil die Person noch nicht über die Entscheidung der Asylbehörde informiert wurde oder weil noch eine Beschwerde anhängig ist).

(AQ 2.6.2022)

Wenn eine Person aus einem anderen Mitgliedstaat zurückgeführt wird und am Flughafen einen Asylantrag stellt, erheben die Grenzschutzbeamten, welche die Erstbefragung durchführen, auch Daten über eine etwaige Vulnerabilität der Person (AQ 2.6.2022).

Quellen:

- AQ – Anonyme Quelle (2.6.2022): Datenbank aus dem supranationalen Bereich, Zugriff 26.7.2022

Non-Refoulement

Ab Juni 2021 wurden zahlreiche irreguläre Migranten vom Lukaschenka-Regime in Weißrussland ermutigt, die Grenze nach Litauen zu überqueren. Anfang August führte das litauische Innenministerium eine "Pushback-Politik" ein, die es den Grenzbeamten erlaubt, irreguläre Migranten an der grünen Grenze an der Einreise aus Weißrussland zu hindern und die Einreise nur über die offiziellen Grenzkontrollpunkte zu ermöglichen. Die einzigen Migranten, denen nach Einführung dieser Politik die Einreise gewährt wurde, waren offenbar humanitäre Fälle; alle anderen wurden an der Einreise gehindert. Der staatliche Grenzschutzdienst bestätigte, dass er die Pushback-Politik anwendet, um irreguläre Migranten nach Belarus zurückzuschicken (USDOS 12.4.2022; für weitere Informationen siehe Kapitel 3.1. Situation an der Grenze zu Belarus).

Quellen:

- USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071334.html , Zugriff 27.7.2022

Versorgung

Asylwerber haben in der Republik Litauen u.a. folgende Rechte: Anspruch auf materielle Aufnahmebedingungen (Unterkunft, Verpflegung und Kleidung), wenn Sie sich in den zugewiesenen Unterkünften, Gewahrsamseinrichtungen usw. aufhalten; die Inanspruchnahme von staatlich garantierter Prozesskostenhilfe; kostenlose Inanspruchnahme der Dienste eines Dolmetschers und das Recht auf Arbeit, wenn die Migrationsbehörde ohne Verschulden des Asylwerbers nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung des Asylantrags eine Entscheidung im Asylverfahren getroffen hat (MD o.D.a).

Quellen:

- MD – Migration Department under the Ministry of the Interior of the Republic of Lithuania [Litauen] (ohne Datum a): I want to get asylum in the LR, https://www.migracija.lt/en/noriu-gauti-prieglobst%C4%AF-lr , Zugriff 27.7.2022

Unterbringung

In Litauen gibt es verschiedene Arten von Unterbringungseinrichtungen:

• 3 Registrierungszentren für Ausländer (Pabradė, Medininkai und Kybartai). Dies sind geschlossene Einrichtungen (EASO 13.1.2022).

• 1 Aufnahmezentrum für Flüchtlinge (Rukla). Es handelt sich grundsätzlich um eine Einrichtung für Schutzberechtigte. Seit Oktober 2021 gibt es mit Naujininkai ein neues Zentrum für Asylwerber in Vilnius, das formell Teil des Zentrums in Rukla ist (EASO 13.1.2022).

• Alternative und vorübergehende Unterkünfte werden bereitgestellt, wenn in den Ausländerregistrierungszentren keine Plätze verfügbar sind (EASO 13.1.2022).

Seit Oktober 2021 sind in Litauen alle Zeltlager abgebaut, in denen die ca. 4.000 illegal aus Belarus angekommenen Migranten unter anderem untergebracht wurden, und die Betreffenden auf die genannten Zentren aufgeteilt, wo sie weiterhin de facto geschlossen untergebracht wurden (IFRC 11.11.2021; vgl. LRT 15.9.2021).

