B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W103.2238424.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2020, Zl. XXXX :
A) I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., und IV. wird gemäß §§ 52 Abs. 4 Z 4, 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 11 Abs. 1 Z 4 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser lautet: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG idgF, ist ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig“.
III. Spruchpunkt III. wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste erstmals im Mai 2019 in das österreichische Bundesgebiet ein, um ihren späteren Ehemann, einen österreichischen Staatsbürger, den sie im Internet kennengelernt hatte, zu besuchen.
2. Am 08.08.2019 heiratete die BF jenen österreichischen Staatsbürger im Bundesgebiet.
3. Am 30.10.2019 wurde der BF eine Niederlassungsbewilligung „Familienangehöriger“, gültig von 30.10.2019 bis 29.10.2020, durch den Magistrat der Stadt XXXX erteilt, wobei Grund der Erteilung die Familiengemeinschaft mit Herrn XXXX war.
4. Der Ehemann der BF brachte am 25.05.2020 die Scheidungsklage ein.
5. Die BF stellte am 27.08.2020 einen Verlängerungsantrag ihres Aufenthaltstitels.
6. Mit Schreiben vom 19.10.2020 übermittelte die Fremdenbehörde der Landeshauptstadt XXXX den Aufenthaltsakt der BF an das BFA und stellte einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 NAG. Begründend wurde dabei ausgeführt, dass die BF derzeit noch mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, die Ehe sei am 08.08.2019 geschlossen worden, weshalb der BF ein Aufenthaltstitel für ein Jahr erteilt worden sei. Bereits Mitte 2020 habe der Ehegatte der BF die Scheidung beantragt, was diese in ihrem Verlängerungsantrag vom 27.08.2020 unerwähnt ließ. Erst im Oktober 2020 habe die BF mitgeteilt, dass sie in Scheidung lebe.
7. Mit Verständigung der Beweisaufnahme durch die belangte Behörde vom 31.07.2020, zugestellt am 09.11.2020, wurde der BF mitgeteilt, dass beabsichtigt werde gegen sie eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Verdacht naheliege, dass sich die BF ihren Aufenthaltstitel erschlichen habe und eine Aufenthaltsehe im Raum stehe. Nachfolgend wurde die BF um Beantwortung einiger Fragen gebeten und ihr die Möglichkeit der Stellungnahme binnen 14 Tagen gegeben.
8. Mit Stellungnahme vom 20.11.2020 brachte die BF durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter zusammenfassend vor, dass sich die BF ihren Aufenthaltstitel nicht erschlichen haben und keinesfalls eine Aufenthaltsehe vorliege. Das Scheidungsverfahren der BF sei noch anhängig. Die BF habe ihren Ehemann im Internet kennengelernt und habe sie ihn im Mai 2019 in Österreich besucht, wobei sie sich sehr ineinander verliebt hätten, weshalb sie auch geheiratet hätten. Die BF habe in XXXX einen sehr guten Beruf gehabt, sie sei als Psychologin und Psychotherapeutin tätig gewesen, weshalb sie vorgeschlagen habe gemeinsam in XXXX zu leben, was ihr Ehemann abgelehnt habe. Er habe mit der BF in Österreich leben wollen und ihr habe es hier gefallen, weshalb die BF dem zugestimmt habe und mit ihrem gesamten Hausrat nach Österreich übersiedelt sei. Der Ehemann der BF habe sich anfangs an den Aufwendungen des Ehepaares beteiligt, was sich jedoch binnen kürzester Zeit geändert habe. Der Ehegatte habe begonnen die BF zu beleidigen, zu hänseln und zu verspotten, doch habe weiterhin eine sexuelle Beziehung bestanden. Auch die Polizei sei involviert gewesen und habe sich die BF an einen Anwalt beim Frauentreffpunkt gewandt. Der Ehegatte habe die Scheidung eingereicht und gehe alleine von ihm aus. Die BF habe an der Ehe festhalten wollen. Für die BF habe kein Grund bestanden eine Aufenthaltsehe einzugehen. Sie habe ihren Ehemann aus Liebe geheiratet und sei nach Österreich gezogen. Auch Freunde würden die Liebesheirat