BVwG W129 2222428-2

BVwGW129 2222428-23.9.2019

B-VG Art. 133 Abs4
SchPflG 1985 §15
SchPflG 1985 §6 Abs2e
Schulreifeverordnung §2
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2222428.2.00

 

Spruch:

W129 2222428-2/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Erziehungsberechtigte XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Tanja LORENZ, gegen den Bescheid des Bildungsdirektors für Oberösterreich vom 15.07.2019, Zl. 414-26/19-2019, zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schreiben vom 08.07.2019, gerichtet an die Bildungsdirektion für Oberösterreich sowie die Schulleitung der Volksschule XXXX , wurde für die mj. Beschwerdeführerin im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung um eine Schulbefreiung gem. § 15 Schulpflichtgesetz für das Schuljahr 2019/2020 angesucht.

 

Sinngemäß und hier auf das Wesentlichste zusammengefasst wurde dies Entwicklungsverzögerungen und einer ausgeprägten Schulangst der Beschwerdeführerin begründet. Diesbezüglich wurde ein klinisch-psychologischer Befund der Fachpsychologin Dr. XXXX (Untersuchung am 05.12.2018) sowie ein psychologischer Befund des Klinischen Psychologen MMag. XXXX (Untersuchung am 24.06.2019) vorgelegt. Frau Dr. XXXX diagnostizierte eine "kombinierte umschriebene Entwicklungsbeeinträchtigung" nach ICD-10, F 83, die Beschwerdeführerin sei auf dem Entwicklungsniveau einer etwa 4,4 bis 4,7-jährigen Person, eine Schulreife im Herbst 2019 liege nicht vor, der Verbleib im Kindergarten sei dringend indiziert. MMag. XXXX führte aus, dass die Beschwerdeführerin seit Dezember 2018 (Untersuchung bei Dr. XXXX ) einiges habe aufholen können und dass in bedenklichen Bereichen nur noch leichte Defizite bestünden. Jedoch könne aus entwicklungspsychologischer Sicht eine Einschulung nicht empfohlen werden, da vor allem Belastungsfaktoren und Auffälligkeiten bestünden (beispielsweise könne das Kind ihre emotional-sozialen Bedürfnisse nicht altersadäquat äußern, was zu Überforderung, Belastung und Stressoren führe).

 

Darüber hinaus wurde eine von der Hausärztin der Beschwerdeführerin per Mail übermittelte Bestätigung vom 05.06.2019 vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin in ihrer gesamten psychischen Entwicklung um mindestens ein Jahr verzögert erscheine, aus ihrer Sicht sei die Beschwerdeführerin im Herbst 2019 noch nicht schulreif.

 

2. In weiterer Folge holte die Bildungsdirektion eine pädagogische Stellungnahme (vom 08.07.2019) der zuständigen Referentin für den Fachbereich Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik ein.

 

Diese Stellungnahme beruht auf einer am 08.03.2019 durchgeführten Beobachtung der Beschwerdeführerin in deren Kindergarten. Die Beschwerdeführerin habe laut Stellungnahme "konzentriert und ausdauernd" mehrere Aufgaben erfüllt, größtenteils richtig oder zumindest ausreichend. Die Stellungnahme endet zusammenfassend mit der Feststellung, dass keine medizinischen Gründe dem Schulbesuch entgegenstünden und der Schulbesuch keine unzumutbare Belastung darstellte.

 

3. In weiterer Folge wurde eine Stellungnahme der Leiterin der Volksschule XXXX eingeholt. Auf das Wesentlichste zusammengefasst und sinngemäß führte die Leiterin aus, dass die Beschwerdeführerin mit den Ergebnissen der Schuleinschreibung einer durchschnittlichen, wenn auch jungen Schulanfängerin entspreche. Es sei damit zu rechnen, dass sie sich im kommenden halben Jahr noch gut weiterentwickeln werde, wobei die Schuleingangsphase zeigen werde, ob die Beschwerdeführerin den Aufgaben gewachsen sei. Im Falle einer Überforderung bestehe die Möglichkeit des Wechsels in die Vorschulstufe, in welcher sie sich an das Schulleben gewöhnen könne und welche einen guten Start ermögliche.