Antragsteller im Rahmen des Zulässigkeits- oder beschleunigten Verfahrens können bis zu 28 Tage an der Grenze geschlossen untergebracht werden, bis eine Entscheidung über die Einreise getroffen wird. Während eines Notstands kann diese Frist verlängert werden. Wenn eine Entscheidung über die Einreise in das Hoheitsgebiet getroffen wird, sollten die Antragsteller grundsätzlich in ein Ausländerregistrierungszentrum gebracht werden; je nach Verfügbarkeit können die Asylwerber für die Dauer des Asylverfahrens auch in alternativen oder vorübergehenden Unterbringungseinrichtungen untergebracht werden. Während eines Notstands bleiben die Antragsteller in der Regel für die gesamte Dauer des Verfahrens in derselben geschlossenen Einrichtung untergebracht, nachdem eine Entscheidung über die Einreise erfolgt ist. Schutzberechtigte - und seit Sommer 2021 auch asylsuchende Familien - werden im Aufnahmezentrum für Flüchtlinge in Rukla untergebracht (EASO 13.1.2022).

(Für weitere Informationen siehe Kapitel 3.1. Situation an der Grenze zu Belarus.)

Quellen:

- EASO – European Asylum Support Office (13.1.2022): Situational Update No 8, Overview of the organisation of reception systems in EU+ countries, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-01/2021_situational_update_issue8_reception_systems_EN_0.pdf , Zugriff 23.8.2022

- IFRC – International Federation of the Red Cross (11.11.2021): INFORMATION BULLETIN. Central and Northeastern Europe. Migration, https://prddsgofilestorage.blob.core.windows.net/api/event-featured-documents/file/IB_Europe_BY.LT.PL.Migration2021.pdf , Zugriff 24.8.2022

- LRT – Lithuanian Radio and Television (15.9.2021): Migrants in Lithuania to be moved out of tent camps by October, https://www.lrt.lt/en/news-in-english/19/1497150/migrants-in-lithuania-to-be-moved-out-of-tent-camps-by-october , Zugriff 24.8.2022

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf kostenlose notwendige Gesundheits- und psychologische Versorgung, sowie soziale Dienste in einem Registrierungs- oder Unterbringungszentrum (LRK o.D.; vgl. MD o.D.a).

Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylwerber das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung im Zentrum (MIPAS 24.11.2017).

NGOs berichten, dass Flüchtende aufgrund der Sprachbarriere Probleme beim Zugang zu medizinischen und psychologischen Beratungsdiensten haben (USDOS 12.4.2022)

Asylsuchende und Flüchtlinge sind in das nationale Impfprogramm einbezogen und haben auf Anfrage Anspruch auf die kostenlose COVID-19-Impfung inklusive Auffrischung. Es ist in dieser Gruppe jedoch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Impfung zu beobachten (UNHCR 2.2022).Quellen:

- LRK – Litauisches Rotes Kreuz (o.D.): Informacija migrantams, https://www.redcross.lt/kaip-padedame/pagalba-pabegeliams-ir-migrantams/informacija-migrantams , Zugriff 23.8.2022

- MD – Migration Department under the Ministry of the Interior of the Republic of Lithuania [Litauen] (ohne Datum a): I want to get asylum in the LR, https://www.migracija.lt/en/noriu-gauti-prieglobst%C4%AF-lr , Zugriff 27.7.2022

- MIPAS – Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt and Accommodation of Unaccompanied Minors, https://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-and-accommodation-of-unaccompanied-minors/ , Zugriff 27.7.2022

- UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (2.2022): Lithuania Fact Sheet February 2022, https://www.unhcr.org/623469c8f.pdf , Zugriff 8.9.2022

- USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071334.html , Zugriff 27.7.2022

