BVwG I409 2226945-1

BVwGI409 2226945-16.1.2020

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
StGB §127
StGB §130
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:I409.2226945.1.00

 

Spruch:

I409 2226945-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien alias Marokko alias Libyen, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und durch die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. November 2019, Zl. "629887606-180024036/BMI-BFA_NOE_AST_02", zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 6. Mai 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, in Algerien aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Berbern sowie aufgrund seiner christlichen Konfession der Gefahr einer Verfolgung sowie Diskriminierungen ausgesetzt zu sein. Zudem sei sein Vater im Jahr 2008 "von den Arabern" umgebracht worden.

 

Ein mit Ungarn durchgeführtes Dublin-Konsultationsverfahren ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 29. April 2013 in Ungarn unter einer anderen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hatte, sodass sein Antrag auf internationalen Schutz vom 6. Mai 2013 mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2013 aufgrund der Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen wurde.

 

Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

Am 18. März 2014 wurde der Beschwerdeführer nach Ungarn überstellt, reiste jedoch abermals illegal in das Bundesgebiet ein.

 

Am 31. Juli 2014 stellte der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Strafhaft - abermals unter einer anderen Identität - einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, dass er keine neuen Fluchtgründe habe und seine alten Fluchtgründe weiterhin bestehen würden.

 

Dieser Antrag wurde, nach einem neuerlich durchgeführten Dublin-Konsultationsverfahren mit Ungarn, mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 2014 aufgrund der Zuständigkeit Ungarns als unzulässig zurückgewiesen und die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Ungarn angeordnet.

 

Auch dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

Am 8. Jänner 2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er unter der Rubrik "Fluchtgrund" Folgendes an:

 

"Im Jahre 1995 gab es Unruhen und Auseinandersetzungen zwischen der Minderheit der Berber und den algerischen Sicherheitsbehörden. Ein Polizist hat meine Schwester vor meinen Augen vergewaltigt. Ich nahm ein Messer und attackierte diesen Polizisten und verletzte ihn schwer. Ich flüchtete aus Algerien und lebte in Marokko, Tunesien und auch in Spanien. Ich wurde in Abwesenheit für 20 Jahre Haft verurteilt. Bei meiner Rückkehr nach Algerien würde ich festgenommen werden."

 

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 9. Jänner 2018 wurde dem Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet entzogen.

 

Am 18. Jänner 2018 wurde das gegenständliche Asylverfahren vorübergehend eingestellt, da der Beschwerdeführer in die Anonymität abtauchte und unbekannten Aufenthaltes war.

 

Am 16. Februar 2018 stellte der Beschwerdeführer - abermals unter einer anderen Identität - einen Antrag auf internationalen Schutz in den Niederlanden.

 

Am 22. Juni 2018 stellte der Beschwerdeführer - wieder unter einer anderen Identität - einen Antrag auf internationalen Schutz in Deutschland. Im Rahmen eines durchgeführten Konsultationsverfahrens erklärte sich Österreich zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrages zuständig. Einer für den 5. November 2018 angesetzten Überstellung von Deutschland nach Österreich entzog sich der Beschwerdeführer, indem er in die Anonymität abtauchte.

 

Am 16. Oktober 2019 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer polizeilichen Personskontrolle in Belgien, im Zuge derer sein illegaler Aufenthalt festgestellt wurde, festgenommen. Nach durchgeführten Konsultationen wurde der Beschwerdeführer von Belgien nach Österreich überstellt und das gegenständliche Asylverfahren am 5. November 2019 zugelassen.

 

Am 5. November 2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen, wobei wiederum abweichende Identitätsangaben tätigte. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er Folgendes an:

 

"LA (Leiter der Amtshandlung): Was war Ihrer Meinung nach der fluchtauslösende Moment, dass Sie Algerien verlassen haben? Schildern Sie dies bitte möglichst chronologisch und lebensnah, dh. mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde Ihr Vorbringen nachvollziehen kann. Nehmen Sie sich dafür im Rahmen einer freien Erzählung ruhig Zeit.

 

VP (Verfahrenspartei): Ich habe nicht so viele Gründe, meinen Grund habe ich zuvor gesagt, der Soldat wollte meine Schwester vergewaltigen und deshalb habe ich ihm mit einem Messer in seinen Oberschenkel gestochen. Ich bereue das nicht, dass ich das mit ihm gemacht habe. Und wenn ich sterbe und mit Gott rede, bin ich stolz, dass ich das mit ihm gemacht habe.

 

LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe Algerien betreffend?

 

VP: Ich habe keine weiteren Fluchtgründe."

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen (Spruchpunkt IV) und wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß "§ 13 Absatz 2 Ziffer 2 AsylG" wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 9. Jänner 2018 verloren hat (Spruchpunkt VI). Überdies wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß "§ 18 Absatz 1 Ziffer 1 und 2 BFA-VG" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII) und dem Beschwerdeführer gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG" keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VIII). Letztlich wurde gemäß "§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG" gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX).

 

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

 

A) 1. Feststellungen

 

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der volljährige Beschwerdeführer ist unverheiratet und kinderlos, Staatsangehöriger von Algerien, Angehöriger der Volksgruppe der Berber und gibt an, sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben zu bekennen. Seine Identität steht fest.

 

Er ist aufgrund von Epilepsie in medikamentöser Behandlung. Epilepsie ist in Algerien behandelbar.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus Algier, wo er siebzehn Jahre lang die Schule besucht und als Büroangestellter gearbeitet hat. In Europa hat er Berufserfahrung als Maler sowie Bauarbeiter gesammelt. Er ist erwerbsfähig.

 

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte und führt auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Seine Eltern sowie ein Bruder leben nach wie vor in Algerien. Der Beschwerdeführer steht nach wie vor in Kontakt zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat.

 

Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach.

 

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 4. Juli 2013 wurde der Beschwerdeführer wegen des (teils versuchten) gewerbsmäßigen, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 SMG rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 9. August 2013 wurde der Beschwerdeführer wegen des gewerbsmäßigen, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29. Juli 2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des gewerbsmäßigen, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13. Oktober 2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach § 127 und § 130 erster Fall StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 2. August 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach § 127 und § 130 erster Fall StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten verurteilt.

 

Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Algerien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Algerien also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

 

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

 

Zur Lage in Algerien werden folgende Feststellungen getroffen:

 

"Politische Lage

 

Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist seit der letzten Verfassungsreform im Jahr 2016 auf zwei Mandate begrenzt. Neben der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünfprozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) besteht eine zweite Kammer (Conseil de la Nation oder Sénat), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden. Die Gewaltenteilung ist durch die algerische Verfassung von 1996 gewährleistet, jedoch initiiert oder hinterfragt das Parlament seither selten Gesetzesvorschläge der Regierung und die Macht hat sich innerhalb der Exekutive zunehmend gefestigt. Präsident Bouteflika regierte weitgehend durch Präsidialdekret (BS 2018). Der Senatspräsident vertritt den Staatspräsidenten (AA 17.4.2019). Präsident Abdelaziz Bouteflika übernahm sein Amt erstmals im April 1999 (AA 17.4.2019). Am 17.4.2014 wurde er mit über 81% für eine vierte Amtszeit wiedergewählt (AA 17.4.2019; vgl. ÖB 13.2.2018).

 

Algerien, das größte Land Afrikas, gilt als wichtiger Stabilitätsanker in der Region. Die nächsten Präsidentschaftswahlen waren für den 18.4.2019 festgelegt (KAS 27.2.2019). Mehrere Oppositionsparteien wollten einen gemeinsamen Gegenkandidaten aufstellen - konnten sich allerdings nicht einigen (TB 22.2.2019; vgl. TS 26.3.2019).

 

Seit Februar 2019 kommt es in Algier und vielen anderen Städten zu massiven Protesten, um gegen die erneute Kandidatur des kranken, 81-jährigen Präsidenten Bouteflikazu protestieren. Es wird ein Wechsel des politischen Systems und der Abgang der politischen Führung des Landes gefordert (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 18.2.2019).

 

Die Proteste verliefen meist friedlich (BAMF 25.2.2019), dennoch setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um die Menge zu zerstreuen. Einige Menschen wurden vorübergehend festgenommen und nach ein paar Stunden wieder freigelassen (BAMF 25.2.2019; vgl. TB 22.2.2019). Staatliche wie auch regierungstreue Medien wurden in ihrer Berichterstattung eingeschränkt. Am 28.2.2019 demonstrierten rund hundert algerische Medienvertreter in Algier. Mehrere Journalisten wurden festgenommen. Am 1.3.2019 soll es landesweit zu ca. 200 verletzten Demonstranten und Polizisten gekommen sein (BAMF 4.3.2019).