 

4. Mit Bescheid des Bildungsdirektors für Oberösterreich vom 15.07.2019, Zl. 414-26/19-2019, wurde dem Antrag gem. § 15 Abs 1 SchPflG nicht stattgegeben und die Beschwerdeführerin für das Schuljahr 2019/2020 vom Schulbesuch nicht befreit.

 

Sinngemäß und auf das Wesentlichste zusammengefasst wurde dies mit den Stellungnahmen der Leiterin der Volksschule sowie zuständigen Referentin für den Fachbereich Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik begründet. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen gehe kein medizinischer, dem Schulbesuch entgegenstehender Grund hervor.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob die mj. Beschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde. Sinngemäß und auf das Wesentlichste zusammengefasst wurde dies mit dem Inhalt der beiden mit der Antragstellung vorgelegten Gutachten begründet. Zudem wurde insbesondere die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör geltend gemacht.

 

6. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 19.08.2019, eingelangt am 23.08.2019, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

Die mj. Beschwerdeführerin wurde am XXXX geboren, eine Woche nach dem prognostizierten Geburtstermin.

 

Bei der mj. Beschwerdeführerin bestand zum Untersuchungszeitpunkt 05.12.2018 eine kombinierte umschriebene Entwicklungsbeeinträchtigung (ICD-10, F.83).

 

Zum Untersuchungszeitpunkt 24.06.2019 bestand sprachlich eine leichte Verzögerung, das Sozialverhalten war etwa um ein Jahr verzögert, der Leistungsbereich zeigte sich als durchschnittlich. Die Beschwerdeführerin zeigt deutliche Angst vor einer Einschulung. In einem projektiven Verfahren erreichte die Beschwerdeführerin ein weitgehend adäquates Entwicklungsalter von 5,75 Jahren; seit dem Untersuchungszeitpunkt 05.12.2018 konnte die Beschwerdeführerin einiges aufholen, sodass im Vergleich zum Vorbefund nur noch leichte Defizite bestehen. Es bestehen Belastungsfaktoren und Auffälligkeiten, die von der Beschwerdeführerin nicht offen geäußert werden können, vor allem die emotional-sozialen Bedürfnisse können von der Beschwerdeführerin nicht altersadäquat geäußert werden.

 

Zum Untersuchungszeitpunkt 08.03.2019 arbeitete die Beschwerdeführerin konzentriert und ausdauernd an den Fragestellungen mit. Die Finger- und Handgeschicklichkeit, die visu-motorische Koordination sowie die Graphomotorik sind ausgeprägt und weisen keine gravierenden Auffälligkeiten auf. Die phonologische Bewusstheit ist ausreichend vorhanden und weist keine gravierenden Auffälligkeiten auf, mathematische Vorläuferfertigkeiten sind vorhanden, die optische Differenzierungsfähigkeit ist ausreichend vorhanden. Zur visuellen Figur-Grund-Erfassung können aufgrund der Ermüdung der Beschwerdeführerin keine Aussagen getroffen werden. Das visuelle Operieren ist ausreichend vorhanden. Körperorientierung und Körperschema sind ausreichend vorhanden. Die Beschwerdeführerin kann einzelne Buchstaben und Wörter schreiben und diese Personen zuordnen, Vorläuferfertigkeiten für das Schreiben sind vorhanden.

 

Zum Zeitpunkt der Schuleinschreibung (etwa ein halbes Jahr vor Schulbeginn 2019/2020) entsprach die Beschwerdeführerin mit ihren Ergebnissen der Schuleinschreibung einer durchschnittlichen, wenn auch jungen Schulanfängerin.

 

Die sozial-emotionale Reife ist nicht gegeben.

