Normen
AVG §69 Abs1;
AVG §69;
AVG §70;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §32 impl;
VwGVG 2014 §32;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019120010.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis vom 7. August 2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27. Jänner 2016 getroffene Feststellung, wonach die Bezüge der Revisionswerberin seit 15. Oktober 2015 gemäß § 12c Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), entfallen. In seinen Feststellungen ging das BVwG davon aus, dass die Revisionswerberin - zumindest - seit 15. Oktober 2015 ununterbrochen vom Dienst abwesend sei, wiewohl (insbesondere auch aus medizinischer Sicht) durchgehend Dienstfähigkeit an ihrem aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz vorliege. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Oktober 2017, Ra 2017/12/0112, zurückgewiesen.
2 Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 beantragte die durch einen Rechtsanwalt vertretene Revisionswerberin bei der Dienstbehörde, dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß § 69 AVG mit näherer Begründung die "Wiederaufnahme des Verfahrens, in welchem durch Bescheid der angerufenen Behörde vom 27.01.2016 festgestellt wurde, dass die Antragstellerin seit 15.10.2015 unentschuldigt vom Dienst abwesend ist und daher die Bezüge eingestellt werden".
3 Dieser Antrag der Revisionswerberin wurde mit Bescheid der Dienstbehörde vom 29. Oktober 2018 gemäß § 69 AVG abgewiesen. Die Dienstbehörde setzte sich in diesem Bescheid inhaltlich mit dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Wiederaufnahmegrund, dem Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, auseinander und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme aus näheren Gründen nicht vorlägen.
4 Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 22. Jänner 2019 dahingehend entschieden, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG als unzulässig zurückgewiesen werde; die Revision sei nicht zulässig.
5 Begründend führte das BVwG unter Zitierung näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass jener Bescheid der Dienstbehörde vom 27. Jänner 2016, mit dem festgestellt wurde, dass die Bezüge der Revisionswerberin ab 15. Oktober 2015 entfielen, aufgrund des Erkenntnisses des BVwG vom 7. August 2017 seine rechtliche Existenz eingebüßt habe;
§ 69 AVG sei nicht anwendbar. Es wäre ausschließlich ein Antrag auf Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 32 VwGVG zu stellen gewesen. Aus diesem Grund sei der auf
§ 69 AVG gestützte und an die Dienstbehörde gerichtete Antrag zurückzuweisen gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, das BVwG sei in einer anderen Entscheidung davon ausgegangen, dass der "Wiedereinsetzungsantrag" nicht verspätet sei. Das BVwG habe seiner eigenen Entscheidung widersprochen, sowie der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1995, 95/20/0700, wonach der Antrag zwar nicht bei der zuständigen Behörde eingebracht worden sei, sondern vom Bundesminister an die zuständige Stelle, das BVwG, hätte weitergeleitet werden müssen. Das BVwG hätte daher in der Sache selbst entscheiden müssen. Der Umstand, dass die Behörde der Meinung gewesen sei, sie wäre zur Entscheidung über den Antrag zuständig, könne nicht zum Nachteil der Revisionswerberin sein. Da das BVwG auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1995, 95/20/0700, nicht Bedacht genommen habe, habe es offensichtlich unrichtig entschieden und sei von der Rechtsprechung des Höchstgerichtes abgewichen. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung zu der Frage, was zu geschehen habe, wenn die Behörde über den Wiederaufnahmeantrag entscheide und diesen nicht an die zuständige Stelle weiterleite.
Die Revision ist unzulässig:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 § 69 AVG idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches
Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung
herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im
Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche
Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."
11 § 32 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2017, lautet:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines
durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen
Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches
Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung
herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im
Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche
Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."
12 Die anwaltlich vertretene Revisionswerberin hat ihren Antrag auf Wiederaufnahme ausdrücklich auf § 69 AVG gestützt; sie hat damit die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde angestrebt und dies auch näher ausgeführt.
13 Eine Stattgebung ihres diesbezüglichen Antrages hätte aus dem Grunde des § 69 Abs. 1 AVG jedenfalls vorausgesetzt, dass das wiederaufzunehmende Verfahren "durch Bescheid abgeschlossen" wurde, gegen welchen ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zulässig war.
14 Dies trifft jedoch nicht zu: Die Revisionswerberin hatte nämlich in dem von ihrem Wiederaufnahmeantrag betroffenen Verfahren das rechtzeitige und zulässige Rechtsmittel der Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben, wobei die Verwaltungssache durch (abweisendes) Erkenntnis des BVwG zum Abschluss gelangt ist.
15 Weist das Verwaltungsgericht - wie hier in dem wiederaufzunehmenden Verfahren - die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und lässt es den Bescheid unverändert, ist dieses Erkenntnis derart zu werten, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlässt. Ein solches Erkenntnis tritt - wie jede andere Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, welche die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war - an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides (vgl. z.B. VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, mwH).
16 Auf das nach dem Vorgesagten durch Erkenntnis des BVwG abgeschlossene Verfahren waren die §§ 69 f AVG somit nicht anwendbar; die Wiederaufnahme wäre somit ausschließlich mit einem - hier von der anwaltlich vertretenen Revisionswerberin nicht gestellten - Antrag gemäß § 32 VwGVG anzustreben gewesen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0106). Ein von einem Rechtsvertreter ausdrücklich auf § 69 AVG gestützter Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich daher als unzulässig. Von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das BVwG im vorliegenden Fall nicht abgewichen.
17 Soweit die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung damit argumentiert, ihr Antrag auf Wiederaufnahme sei rechtzeitig bei der unzuständigen Behörde eingebracht worden, wird damit fallbezogen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen: Das BVwG hat den Antrag der Revisionswerberin nämlich nicht wegen Verspätung zurückgewiesen. Aus diesem Grund liegt auch kein Widerspruch gegen das Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, 95/20/0700, vor, in dem die Zurückweisung von Wiederaufnahmeanträgen als verspätet Gegenstand des Verfahrens war. Die im zitierten Erkenntnis getroffenen Aussagen zur Weiterleitung von Wiederaufnahmeanträgen nach § 6 AVG an die zuständige Behörde beziehen sich ausschließlich auf Anträge gemäß § 69 AVG, welche nicht bei der hiefür gemäß Abs. 2 leg. cit. zuständigen Behörde eingebracht wurden. Vorliegendenfalls liegt aber ein bei der für Wiederaufnahmeanträge nach § 69 AVG ohnedies zuständigen Dienstbehörde eingebrachter, aber unzulässiger Wiederaufnahmeantrag nach § 69 AVG vor. Ein - hier allenfalls zielführend gewesener - Wiederaufnahmeantrag nach § 32 VwGVG ist der "Sache" nach mit dem hier gestellten nach § 69 AVG nicht ident (vgl. auch hiezu VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0106), sodass nicht von der Einbringung eines Antrages nach § 32 VwGVG bei der hiefür unzuständigen Dienstbehörde auszugehen war.
18 Das Vorbringen, es liege uneinheitliche Rechtsprechung des BVwG vor, erfüllt für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn es zu der betreffenden Frage eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/12/0056). Dies ist hier der Fall: Ein gemäß § 69 AVG gestellter Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig, wenn das Verfahren durch verwaltungsgerichtliches Erkenntnis abgeschlossen wurde (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0106).
19 Die Revision eignet sich sohin wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Wien, am 28. Februar 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)