bestätigen und sei die Hochzeit sehr aufwendig gewesen. Die Eheleute seien im Paragleiter nach der standesamtlichen Trauung vom XXXX mit einem Tandemsprung auf die XXXX gesprungen. Bei einer Aufenthaltsehe, hätte eine so aufwendige Hochzeit nicht stattgefunden. Der Lebensmittelpunkt der BF befinde sich mittlerweile in Österreich und würde die Situation rund um COVID-19 die Situation der BF in der Russischen Föderation erschweren. Die BF habe in Österreich Freundschafen geschlossen, im Juni 2020 die Deutschprüfung auf Sprachniveau A2 abgelegt und besuche sie aktuell einen Deutschkurs auf Sprachniveau B1. Die BF habe sich in Österreich gut integriert und suche aktiv nach einer Anstellung. Hinsichtlich der gestellten Fragen wurde ausgeführt, dass die BF sich seit 25.05.2019 in Österreich befinde. Zwischenzeitig habe sie zweimal nach Russland reisen müssen, m Dokumente auszutauschen, nachdem die BF ihren Familiennamen aufgrund ihrer Eheschließung geändert habe. Erstmals sei die BF mit ihrem Ehegatten am 23.08.2019 ausgereist und am 15.09.2019 zurückgekommen. Beim zweiten Mal sei die BF am 25.09.2019 alleine ausgereist und sei sie von ihrem Ehemann abgeholt worden, wobei sie sich an der lettischen Grenze am 16.10.2019 getroffen hätten. Seit 20.10.2019 befinde sich die BF durchgehend in Österreich. Führ ihren Umzug nach Österreich habe die BF in XXXX ein nationales österreichisches Visum erhalten. Der Ehegatte der BF habe diese am 26.04.2019 auf einer Dating-Plattform angeschrieben, dann hätten sie begonnen zu kommunizieren. Bei der Eheschließung habe am 08.08.2019 am XXXX im Hotel XXXX stattgefunden und seien 20 Gäste, auch aus Russland eingeladen gewesen. Die BF und ihr Ehemann leben aktuell im gemeinsamen Haushalt und sind noch verheiratet. Der Ehegatte habe die Scheidung eingereicht, die BF sei mit seinen Forderungen und Ansprüchen nicht einverstanden, weil diese unbegründet seien. Es werde vollständigkeitshalber angemerkt, dass es seitens des Ehegatten Eheverfehlungen gegeben habe. Am 15.10.2020 habe die erste Scheidungsverhandlung stattgefunden. Die BF beabsichtige ihre Diplome der Psychologie in Österreich nostrifizieren zu lassen. Sie verfüge über eine gute Ausbildung, gute Berufserfahrung und Kenntnisse der deutschen Sprache, weshalb sie gute Aussichten auf einen Beruf in Österreich habe. Der Ehegatte leiste seit Herbst 2019 keinen Unterhalt mehr für die BF, obwohl er sich dazu verpflichtet habe. Die BF ist Eigentümerin einer Wohnung in XXXX , welche von ihrer Tochter genutzt wird. Dafür erhalte die BF etwa EUR 230,- pro Monat. Die BF wohnt derzeit mit ihrem Ehegatten in seinem Haus in XXXX . Gegen sie ist in Österreich kein Strafverfahren anhängig. Im Zuge der Ehe habe der Ehegatte auf die BF Gewalt ausgeübt, es werde auf ein Dokument des Gewaltschutzzentrums verwiesen. Die BF sei im Zuge ihres Ehelebens sehr stark in ihrer psychophysischen Gesundheit belastet worden, weshalb sie auch in Behandlung sei, ein Befund werde vorgelegt. Im Herkunftsstaat habe die BF ihre Arbeit und ihre sozialen Kontakte aufgegeben, um in Österreich ihr Eheleben zu führen. In der Folge habe die BF in Österreich ihr schützenswertes Privat- und Familienleben aufgebaut. Die BF sei psychophysisch sehr erschöpft und befinde sich in einem präkanzerösen Zustand. Ihre Frauengesundheit sei ernsthaft gefährdet. Jeglicher zusätzlicher Stress könne für die BF lebensbedrohlich werden. Dennoch lerne sie weiterhin die deutsche Sprache. Aufgrund des bei ihr diagnostizierten Zustandes könne ihr jeder Umzug irreparable Schäden zufügen und ihre psychophysische Gesundheit schädigen. Aus all diesen Gründen, vor allem, weil keine Aufenthaltsehe vorliege, habe die BF ihren Aufenthaltstitel nicht erschlichen und werde versucht von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot Abstand zu nehmen. Als Beilage wurden zahlreiche Unterlagen vorgelegt.
