VwGH 98/18/0317

VwGH98/18/03179.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des K, geboren 1975, vertreten durch Dr. Stefan Petrofsky, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Pyrkergasse 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Juli 1998, Zl. SD 507/98, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §41 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzanzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Juli 1998 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesh, vom 26. Februar 1998 gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in diesem Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Juli 1998 auch für die Berufungsentscheidung maßgebend seien.

(Nach den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen habe der Beschwerdeführer seinen Feststellungsantrag vom 26. Februar 1998 damit begründet, dass er Angehöriger der religiösen Minderheit der Hindu sei und als solcher von der moslemischen Religionsmehrheit in Bangladesh bedroht werde. Er selbst und auch seine Familie seien von Mitgliedern der moslemischen Mullahbewegung bedroht und geschlagen worden. Seine Mutter und Schwester seien sexuell belästigt worden. Am 25. Juni 1997 hätten die Mullahs Feierlichkeiten an einem Hindufeiertag gestört und den Beschwerdeführer, seinen Vater und seinen Bruder mit Schlagstöcken krankenhausreif geschlagen. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers seien von den Angreifern vergewaltigt worden. Alle Versuche, den Vorfall bei der örtlichen Polizei anzuzeigen, seien erfolglos geblieben. Die Polizisten seien selbst Moslems und hätten sich geweigert, die Anzeige anzunehmen.)

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren zunächst zu Protokoll gegeben, dass er Dhaka am 27. Juli 1997 verlassen und über Indien auf dem Luftweg mit einem auf den Namen Abdul R. lautenden, gefälschten indischen Reisepass nach Moskau gereist und von dort mit einem LKW und dann in einem Taxi nach Österreich gelangt sei. Es sei aber festgestellt worden, dass er von Wien aus bereits am 8. August 1997 einen Brief an die Botschaft in Bangladesh in Bonn geschickt habe. Der Beschwerdeführer habe dazu angegeben, dass er damit unter dem Namen Babul D. - an das Geburtsdatum könne er sich nicht mehr erinnern - einen Reisepass beantragt habe. Die Angaben zu seinem Fluchtweg seien aber richtig. Erst nach nochmaligem Vorhalt zu dem zeitlichen Widerspruch habe er angegeben, dass er bereits am 16. Juli 1997 mit einem auf den Namen Ruhul A. lautenden, gefälschten Reisepass von Singapur aus direkt über Wien-Schwechat eingereist sei. Der Reisepass sei ihm vom Schlepper abgenommen worden. Zu den Fluchtgründen habe er angegeben, die Feste der Hindus würden von den Mullahs behindert. Bei einem Fest am 25. Juli 1997 hätten die Mullahs die Festbühne zerstört, seinen Bruder, seinen Vater und ihn selbst geschlagen und seine Schwester und seine Mutter sexuell belästigt. In Bangladesh könne man als Hindu nicht so gut leben, man werde allgemein benachteiligt und er sei wegen der Vorfälle geflüchtet. Auf den zeitlichen Widerspruch - der Zeitpunkt des angeblichen Vorfalles (25. Juli 1997) korreliere nur mit bereits als falsch erkannten Reisedaten, nicht aber mit der tatsächlichen Reise, die bereits viel früher (Abreise etwa 10. Juli, Eintreffen in Wien 16. Juli 1997) erfolgt sei - hingewiesen, habe der Beschwerdeführer erklärt, er habe sich geirrt und der Vorfall sei bereits am 25. Juni 1997 gewesen. Es zeige sich also, dass der Beschwerdeführer völlig unrichtige Angaben über seine Flucht gemacht habe, um den Zeitpunkt zu verschleiern und sie so dramatischer erscheinen zu lassen. Es sei daher die Annahme begründet, dass auch die Angaben des Beschwerdeführers über den maßgeblichen Vorfall, dessen Zeitpunkt er nun verlegt habe, nicht richtig seien. Aus diesen Angaben, die auch keineswegs substantiiert seien, ließen sich keine stichhaltigen Gründe für eine konkrete und akute Bedrohung der Freiheit oder des Lebens des Beschwerdeführers oder die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung des Beschwerdeführers - seine Angehörigen befänden sich unter denselben Bedingungen, die ihn angeblich zur Ausreise veranlassten, offenbar weiterhin in ihrer Heimat - ableiten.

Da der die angebliche Flucht auslösende Vorfall auch in der Berufung nur kurz und summarisch neuerlich dargestellt worden sei, habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, neue Ermittlungen einzuleiten. Der Beschwerdeführer sei bereits im Asylverfahren mit den aufgetauchten Widersprüchen konfrontiert worden. Er habe nicht angegeben, wie er diesen Widersprüchen nunmehr entgegentreten würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2002/18/0097, mwN.)

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt allerdings nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 99/21/0174, mwN).

2. Den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde, warum sie davon ausgehe, dass keine stichhaltigen Gründe für eine Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinn des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vorlägen, tritt die Beschwerde lediglich mit dem Vorbringen entgegen, der Beschwerdeführer habe "stichhaltige Gründe nach Abs. 1 und Abs. 2 ... ausführlich und nachvollziehbar dargebracht."

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit - also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die gewürdigten Beweise in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Hingegen ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt zu prüfen, ob die Beweiswürdigung im Einzelfall zu einem richtigen Ergebnis geführt hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG wiedergegebene ständige Rechtsprechung). Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Gegen die Heranziehung der Ermittlungsergebnisse des Asylverfahren bestehen keine Bedenken. Der Beschwerdeführer vermochte auch nicht darzulegen, welche für den Ausgang des Verfahrens relevanten weiteren Ermittlungen die belangte Behörde hätte vornehmen sollen.

Über die bereits von ihm im Asylverfahren vorgebrachten Verfolgungsgründe hinaus, die von der belangten Behörde nicht für glaubwürdig gehalten worden sind, bringt der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Umstände vor, die ein Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG rechtfertigen könnten.

3. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 9. Mai 2003

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