 

Am 11.3.2019 verkündete Präsident Bouteflika in einer "Botschaft an das Volk", dass die für den 18.4.2019 geplanten Wahlen abgesagt wurden und dass er selbst keine fünfte Amtszeit mehr anstrebe. Außerdem entließ er die bisherige Regierung unter Premierminister Ouyahia und ernannte den bisherigen Innenminister Noureddine Bedoui zum neuen Premierminister. Generalstabschef und Vize-Verteidigungsminister Ahmed Gaid Salah verblieb im Amt. Dieses Angebot von Bouteflika wurde von den Demonstranten abgelehnt (AA 17.4.2019).

 

Am 26.3.2019 forderte Ahmed Gaid Salah das Verfassungsgericht und das Parlament auf, den Präsidenten gem. Artikel 102 der Verfassung aus gesundheitlichen Gründen für amtsunfähig zu erklären (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 1.4.2019; NZZ 26.3.2019). Nachdem auch die Machteliten, die bisher hinter Präsident Bouteflika standen, seinen Rücktritt gefordert hatten, ernannte dieser am 31.3.2019 eine Übergangsregierung. Zu der 27-köpfigen Übergangsregierung gehören sechs alte und 21 neue Minister (BAMF 1.4.2019). Wie das Staatsfernsehen mitteilte, gehörten von den 27 Ministern lediglich acht der vorherigen Regierung an. Neu besetzt wurden unter anderem die Spitzen von Außenministerium, Finanzministerium, Innenministerium und Energieministerium. Der am 11.3.2019 zum Regierungschef ernannte Noureddine Bedoui bleibt im Amt (TS 1.4.2019). Am 3.4.2019 erklärte Bouteflika mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt (TS 3.4.2019).

 

Die Bestätigung der Regierung durch das Parlament und Beauftragung von Senatspräsident Abdelkader Bensalah als Übergangspräsidenten ist am 9.4.2019 erfolgt. Präsidentschaftswahlen wurden für den 4.7.2019 anberaumt (AA 17.4.2019; BAMF 15.4.2019). Bouteflikas Nachfolger Abdelkader Bensalah unterzeichnete das entsprechende Dekret, wie die algerische Nachrichtenagentur APS meldete (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und das algerische Militär kündigte an, die politische Übergangsphase zu "begleiten", indem sie die Wahlvorbereitungen kritisch überwachen würden (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019). Salah versprach auch den Kreis um das ehemalige Staatsoberhaupt zu entmachten und die Mitglieder der amtierenden Führung des Landes sollten für mögliche Vergehen wie Korruption zur Verantwortung gezogen werden (ZO 11.4.2019). Die landesweiten Proteste fanden weiterhin statt (AA 17.4.2019). Der 77-jährige Bensalah, einer der engsten Vertrauten Bouteflikas, ist seit mehr als 16 Jahren Präsident der oberen Parlamentskammer (TS 9.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und ein langjähriger Weggefährte des Ex-Präsidenten (TS 9.4.2019). Bensalah darf bei der Wahl nicht selbst kandidieren (ZO 11.4.2019). Ihm fällt laut Verfassung die Verantwortung für die Übergangsphase zu. Gegen die Parlamentsentscheidung gab es erneut Demonstrationen in mehreren Städten Algeriens. Viele Demonstranten sehen in ihm einen Vertreter der alten Politikelite. Sie forderten einen vollständigen Wechsel an der Staatsspitze (TS 9.4.2019).

 

Weder der Rücktritt von Präsident Bouteflika noch die Ankündigung von Neuwahlen für den 4.7.2019 konnten weitere Demonstrationen verhindern. Tausende Menschen kamen zusammen, darunter auch erstmals eine einflussreiche Richtervereinigung, die erklärte, die Beaufsichtigung der angekündigten Präsidentschaftswahl boykottieren zu wollen. Die Protestierenden fordern den Rücktritt der gesamten Wirtschafts- und Machtelite ("le pouvoir") um Bouteflika (BAMF 15.4.2019). Am 10.5.2019, richteten sich die Proteste in der Hauptstadt hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah (BAMF 13.5.2019) und am 17.5.2019 verlangten die Demonstrierenden die für den 4.7.2019 geplanten Neuwahlen zu verschieben. Es sollen keine ehemaligen Machtinhaber, wie z.B. der Armeechef Ahmed Gaid Salah, an einer neuen Regierung beteiligt sind.

 

Seit Beginn der Proteste gehen noch mehr Menschen auf die Straßen, aber auch die Sicherheitsmaßnahmen wurden erhöht. Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt und Kontrollen an den Einfallstraßen in die Hauptstadt eingerichtet. Meldungen der Nachrichtenagentur AFP zufolge, soll es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften und zum Einsatz von Tränengas gekommen sein. Über Verletzte wurde nichts bekannt. Am 19.5.2019 haben auch tausende Studenten in Algier gegen die Fortsetzung einer Regierung mit alten Machtinhabern demonstriert (BAMF 20.5.2019).

 

Nachdem sich lediglich zwei Kandidaten für die Wahl am 4.7.2019 gemeldet hatten, jedoch nicht die geforderten Voraussetzungen erfüllten, hat der Verfassungsrat den Termin erneut verschoben. Interimspräsident Bensalah muss jetzt innerhalb seiner Amtszeit, die am 9.7.2019 endet, einen neuen Termin festsetzen (BAMF 3.6.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Demonstrationen finden seit Mitte Februar 2019 fast täglich in allen größeren Städten statt, die größten Protestmärsche nach den Freitagsgebeten. Auch wenn diese bisher weitgehend friedlich verlaufen sind, können gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden (AA 29.5.2019). Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB 13.12.2018). Das Risiko von Terroranschlägen islamistischer Gruppen und Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund ist besonders hoch (BMEIA 29.5.2019; vgl. AA 29.5.2019). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 29.5.2019). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab (BS 2018). Algerien steht auch aufgrund seines riesigen Staatsgebietes vor Herausforderungen. Dies erschwert den Kampf gegen den Terrorismus noch mehr. Die Überreste von terroristischen Gruppen aus den 90er Jahren in der Sahara und einigen nördlichen Regionen stellen immer noch eine massive Einschränkung der Regierungsführung dar (BS 2018).

 

Der djihadistische Terrorismus in Algerien ist stark reduziert worden; Terroristen wurden Großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben oft das Land verlassen, was zur Verlagerung von Problemen in die Nachbarstaaten z.B. Mali führte. Gewisse Restbestände oder Rückzugsgebiete sind jedoch v.a. in der südlichen Sahara (so z.B. angeblich Iyad ag Ghali) vorhanden. Gruppen, wie die groupe salafiste pour la prédication et le combat (GSPC), die den 1997 geschlossenen Waffenstillstand zwischen dem algerischen Militär und der AIS nicht anerkannte, sich in die Saharagebiete zurückzog und 2005 mit Al Qaida zur AQIM verband sind auf kleine Reste reduziert und in Algerien praktisch handlungsunfähig. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die Mouvement d'unité pour je jihad en Afrique occidentale (MUJAO). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 13.12.2018).

 

Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2018).

 

Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich jedoch inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien und zu Mali. Es kommt jedoch mehrmals wöchentlich zu Razzien und Aktionen gegen Terroristen oder deren Unterstützer (ÖB 13.12.2019).

 

Spezifische regionale Risiken

 

Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 29.5.2019). 2017 gab es (mindestens) vier Anschläge mit eindeutig islamistischem Hintergrund, und zwar in Blida, Constantine, Oued Djemaa (Wilaya Blida), Ferkane (Wilaya Tebessa) und Tiaret (ÖB 13.12.2019).

 

Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer (Nord-Westen von Algier und Wilaya de Batna) wird gewarnt (BMEIA 29.5.2019; vgl. AA 29.5.2019, FD 29.5.2019; ÖB 13.12.2018). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 29.5.2019; ). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 29.5.2019). Praktisch nicht mehr existent sind die früher häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei von wohlhabenden Einheimischen mit kriminellem Hintergrund (Lösegeldforderung). In den südlichen Grenzregionen zu Niger und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 13.12.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz / Justizwesen

 

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a; BS 2018). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter (USDOS 13.3.2019;

vgl. BS 2018), sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 13.3.2019). Der Oberste Justizrat ist für die richterliche Disziplin und die Ernennung und Entlassung aller Richter zuständig (USDOS 13.3.2019;

vgl. BS 2018). Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wird in der Praxis nicht gänzlich gewährleistet (BS 2018), sie ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 13.3.2019). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Ein berufsständisches Gesetz zu Status und Rolle der Anwaltschaft existiert nicht (AA 4.4.2018; vgl. BS 2018), der jedoch unter dem Einfluss der Exekutive steht (BS 2018).