9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.11.2020 wurde gegen die BF gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 nach zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die BF Ein auf die Dauer von 12 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass die BF über keine Familienangehörigen in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat verfüge. Die BF lebe zwar noch mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt, doch habe dieser die Scheidung nach nicht einmal einem Jahr Ehe eingereicht. Ein Familienleben könne keinesfalls mehr begründet werden. Ein Privatleben der BF im Bundesgebiet könne ihr nicht abgesprochen werden, weil sie in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte verfüge, diese würden jedoch nicht ausreichen, um von einem schützenswerten Privatleben auszugehen. Eine Abwägung habe aufgrund fehlender familiärer und privater Interessen zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geführt. Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung seien nicht hervorgekommen, die BF verfüge über gültige Reisedokumente und habe keine Gründe geltend gemacht, welche eine Gefährdung im Herkunftsstaat zur Folge hätten. Die BF befinde sich seit 25.07.2019 im Bundesgebiet und sei zwischenzeitig nach XXXX gereist, um Dokumente auszutauschen. Eine Abschiebung der BF in die Russische Föderation sei zulässig. Auch die Erlassung eines Einreiseverbotes sei rechtmäßig, weil die BF nicht über genügend Barmittel verfüge und auch keine Möglichkeit habe sich auf legalem Weg Geld zu leihen. Aus diesem Grund sei ein Einreiseverbot von 12 Monaten gerechtfertigt.
10. Mit am 30.12.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die Rechtsvertretung der BF fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen zunächst der Sachverhalt erneut dargestellt und im Anschluss ausgeführt, dass das gegenständliche Verfahren und der gegenständliche Bescheid mit mehreren Mängeln, Aktenwidrigkeit und Willkür behaftet seien. Die belangte Behörde habe es unterlassen sich mit dem gesamten Vorbringen der BF auseinanderzusetzen und liege dem Bescheid eine unrichtige Tatsachenfeststellung infolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, mehrfacher Verkennung der Sach- und Rechtslage, sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung zugrunde. Das BFA habe in mehreren Punkten Feststellungen getroffen, welche für den bekämpften Bescheid wesentlich sind, obwohl es dazu nicht befugt ist, weil das BFA in diesen Angelegenheiten nicht die zuständige Behörde sei. Konkret sei ein rechtmäßiges Verfahren in Bezug auf die angenommene, nicht erwiesene Aufenthaltsehe unterlassen worden. Bereits Spruchpunkt II. sei nicht verständlich und gehe nicht hervor in welches Land die Abschiebung der BF zulässig sein soll. Auf S. 3 führe das BFA aus, dass die BF in Scheidung lebe, das widerspreche den Tatsachen und weise auf ein mangelhaftes Verfahren hin. Das BFA habe sich mit dem Fall der BF nicht auseinandergesetzt und lebe die BF immer noch mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt. Es sei lediglich ein Scheidungsverfahren anhängig, wobei der Ausgang des Verfahrens noch nicht feststehe. Es sei schließlich noch möglich, dass sich die BF mit ihrem Ehemann versöhne. Auf S. 3 stehe außerdem, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass die BF die Ehe mit ihrem Ehegatten eingegangen sei, um sich in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung zu erschleichen. Diesbezüglich sei jedoch weder das BFA, noch die Stadt XXXX die zuständige Behörde, um ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren durchzuführen. Ein solches sei gänzlich unterlassen und nicht veranlasst worden. Aus diesem Grund sei nicht nachvollziehbar, wie das BFA zu dieser Annahme gelange. Das BFA habe sich auch gar