BVwG W210 2193408-1

BVwGW210 2193408-15.8.2019

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W210.2193408.1.00

 

Spruch:

W210 2193408-1/39E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2019 und 17.04.2019 zu Recht:

 

A)

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

 

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführerin reiste zusammen mit ihrem Ehemann XXXX (W210 2193406-1) und der gemeinsamen Tochter XXXX (W210 2193407-1) unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 01.08.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

2. Am 02.08.2015 wurde die Beschwerdeführerin von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ihrer Identität, ihrer Reiseroute und ihrem Fluchtgrund befragt. Hierbei gab sie im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari an, gegen den Willen ihrer Familie gemeinsam mit ihrem Mann geflüchtet zu sein. Sie sei ihrem Cousin väterlicherseits versprochen gewesen, weswegen ihre Familie gegen ihre Hochzeit gewesen sei. Ihre Brüder und ihr Cousin hätten geschworen, sie zu töten.

 

3. Am 24.05.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi erstmals niederschriftlich einvernommen. Hier wiederholte sie ihren Fluchtgrund aus der Erstbefragung im Wesentlichen.

 

4. Am 15.03.2018 erfolgte eine ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und einer Vertrauensperson. Hier gab die Beschwerdeführerin an, nunmehr evangelisch geworden zu sein und legte ein Taufkursbestätigungsschreiben vor. Sie sei noch nicht getauft worden, besuche aber seit vier Monaten die Kirche. Die Beschwerdeführerin wurde sodann eingehender zu ihrer religiösen Überzeugung befragt.

 

5. Am 22.03.2018 erfolgte eine weitere Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA, im Zuge derer die Beschwerdeführerin eine Taufkursbestätigung und weitere Integrationsunterlagen vorlegte.

 

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiter wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

 

7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, unterstützt durch einen ihr amtswegig beigegebenen Rechtsberater, vollumfängliche Beschwerde. Die Beschwerde wurde gemeinsam mit dem Ehemann und der mj. Tochter der Beschwerdeführerin erhoben, deren Anträge auf internationalen Schutz ebenfalls mit Bescheiden des BFA abgewiesen wurden. Zum Fluchtgrund wurde vollinhaltlich auf das bisher im Asylverfahren Vorgebrachte verwiesen. Zur Konversion der Beschwerdeführerin und zum Abkehr vom Islam führt die Beschwerde aus, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Unrecht eine Scheinkonversion festgestellt habe. Der Beschwerdeführerin drohe im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aus religiösen Gründen.

 

Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

8. Mit Eingabe vom 28.08.2018 wurden eine Bescheinigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und eine Bestätigung der evangelischen Pfarrgemeinde über den Besuch eines zweisprachigen Glaubenskurses betreffend die Beschwerdeführerin vorgelegt. In weiterer Folge legte die Beschwerdeführerin ihren Taufschein, ausgestellt von einer evangelischen Pfarrgemeinde, vor.

 

9. Am 07.02.2019 langte eine Beschwerdeergänzung ein, wobei unter anderem auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation von Konvertiten und Apostaten in Afghanistan verwiesen wurde.

 

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.02.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprachen Dari und Farsi und der (damaligen) Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann ebenso wie die stellig gemachte Zeugin einvernommen und befragt wurden. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

 

11. Am 26.02.2019 und 12.04.2019 langten ergänzende Stellungnahmen der Beschwerdeführerin ein.

 

12. Nach Setzung weiterer Ermittlungsschritte führte das Bundesverwaltungsgericht am 17.04.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und der (damailigen) Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine (fortgesetzte) mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann neuerlich einvernommen und die weiteren Zeuginnen, darunter die Pfarrerin der Kirche, die die Beschwerdeführerin besucht, befragt wurden. Vertreter der belangten Behörde sind nicht erschienen.