 

Praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden vom Obersten Justizrat getroffen (BS 2018). Die Richter werden für eine Dauer von zehn Jahren ernannt und können u.a. im Fall von Rechtsbeugung abgelöst werden (AA 4.4.2018). Im Straf- und Zivilrecht entscheiden Justizministerium und der Präsident der Republik mittels weisungsabhängiger Beratungsgremien über das Fortkommen von Richtern und Staatsanwälten. Das Rechtswesen kann so unter Druck gesetzt werden, besonders in Fällen, in denen politische Entscheidungsträger betroffen sind. Es ist der Exekutive de facto nachgeordnet. Im Handelsrecht führt die Abhängigkeit von der Politik zur inkohärenten Anwendung der Anti-Korruptionsgesetzgebung, da auch hier die Justiz unter Druck gesetzt werden kann (GIZ 12.2016a).

 

Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Dies betrifft bisher insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992. Das Strafmaß für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten soll allerdings grundsätzlich auf Geldbußen beschränkt sein (AA 4.4.2018). Der Straftatbestand der "Diffamation" führt zu zahlreichen Anklagen durch die staatlichen Anklagebehörden und schwebt als Drohung über Journalisten und allen, die sich öffentlich äußern (GIZ 12.2016a).

 

Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess (USDOS 13.3.2019), aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 4.4.2018). Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger, dieser wird falls nötig auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagten und ihren Anwälten wird gelegentlich der Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln gegen sie verwehrt. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 13.3.2019). Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, und sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und kritischen Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts (AA 4.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a). Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen (GIZ 12.2016a). Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a). Der Gendarmerie Nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS:

130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z.B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).

 

Die Gendarmerie Locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen. Die Armee ANP (Armée Nationale Populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen. Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).

 

Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 13.12.2018). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Folter ist gesetzlich verboten (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 13.12.2018). Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 4.4.2018). Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (AA 4.4.2018). In den neuesten Berichten von Menschenrechtsorganisationen werden Fälle bis 2015 aufgeführt, in denen Übergriffe gegen Personen in Gewahrsam bis hin zu Folter durch die Sicherheitsdienste beklagt werden. Auf neuere Fälle gibt es keine Hinweise (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019)

 

Das Strafmaß für Folter liegt zwischen 10 und 20 Jahren. Nach Angaben des Justizministeriums gab es im Laufe des Jahres sechs Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Strafverfolgungsbeamte wegen Folter. Menschenrechtsaktivisten gaben an, dass die Polizei manchmal übermäßige Gewalt gegen Verdächtige einschließlich Demonstranten angewendet hat (USDOS 13.3.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

Korruption

 

Gesetzlich sind zwar bis zu zehn Jahre Haft für behördliche Korruption vorgesehen, jedoch wird das Gesetz von der Regierung nicht effektiv durchgesetzt. Korruption bleibt ein Problem. Manchmal üben Beamte straflos korrupte Praktiken aus (USDOS 13.3.2019). Das dem Justizministerium unterstellte Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption ist das hauptverantwortliche Regierungsorgan (GIZ 12.2016a). Korruption in der Regierung beruht hauptsächlich auf einer überbordenden Bürokratie und mangelnden transparenten Strukturen (USDOS 13.3.2019). Auf dem Corruption Perceptions Index für 2018 liegt Algerien auf Platz 105 von 180 (TI 2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Freiwilliger Militärdienst kann bereits im Alter von 18 Jahren angetreten werden. In Algerien sind Männer im Alter von 19 - 30 Jahren zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet. Dieser dauert 18 Monate und ist in sechs Monate Grundausbildung und zwölf Monate zivile Projekte unterteilt (CIA 7.5.2019). Der Wehrdienst dauert seit 2014 nur noch 12 Monate, es gibt keinen Ersatzdienst (ÖB 13.12.2018).

 

Quellen:

 

 

 

Wehrdienstverweigerung / Desertion

 

Nach dem Militärstrafgesetzbuch wird Wehrdienstentziehung (Art. 254 des Militärstrafgesetzbuches, Strafrahmen drei Monate bis fünf Jahre Haft) und Fahnenflucht (§§ 258 ff., Strafrahmen im Frieden je nach Fallgestaltung sechs Monate bis fünf Jahre, bei Offizieren bis zehn Jahre Haft) geahndet. Nach Algerien zurückgekehrte Wehrpflichtige, die keine Befreiung vom Wehrdienst (z. B. wegen Studiums oder aus familiären Gründen) nachweisen können, werden zur Ableistung des Wehrdienstes den Militärbehörden überstellt. Eine Bestrafung ist nicht vorgesehen. Deserteure müssen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe den unterbrochenen Militärdienst bis zur Erfüllung der regulären Dienstzeit (Haftzeit nicht eingerechnet) fortsetzen. Wehrdienstentziehung oder Fahnenflucht können dann zu weiteren Repressalien führen, wenn besondere, als staatsgefährdend eingestufte Handlungen hinzutreten (AA 4.4.2018). Seit der Umsetzung einer entsprechenden Ankündigung des Staatspräsidenten (2001) in eine Verwaltungsvorschrift sind alle über 27-jährigen, die sich nicht auf strafbare Weise dem Wehrdienst entzogen haben, künftig nicht mehr einzuziehen. Strafbar ist dagegen die Entziehung nach Zustellung eines Einberufungsbescheides, der auf Grundlage der Registrierung bei den Meldebehörden (seit 1994 für alle männlichen Algerier bei Erreichen des achtzehnten Lebensjahres verpflichtend) erstellt wird. Von der Maßnahme sind vor allem im Ausland lebende junge Algerier begünstigt, die der Registrierungspflicht so faktisch entkommen (AA 4.4.2018).

 

Es gibt keine legale Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung. Verweigerer werden als Deserteure angesehen.

Kriegsdienstverweigerern drohen zwei Jahre Gefängnis, ein Jahr Militärdienst und ein Jahr Verlängerung der Dienstzeit aufgrund der Gefängniszeit. Bei erneuter Verweigerung nach der Haftstrafe droht ein weiterer Zyklus der Inhaftierung. (Gesetz Nr. 14-06, 13 Chaoual 1435 mit Änderung vom 9. August 2014, Artikel 254) (ÖB 13.12.2018).

 

Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, den Militärdienst zu umgehen, noch gibt es einen Ersatzdienst. Die Bestimmungen für Deserteure wurden verschärft. Es gibt wenig oder gar keine Informationen, die darauf hindeuten, dass Menschen, die sich dem Wehrdienst entziehen, vor den Militärgerichten strafrechtlich verfolgt und zu Freiheitsstrafen verurteilt werden. Bestrafung im Zusammenhang mit der Umgehung des Wehrdienstes stellt in Algerien kein allgemeines Menschenrechtsproblem mehr dar (RDC 29.4.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 4.4.2019). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort (AA 17.4.2019). Meinungs- und Versammlungsfreiheit existieren lediglich auf dem Papier (GIZ 12.2016a), werden eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2018) und die Unabhängigkeit der Justiz ist mangelhaft. Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, inklusive Foltervorwürfe, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung zu wählen. Weitverbreitete Korruption begleitet Berichte über eingeschränkte Transparenz bei der Regierungsführung. Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).

 

Obwohl die Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet, schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, GIZ 12.2016a, BS 2018). NGOs kritisieren diese Einschränkungen. Bürger können die Regierung nicht ungehindert kritisieren. Es drohen Belästigungen und Verhaftungen; Bürger sind somit bei der Äußerung von Kritik zurückhaltend (USDOS 13.3.2019). Es gibt zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (GIZ 12.2016a). Die Gründung von drei privaten Fernsehsendern durchbrach 2013 das staatliche TV-Monopol (BS 2018). Diese privaten Anbieter stehen aber unter scharfer Beobachtung. Das Tor zur Welt stellt für die algerische Bevölkerung jedoch das Satellitenfernsehen dar - Satellitenschüsseln sind in riesiger Anzahl überall installiert und erlauben den Zugang zu Europa und zur arabischen Welt (GIZ 12.2016a).

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, sie bleiben aber bislang - auch nach Aufhebung des Ausnahmezustands durch Präsident Bouteflika im Februar 2011 - in der Praxis stark eingeschränkt (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, HRW 9.4.2019). Ergebnis ist, dass die Möglichkeiten politischer Tätigkeit insbesondere in Algier weiterhin eng begrenzt sind. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit festgenommen zu werden (ÖB 13.12.2018). So besteht in Algier unter Berufung auf ein Dekret aus dem Jahr 2001 weiterhin ein generelles Demonstrationsverbot (AA 4.4.2018; vgl. HRW 9.4.2019). Auch am 10.5.2019 sind die Menschen wieder in Massen auf die Straßen gegangen. In der Hauptstadt Algier richteten sich die Proteste hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah. Das Militärgericht in Blida hat am 9.5.2019 die Generalsekretärin der oppositionellen Arbeiterpartei Louisa Hanoune festgenommen. Sie hat zusammen mit ihrer Partei die Proteste unterstützt. Ein Tatvorwurf ist bisher nicht bekannt (BAMF 13.5.2019). Auch in anderen Städten werden Demonstrationen trotz Aufhebung des Ausnahmezustands weiterhin regelmäßig nicht genehmigt. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 4.4.2018).