nicht mit der eingebrachten Stellungnahme oder dem Akteninhalt auseinandergesetzt. Die BF lebe in Österreich als Familienangehörige eines österreichischen Staatsbürgers in aufrechter Ehe. Dass ein Scheidungsverfahren anhängig sei, sei irrelevant. Zur Feststellung und Beweiswürdigung, wonach der Ehegatte der BF nach einem Jahr Ehe die Scheidung eingereicht habe und die BF nicht mehr die Voraussetzungen für die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ erfülle, sei anzumerken, dass das BFA nicht die zuständige Behörde sei, diese Feststellung zu treffen. Die zuständige diesbezügliche Behörde sei die Stadt XXXX und habe diese über den Antrag auf Verlängerung noch nicht entschieden, weshalb die BF weiterhin im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels sei. Da die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung erlassen habe, obwohl die BF über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge, liege ein mangelhaftes Verfahren vor. Auf S. 6 spreche das BFA von der Rückkehr der BF in die Türkei, was für ein mangelhaftes Verfahren spreche, weil die BF nicht aus der Türkei stamme. Offenbar habe die belangte Behörde den Bescheid eines türkischen Staatsbürgers zur Vorlage genommen und lediglich Textbausteine kopiert.
Das BFA zitiere lediglich die Gesetzesstelle betreffend der Rückkehrentscheidung, dabei seien jedoch mehrere Ziffern zu entnehmen. Voranzustellen sei, dass gar kein Versagungsgrund in Frage komme. Die BF habe rechtzeitig die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt und verfüge sie somit über einen gültigen Aufenthaltstitel. Die zuständige Behörde, die Stadt XXXX , habe auch nicht festgestellt, dass ein Versagungsgrund vorliege. Die BF habe im Herkunftsstaat ihre Arbeit, ihre erfolgreiche Karriere und ihre sozialen Kontakte aufgegeben, um in Österreich ihr Eheleben zu führen. In der Folge habe sie sich in Österreich ihr schützenswertes Privat- und Familienleben aufgebaut. Sie habe in Österreich ihre Abschlusszeugnisse anerkennen lassen und lerne Deutsch. Die BF habe die Möglichkeit in Österreich zu arbeiten und verfüge bereits über einen Freundeskreis. Sie habe sich besonders integriert und durchgehend ihre Unbescholtenheit bewahrt. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, auf welcher Grundlage das BFA eine Rückkehrentscheidung erlassen habe. Es sei willkürlich und bedenklich, dass das BFA schlichtweg Rückkehrentscheidungen gegenüber Personen erlasse, ohne diese näher zu begründen. Da die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht vorliegen würden, könne kein Einreiseverbot erlassen werden. Dass die BF über keine Möglichkeit verfüge sich auf legalem Wege Geld zu beschaffen, werde vom BFA nicht weiter begründet. Außerdem sei diese Annahme aktenwidrig, weil die BF einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte und über einen großen Freundeskreis in Österreich verfüge. Das BFA begründe auch nicht, warum es 12 Monate für angemessen erachte und würden deren Ausführungen den Eindruck erwecken, die BF habe eine negative Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften, was nicht der Fall sei.
11. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 08.01.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und reiste erstmals im Mai 2019 in das österreichische Bundesgebiet ein, um ihren späteren Ehemann, den sie zuvor im Internet kennengelernt hatte, zu besuchen und besser kennenzulernen. Seit 25.07.2019 befindet sich die BF mit zwei Unterbrechungen von 23.08.2019 bis 15.09.2019 und von 25.09.2019 bis 20.10.2019, um Dokumente auszutauschen, in Österreich. Die BF verfügte von 30.10.2019 bis bis 29.10.2020 über den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach dem NAG im Bundesgebiet. Am 27.08.2020 stellte die BF einen Verlängerungsantrag ihres Aufenthaltstitels.