Schutzberechtigte

Die Integration beginnt im Unterbringungszentrum mit der Unterzeichnung des Vertrags zwischen dem Zentrum und dem Asylberechtigten über die Integrationsunterstützung und wird danach auf dem Gebiet der Wohnsitzgemeinde fortgesetzt. Die Integrationsunterstützung im Zentrum läuft für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten ab Unterzeichnung des Integrationsvertrages (1. Integrationsphase). Vulnerable und unbegleitete Minderjährige (UM) können auch länger im Zentrum bleiben, UM bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Asylberechtigten erhalten im Zentrum folgende Unterstützungsleistungen für die Integration: kostenloser Aufenthalt, psychologische Betreuung, die notwendigsten Sozial-, Gesundheits- und Rechtsdienstleistungen, Intensivkurse für Erwachsene in litauischer Sprache und litauischer Kultur, Bewertung der beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Qualitäten, Bereitstellung von Arbeitsmarktdienstleistungen und Durchführung aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Es gibt monatliche Zuschüsse für Verpflegung und Taschengeld (Min 15.7.2020).

In der 2. Integrationsphase tritt an die Stelle der Integrationsförderung im Zentrum, die Integrationsförderung auf dem Gebiet einer Gemeinde. Sie dauert bis zu 12 Monate ab dem Zeitpunkt des Auszugs des Asylberechtigten aus dem Zentrum. Für Vulnerable kann dieser Zeitraum verlängert werden. Derzeit bieten zwei NGOs (Caritas und Litauisches Rotes Kreuz) Unterstützung bei der Integration von Asylwerbern in den Gemeinden an, genauer Mentorendienste, welche bei Anmietung von Wohnungen, Auszahlung von Geldleistungen, Litauisch-Sprachkursen, Organisation von Kinderbetreuung bzw. Schulbesuch, allgemeiner Beratung, Arbeitssuche usw. Hilfe leisten. Während der 2. Integrationsphase erhalten die Asylberechtigten eine monatliche Geldleistung zur Deckung der Grundbedürfnisse (Wohnungsmiete, Nebenkosten, Lebensmittel, Transport usw.) (Min 15.7.2020).

Das Aufnahmezentrum für Flüchtlinge in Rukla ist eine offene Einrichtung für Schutzberechtigte. Seit Oktober 2021 gibt es mit Naujininkai ein neues Zentrum für Asylwerber in Vilnius, das formell Teil des Zentrums in Rukla ist (EASO 13.1.2022). Es ist einerseits zuständig für Unterbringung von Asylberechtigten, sowie die Organisation und Durchführung von deren sozialer Integration (zusammen mit den Gemeinden). Die Unterstützung für die Integration im Zentrum wird zunächst bis zu acht Monaten gewährt. Wenn diese Zeit aus objektiven Gründen nicht ausreicht um Asylberechtigte auf die Integration in der Gemeinde vorzubereiten, kann die Dauer auf 12 Monate verlängert werden. Für Vulnerable ist auf Antrag eine Verlängerung auf 18 Monate möglich. In unvorhergesehenen Situationen kann die Betreuung im Zentrum länger fortgesetzt werden (RPPC o.D.a).

Die Integrationsförderung startet verpflichtend im Zentrum und wird dann in der Gemeinde fortgesetzt. Diese kann nur einmal beantragt und muss vollständig konsumiert werden. In der Gemeinde umfasst die Unterstützung Sprachtraining, die Anmietung einer Unterkunft, Betriebskosten, Krankenversicherung, Schulbeihilfe für Kinder, usw. (RPPC o.D.d).

Im Zentrum Rukla erhalten die Asylberechtigten Verpflegung oder Essensgeld, sowie ein Taschengeld (RPPC o.D.b).

Medizinische Versorgung wird von der medizinischen Station des Zentrums gewährleistet (RPPC o.D.b). Psychologische Versorgung bietet der psychologische Dienst im Zentrum. Wenn nötig werden Patienten an Spezialisten überwiesen. Die Kosten für medizinische Leistungen im Zentrum bzw. außerhalb (wenn eine Überweisung vorliegt) übernimmt das Zentrum. Schutzberechtigte sind eine der Personengruppen, für die der litauische Staat die obligatorische Krankenversicherung übernimmt (RPPC o.D.c).