 

Es liegen jedoch keine medizinischen Gründe vor, die dem Besuch der Schule entgegenstehen oder den Schulbesuch zu einer für das Kind unzumutbaren Belastung werden lassen.

 

Eine Beschulung des Kindes nach dem Vorschullehrplan ist möglich.

 

2. Beweiswürdigung

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage. Zwar bestanden zum Untersuchungszeitpunkt 05.12.2018 bei der mj. Beschwerdeführerin noch erhebliche Entwicklungsdefizite, wie nachvollziehbar aus dem schlüssigen klinisch-psychologischen Befund der Fachpsychologin Dr. XXXX hervorgeht, doch bereits ein halbes Jahr später zeigte sich bei der Untersuchung durch MMag. XXXX , dass die mj. Beschwerdeführerin einen Großteil dieser Defizite aufholen konnte.

 

Auch das von der Behörde eingeholte sonderpädagogische Gutachten sowie die Stellungnahme der Schulleiterin zeigen, dass die Beschwerdeführerin einen Großteil der gegebenen Aufgabenstellungen bewältigen konnte und grundsätzlich einen ausreichenden Entwicklungstand erreicht hat.

 

Aus dem psychologischen Befund des MMag. XXXX gehen allerdings schlüssig und nachvollziehbar erhebliche Bedenken hinsichtlich der sozialen und emotionalen Entwicklungsreife der mj.

Beschwerdeführerin hervor. Diese Bedenken widersprechen den anderen vorliegenden Befunden und Stellungnahmen nicht, sondern ergänzen sie.

 

Im Gesamtbild führt dies dazu, dass die mj. Beschwerdeführerin mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, im Unterricht psychisch überfordert zu sein.

 

Darüber hinaus ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage kein Hinweis auf ein medizinisches Hindernis, welches dem prinzipiellen Schulbesuch entgegensteht. Diesbezüglich wird auch auf die untenstehenden rechtlichen Erwägungen verwiesen.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), BGBl. Nr. 76/1985 idgF, lauten:

 

Aufnahme in die Volksschule zu Beginn der Schulpflicht

 

§ 6. (1) Die schulpflichtig gewordenen Kinder sind von ihren Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zur Schülereinschreibung bei jener Volksschule anzumelden, die sie besuchen sollen. Hiebei sind die Kinder persönlich vorzustellen.

 

(1a) Zum Zweck der frühzeitigen Organisation und Bereitstellung von treffsicheren Fördermaßnahmen im Rahmen des Unterrichts nach dem Lehrplan der 1. Schulstufe oder der Vorschulstufe sowie weiters zum Zweck der Klassenbildung und der Klassenzuweisung haben die Erziehungsberechtigten allfällige Unterlagen, Erhebungen und Förderergebnisse, die während der Zeit des Kindergartenbesuches zum Zweck der Dokumentation des Entwicklungsstandes, insbesondere des Sprachstandes (Erfassung der Sprachkompetenz in Deutsch von Kindern mit Deutsch als Erstsprache oder von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) erstellt, durchgeführt bzw. erhoben wurden, vorzulegen. Die Vorlage kann in Papierform oder in elektronischer Form erfolgen. Kommen die Erziehungsberechtigten dieser Verpflichtung trotz Aufforderung der Schulleiterin oder des Schulleiters innerhalb angemessener Frist nicht nach, hat die Schulleiterin oder der Schulleiter die Leiterin oder den Leiter einer besuchten elementaren Bildungseinrichtung um die Übermittlung der Unterlagen, Erhebungen und Förderergebnisse zu ersuchen. Der Schulleiter hat diese personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Z 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, und Informationen gemäß den Bestimmungen des Bildungsdokumentationsgesetzes, BGBl. I Nr. 12/2002, zu verarbeiten und ist darüber hinaus ermächtigt, allenfalls nach Maßgabe landesgesetzlicher Bestimmungen automationsunterstützt übermittelte personenbezogene Daten und Informationen zu erfassen und zu verarbeiten.