Die BF und ihr zukünftiger Ehemann (in Folge Ehemann) verliebten sich ineinander und heirateten am 08.08.2019 aus Liebe im Bundesgebiet. Die BF zog bereits vor der Eheschließung zu ihrem Ehemann in sein Haus in XXXX . Die jeweiligen Vorstellungen der BF und ihres Ehemannes von Alltag und Leben waren wesentlich unterschiedlich. Das stellten sie jedoch erst nach der Eheschließung fest. In der Folge kam es zu einer Vielzahl an Streitigkeiten zwischen den Eheleuten aufgrund sexueller Vorlieben und ihrer Finanzen, beispielsweise Lebensmitteleinkäufen und Unterhaltszahlungen, zumal der Ehemann der BF sehr sparsam lebte. Eine vom Ehemann der BF vorgeschlagene Paartherapie lehnte die BF im November 2019 ab. Die Stimmungslage verschlechterte sich in der Folge weiterhin zog die BF im Herbst 2019 in ein anderes Zimmer im Haus. Die Ehe ist seit April 2020 unheilbar zerrüttet. Zu diesem Zeitpunkt stellte der Ehemann der BF fest, dass diese einen Hacker beauftragt hatte, um ihn zu überwachen und begehrte er ab diesem Zeitpunkt die Scheidung, wobei er die Scheidungsklage am 25.05.2020 bei Gericht einbrachte. Die BF hielt weiterhin, bis zu ihrer Scheidung am 04.06.2021 an ihrer Ehe fest. In der Folge verschärfte sich der Konflikt zwischen den Eheleuten, was zu gegenseitigen Anzeigen (vor allem wegen Körperverletzung) bei der Polizei führte. Da die Ermittlungsverfahren jedoch eingestellt wurden, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Streitteile gegenseitig am Körper verletzten.
Die BF hielt weiterhin an der Ehe fest, weil sie fürchtete bei der Ehescheidung ihren Aufenthaltstitel in Österreich zu verlieren und wieder nach XXXX zurückkehren zu müssen. Aus Sicht der BF gab es keine Möglichkeit sich in das Leben in der Russischen Föderation wiedereinzugliedern, deshalb wünschte sie sich die Aufrechterhaltung der Ehe und stellte sich strikt gegen eine Ehescheidung. Seit dem Zeitpunkt der endgültigen, unheilbaren Zerrüttung der Ehe im April 2020 verhielten sich die Streitteile zueinander lieblos und boshaft, um ihren jeweiligen Wunsch nach Beendigung bzw. Aufrechterhaltung der Ehe fortzusetzen.
Die Ehe der BF und ihres Ehemannes wurde mit Rechtskraft des Urteils des BG XXXX vom 04.06.2021, XXXX , aus gleichteiligem Verschulden geschieden.
Die BF absolvierte in ihrem Herkunftsstaat das Studium der Mathematik, welches sie im Juni 1990 abschloß und wurde dieses Studium, als mit einem Bachelor- und Masterstudium der Mathematik im Bundesgebiet vergleichbar gewertet und anerkannt. Darüber hinaus hat die BF zwei jeweils zweijährige Ausbildungen im Bereich praktische Psychologie und im Bereich Psychologie und Psychotherapie abgeschlossen, welche ebenso mit einem facheinschlägigen Universitätslehrgang vergleichbar bewertet und anerkannt wurde.
In der Russischen Föderation verfügt die BF über eine Eigentumswohnung in XXXX , in welcher derzeit ihre Tochter wohnt, woraus die BF monatlich ca. EUR 230,- lukriert. Im Herkunftsstaat war die BF als Psychologin und Psychotherapeutin in XXXX tätig.
Im Bundesgebiet besuchte die BF Deutschkurse, im Sommersemester 2020 die Lehrveranstaltung Deutsch als Fremdsprache Grundstufe III auf Niveau A2, A2+ an der Universität XXXX , welches sie mit sehr gut abschloss. Zuletzt besuchte die BF einen Deutschkurs auf Sprachniveau B1. Eine Deutschprüfung oder Integrationsprüfung hat die BF nicht abgelegt. Seit Juni 2020 befindet sich die BF in Beratung durch die XXXX Fraueninitiative (SAFI), die Frauen auf ihren Weg in ein finanziell unabhängiges und selbständiges Leben begleitet und unterstützt.