Schutzberechtigte sind ebenso wie Asylsuchende in das nationale Impfprogramm einbezogen und haben auf Anfrage Anspruch auf die kostenlose COVID-19-Impfung inklusive Auffrischung. Es ist in dieser Gruppe jedoch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Impfung zu beobachten (UNHCR 2.2022).

Quellen:

- EASO – European Asylum Support Office (13.1.2022): Situational Update No 8, Overview of the organisation of reception systems in EU+ countries, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-01/2021_situational_update_issue8_reception_systems_EN_0.pdf , Zugriff 23.8.2022

- Min - Ministry of Social Security and Labour (15.7.2020): Integration of Asylum Beneficiaries, https://socmin.lrv.lt/en/activities/social-integration/integration-of-foreigners/integration-of-asylum-beneficiaries , Zugriff 25.8.2022

- RPPC – Aufnahmezentrum für Flüchtlinge Rukla (ohne Datum a): About center, https://rppc.lt/en/about-center/ , Zugriff 8.9.2022

- RPPC – Aufnahmezentrum für Flüchtlinge Rukla (ohne Datum b): THE PRIMARY INTEGRATION OF THE FOREIGNERS GRANTED ASYLUM IN THE REFUGEES RECEPTION CENTER. Information for the foreigners granted asylum, https://rppc.lt/wp-content/uploads/2021/12/pradine-integracija.pdf , Zugriff 8.9.2022

- RPPC – Aufnahmezentrum für Flüchtlinge Rukla (ohne Datum c): GRANTED ASYLUM IN LITHUANIA THE HEALTH CARE AND THE PSYCHOLOGICAL ASSISTANCE FOR THE FOREIGNERS GRANTED ASYLUM IN LITHUANIA. Information for the foreigners granted asylum, https://rppc.lt/wp-content/uploads/2021/12/sveikatos-prieziura.pdf , Zugriff 8.9.2022

- RPPC – Aufnahmezentrum für Flüchtlinge Rukla (ohne Datum d): THE PROGRAM OF THE SOCIAL INTEGRATION FOR THE FOREIGNERS GRANTED ASYLUM IN THE MUNICIPALITIES. Information for the foreigners granted asylum, https://rppc.lt/wp-content/uploads/2021/12/sveikatos-prieziura.pdf , Zugriff 8.9.2022

- UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (2.2022): Lithuania Fact Sheet February 2022, https://www.unhcr.org/623469c8f.pdf , Zugriff 8.9.2022

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte rechtlich begründend zusammengefasst aus, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergebe, dass Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO formell erfüllt sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 Grundrechtecharta bzw. von Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung, in welcher zunächst darauf verwiesen wird, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, in Litauen keinen Asylantrag gestellt zu haben und ein Jahr lang in Haft gewesen und dort geschlagen worden zu sein. Nachdem er auf Druck einer NGO aus der Haft entlassen worden sei, habe er keine Unterkunft und Versorgung bekommen und sei aufgefordert worden, das Land zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei mehrere Monate unter unmenschlichen Umständen in einem Lager/Haftanstalt mit fünf weiteren Personen in einem Art Containerraum ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt eingesperrt gewesen. Die beschriebenen Bedingungen würden sich auch mit den LIB decken. Insbesondere die sofortige Inhaftierung des Beschwerdeführers bei Grenzübertritt und die Haft für 18 Monate ohne Zugang zu NGOs stelle eindeutig eine Verletzung von EU-Recht dar. Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Litauen eine adäquate Unterbringung und Versorgung erhalten werde, insbesondere da er sogar als Minderjähriger inhaftiert worden sei. Eine individuelle Zusicherung durch die litauischen Behörden, dass der Beschwerdeführer adäquat untergebracht und geschützt sei, sei nicht erfolgt. Bei mängelfreien Ermittlungsverfahren und korrekter Beweiswürdigung sowie rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu der Einschätzung kommen müssen, dass im gegenständlichen Fall eine Anwendung der humanitären Klausel des Art. 17 Dublin III-VO erforderlich gewesen wäre.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.2023 wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA - VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, suchte in Litauen um Asyl an und reiste etwa ein Jahr später weiter und unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 04.10.2022 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Litauen. Mit Schreiben vom 19.10.2022 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Litauen mit, dass eine Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO vorliege.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Litauen an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder gar lebensbedrohenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Es bestehen keine familiären, privaten oder beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise sowie der Asylantragstellung in Litauen ergeben sich aus dem Umstand, dass Litauen der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zugestimmt hat.