 

(2) Die Aufnahme der schulpflichtig gewordenen Kinder in die Volksschule hat in der Regel auf Grund der Schülereinschreibung für den Anfang des folgenden Schuljahres zu erfolgen.

 

(2a) Die Aufnahme der schulpflichtig gewordenen Kinder, die schulreif sind, hat in die erste Schulstufe zu erfolgen.

 

(2b) Schulreif ist ein Kind, wenn

 

1. es die Unterrichtssprache so weit beherrscht, dass es dem Unterricht in der ersten Schulstufe ohne besondere Sprachförderung zu folgen vermag, und

 

2. angenommen werden kann, dass es dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden.

 

(2c) Zur Feststellung der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 1 ist § 4 Abs. 2a des Schulunterrichtsgesetzes anzuwenden.

 

(2d) Ergeben sich anlässlich der Schülereinschreibung Gründe für die Annahme, dass das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 nicht besitzt, oder verlangen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten eine Überprüfung der Schulreife, hat der Schulleiter zu entscheiden, ob das Kind die Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 aufweist. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung die näheren Festlegungen über das Vorliegen der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 zu treffen.

 

(2e) Die Aufnahme schulpflichtiger, jedoch gemäß Abs. 2b Z 1 nicht schulreifer Kinder hat nach Maßgabe der Testung gemäß § 4 Abs. 2a des Schulunterrichtsgesetzes

 

1. in Deutschförderklassen oder

 

2. je nach Vorliegen oder Nichtvorliegen der Schulreife gemäß Abs. 2b Z 2 in die erste Schulstufe oder in die Vorschulstufe in Verbindung mit besonderer Sprachförderung in Deutschförderkursen

 

zu erfolgen. Die Aufnahme schulpflichtiger, jedoch auch gemäß Abs. 2b Z 2 nicht schulreifer Kinder hat in die Vorschulstufe zu erfolgen.

 

(3) Die Frist für die Schülereinschreibung, die spätestens vier Monate vor Beginn der Hauptferien zu enden hat, und die bei der Schülereinschreibung vorzulegenden Personalurkunden sind von der Bildungsdirektion nach den örtlichen Erfordernissen durch Verordnung festzusetzen.

 

[...]

 

Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf

 

§ 8. (1) Auf Antrag oder von Amts wegen hat die Bildungsdirektion mit Bescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind festzustellen, sofern dieses infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Unter Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Im Zuge der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist auszusprechen, welche Sonderschule für den Besuch durch das Kind in Betracht kommt oder, wenn die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten es verlangen, welche allgemeine Schule in Betracht kommt. Unter Bedachtnahme auf diese Feststellung hat die Bildungsdirektion festzulegen, ob und in welchem Ausmaß der Schüler oder die Schülerin nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Bei dieser Feststellung ist anzustreben, dass der Schüler oder die Schülerin die für ihn oder sie bestmögliche Förderung erhält.

 

(2) Im Rahmen der Verfahren gemäß Abs. 1 kann auf Verlangen oder mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten das Kind, sofern es die Volksschule oder Mittelschule noch nicht besucht, für höchstens fünf Monate in die Volksschule oder die Mittelschule oder eine Sonderschule der beantragten Art, sofern es die Volksschule oder die Mittelschule bereits besucht, in eine Sonderschule der beantragten Art zur Beobachtung aufgenommen werden.

 

(3) Sobald bei einem Kind auf die sonderpädagogische Förderung verzichtet werden kann, weil es - allenfalls trotz Weiterbestandes der Behinderung - dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 erster Satz aufzuheben. Für den Fall, dass bei Fortbestand des sonderpädagogischen Förderbedarfs der Schüler oder die Schülerin dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 vierter und fünfter Satz entsprechend abzuändern.