 

13. Aufgrund im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgekommener Zweifel an den tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnissen der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und der mj. Tochter wurde mit hg. Beschluss vom 09.05.2019 - nach Einräumung eines Parteiengehörs hierzu - eine Sachverständige mit der Durchführung einer Abstammungsabgleichung und der Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse der im Familienverfahren als Beschwerdeführer geführten Personen beauftragt.

 

14. Das daraufhin erstattete Sachverständigengutachten vom 25.06.2019 ergab, dass die Mutterschaft der Beschwerdeführerin und die Vaterschaft ihres Ehemannes XXXX zur mj. Tochter XXXX "praktisch erwiesen" sei. Zudem betrage die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann ein Verwandtschaftsverhältnis als Cousine und Cousin 1. Grades besteht, 84 %. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

 

15. Mit Eingabe vom 25.07.2019 erklärte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Niederlegung ihrer Vollmacht im Beschwerdeverfahren.

 

16. Stellungnahmen zum Gutachten langten bis zum heutigen Tage nicht ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend die Beschwerdeführerin, ihren Ehemann und ihre Tochter; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2019 und 17.04.2019, durch Einvernahme der stellig gemachten Zeugen, durch Einholung neuer Länderberichte zu Afghanistan, Einholung von Stellungnahmen zu diesen Berichten und Berücksichtigung der dort und in der Beschwerde bzw. der Beschwerdeergänzung zitierten Berichte und Judikate sowie durch Einholung eines DNA-Gutachtens.

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin, ihrem Leben in Österreich und dem ursprünglichen Fluchtvorbringen im Familienverfahren:

 

Die Beschwerdeführerin ist volljährige Staatsangehörige Afghanistans. Sie wurde im Iran geboren und verbrachte dort ihr gesamtes Leben. Ihre Eltern stammen aus Afghanistan. Ihre Muttersprache ist Farsi, sie spricht auch Dari und mittlerweile etwas Deutsch.

 

Die Beschwerdeführerin ist traditionell verheiratet mit XXXX (W210 2193406-1) und Mutter der minderjährigen XXXX (W210 2193407-1).

 

Die Beschwerdeführerin reiste im August 2015 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer minderjährigen Tochter in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Beschwerdeführerin entstammt einer schiitisch-muslimischen Familie und wurde als schiitische Muslimin erzogen. Sie hat sich jedoch mittlerweile vom islamischen Glauben abgewandt und bekennt sich aus innerer Überzeugung zum evangelischen Christentum. Sie lehnt den konservativen Islam und die strengen Zwänge des Korans ab.

 

Die Beschwerdeführerin und ihre minderjährige Tochter sind im Juli 2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten und wurden beide am 27.01.2019 - die Beschwerdeführerin nach Absolvierung eines Taufkurses - von der evangelischen Pfarrgemeinde getauft. Die Beschwerdeführerin und ihre Tochter besuchen regelmäßig Gottesdienste und nehmen am kirchlichen Gemeindeleben teil. Die Beschwerdeführerin hat ihre Tochter zum evangelischen Religionsunterricht in ihrer Volksschule angemeldet.

 

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat keine Verfolgung aufgrund seiner Heirat mit der Beschwerdeführerin zu fürchten.

 

1.2. Zur Frage der Religionsfreiheit in Afghanistan und den Folgen einer Konversion zum Christentum:

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert.

 

Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie und soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Für Männer gilt Enthauptung als angemessene Strafe, für Frauen lebenslange Haft. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken.

 

Nichtmuslimische Gruppierungen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft und wird von der katholischen Mission betrieben. Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde. Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen.

 

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen. Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben.

 

Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden.

 

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus. Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie. Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar.

 

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, S. 264 bis 266 und S. 268 bis 269.)