Die Feststellung bezüglich des Eintrittes der Zuständigkeit Litauens ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der litauischen Dublin - Behörde.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Litauen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen, die insofern als ausreichend aktuell anzusehen sind, als sich die Situation für Asylwerber dort in den wesentlichen Zusammenhängen (nach den notorischen Vorkommnissen im Sommer 2021) wieder unverändert darstellt, ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das litauische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.“

 

„§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.“

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

§ 61 FPG 2005 lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

 

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Abs. 1:

„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.“

 

Art. 7 Abs. 1 und 2:

„(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.“

 

Art. 13:

„Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununter-brochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.“

 

Art. 16:

„(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.“

 

Art. 17:

„(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.“

 

Art. 18:

„(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.“

 

Art. 25„(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit von Litauen ergibt.

Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ … ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ … ] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Litauen hat der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO iVm iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO durch Verfristung zugestimmt. Mängel im Konsultationsverfahren sind im gegenständlichen Fall nicht hervorgekommen und wurden insbesondere alle von der Dublin III-VO normierten Fristen eingehalten.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem in dem gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre.

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach, wie bereits ausgeführt, in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich, befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob der beschwerdeführenden Partei im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG 2005 und 61 FPG 2005 – unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation – in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

In diesem Zusammenhang führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass „mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche „Beweisregel“ geschaffen wurde, die es – im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung – grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor „Verfolgung“ im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige hg. Rechtsprechung). Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann“ (vgl. VwGH vom 20. Juni 2017, Ra 2016/01/0153-16, RZ 33, 35).

Mit dem oben angeführten Erkenntnis hat der VwGH auch ausgeführt, „dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 dann als erschüttert erachtet wird, wenn sich die Lage im anderen Mitgliedstaat durch den in jüngster Zeit stattgefundenen massiven Zustrom von Asylwerbern geändert habe und infolgedessen für den betroffenen Fremden ein „real risk“ einer dem Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC widersprechenden Behandlung in diesem Mitgliedstaat besteht, wofür es aber über den – als notorisch anzusehenden – erhöhten Zustrom von Asylwerbern hinaus konkreter Hinweise bedarf.“

Schon vor dem Hintergrund der zitierten erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Litauen rücküberstellt werden, aufgrund der litauischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde. Es ist kein konkretes Vorbringen erstattet worden, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der litauischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe.

Relevant wären im vorliegenden Fall bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht erkennbar.

Konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Litauen in Hinblick auf Asylwerber aus Somalia unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend mangelnde Versorgungsleistungen sind die Länderberichte entgegenzuhalten, wonach Asylwerber Anspruch auf materielle Aufnahmebedingungen (Unterkunft, Verpflegung und Kleidung) haben, wenn sie sich in den zugewiesenen Unterkünften, Gewahrsamseinrichtungen usw. aufhalten. Asylwerber haben das Recht auf kostenlose notwendige Gesundheits- und psychologische Versorgung, sowie soziale Dienste in einem Registrierungs- oder Unterbringungszentrum (LRK o.D.; vgl. MD o.D.a). Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylwerber das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung im Zentrum (MIPAS 24.11.2017). Vulnerable sind ihren Bedürfnissen entsprechend unterzubringen (LRK o.D.; vgl. MD o.D.a).