 

Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen (USDOS 13.3.2019). Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 9.4.2019).

 

Das im Jahr 2012 verabschiedete Gesetz über Vereinigungen erleichterte auch die Gründung von politischen Parteien (BS 2018), wofür wie bei anderen Vereinigungen eine Genehmigung des Innenministeriums nötig ist. Politische Parteien auf Basis von Religion, Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Region sind verboten. Es gibt jedoch islamistisch ausgerichtete Parteien, v.a. jene der grünen Allianz (USDOS 13.3.2019). Seit Verabschiedung des Parteigesetzes 2012 nahm die Anzahl der Parteien deutlich zu. Dies führte jedoch auch zu einer Zersplitterung der Opposition (BS 2018). Oppositionsparteien können sich relativ ungehindert betätigen, soweit sie zugelassen sind, und haben Zugang zu privaten und - in sehr viel geringerem Umfang - staatlichen Medien. Jedoch haben einzelne Parteien kritisiert, dass ihnen teils die Ausrichtung von Versammlungen erschwert wird und sie Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt sind (AA 4.4.2019).

 

Die CNDH als staatliche Menschenrechtsorganisation (Ombudsstelle) hat eine konsultative und beratende Rolle für die Regierung. Sie veröffentlicht jährlich Berichte zur Menschenrechtslage im Land (USDOS 13.3.2019). Zahlreiche Einzelfälle zeigen jedoch, dass die Funktion eines Ombudsmannes gegenüber der Verwaltung fehlt (ÖB 13.12.2018).

 

Verschiedene nationale Menschenrechtsgruppen operieren und können ihre Ergebnisse publizieren. Sie sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß Einschränkungen durch die Regierung ausgesetzt. Gesetzlich ist es allen zivilen Organisationen vorgeschrieben, sich bei der Regierung zu registrieren. Dennoch operieren einige Organisationen ohne Registrierung und werden seitens der Regierung toleriert (USDOS 13.3.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Die Haftbedingungen entsprechen im Allgemeinen internationalen Standards. Es gibt Berichte von Überbelegungen in einigen Gefängnissen. Eine Ombudsmannstelle für Beschwerden gibt es nicht, jedoch können Insassen unzensierte Beschwerden an die Gefängnisverwaltung, Ärzte oder ihre Rechtsvertreter richten. Das Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besucht Inhaftierte in verschiedenen Gefängnissen. Vulnerable Häftlinge werden getrennt inhaftiert; Zivilschutz erstreckt sich auf alle Gefangenen (USDOS 13.3.2019). Der IKRK-Delegierte hält engen Kontakt mit algerischen Ministerien und Behörden und beurteilte die Zusammenarbeit mit der Regierung als grundsätzlich positiv (AA 4.4.2018). Im Laufe des Jahres veranstaltete das IKRK Schulungen zu Menschenrechtsstandards im Zusammenhang mit Festnahme-, Haft- und Verhörverfahren für die Justizpolizei, die Gendarmerie, sowie für Richter. Die Behörden verbesserten die Zustände in den Gefängnissen, um internationalen Standards gerecht zu werden (USDOS 13.3.2019).

 

Es gibt Fälle lang andauernder Haft ohne Anklage oder Urteil. Ob die Haftbedingungen allgemein UN-Standards entsprechen, kann nicht festgestellt werden. Allerdings hat ein britisches Inspektorenteam, das von 2007 bis 2012 ein Fünfjahres-Projekt zur Gefängnisreform in Kooperation mit den algerischen Behörden (Justizministerium, Gefängnisleitungen) durchgeführt hat, dem Gefängnis El Harrach (Algier) "annehmbare" Qualität attestiert. Gleichwohl unterstrich das britische Team glaubhaft, dass dieses Gefängnis massiv überbelegt sei und man vom Einsatz physischer Gewalt (Schlagstöcke) ausgehe. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Unruhen gekommen (AA 4.4.2018).

 

Aktuell beherbergen 131 Gefängnisse im Land (Stand 2013) 60.220 Insassen (World Prison Population List von 2016). Die staatliche Menschenrechtskommission wies darauf hin, dass damit jedem Häftling nur ca. 2 qm Zellenfläche zur Verfügung stünden. An Resozialisierungsmaßnahmen fehle es weitgehend, Ausbildungsmaßnahmen seien ineffektiv, die medizinische Versorgung hingegen laut den britischen Experten in allen Gefängnissen gut. Es werden weiter Haftanstalten neu gebaut, so sollten im Jahr 2017 17 neue Gefängnisse eröffnet werden, durch die Bauten der Kolonialzeit ersetzt wurden. Ein weiterer Aspekt der Reform sind - im Rahmen eines abgeschlossenen Kooperationsprojekts mit der EU-Delegation seit 2008 - Alternativen zu Haftstrafen wie gemeinnützige Arbeit. Dies ist durch das Strafgesetzbuch seit 2009 in bestimmten Fällen vorgesehen und wird seit Jänner 2010 auch angeordnet. Hinzu treten Resozialisierungsmaßnahmen (AA 4.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

Todesstrafe

 

Die Todesstrafe ist für zahlreiche Delikte vorgesehen und wird auch verhängt, doch gibt es in der Praxis ein Moratorium und seit 1993 werden offiziell keine Exekutionen mehr durchgeführt (GIZ 12.2016a; vgl. AI 22.2.2018, AA 4.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Die Bevölkerung besteht zu 99% aus sunnitischen Moslems, und zu weniger als 1% aus Christen, Juden und anderen (CIA 29.5.2019). Verschiedene inoffizielle Schätzungen geben die Anzahl der Christen in Algerien zwischen 20.000 und 200.000 an. Durch den Zuzug von Studenten und Migranten aus Subsahara-Afrika ist die Anzahl der Christen in den letzten Jahren gestiegen. Beide christliche Kirchen sind als Vereine algerischen Rechts offiziell akkreditiert, mit dem Vatikan unterhält Algerien seit 1972 über einen Nuntius diplomatische Beziehungen (AA 4.4.2018).

 

Die Verfassung gewährleistet Glaubensfreiheit. Gesetzliche Bestimmungen gestatten allen Individuen die Freiheit, ihre Religion auszuüben, solange die öffentliche Ordnung und gesetzliche Bestimmungen gewahrt bleiben (USDOS 29.5.2018). Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 4.4.2018), verbietet aber Diskriminierung aus religiösen Gründen (AA 4.4.2018). Auch in der Praxis ist die Religionsfreiheit gut etabliert. Christen können ihren Glauben an designierten Örtlichkeiten frei ausüben (BS 2018). Muslime, die zum Christentum konvertieren bzw. den Islam oder islamische Würdenträger kritisieren, sind gesellschaftlichen und rechtlichen Restriktionen ausgesetzt (BS 2018; vgl. USDOS 29.5.2018). Die kollektive Religionsausübung muslimischer wie nichtmuslimischer Religionen ist einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Religiöse Gemeinschaften müssen sich als "Vereine algerischen Rechts" beim Innenministerium akkreditieren lassen, Zulassungen bzw. Neubauten von Moscheen und Kirchen vorab durch eine staatliche Kommission genehmigt werden, und Veranstaltungen religiöser Gemeinschaften fünf Tage vor Veranstaltungsbeginn dem örtlichen Wali angezeigt werden. Diese dürfen nur in dafür vorgesehenen und genehmigungspflichtigen Räumlichkeiten stattfinden. Zuwiderhandlungen sind mit Strafe bedroht (AA 4.4.2018). Gemäß Verfassung sind politische Parteien auf Grundlage der Religion verboten (USDOS 13.3.2019). Missionstätigkeit (von Muslimen durch Nicht-Muslime) ist gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 4.4.2018). Die (versuchte) Konvertierung eines Muslims zu einer anderen Religion ist unter Strafe gestellt (Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren) (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 29.5.2018) sowie eine Geldstrafe (USDOS 29.5.2018).