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin, ihrer Konversion zum Christentum und zum ursprünglichen Fluchtvorbringen:

 

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich zudem aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

 

Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren glaubhaft dargetan, dass sie sich mittlerweile vom islamischen Glauben abgewandt hat und sich aus innerer Überzeugung zum evangelischen Christentum bekennt. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

 

Die Beschwerdeführerin erklärte bereits im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA im März 2018, früher Schiitin gewesen, jedoch mittlerweile "christlich evangelisch" geworden zu sein (BFA-Akt, AS 92). Ihre ersten Kontakte zum Christentum habe sie über ihre gute Freundin gemacht, die ebenfalls evangelisch sei und sie damals in die Kirche mitgenommen habe (BFA-Akt, AS 95). Bereits im Zuge dieser Einvernahme wurde die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihrem Wissen und ihrer inneren Überzeugung befragt und konnte sie bereits zum damaligen Zeitpunkt darlegen, dass sie sich bereits intensiv mit der christlichen Lehre auseinandergesetzt hat. Sie war in der Lage, den überwiegenden Teil der ihr gestellten Fragen betreffend das Christentum (korrekt) zu beantworten (BFA-Akt, AS 96-98). So konnte sie etwa die unterschiedlichen Konfessionen des Christentums benennen, den Aufbau und ausgewählte Inhalte der Bibel wiedergeben und Angaben zu den wichtigsten christlichen Festen und der Dauer der Fastenzeit machen. Dieses Wissen über die christliche Lehre zeugt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt erst seit vier Monaten am Taufvorbereitungskurs teilgenommen hat, von einem bereits damals entwickelten, ernsthaften Interesse am christlichen Glauben.

 

Auch legte die Beschwerdeführerin bereits damals anschaulich ihre Motivation für die Abkehr vom islamischen Glauben dar. So erklärte sie, dass sie die "Nase voll vom Islam" gehabt habe. Sie habe nicht mehr mit den islamischen Vorschriften leben können und habe daher beschlossen, ihre Religion zu wechseln (BFA-Akt, AS 96). Die in der Einvernahme vor dem BFA als Vertrauensperson anwesende Pfarrerin bestätigte zudem bereits bei dieser Gelegenheit, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig den Gottesdienst besucht und auch ihre Tochter regelmäßig in den Kindergottesdienst geht (BFA-Akt, AS 97). Im Rahmen der Einvernahme wurde weiters festgehalten, dass die Beschwerdeführerin sehr modische, westliche Kleidung trage (BFA-Akt, AS 91). Danach befragt, weshalb sie nicht die traditionelle Bekleidung einer muslimischen Frau und kein Kopftuch trage, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie keine Muslimin sei (BFA-Akt, AS 99). Auch ihr resolutes und selbstbewusstes Auftreten an den beiden Verhandlungstagen vor dem Bundesverwaltungsgericht unterstreicht den Eindruck, dass sich die Beschwerdeführerin von den strengen Zwänge des Korans abgewendet hat und sich mit den liberalen Werten, wie sie die evangelische Kirche vermittelt, verbunden fühlt.

 

Im Beschwerdeverfahren wurde die Beschwerdeführerin sodann im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung an zwei Verhandlungstagen erneut ausführlich zu ihrer Konversion befragt und ihr Gelegenheit gegeben, ihre innere Überzeugung vom christlichen Glauben darzulegen. Die Einvernahmen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die auf die innere Überzeugung und tiefere Bedeutung der christlichen Religion gerichteten Fragestellungen der erkennenden Richterin, sowie die Befragungen der Zeugen zeigten eindrücklich, dass der christliche Glaube bereits zu einem festen Bestandteil der Identität der Beschwerdeführerin geworden ist. Die Beschwerdeführerin ließ hierbei keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Ausführungen aufkommen. Die Beschwerdeführerin gab in der Verhandlung plausibel an, zunächst gemeinsam mit ihrem Mann eine katholische Kirche besucht, sich dort aber nicht wohl gefühlt zu haben. Sie sei dann von ihrer iranischen Freundin, die in einem Pfarrhaus gelebt habe, wo sie die Beschwerdeführerin regelmäßig besucht habe, in diese Kirche mitgenommen worden (BVwG-Akt, OZ 10, S. 22 f.) und gehe jetzt jeden Sonntag in die Kirche (BVwG-Akt, OZ 10, S. 25). Befragt, weshalb sie sich für den evangelischen Glauben entschieden habe, erklärte die Beschwerdeführerin in Entsprechung ihres energischen Auftretens in der mündlichen Verhandlung und daher absolut authentisch, der Meinung zu sein, dass die Protestanten eine offenere Denkweise gegenüber Frauen haben würden (BVwG-Akt, OZ 10, S. 25).