Die BF leidet an einem psychophysischen Erschöpfungszustand bei familiärer Belastungssituation. Bei ihr wurde außerdem ein PAP IV. festgestellt.
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.
Da die BF sowohl in ihrer Stellungnahme vom 20.11.2020, als auch in der Beschwerde vom 30.12.2020 keine Rückkehrbefürchtungen hinsichtlich der Russischen Föderation bzw. XXXX geäußert hat konnte die Vorlage eines Länder- und Informationsblattes zur Russischen Föderation unterbleiben.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in der Russischen Föderation. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist dem Inhalt dieser Länderberichte nicht substantiiert entgegengetreten. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Aufgrund der Vorlage des russischen Auslandsreisepasses der BF steht ihre Identität fest.
Die Angaben zur Einreise und Wohnsitznahme der BF in Österreich beruhen auf ihren Angaben in der eingebrachten Stellungnahme, sowie auf den in ihrer Beschwerde gemachten Angaben.
Sämtliche Feststellungen zur Ehe der BF ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Scheidungsurteil des BF XXXX vom 04.06.2021, XXXX . Dort wurde auch festgestellt, dass die BF weiterhin an der Ehe festhielt, um ihren Aufenthaltstitel in Österreich nicht zu verlieren. Beweiswürdigend hielt das BG XXXX dazu fest, dass sich das aus der Gesamtheit der Angaben der BF ergebe. Ihre Handlungen und Schilderungen würden keinesfalls darauf schließen lassen, dass sie aus anderen Gründen, etwa aus Liebe, noch an der Ehe festhalten würde. Es sei auch nicht logisch, dass man den Ehemann wegen Straftaten anzeige und einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stelle, jedoch weiterhin vorgebe, dass die Ehe nicht zerrüttet sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die BF, wie von ihr geschildert, nur unter erschwerten Umständen an ihr früheres Leben in Russland anknüpfen könnte und daher ihr Leben in Österreich fortsetzen möchte.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf dem vorgelegten Befundbericht vom 22.07.2020 der Dr. XXXX , Allgemeinmedizinerin. Beim diagnostizierten PAP IV handelt es sich um eine Krebsabstrichuntersuchung, welche verdächte Gewebeveränderungen und Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs darstellen. Weitere Befunde dazu wurden von der BF jedoch nicht vorgelegt, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass sie an Gebärmutterhalskrebs leidet. Auch zu ihrer psychischen Erkrankung wurden keine weiteren Unterlagen vorgelegt. Insbesondere wurden keine Unterlagen dazu vorgelegt, dass sich die BF in Österreich in Psychotherapie befände oder Medikamente einnehmen würde. Dass die BF durch das Scheidungsverfahren psychisch belastet ist, wird vom erkennenden Gericht nicht in Abrede gestellt. Festzuhalten bleibt, dass psychische Erkrankungen umfangreich in der Russischen Föderation behandelbar sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 idgF (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 idgF (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
§ 52 („Rückkehrentscheidung“) FPG lautet: (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
[…]
§ 11 NAG („Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel“) lautet:
(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 30 NAG („Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption“) lautet:
(1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.
[…]
3.2.1.1. Die BF war im Bundesgebiet durch den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ rechtmäßig aufhältig. Nachdem die BF rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt hat, ist sie im Bundesgebiet immer noch rechtmäßig aufhältig.
Der Aufenthalt ist auch dann rechtmäßig, wenn der Betroffene rechtzeitig einen Verlängerungsantrag (§ 24 Abs 1 NAG) eingebracht hat (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 52 FPG 2005; Stand 1.12.2017, rdb.at).
Die belangte Behörde hat sich daher zutreffend auf § 52 Abs. 4 FPG gestützt.
3.2.1.2. Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 ist ua dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des VwG kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK (mehr) geführt wird (vgl. VwGH vom 20.07.2016, Ra 2016/22/0058).