 

Im Jahr 2017 führte die Regierung Ermittlungen gegen mindestens 205 Ahmadi-Muslime und verhaftete Dutzende. Gründe waren etwa das Betreiben einer nicht autorisierten Religionsgemeinschaft, illegales Spendensammeln und der Druck von Büchern, Beten außerhalb eines autorisierten Gebetsplatzes, Verletzung der nationalen Sicherheit, Abhaltung von nicht autorisierten Gottesdiensten sowie nicht autorisierte Religionsausübung und Missionierung. Im April 2018 rief der damalige Stabschef des Präsidenten des Landes die Bürger auf, "das Land vor den Schiiten und Ahmadi-Sekten zu schützen". Der Minister für religiöse Angelegenheiten erklärte im Februar 2018, dass Ahmadis "die Grundlage des Islam schädigen", und im Juli 2018, so Human Rights Watch, sagte er, dass Ahmadis von einer "fremden Hand" manipuliert wurden, um die Regierung zu destabilisieren. Ein algerischer Islamrat erklärte, dass der Glaube der Ahmadi außerhalb des Islam liegt. Christliche Gruppen berichten von Schwierigkeiten bei administrativen Vorgängen mit den Behörden. Es gibt Berichte über gesellschaftlichen Missbrauch oder Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung, v.a. gegenüber Konvertiten (USDOS 29.5.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Algeriens ethnische Zusammensetzung ist eine Mischung aus Arabern und Berbern, wobei die große Mehrheit der Algerier berberischen Ursprungs ist. Nur eine Minderheit identifiziert sich selbst als Berber (CIA 29.5.2019).

 

Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar. Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht; es liegen auch keine belastbaren Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte Diskriminierungen vor (AA 4.4.2018).

 

Neben der mehrheitlich arabischen Bevölkerung leben in verschiedenen Regionen Berbervölker, unter denen sich besonders die Kabylen seit der Unabhängigkeit Algeriens für die Anerkennung ihrer Sprache (Tamazight) und ihrer Kultur einsetzen. Durch die Verfassungsreform von 2016 wurde Tamazight, nach dem Arabischen, zur Amtssprache erklärt (AA 4.4.2018).

 

Ethnische (Berber)Minderheiten, vor allem im Süden des Landes, führen diskriminierendes Verhalten der Sicherheitskräfte an. Mozabiten [Anm.: eine muslimische Minderheit] in der Wilaya Ghardaia beklagen, dass sie von Sicherheitskräften nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt würden. Polizei und Gendarmerie seien parteiisch, außerdem mache sich bemerkbar, dass Mozabiten vom verpflichtenden Militärdienst praktisch befreit seien und keine Vertreter in Polizei und Gendarmerie entsendeten. Auch in der Kabylei mit einer starken regionalen Identität gibt es immer wieder Klagen über systematische Benachteiligungen und Repressionen (ÖB 13.12.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

Relevante Bevölkerungsgruppen

 

Frauen

 

Die Verfassung garantiert die Gleichstellung der Geschlechter (FH 4.2.2019), aber Frauen sind nach wie vor sowohl rechtlichen als auch gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Viele Frauen verdienen weniger als Männer in ähnlichen Positionen, und es gibt nur wenige Frauen in Führungspositionen von Unternehmen (FH 4.2.2019; vgl. HRW 17.1.2019; USDOS 13.3.2019; AA 4.4.2018). Frauen werden in der Beschäftigung diskriminiert. Frauenorganisationen berichteten, dass Diskriminierung weit verbreitet sei (USDOS 13.3.2019). Die Verfassung verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und die Regierung setzt dies auch in der Praxis um. Frauen sind weiterhin rechtlicher (im Familienrecht) und sozialer Diskriminierung ausgesetzt (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019; AA 4.4.2018).

 

Insbesondere in den unteren sozialen Schichten führen Scheidungen, Scheidungsfolgen und das diskriminierende Erbrecht (der Pflichtteil weiblicher Abkömmlinge ist im Vergleich zu dem der männlichen Miterben halbiert) häufig zu Mittellosigkeit und gesellschaftlicher Marginalisierung von Frauen. In Algier und anderen großen Städten des Nordens spielen Frauen gleichwohl eine maßgebliche Rolle in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Der neuen, im Anschluss an die Präsidentschaftswahl vom 17.4.2014 eingesetzten Regierung gehörten sieben Ministerinnen bzw. beigeordnete Ministerinnen an, nach mehreren Umbildungen sind es fünf. Die Mehrheit der Frauen bleibt jedoch fest in patriarchalische Strukturen eingebunden. Eine Novelle des Familiengesetzbuchs ("Code de la famille"), die die Situation vor allem geschiedener Frauen verbessert, wurde am 14.3.2005 von der Nationalversammlung verabschiedet. Obwohl dadurch wesentliche Defizite des auf der Scharia fußenden Familienrechts, wie die Tutelle (lebenslange Vormundschaft durch den Vater oder ein anderes männliches Familienmitglied; Zustimmung des Vormunds zu allen wesentlichen Entscheidungen) oder ein eingeschränktes Scheidungsrecht, abgemildert worden sind, wirken traditionell-religiöse Regelungen vor allem der sunnitisch-malikitischen Rechtstraditionen des Landes faktisch in vieler Weise fort (AA 4.4.2018).

 

Vergewaltigung ist strafbar. Das Strafmaß beträgt fünf bis zehn Jahre, und die Behörden setzen das Gesetz üblicherweise durch (USDOS 13.3.2019). Der Straftatbestand der innerehelichen Vergewaltigung existiert gesetzlich nicht (USDOS 13.3.2019). Der Straftatbestand der Vergewaltigung bezieht sich auf Sachverhalte außerhalb der Ehe (AA 4.4.2018). Viele Frauen zeigen Fälle von Vergewaltigung aufgrund von gesellschaftlichem und familiärem Druck nicht an (USDOS 13.3.2019). Das Strafgesetzbuch definiert Vergewaltigung nicht, bezeichnet sie jedoch als Angriff auf die Ehre. Während das algerische Gesetz zur Bekämpfung häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2015 einige Formen häuslicher Gewalt kriminalisierte, enthielt es Schlupflöcher, die es ermöglichen, Verurteilungen fallen zu lassen oder die Strafen zu verringern, wenn die Opfer ihre Täter begnadigen (HRW 17.1.2019). Sieben Monate nach der Annahme durch die Nationalversammlung stimmte auch der Senat im Dezember 2015 einer Gesetzesvorlage "zum Schutz der Frauen" vor häuslicher Gewalt zu. Es handelt sich jedoch um eine abgemilderte Fassung - das Opfer kann durch Erklärung jederzeit das Strafverfahren beenden und riskiert daher, unter Druck gesetzt zu werden. Dennoch ist das neue Gesetz entsprechend den Äußerungen von NGOs und Zivilgesellschaft als bewusstseinsbildender Fortschritt zu sehen, der die Rechtswirklichkeit nicht unbeeinflusst lassen sollte. Dem Vernehmen nach gibt es landesweit nur eine Einrichtung, die mit einem Frauenhaus verglichen werden kann und die in Algier durch die Organisation "S.O.S. femmes en détresse" betrieben wird (AA 4.4.2018). Es gibt Aufnahmezentren (centres d'accueil), an die sich Frauen in Notfällen wenden können (ÖB 13.12.2018). Es gibt keine Erkenntnisse zu weiblicher Genitalverstümmelung (AA 4.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Kinder

 

Es besteht eine allgemeine Schulpflicht für Kinder und Jugendliche, und Bildung ist bis zum Universitätsabschluss kostenlos (AA 4.4.2018; vgl. SOS o.D.). Die Schulpflicht besteht bis zum Alter von 16 Jahren (SOS o.D). Dennoch gibt es vermehrt Schulabbrüche (AA 4.4.2018; vgl. SOS o.D.), die ihre Ursache in der prekären finanziellen Situation der Familien haben. Nach offiziellen Angaben werden zwar nahezu alle Kinder eingeschult, zeitweilige Kinderarbeit (speziell in den Schulferien) als Straßenverkäufer oder in der Landwirtschaft kommt jedoch vor. Als Fortschritt anzuerkennen ist das 2015 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz der Kindheit, das einen Rechtsrahmen verstärkter staatlicher Fürsorge vorgibt und in Folge dessen eine nationale Beauftragte für Schutz und Förderung der Kindheit eingesetzt wurde. Bislang sind mit Blick auf Themen wie Gewalt gegen Kinder (in Elternhaus, Schule und Gesellschaft) und deren Versorgung (einschließlich Recht auf Bildung und Gesundheit und sonstigen rechtlichen Schutz) gravierende Defizite zu konstatieren. Neue Strafnormen des Strafgesetzbuchs stellen neben Kindesentführungen u.a. die Vergewaltigung von Kindern, Inzest, Kindesprostitution und Kinderpornographie unter Strafe, mit teils drastischen Strafrahmen (AA 4.4.2018).