 

Die einvernommene Zeugin Pfarrerin XXXX bestätigte zudem den gewonnenen Eindruck, dass das Christentum zu einem fixen Bestandteil im Leben der Beschwerdeführerin geworden ist, indem sie ausführte, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig am "Kirchen-Café" teilnehme, dort mitarbeite, den Gottesdienst besuche und sich am Gemeindeleben beteilige (BVwG-Akt, OZ 25, S. 5).

 

Neben den glaubwürdigen Aussagen der Beschwerdeführerin und der Zeugin XXXX zur Konversion der Beschwerdeführerin legte die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens zahlreiche Dokumente und Bestätigungsschreiben vor, die ihren Weg zur "Christwerdung" - in Übereinstimmung mit den Angaben der Beschwerdeführerin und der Zeugin - abbilden. In einem ersten Bestätigungsschreiben des evangelischen Pfarramtes aus März 2018 wird ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin im November 2017 zum Taufkurs angemeldet hat und seither gemeinsam mit ihrer Tochter die Gottesdienste sowie den Kindergottesdienst besucht hat. Auch hätten sie am 24.12.2017 nach dem Christvespergottesdienst miteinander im Pfarrhaus den Heiligen Abend verbracht (BFA-Akt, AS 135). Die Bestätigung des evangelischen Pfarramtes A.B. XXXX (BFA-Akt, AS 133) bescheinigt die Teilnahme der Beschwerdeführerin an einem Taufkurs. Schreiben des evangelischen Pfarramtes aus Juni und Oktober 2018 belegen zudem, dass die Beschwerdeführerin im Frühjahr und Herbst 2018 an allen (insgesamt elf) Modulen des zweisprachigen Glaubenskurses teilgenommen hat (BVwG-Akt, OZ 5; OZ 10, Beilage ./2; W210 2193406-1, BVwG-Akt, OZ 13). Weiters legte die Beschwerdeführerin eine Bescheinigung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft über ihren Austritt und den Austritt ihrer Tochter aus der islamischen Gemeinschaft in Österreich vor (BVwG-Akt, OZ 5). Durch Vorlage ihrer Taufzeugnisse, ausgestellt von der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. XXXX am 27.01.2019, wird schließlich der Empfang des Sakraments der Taufe durch die Beschwerdeführerin und ihre Tochter bestätigt (W210 2193406-1, BVwG-Akt, OZ 13). Im Schreiben der evangelischen Pfarrgemeinde vom 29.01.2019 wird sodann abermals dargelegt, dass die Beschwerdeführerin die Gottesdienste und Gebetskreise weiterhin besucht, ihre Tochter zum monatlichen Kindergottesdienst begleitet und diese auch für den evangelischen Religionsunterricht in ihrer Volksschule angemeldet hat W210 2193406-1, BVwG-Akt, OZ 13).

 

Auch die zahlreich vorgelegten Unterstützungsschreiben bestätigen, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig Gottesdienste besucht und am christlichen Gemeinschaftsleben teilnimmt. Diese Schreiben untermauern zudem, dass sich die Beschwerdeführerin dem christlichen Glauben mit innerer Überzeugung zugewandt hat. So geht aus diesen Schreiben - wiederum im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin und der als Zeugin einvernommenen Taufspenderin - hervor, dass die Beschwerdeführerin am Taufvorbereitungskurs teilgenommen hat, keines der Module des zweisprachigen Glaubenskurses versäumt hat, dem Dargebotenen stets mit großem Interesse gefolgt ist und ihr Interesse auch durch das Tragen christlicher Symbole ausgedrückt hat (W210 2193406-1, BVwG-Akt, OZ 13).