 

(3a) Bei körperbehinderten und sinnesbehinderten Schülern, die in eine Sekundarschule nach Erfüllung der allgemeinen Aufnahmsvoraussetzungen der jeweiligen Schulart aufgenommen werden, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 aufzuheben. Dies gilt nicht beim Besuch einer Sonderschule.

 

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)

 

§ 8a. (1) Schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 Abs. 1) sind berechtigt, die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule oder Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe zu erfüllen, soweit solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar oder der Schulbesuch auf Grund der mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes erfolgten Unterbringung in einem der Schule angegliederten oder sonst geeigneten Schülerheim möglich ist.

 

(2) Die Bildungsdirektion hat anläßlich der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie bei einem Übertritt in eine Sekundarschule die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten über die hinsichtlich der Behinderung bestehenden Fördermöglichkeiten in Sonderschulen und allgemeinen Schulen und den jeweils zweckmäßigsten Schulbesuch zu beraten. Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe, so hat die Bildungsdirektion zu informieren, an welcher nächstgelegenen allgemeinen Schule dem sonderpädagogischen Förderbedarf entsprochen werden kann.

 

(3) Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme des Kindes in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe und bestehen keine entsprechenden Fördermöglichkeiten an einer derartigen Schule, welche das Kind bei einem ihm zumutbaren Schulweg erreichen kann, so hat die Bildungsdirektion unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Maßnahmen zur Ermöglichung des Besuches der gewünschten Schulart zu ergreifen oder, falls es sich um Zentrallehranstalten (§ 1 Abs. 3 des Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetzes) handelt, beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen zu beantragen.

 

§ 8b. Schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die keine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe gemäß § 8a besuchen, haben ihre allgemeine Schulpflicht in einer der Behinderung entsprechenden Sonderschule oder Sonderschulklasse zu erfüllen. Abschnitt C bleibt davon unberührt.

 

[...]

 

Befreiung schulpflichtiger Kinder vom Schulbesuch

 

§ 15. (1) Sofern medizinische Gründe dem Besuch der Schule entgegenstehen oder dieser dadurch zu einer für den Schüler unzumutbaren Belastung würde, ist der Schüler für die unumgänglich notwendige Dauer vom Besuch der Schule zu befreien.

 

(2) Bei einer voraussichtlich über die Dauer eines Semesters hinausgehenden Zeit der Befreiung gemäß Abs. 1 hat die Bildungsdirektion die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes darüber zu beraten, welche Fördermöglichkeiten außerhalb der Schule bestehen.

 

(3) Befreiungen gemäß Abs. 1 sind von der Bildungsdirektion mit Bescheid auszusprechen. Gemäß § 15 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 20/2006 erfolgte Befreiungen von der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit gelten für die festgestellte Dauer der Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht als Befreiungen im Sinne des Abs. 1.

 

3.3. Die Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die näheren Festlegungen betreffend das Vorliegen der Schulreife (Schulreifeverordnung), BGBl. II Nr. 300/2018, normiert:

 

Schulreife

 

§ 1. (1) Die Schulreife eines Kindes gemäß § 6 Abs. 2b Z 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985, liegt vor, wenn es dem Unterricht der ersten Schulstufe zu folgen vermag, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden. Dies setzt ausreichende kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit und die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderliche körperliche und sozial-emotionale Reife voraus.

 

(2) Die Kriterien gemäß Abs. 1 sind entsprechend den Festlegungen der §§ 2 bis 5 zu überprüfen.

 

Kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken

 

§ 2. Die kognitive Reife und Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sind ausreichend entwickelt, wenn das Kind

 

1. über phonologische Bewusstheit verfügt,

 

2. rasch und sicher vertraute Objekte benennen kann,

 

3. über ein mengenbezogenes Vorwissen verfügt,

 

4. über ein zahlenbezogenes Vorwissen verfügt sowie

 

5. ein altersgemäßes Aufmerksamkeits- und Konzentrationsverhalten zeigt.

 

Sprachliche Kompetenz

 

§ 3. Für die Überprüfung der sprachlichen Kompetenz sind ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit zu berücksichtigen.