 

Das gesetzliche Mindestalter für eine Heirat ist 19 Jahre für Männer und Frauen. Unabhängig vom Geschlecht dürfen Minderjährige mit elterlicher Zustimmung heiraten. Gegen ihren Willen dürfen Minderjährige laut Gesetz nicht verheiratet werden. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ist 16 Jahre. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von 10 bis 20 Jahren für Vergewaltigungen vor, wenn das Opfer minderjährig ist. Ein Mann, der eine Minderjährige vergewaltigt hat, kann sich einer Strafverfolgung durch Heirat derselben entziehen. Über die Anwendung dieser rechtlichen Regelung gibt es keine Erkenntnisse (USDOS 13.3.2019).

 

Zurzeit gibt es in Algerien ein SOS-Kinderdorf, eine SOS-Jugendeinrichtung, einen SOS-Kindergarten und vier SOS-Sozialzentren. SOS-Kinderdorf setzt sich für den Schutz und die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen des Landes ein. In Algerien leben ca. 550.000 Waisenkinder, die ein oder beide Elternteile verloren haben. Waisenkinder sind besonders stark von Ausbeutung jeglicher Art bedroht (SOS o.D.).

 

Kindesmissbrauch ist illegal. Das Gesetz verbietet die Anstiftung zur Prostitution und sieht Freiheitsstrafen zwischen 10 und 20 Jahren vor (USDOS 13.3.2019). Nach Angaben von Berichten ist der Kindesmissbrauch in Algerien nach wie vor ein weit verbreitetes Problem (SOS o.D.; vgl. USDOS 13.3.2019). Viele Fälle werden nicht gemeldet, und die gegen Kindesmissbrauch verabschiedeten Gesetze haben bislang nur in sehr wenigen Fällen zu einer strafrechtlichen Verfolgung geführt. Die meisten Kinder, die Zwangsarbeit verrichten, gehen nicht zur Schule und erhalten daher keine Grundausbildung (SOS o. D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

Homosexuelle

 

Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind laut Gesetz strafbar (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019) und können mit Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen geahndet werden. Die vage Definition von "homosexuelle Akte" und "Akte gegen die Natur" im Gesetz erlaubt gemäß LGBT Aktivisten pauschale Beschuldigungen (USDOS 13.3.2019), welche in zahlreichen Inhaftierungen wegen gleichgeschlechtlicher Beziehungen resultieren, allerdings in keinen Verurteilungen (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019). Homosexuelle Handlungen sind nach Art. 338 des Strafgesetzbuchs strafbar (AA 4.4.2018 ; vgl. HRW 17.1.2019). Daneben sieht Art. 333 eine qualifizierte Strafbarkeit für Erregung öffentlichen Ärgernisses mit Bezügen zur Homosexualität vor. In der Rechtspraxis finden beide Vorschriften regelmäßig Anwendung (Zahl anhängiger Verfahren nicht überprüfbar), insbesondere Art. 333 wird von den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zur Verhinderung der Gründung von Schutzorganisationen homosexueller Personen herangezogen. Eine systematische Verfolgung homosexueller Personen (verdeckte Ermittlungen etc.) findet nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht statt; Homosexualität wird für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie offen ausgelebt wird. 2015 wurden mehrere Personen aufgrund gleichgeschlechtlicher Beziehungen verhaftet, jedoch nicht strafrechtlich verfolgt (AA 4.4.2018).

 

LGBT Personen sehen sich starker sozialer und religiöser Diskriminierung ausgesetzt. Einige LGBT Personen leben ihre sexuelle Orientierung meisten nicht offen aus, da sie Belästigungen seitens ihrer Familien oder der Behörden fürchten (USDOS 13.3.2019). Homosexualität ist ein Tabu-Thema. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Homosexuelle aufgrund ihrer als "unislamisch" empfundenen Lebensweise durch islamistische Gruppierungen gefährdet sind. In arabischen Zeitungen erschienene vereinzelt Hass-Artikel, unter anderem in der auflagenstarken Zeitung "Echourouk". Betroffene der LGBTI-NGO TransHomosDZ berichteten, dass die Polizei Diskriminierung oder gewalttätige Übergriffe auf Homosexuelle dulde (AA 4.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt. Die Regierung hält aus Gründen der Sicherheit Reiserestriktionen in die südlichen Bezirke El-Oued und Illizi, in der Nähe von Einrichtungen der Kohlenwasserstoffindustrie sowie der libyschen Grenze, aufrecht. Überlandreisen sind aufgrund von Terrorgefahr zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi eingeschränkt (USDOS 13.3.2019).

 

Jungen wehrpflichtigen Männern, die ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, wird die Ausreise ohne Sondergenehmigung verweigert. Sondergenehmigungen erhalten Studenten und Personen in besonderen Familienkonstellationen. Personen, die jünger als 18 Jahre sind, ist es gemäß Familienrecht nicht gestattet, ohne die Erlaubnis einer Aufsichtsperson ins Ausland zu reisen. Verheiratete Frauen, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ins Ausland reisen. Ehefrauen, die älter als 18 Jahre sind, sind Auslandsreisen auch ohne Erlaubnis des Ehemanns gestattet (USDOS 13.3.2019).

 

Quellen:

 

 

Grundversorgung

 

Algeriens Wirtschaft hängt stark vom Export von Erdöl und Erdgas ab. Dank anhaltend hoher Öl- und Gaspreise konnte Algerien über Jahre hinweg ein kontinuierliches Wachstum von durchschnittlich 3% verzeichnen. Die weiteren Prognosen mussten jedoch aufgrund des derzeitigen Preisverfalls bei Öl und Gas bereits nach unten korrigiert werden. Die "rente petrolière" ist langfristig fragil - hinzu kommt die Unsicherheit über die künftige politische Entwicklung und die Stabilität des Landes. Für das Jahr 2017 verdüsterten sich somit die Aussichten. Ein neues Budgetgesetz sieht u. a. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, höhere Grund- und Immobilienabgaben sowie eine höhere Besteuerung von Mieten, Kraftstoff und Gütern des täglichen Bedarfs vor. Öffentliche Ausgaben werden drastisch eingeschränkt - manche Stimmen sprechen bereits von einer "Kriegserklärung" an die algerische Gesellschaft (GIZ 12.2016b).

 

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 13.12.2018).

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speise-Öl gelten im Januar 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 17.4.2018).

 

Nach offiziellen Angaben wird mittlerweile zum ersten Mal von einer Arbeitslosenquote von unter 10% ausgegangen, davon sind 70% jünger als 30 Jahre alt. Diese jungen Leute machen wiederum rund 70% der Bevölkerung aus. Die Arbeitslosigkeit ist die Folge des Niedergangs des verarbeitenden Gewerbes und der Landwirtschaft, die in der Ära Boumedienne viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Allerdings beträgt die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe von 16-24 Jahren über 20%. Gegenwärtig werden die betroffenen Jugendlichen ermuntert, eine freiberufliche Perspektive aufzubauen, dazu werden Kredite und steuerliche Anreize geboten (GIZ 12.2016b). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d'emploi / ANEM (http://www.anem.dz/ ) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos ). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 13.12.2018).

 

Quellen:

 

 

algerien-stand-februar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Grundsätzlich ist medizinische Versorgung in Algerien allgemein zugänglich und kostenfrei (ÖB 13.12.2018; vgl. AA 4.4.2018). Krankenhäuser, in denen schwierigere Operationen durchgeführt werden können, existieren in jeder größeren Stadt; besser ausgestattete Krankenhäuser gibt es an den medizinischen Fakultäten von Algier, Oran, Annaba und Constantine. Häufig auftretende chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Tuberkulose, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Geschlechtskrankheiten und psychische Erkrankungen können auch in anderen staatlichen medizinischen Einrichtungen behandelt werden. AIDS-Patienten werden in sechs Zentren behandelt (AA 4.4.2018). Der Standard in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Niveau. Grundsätzlich meiden Algerier nach Möglichkeit die Krankenhäuser und bemühen sich, Kranke so schnell wie möglich in häusliche Pflege übernehmen zu können. Oft greift man zu Bestechung, um ein Intensivbett zu bekommen oder zu behalten. Ohne ständige familiäre Betreuung im Krankenhaus ist eine adäquate Pflege nicht gesichert. Die Müttersterblichkeit und Komplikationen bei Geburten sind aufgrund von Nachlässigkeiten in der Geburtshilfe hoch. Mit Frankreich besteht ein Sozialabkommen aus den 60er Jahren, das vorsieht, dass komplizierte medizinische Fälle in Frankreich behandelt werden können. Dieses Abkommen ist seit einiger Zeit überlastet. Nicht alle Betroffenen können es in Anspruch nehmen. Auch mit Belgien besteht ein entsprechendes Abkommen (ÖB 13.12.2018).

 

Es sind Privatspitäler, v.a. in Algier, entstanden, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen. Der Sicherheitssektor kann auf ein eigenes Netz von Militärspitälern zurückgreifen. Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich in Algerien ausgebildete Ärzte in Frankreich - und forciert von Deutschland auch in Letzterem - niederlassen, was zu einem Ärztemangel in Algerien führt. Die Versorgung im Landesinneren mit fachärztlicher Expertise ist nicht sichergestellt. Augenkrankheiten sind im Süden häufig. Algerien greift diesbezüglich für die Versorgung im Landesinneren auf kubanische Ärzte zurück, z.B. die im April 2013 neu eröffnete Augenklinik in Bechar. Tumorpatienten können medizinisch nicht nach westlichem Standard betreut werden. Schwierig ist die Situation von Alzheimer- und Demenzpatienten und von Behinderten (ÖB 13.12.2018).

 

Krankenversichert ist nur, wer einer angemeldeten Arbeit nachgeht. Die staatliche medizinische Betreuung in Krankenhäusern steht auch Nichtversicherten beinahe kostenfrei zur Verfügung, allerdings sind Pflege und die Verpflegung nicht sichergestellt, Medikamente werden nicht bereitgestellt, schwierige medizinische Eingriffe sind nicht möglich (ÖB 13.12.2018).

 

In der gesetzlichen Sozialversicherung sind Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Rentner sowie deren Ehegatten und Kinder bis zum Abschluss der Schul- oder Hochschulausbildung obligatorisch versichert. Die Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht grundsätzlich in staatlichen Krankenhäusern eine kostenlose, in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung. Immer häufiger ist jedoch ein Eigenanteil (Krankenhausbett zum Beispiel 100,- Dinar = etwas mehr als 1 Euro pro Nacht) zu übernehmen. Die höheren Kosten bei Behandlung in privaten Kliniken werden nicht oder nur zu geringerem Teil übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgeführt werden, sind nicht mehr gesetzlich sozialversichert und müssen daher sämtliche Kosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten erneut bei der Versicherung eingeschrieben werden oder selbst einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (AA 4.4.2018).

 

Seit der Ära Boumedienne ist in Algerien die medizinische Versorgung kostenlos und wurde vom Staat garantiert. Daran hat sich bis heute im Prinzip nichts geändert. Die Finanzierung erfolgt über Sozialversicherungsbeiträge, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden (den größeren Teil, derzeit 12,5%, trägt der Arbeitgeber, wesentlich weniger, 1,5%, der Beschäftigte) und Staatszuweisungen aus dem Budget des Gesundheitsministeriums. Algerien gibt 7,21% seines BIP (2014) für das Gesundheitswesen aus (Deutschland: 11,3%). Die Versorgung mit Standard-Medikamenten (Schmerzmittel, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Mittel) zumindest in den Städten ist durch die Apotheken gewährleistet. Spezielle chirurgische Eingriffe, die über die Grundversorgung hinausgehen, werden jedoch nur nach langer Wartezeit durchgeführt. Sehr wohlhabende Familien, wie auch der Präsident selbst, lassen sich gern in Frankreich behandeln. Eine Infrastruktur für Notfälle, z.B. Notrufe, gibt es nicht (außer bei Verkehrsunfällen); es ist Sache der Betroffenen, Hilfe zu organisieren (GIZ 12.2016c).

 

Quellen:

 

 

 

 

Rückkehr

 

Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 13.12.2018; vgl. AA 4.4.2018). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (ÖB 13.12.2018). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 13.12.2018).

 

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 4.4.2018).

 

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wiederaufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Algerien erklärt sich bei Treffen mit div.

EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 13.12.2018).

 

Quellen:

 

 

 

A) 2. Beweiswürdigung:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde Beweis erhoben.

 

A) 2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Herkunft, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

 

Hinsichtlich der Konfession des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser im gegenständlichen Verfahren vorbrachte, sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben zu bekennen, während er in seinem ersten Asylverfahren in Österreich noch angab, Christ zu sein, sodass sein Bekenntnis letztlich nicht festgestellt werden kann.

 

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seiner Identifizierung durch die algerische Botschaft in Wien fest, die für ihn am XXXX 2018 ein Heimreisezertifikat ausstellte.

 

Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund von Epilepsie in medikamentöser Behandlung befindet, ergibt sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren, wenngleich der Beschwerdeführer diesbezüglich keinerlei medizinische Unterlagen vorlegte. Der Umstand, dass Epilepsie in Algerien behandelbar ist, ergibt sich aus einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22. Jänner 2016 (vgl. https://www.ecoi.net/de/dokument/1018219.html , Zugriff am 3. Jänner 2020).

 

Die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben, wonach er sowohl in seinem Herkunftsstaat Algerien als auch in Europa diversen Erwerbstätigkeiten nachging.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 3. Jänner 2020.

 

Die insgesamt fünf rechtskräftigen, strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 3. Jänner 2020.

 

A) 2.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer begründete seinen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, einen Soldaten der algerischen Regierung (später gab der Beschwerdeführer an, er wisse nicht ob es ein echter Soldat oder ein Terrorist gewesen sei), der das Haus der Familie des Beschwerdeführers betreten habe, mit einem Messer am Oberschenkel verletzt zu haben, da dieser die Schwester des Beschwerdeführers vergewaltigen habe wollen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft ist.

 

So gestaltete sich das verfahrensgegenständliche Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers - das zudem über die bloße Behauptungsebene nicht hinausgeht - zunächst derart vage und oberflächlich, dass seinen Angaben bereits aufgrund dieses Umstandes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen ist. Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich generell gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich - wie im gegenständlichen Fall - objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes wie ein fluchtauslösendes Ereignis detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung, Zeit-Ort-Verknüpfungen und über auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers entsprach diesen Anforderungen jedoch nicht einmal ansatzweise.

 

Während der Beschwerdeführer im Rahmen seiner polizeilichen Erstbefragung am 8. Jänner 2018 zudem noch ausdrücklich angegeben hatte, "ein Polizist hat meine Schwester vor meinen Augen vergewaltigt. Ich nahm ein Messer und attackierte diesen Polizisten und verletzte ihn schwer", weswegen er in Abwesenheit zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei, so gab er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 5. November 2019 lediglich an, ein Soldat habe das Haus der Familie des Beschwerdeführers betreten und eine Zimmertüre zu einem Zimmer geöffnet, in welchem sich Frauen aufgehalten hätten, woraufhin der Beschwerdeführer dem Soldaten sogleich "in den Fuß" gestochen habe. Eine durchgeführte oder auch nur im Ansatz versuchte Vergewaltigung seiner Schwester durch den Soldaten "vor den Augen" des Beschwerdeführers ist seinen Angaben vor der belangten Behörde nicht zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht ist sich bewusst, dass gemäß § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und nicht der näheren Erörterung seiner Fluchtgründe dient. Dennoch ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung noch eine tatsächlich erfolgte Vergewaltigung seiner Schwester vor seinen Augen behauptet, während dieses Vorbringen im weiteren Verfahren wiederum erheblich abgeschwächt wird, nicht zugunsten der Glaubhaftigkeit seiner Angaben auszulegen.

 

Dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist auch aufgrund des Umstandes, dass dieses in keinem seiner ersten beiden Asylverfahren in Österreich Erwähnung fand, die Glaubhaftigkeit abzusprechen. So begründete der Beschwerdeführer seine ersten beiden Asylanträge in Österreich in den Jahren 2013 und 2014 im Wesentlichen damit, in Algerien aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Berber sowie seiner Konfession als Christ der Gefahr einer Verfolgung sowie Diskriminierungen - etwa am Arbeitsmarkt - ausgesetzt zu sein. Zudem sei sein Vater im Jahr 2008 "von den Arabern" umgebracht worden, sodass der Beschwerdeführer im Jahr 2011 aus Algerien geflüchtet sei.

 

Zudem wird die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers durch seine wiederholt divergierenden Angaben zu seiner Identität erheblich in Zweifel gezogen. So trat er vor den ungarischen, österreichischen, niederländischen, deutschen sowie belgischen Behörden mit insgesamt neun verschiedenen Aliasidentitäten in Erscheinung und machte in seinen Asylverfahren in Österreich auch widersprüchliche Angaben hinsichtlich seiner Konfession (in seinem ersten Verfahren gab er an Christ, zu sein; nunmehr sunnitischer Moslem), dem Zeitpunkt seiner Ausreise aus Algerien (1995, 2011, 1993 bzw. 1994), seinen Familienverhältnissen (während er etwa in seinem ersten Asylverfahren noch angab, sein Vater sei 2008 ermordet worden und seine Kernfamilie würde in Frankreich leben, so gab er nunmehr an, seine Eltern und ein Bruder würden nach wie vor in Algerien leben) und seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in Algerien (während er in seinem ersten Asylverfahren noch angab, in Algerien keine Arbeit gehabt zu haben und aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines christlichen Glaubens Diskriminierungen ausgesetzt gewesen zu sein, gab er im gegenständlichen Verfahren zu Protokoll, sein Vater habe eine Firma in Algerien betrieben und habe der Beschwerdeführer "wie ein König" in Algerien gelebt).