In casu wurde im Scheidungsurteil vom 04.06.2021 festgehalten, dass die Ehe der BF spätestens seit April 2020, sohin bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Verlängerungsantrages im August 2020 und im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde im Dezember 2020, unheilbar zerrüttet gewesen sei. Der nunmehrige Ex-Ehemann der BF brachte im Mai 2020 die Scheidungsklage ein. Im dem erkennenden Gericht vorliegenden Scheidungsurteil wurde festgestellt, dass die BF ua wegen ihres Aufenthaltsstatus an der Ehe festhält. Vor dem Hintergrund der obzitierten Judikatur handelt es sich daher um eine Aufenthaltsehe, zumal die BF zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen hat, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 ERMK (mehr) geführt wurde. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der belangten Behörde am 30.11.2020 hat jedenfalls kein Familienleben iSd Art. 8 ERMK mehr zwischen der BF und ihrem nunmehrigen Ex-Ehemann bestanden, wie dem Scheidungsurteil eindeutig zu entnehmen ist. Dass die BF weiterhin, bis zur Scheidung, im Haus des Klägers wohnte, vermag daran nichts zu ändern, zumal die BF seit Herbst 2019 in ein anderes Zimmer des Hauses gezogen und die Ehe seit April 2020 unheilbar zerrüttet ist. In den Folgemonaten kam es immer wieder zu wechselseitigen Anzeigen und verhielten sich die BF und ihr nunmehriger Ex-Ehemann boshaft und lieblos zueinander. Dass die Eheschließung ursprünglich aus Liebe erfolgt ist, vermag am Vorhandensein einer Aufenthaltsehe nach der Judikatur ebenfalls nichts zu ändern.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausgegangen.
3.2.1.3. Beruft man sich nach Auflösung des gemeinsamen Familienlebens für die Erteilung eines beantragten Aufenthaltstitels (zum Zweck der Familiengemeinschaft mit dem Ehemann/der Ehefrau) auf eine Ehe, wird der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 erfüllt. Es liegt der absolute Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG 2005 vor. In einem solchen Fall ist eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG 2005 (Art. 8 MRK) nicht vorzunehmen (vgl. E 10. Mai 2016, Ra 2016/22/0015).
Eine Interessenabwägung iSd § 11 Abs. 3 NAG (§ 9 Abs. 2 BFA-VG) hat daher in casu zu unterbleiben.
Die belangte Behörde hat gegen die BF zu Recht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG erlassen.
3.2.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.2.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im Rahmen der Erläuternden Bemerkungen zur Novellierung des § 52 Abs. 9 FPG im Rahmen des FrÄG 2017 mit BGBl. I Nr. 145/2017 (1523 der Beilagen XXV. GP) wurde klargestellt, dass das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes oder Abschiebungshindernisses nicht mehr die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder, wenn es nachträglich festgestellt wird, deren Außerkrafttreten zur Folge hat, sondern Gegenstand eines eigenen Spruchpunktes im Bescheid über die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist. Ergibt zB. die Gefährdungsprognose nach Art. 3 EMRK, dass dem – ausreisepflichtigen – Drittstaatsangehörigen im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat die Gefahr lebensbedrohender Verhältnisse drohen würde, ist künftig eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und in einem eigenen Spruchpunkt die Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 50 Abs. 1 FPG festzustellen sowie die Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 FPG auszusprechen.
3.2.2.2. Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass die BF während des gegenständlichen Verfahrens zu keinem Zeitpunkt Rückkehrbefürchtungen, über wirtschaftliche Erwägungen hinausgehend, in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation geäußert hat. In der Russischen Föderation besteht angesichts der vorliegenden Länderberichte in Zusammenschau mit der laufenden Medienbeobachtung keine dermaßen prekäre Sicherheits- oder Versorgungslage, welche eine Abschiebung per se als Verletzung von Artikel 3 EMRK erscheinen lassen würde. Die BF hat auch weder ein ausreichend substantiiertes Vorbringen in diese Richtung geäußert, noch sind notorische gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sprechende Umstände erkennbar (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101). Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung der BF in den Herkunftsstaat erfolgte demnach zu Recht.