 

Letztlich bekräftigen auch die Umstände, dass selbst die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin evangelisch getauft ist und von der Beschwerdeführerin für den evangelischen Religionsunterricht in ihrer Volksschule angemeldet wurde, den Eindruck, dass sich die Beschwerdeführerin vollends dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser zu einem festen Lebensbestandteil der Beschwerdeführerin geworden ist.

 

Die Beschwerdeführerin hat somit ihre innere Überzeugung vom christlichen Glauben plausibel dargelegt und konnte insgesamt glaubwürdig darlegen, aufgrund dieser inneren Überzeugung zum Christentum konvertiert zu sein.

 

Hinsichtlich des ursprünglichen Fluchtvorbringens im Familienverfahren ist darauf hinzuweisen, dass dieses als unglaubwürdig zu werten ist:

 

Der Ehemann der Beschwerdeführerin gab als Fluchtgrund konsistent eine Bedrohung durch die Familie seiner Ehefrau an, weil er und seine Ehefrau, der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren, die bereits ihrem Cousin väterlicherseits versprochen gewesen sei, gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hätten (BFA-Akt des Ehemanns, AS 142; BVwG-Akt, OZ 10, S. 11).

 

Der Ehemann der Beschwerdeführerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass seine Ehe im Jahr 2011 geschlossen worden sei (BVwG-Akt, OZ 10, S. 10). Vor dem Hintergrund, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben erst im Juli 2015 aus dem Iran ausgereist ist, ist nicht nachvollziehbar, dass er und seine Familie im Iran - wo sich nach eigenen Angaben des Ehemanns der Beschwerdeführerin auch seine Schwiegerfamilie aufgehalten habe - über drei Jahre unbehelligt gelebt haben will und nie persönlich bedroht worden sein soll (BFA-Akt des Ehemanns, AS 143). Dies begründete er vor dem BFA sodann damit, dass ihn seine Schwiegereltern im Iran nicht gefunden und die an ihn gerichtete Drohung gegenüber seinen Eltern ausgesprochen hätten (BFA-Akt, AS 143). Vermeint der Ehemann der Beschwerdeführerin diesbezüglich, in der mündlichen Verhandlung, im Iran alle zwei Jahre umgezogen zu sein (BVwG-Akt, OZ 10, S. 7), erklärt dies die ausgebliebene persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers und dessen Unversehrtheit nicht. Zum einen ist im Hinblick auf die angeführte Frequenz der Umzüge (bloß alle zwei Jahre) nicht plausibel, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in diesen doch großen Zeitfenstern nicht ausfindig gemacht werden konnte, auch konnte er die vollständigen Adressen seiner vorherigen Wohnsitze im Iran in keinem Fall nennen (BVwG-Akt, OZ 10, S. 7).

 

Weiter gab der Ehemann der Beschwerdeführerin selbst an, dass seine Schwiegereltern jedenfalls früher im Iran gelebt haben, wo sie jetzt seien, wisse er nicht (BFA-Akt des Ehemanns, AS 145). Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Bedrohung von seinen im Iran aufhältigen Schwiegereltern zu befürchten habe. Der Ehemann der Beschwerdeführerin behauptet vor dem BFA zwar zu vermuten, dass seine Schwiegereltern wieder nach Afghanistan zurückgekehrt seien, weil diese denken würden, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin und seine Ehefrau auch dort seien. Hierbei handelt es sich jedoch um eine bloße Mutmaßung, für die es keine weiteren Anhaltspunkte gibt. In der mündlichen Verhandlung gab der Ehemann der Beschwerdeführerin schließlich an, das letzte Mal im Jahr 2011 Kontakt mit seinen Schwiegereltern gehabt zu haben und gar nicht zu wissen, ob diese noch leben. Ebenso wenig wisse er, wo sich seine Schwäger derzeit aufhielten (BVwG-Akt, OZ 10, S. 10).