 

Körperliche Reife

 

§ 4. Für die Überprüfung der körperlichen Reife sind allgemeine körperliche Fähigkeiten zur Erfüllung schulischer Aufgaben sowie die dafür maßgebliche grob- und feinmotorische Geschicklichkeit zu berücksichtigen.

 

Sozial-emotionale Reife

 

§ 5. Eine ausreichende sozial-emotionale Reife liegt vor, wenn das Kind insbesondere über die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderlichen

 

1. sozialkommunikativen Kompetenzen sowie

 

2. personalen Kompetenzen

 

verfügt.

 

Verweisungen

 

§ 6. Soweit in dieser Verordnung auf Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der mit dem Inkrafttreten der jeweils letzten Novelle dieser Verordnung geltenden Fassung anzuwenden.

 

Inkrafttreten

 

§ 7. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

3.4. Die zitierten Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes bauen auf der grundsätzlichen, in der Bundesverfassung (Art 14 Abs 7a B-VG) verankerten Schulpflicht auf.

 

Zwar ermöglicht § 15 SchPflG eine Befreiung vom Schulbesuch aus medizinischen Gründen, doch ist diese Bestimmung im Zusammenhang mit § 6 und § 8 SchPflG zu sehen, da hier ein Schulbesuch auch für nicht schulreife Kinder (§ 6 Abs 2b SchPflG) bzw. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 SchPflG) normiert wird. Mit anderen Worten: Auch Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können, ohne körperlich oder geistig überfordert zu werden, sowie Kinder mit einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen haben die Schulpflicht zu erfüllen.

 

Somit müssen die in § 15 SchPflG genannten medizinischen Gründe außerhalb der mangelnden Schulreife (§ 6 Abs 2b SchPflG) sowie außerhalb einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen gelegen sein.

 

3.4. Aus der Aktenlage ergibt sich zweifelsfrei das Gesamtbild, dass bei der mj. Beschwerdeführerin zwar eine ausreichende kognitive Reife und ausreichende Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit und die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderliche körperliche Reife vorliegen; es mangelt jedoch an der sozial-emotionalen Reife.

 

Somit sind die in § 2 der Schulreifeverordnung aufgelisteten Voraussetzungen der Schulreife nicht zur Gänze gegeben und ist die mj. Beschwerdeführerin als nicht schulreif zu qualifizieren.

 

3.5. Dies alleine führt - wie unter 3.3. gezeigt wurde - jedoch noch nicht zu jenen medizinischen Gründen, die iSd § 15 SchPflG einen Schulbesuch verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen.

 

Vielmehr sieht der Gesetzgeber nach § 6 Abs 2e letzter Satz SchPflG für genau diesen Fall der fehlenden Schulreife eine Einschulung auf Ebene der Vorschulstufe vor.

 

Außerhalb der eingeschränkten sozial-emotionalen Reife der mj. Beschwerdeführerin liegen keine medizinische Gründe vor, die dem Besuch der Schule entgegenstehen oder zu einer für die Schülerin unzumutbaren Belastung werden ließen.

 

Somit hat die belangte Behörde den Antrag auf Befreiung vom Schulbesuch im Endergebnis zu Recht abgewiesen.

 

3.6. Hinsichtlich des verletzten Rechts auf Gewährung von Parteiengehör wird zunächst darauf verwiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs auch durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden kann (VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056).

 

Nach der Aktenlage konnte in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen zweifelsfrei festgestellt werden, dass bei der Beschwerdeführerin eine ausreichende kognitive Reife und ausreichende Grunddispositionen zum Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, ein altersgemäßes Sprachverständnis sowie eine altersgemäße sprachliche Ausdrucksfähigkeit und die für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der ersten Schulstufe erforderliche körperliche Reife vorliegen; es mangelt jedoch an der sozial-emotionalen Reife.

 

3.7. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Das Schulrecht ist auch weder von Art 6. EMRK noch von Art 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte