BVwG W225 2236007-1

BVwGW225 2236007-122.3.2022

AVG §69 Abs2
AVG §69 Abs4
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §32

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W225.2236007.1.00

 

Spruch:

W225 2236007-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEIß, LL.M. als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER und durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Dr. Christopher KEMPF, Bahnhofstr. 17, 9800 Spittal/Drau, gegen den Bescheid der XXXX Landesregierung vom XXXX .2020, Zl. XXXX , mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des UVP-Genehmigungsverfahrens für das Vorhaben „ XXXX “ als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt abgeändert:

„Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG wird als unzulässig zurückgewiesen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 07.05.2014 beantragte die XXXX bei der XXXX Landesregierung als UVP-Behörde die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerkes XXXX gemäß §§ 5, 17 und 20 iVm Anhang 1 Z 30 UVP-G 2000.

2. Mit Bescheid der XXXX Landesregierung vom 14.07.2015, Zl. XXXX , wurde der XXXX die Genehmigung gemäß § 17 UVP-G 2000 iVm § 39 und Anhang 1 Z 30 lit. a UVP-G 2000 zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerkes XXXX unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen erteilt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die XXXX sowie XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.09.2015, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde der XXXX stattgegeben und die Spruchpunkte II., III. und IV. abgeändert. Die Beschwerde des XXXX wurde als unbegründet abgewiesen.

5. Mit Schreiben vom 05.10.2015 beantragte XXXX die von ihm erstattete Beschwerde gegen den Bescheid der XXXX Landesregierung vom 14.07.2015, Zl. XXXX , dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

6. Mit Schreiben vom 19.10.2015 legte die belangte Behörde den Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2016, Zl. W143 2116376-1/6E, wurde die Beschwerde des XXXX gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes lag für die Dauer von 8 Wochen in der Marktgemeinde XXXX und in der Gemeinde XXXX zur Einsicht auf und war im Internet unter www.bvwg.gv.at zugänglich.

8. Mit Schreiben vom 13.07.2020 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Wiederaufnahme des UVP-Genehmigungsverfahrens für das Vorhaben „ XXXX “ der XXXX . Darin wurde mehrfach darauf verwiesen, dass der UVP-Bescheid der belangten Behörde, Zl. XXXX , einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen sei, da neue Beweismittel hervorgekommen seien.

9. Mit Bescheid der XXXX Landesregierung vom XXXX .2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 69 Abs. 2 und Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

10. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin (rechtsfreundlich vertreten durch RA Dr. Christopher KEMPF) mit Schreiben vom 11.09.2020 eine Beschwerde. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde in der Beschwerdeschrift explizit auf § 69 AVG gestützt.

11. Mit Schreiben vom 06.10.2020, hg. eingelangt am 13.10.2020, legte das Amt der XXXX Landesregierung dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden in Angelegenheiten nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 69 AVG lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.“

 

§ 32 VwGVG lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

Zunächst ist im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin auf Folgendes hinzuweisen:„Auch wenn im wiederaufzunehmenden Verfahren vom VwG die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und damit die im Bescheid getroffene normative Aussage inhaltlich nicht verändert wurde, kann sich eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur auf § 32 VwGVG stützen und nicht auf § 69 AVG (vgl VwSlg 19.520 A/2016). Das abweisende Erkenntnis des VwG ist an die Stelle des bekämpften Bescheides getreten und hat eine mit dem Inhalt des Bescheides übereinstimmende Entscheidung getroffen (vgl VwGH 9. 9. 2015, Ro 2015/03/0032; näher dazu VwGVG § 28 Rz 61 ff).“ (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 Rz 7/10 (Stand 1.1.2020, rdb.at))

Im konkreten Fall ist Folgendes festzuhalten:

Der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme war explizit an die belangte Behörde gerichtet. Er hat sich jedoch nicht auf eine bestimmte Rechtsvorschrift gestützt. Aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag sowie ihren Ausführungen in ihrer Beschwerde ist jedoch davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht die Wiederaufnahme des vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeschlossenen Verfahrens begehrt hat und sich zudem nicht auf § 32 VwGVG gestützt hat. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin in dem Schriftsatz an die belangte Behörde mehrmals auf den UVP-Bescheid der belangten Behörde, Zl. XXXX , verwiesen. Im Beschwerdeschriftsatz vom 11.09.2020 wird zudem mehrfach auf § 69 AVG verwiesen.

Somit war der an die belangte Behörde gerichtete Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens von vornherein, da auf die gegenständliche Konstellation § 69 AVG keine Anwendung finden kann, gem. § 69 AVG als unzulässig zurückzuweisen und der Spruch daher entsprechend anzupassen (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2019/12/0010).

Bezüglich dem weiteren Beschwerdeantrag, nämlich inhaltlich über den Antrag auf Wiederaufnahme zu entscheiden, ist folgendes Anzumerken:

Bei einer Zurückweisung eines Antrags ist Sache des Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine inhaltliche Entscheidung würde daher die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten, wodurch die Entscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet wäre (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2017/04/0141).

3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben. Zudem fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens selbst grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (vgl. VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen wurden in der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits eindeutig beantwortet. Das Bundesverwaltungsgericht folgt mit der gegenständlichen Entscheidung dieser Rechtsprechung.

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