 

Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete, asylrelevante Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

Sofern im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise im Falle seiner Rückkehr nach Algerien in das Gefängnis müsse und aufgrund dessen der Gefahr einer unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sei, so ist auf die Länderfeststellungen unter Punkt A) 1.2. zu verweisen, aus welchen hervorgeht, dass die illegale Ausreise in Algerien zwar gesetzlich verboten ist, das Gesetz laut der algerischen Behörden jedoch nur abschreckende Wirkung entfalten solle und in der Praxis zumeist allenfalls Bewährungsstrafen verhängt werden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund dessen im Falle seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ausgesetzt ist.

 

A) 2.3. Zum Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Algerien entnommen.

 

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

A) 3. Rechtliche Beurteilung:

 

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

 

1. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1, § 8 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 3, § 10 Abs. 1 Z 3, § 13 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 und § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Status des Asylberechtigten

 

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2) ...

 

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2. ....

 

(4) ...

 

Status des subsidiär Schutzberechtigten

 

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. ... ,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

(3a) ...

 

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. ...

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. ...

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) ...

 

Aufenthaltsrecht

 

§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

 

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

 

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

 

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist

 

3. ...

 

(3) ...

 

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.

 

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) ... ".

 

2. § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 sowie § 55 Abs. 1 und 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

(4) ...

 

Rückkehrentscheidung

 

§ 52. (1) ...

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. ...

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ...

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) ...

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) ...

 

Einreiseverbot

 

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(1a) ...

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. ...

 

Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) ...".

 

3. § 18 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

 

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

 

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BF-VG) stammt,

 

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

 

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

 

4. ...

 

(2) ...".

 

A) 3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

 

A) 3.2.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):

 

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 Asylgesetz 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, 99/01/0279).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2000, 98/20/0233).

 

1.2. Der Beschwerdeführer brachte vor, in Algerien der Gefahr einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt zu sein, da er vor etwa zwanzig Jahren einen Soldaten verletzt habe, welcher seine Schwester vergewaltigen habe wollen. Diesem Vorbringen war jedoch, wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, die Glaubhaftigkeit zu versagen.

 

2. Da somit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

A) 3.2.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

 

1. Dem Beschwerdeführer droht in Algerien - wie eben unter Punkt A)

3.2.1. dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

 

2.1. Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, zumal er erwerbsfähig ist und über ein intaktes familiäres Netzwerk in Algerien verfügt. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht wieder bestreiten können sollte.

 

Außerdem besteht ganz allgemein in Algerien derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat.

 

2.2. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

 

Was die Epilepsie-Erkrankung des Beschwerdeführers anbelangt, so geht aus einer betreffenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22. Jänner 2016 (vgl. https://www.ecoi.net/de/dokument/1018219.html ; Zugriff am 3. Jänner 2020) eindeutig hervor, dass Epilepsie in Algerien behandelbar ist (siehe Ausführungen unter Punkt A) 1.2.). Diesbezüglich wird an dieser Stelle auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach kein Fremder das Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver als im fremden Aufenthaltsland ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. dazu das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stützt).

 

3. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

 

A) 3.2.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57

Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides):

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe liegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommen würde.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

A) 3.2.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides):

 

1.1. Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

 

Zur Abwägung der berührten privaten und öffentlichen Interessen ist auf die untenstehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.8. zu verweisen.

 

1.2. Zur die Feststellung, dass eine Abschiebung gemäß § 46 nach Algerien zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist auf die obenstehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.2. zu verweisen.

 

2. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich der Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

 

A) 3.2.5. Zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides):

 

Mit Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß "§ 13 Absatz 2 Ziffer 2 Asylgesetz" sein "Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 09.01.2018 verloren" habe.

 

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Z 1 und Z 2 Asylgesetz 2005 sind wegen der Straffälligkeit des Beschwerdeführers iSd § 2 Abs. 3 Asylgesetz 2005 erfüllt, sodass die Beschwerde auch insoweit als unbegründet abzuweisen war.

 

A) 3.2.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides):

 

Mit Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil "der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BF-VG) stammt" (Z 1) sowie "schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt" (Z 2).

 

Im vorliegenden Fall stammt der Beschwerdeführer aus Algerien, gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG gilt. Wie die Ausführungen unter Punkt A) 3.2.8 überdies zeigen, stellt der Beschwerdeführer auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.

 

Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-Verfahrensgesetz sind im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt, sodass die belangte Behörde der vorliegenden Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte.

 

Ausgehend von den unter Punkt A) 1.1. getroffenen Feststellungen bestand auch kein Anlass, im Rahmen der Ermessensübung und der vorzunehmenden Interessensabwägung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.

 

A) 3.2.7. Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise

(Spruchpunkt VIII des angefochtenen Bescheides):

 

Dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-Verfahrensgesetz durchführbar wird, ergibt sich schon unmittelbar aus § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005, sodass es keiner normativen Anordnung im Spruch des angefochtenen Bescheides bedarf. Insoweit kann der Beschwerdeführer auch nicht in Rechten verletzt sein.

 

A) 3.2.8. Zum befristeten Einreiseverbot (Spruchpunkt IX des angefochtenen Bescheides):

 

1.1. Nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

1.2. Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet insgesamt dreimal aufgrund von gewerbsmäßigen Suchtgiftdelikten sowie zweimal aufgrund gewerbsmäßiger Eigentumsdelikte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgift- sowie Eigentumskriminalität als auch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2002, 98/18/0260, vom 18. Jänner 2005, 2004/18/0365, vom 3. Mai 2005, 2005/18/0076, vom 17. Jänner 2006, 2006/18/0001, und vom 9. September 2014, 2013/22/0246).

 

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit (spätestens) 6. Mai 2013 - nicht durchgehend - auf der Grundlage von insgesamt drei unzulässigen bzw. unbegründeten Asylanträgen in Österreich aufhält (vgl. dazu etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist). Zudem ist ins Kalkül zu ziehen, dass er sich insgesamt für annähernd drei Jahre - und somit mehr als die Hälfte seines Aufenthaltes im Bundesgebiet - in Haft befand.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

 

Während seine Integration in Österreich als geringfügig einzustufen ist, bestehen noch Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat, zumal er dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, er dort hauptsozialisiert wurde und seine Enkulturation erfahren hat. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der algerischen Kultur weiterhin vertraut. Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht. Zudem verfügt er nach wie vor über ein familiäres Netzwerk in Algerien.

 

Da der Beschwerdeführer in Österreich und auch auf dem Staatsgebiet der Mitgliedsstaaten kein Familienleben führt, kann die Erlassung eines Einreiseverbotes als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden. Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit - vor dem Hintergrund der unter A) 1.1. getroffenen Feststellungen - zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an der Erlassung eines Einreiseverbotes aus.

 

Für die belangte Behörde bestand auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (arg: "kann") von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, liegen doch nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 bei einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung eines Fremden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder sofern dieser mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes eindeutig vor, sodass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) liegen würde.

 

1.3. Zur Befristung des Einreiseverbotes ist darauf hinzuweisen, dass nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 als "bestimmte Tatsache", die (u.a.) bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von Relevanz ist, insbesondere zu gelten hat, wenn "ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist". Allein mit seiner letzten Verurteilung wegen versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls oder Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten überschreitet der Beschwerdeführer die Tatsache einer Verurteilung "zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten" um das Sechsfache. Zudem lagen seinen insgesamt drei Verurteilungen aufgrund von Suchtgiftdelikten sowie seinen beiden Verurteilungen aufgrund von Eigentumsdelikten jeweils auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende, strafbare Handlungen zugrunde.

 

Die belangte Behörde verhängte über den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall sind keine Umstände zutage getreten, die eine Reduzierung der höchstzulässigen Befristungsdauer von zehn Jahren nahelegen würden. Vielmehr kann der Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nur durch die Verhängung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbotes begegnet werden, wobei auch damit vor dem Hintergrund der unter Punkt A) 1.1. getroffenen Feststellungen kein (unverhältnismäßiger) Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden ist (etwa zu den bei der Festlegung der Befristungsdauer anzustellenden Erwägungen vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0002).

 

2. Da somit im vorliegenden Beschwerdefall jedenfalls die Voraussetzungen für die Erlassung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbotes erfüllt sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt IX des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

A) 4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt von der belangten Behörde abschließend ermittelt wurde und auch unter Zugrundelegung der Beschwerdebehauptungen für den Beschwerdeführer nichts gewonnen ist [vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter den Punkten A) 3.2.1., 3.2.2. und 3.2.8.], konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Es handelt sich nämlich um einen "eindeutigen Fall", in dem bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 2018, Ra 2018/19/0082).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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