Zu den vorgebrachten erlittenen Misshandlungen durch litauische Sicherheitskräfte ist auszuführen, dass pro futuro im Rahmen einer Prognose im Falle seiner geordneten Rücküberstellung nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem (nunmehr volljährigen) Beschwerdeführer Derartiges erneut mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte. Zudem ist darauf zu verweisen, dass im Falle eines Übergriffs der Rechtsweg in Litauen zu beschreiten wäre. Einzelne beanstandete Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Asylrichtlinien in einem Mitgliedstaat stellen jedenfalls noch keine Grundlage dafür dar, die auf unionsrechtlicher Stufe stehenden Dublin-Verordnung auf diesen Mitgliedstaat nicht mehr anzuwenden, etwa durch regelmäßige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes (vgl. EGMR 06.06.2013, 2293/12, Mohammed).

Die in der Beschwerde geforderte Einholung einer Einzelfallzusicherung betreffend Unterbringung und Versorgung war nach dem oben Gesagten nicht erforderlich. Im Übrigen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel/Schweiz, nicht entnehmen ließe, dass im Vorfeld von Rücküberstellungen in andere Dublin-Staaten als Italien gleichermaßen Garantien hinsichtlich der Unterbringung (von Familien) einzuholen wären (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159). Besondere Vulnerabilitätsaspekte oder dass der Beschwerdeführer speziellen Wohnbedarf hätte, der eine außergewöhnliche Unterbringung des Beschwerdeführers notwendig erscheinen ließe, sind beim Beschwerdeführer nicht ersichtlich.

Der Umstand, dass Asylwerber infolge einer Dublin-Überstellung in Haft genommen werden könnten, wird für sich genommen nicht als ausreichend angesehen, eine Überstellung nach der Dublin-VO für unzulässig zu erklären (vgl VwGH 31.5.2005, 2005/20/0095).

Insgesamt ergibt sich aus dem Parteivorbringen weder eine dem Beschwerdeführer in Litauen drohende systemische noch eine individuelle Gefahr, welche für die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würde, weshalb die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Litauen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin III-VO zwingend auszuüben.

Nach der Rechtsprechung des EGMR, des VfGH sowie des VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil desselben gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten bzw. dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

In seiner Entscheidung im Fall „Paposhvili vs. Belgium“ hat der EGMR am 13.12.2016 seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ein Betroffener auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben muss und auch die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks zu berücksichtigen sind. „Außergewöhnliche Umstände“ würden bereits auch dann vorliegen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt würden, dass eine schwer kranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.

Der Beschwerdeführer brachte keine medizinischen Probleme vor. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer sich in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Im zuständigen Mitgliedstaat ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung gesichert, sodass davon auszugehen ist, dass im Zielstaat eine medizinische Behandlung gewährleistet ist. Asylwerber haebn das Recht auf kostenlose notwendige Gesundheits- und psychologische Versorgung, sowie soziale Dienste in einem Registrierungs- oder Unterbringungszentrum (LRK o.D.; vgl. MD o.D.a).

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

Somit hat der Beschwerdeführer keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, dargetan, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in seinen Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Litauen und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.1.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.7.2003, 53441/99, Benhebba Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Es sind auch - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer – keine schützenswerte Aspekte des Privatlebens hervorgekommen, wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH vom 26.02.2007, B1802/06 u.a.).

Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet in der Dauer von nur wenigen Monaten kam dem Beschwerdeführer nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, es bestand - da das Verfahren nicht zugelassen war - lediglich faktischer Abschiebeschutz. Zudem war der kurze Zeitraum gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm § 61 Abs. 1 FPG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu seiner Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG 2005 vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs. 6a leg. cit. indiziert, dass im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs. 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl. dazu auch die Entscheidung des VwGH vom 5.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). In dem vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Es ergaben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche sich bereits aus den umfassenden und aktuellen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergab, weiters im Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei sowie in der Bewertung der Intensität seiner privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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