3.2.2.3. Spruchpunkt II. war insofern mit der Maßgabe zu berichtigen, als diesem nicht zu entnehmen war, wohin die Abschiebung der BF zulässig sei. Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und bezog sich die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Abschiebung eindeutig auf die Russische Föderation, indem sie dort wörtlich festhielt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation zulässig sei. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.3. Zur Behebung des Einreiseverbotes (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Nach § 53 Abs 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs 1, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens EUR 1.000, - oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot verpflichten Drittstaatsangehörige zur Ausreise in den Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet derjenigen Mitgliedsstaaten einzureisen, für die die Rückführungs-RL gilt, und sich dort nicht aufzuhalten (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151 mwH). Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf daher nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, vielmehr muss auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Der räumliche Geltungsbereich ist allerdings nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind das Vereinigte Königreich und Irland, hinzu kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K3).
Der Verhängung eines Einreiseverbotes sowie in weiterer Folge der Bemessung seiner Dauer immanent ist die zum Entscheidungszeitpunkt durchzuführende individuelle Gefährdungsprognose. Der Beurteilung des durch den Fremden potentiell zu erwartenden Gefährdungspotentials kommt sowohl für die Frage, ob ein Einreiseverbot überhaupt zu verhängen ist, als auch hinsichtlich der Bemessung seiner Dauer zentrale Bedeutung zu. Zwar enthalten die Absätze 2 bis 3 des § 55 FPG eine demonstrative Auflistung von Tatbeständen, deren Erfüllung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder anderen in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen durch den Aufenthalt des Fremden indiziert; dennoch ist das Vorliegen eines der genannten Sachverhalte für sich genommen zur Erlassung eines Einreiseverbotes nicht ausreichend, vielmehr hat – unter Berücksichtigung des gesetzten Verhaltens – eine individuelle Gefährdungsprognose zu erfolgen, welche die Verhängung eines Einreiseverbotes in Abwägung mit den persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lässt (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K10).
Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG bzw. Art. 11 Rückführungs-RL umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230. Außerdem ist auf die persönlichen und familiären Interessen des BF Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
3.2.3.1. Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots auf den Tatbestand der Ziffer 6 des § 53 Abs. 2 FPG stützte, da die BF nicht den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen vermochte. Die BF besitze demnach keine Barmittel und habe keine Möglichkeit sich auf legalem Wege Geld zu leihen. Diesen Zustand könne die BF aus Eigenem nicht ins Positive verändern. Dem ist entgegenzuhalten, dass die BF zwar in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen ist und nunmehr, nach der Trennung von ihrem Ehemann über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet verfügt, die sie unterstützen könnten, doch hat sie im Herkunftsstaat Mathematik studiert und eine Ausbildung im Bereich Psychologie und Psychotherapie gemacht, welche im Bundesgebiet bereits anerkannt worden sind. Aus diesem Grund ist daher davon auszugehen, dass die gut ausgebildete BF im Bundesgebiet reelle Chancen hätte alsbald einen Job zu finden und ihren Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten.
Weiter erhält die BF aus der Vermietung ihrer Wohnung in XXXX monatlich 230.—Euro und wurde die Ehe im gegenseitigen Verschulden geschieden, sodass sich daraus auch eventuelle Unterhaltsansprüche ergeben können.
Dieser Umstand rechtfertigt daher die Annahme, dass ein Verbleib der BF im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, nicht.
In der Folge war das von der belangten Behörde ausgesprochene Einreiseverbot daher zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden.
Überdies bleiben Rückkehrentscheidungen, gemäß § 52 FPG, ab der Ausreise des Fremden ex lege, 18 Monate aufrecht.
3.2.4. Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da solche Umstände im Verfahren nicht hervorgekommen sind, hat das Bundesamt zu Recht eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, weshalb sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ebenfalls als unbegründet erweist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.5. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Grundlegend sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0391, mwN).
Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 26.1.2017, Ra 2016/21/0233; 29.8.2019, Ra 2017/19/0532, jeweils mwN).
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist (der angefochtene Bescheid wurde im November 2020 erlassen, wobei sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Hinweise auf eine Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Situation ergeben). Die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt, wobei das Anführen weiterer das Gesamtbild lediglich abrundender, für die Beurteilung jedoch nicht ausschlaggebender Argumente in diesem Zusammenhang nicht schadet (vgl. VwGH 18.6.2014, 2014/20/0002-7). Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.
Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