 

Eine Einsicht in das öffentlich zugängliche Profil des Ehemanns der Beschwerdeführerin in den sozialen Netzwerken und die daraus generierten, in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten Screenshots ergaben letztlich, dass der Beschwerdeführer auf Facebook mit zwei Personen namens XXXX befreundet ist (Beilage ./2 zu OZ 10). Bei diesen Kontakten besteht eine auffällige Namensgleichheit mit zwei der angeblichen Verfolger des Ehemanns der Beschwerdeführerin aus der Familie seiner Ehefrau (BVwG-Akt, OZ 10, S. 10), nämlich zum einen mit seinem Schwager XXXX (BVwG-Akt, OZ 10, S. 18) und zum anderen mit dem Cousin seiner Ehefrau namens XXXX mit dem seine Ehefrau angeblich hätte zwangsverheiratet werden sollen (BVwG-Akt, OZ 10, S. 20). Die Erklärung des Ehemanns der Beschwerdeführerin, die genannten Facebook-Kontakte nicht zu kennen und sich lediglich zu bedanken, wenn ihm auf Facebook jemand eine Nachricht schicke, überzeugt insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin seine Flucht aus dem Iran auf die Bedrohung durch Mitglieder der Familie seiner Ehefrau namens XXXX stützt. Es kann keineswegs nachvollzogen werden, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Falle einer tatsächlichen Bedrohung durch die Familie XXXX beliebige Facebook-Nutzer mit den Nachnamen seiner angeblichen Verfolger zu seinen Kontakten hinzufügt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei den genannten Facebook-Kontakten des Ehemanns der Beschwerdeführerin tatsächlich um den Bruder und den Cousin der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren handelt, der Ehemann der Beschwerdeführerin mit diesen somit zumindest über soziale Netzwerke nach wie vor in Kontakt steht und die vorgebrachte Bedrohung durch diese Personen daher absolut unglaubwürdig erscheint. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin auch wahrheitswidrig erklärte, seit zwei Jahren keine aktiven Facebook-Account mehr zu haben (BVwG-Akt, OZ 10, S. 16). Auch dies trübt die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, der im Verfahren mehrfach auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen wurde, beträchtlich.

 

Zur Frage der persönlichen Glaubwürdigkeit des Ehemanns der Beschwerdeführerin, die auf die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens durchschlägt, ist schließlich zu bemerken, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin eine Verwandtschaft zu seiner Ehefrau (vor Eheschließung) verneinte, das eingeholte DNA-Gutachten jedoch eine Wahrscheinlichkeit von 84 % für das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Ehemann der Beschwerdeführerin und seiner Ehefrau als Cousin und Cousine ersten Grades und somit einen "sicheren Hinweis" auf dieses Verwandtschaftsverhältnis ergab (BVwG-Akt, OZ 33).

 

Auch der Zusatz des Ehemanns der Beschwerdeführerin zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung, wonach er "außerdem" im Iran keine Zukunft für seine Tochter gesehen habe (BFA-Akt des Ehemanns, AS 25), deutet insbesondere vor dem Hintergrund der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens auf die eigentliche Motivation der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns für die Ausreise aus dem Iran.

 

Nach gesamtheitlicher Würdigung des ursprünglichen Fluchtvorbringens und unter Berücksichtigung des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Ehemann der Beschwerdeführerin und von der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin eine Bedrohung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat.

 

2.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, in das Verfahren eingebrachte Berichtsmaterial. Das erkennende Gericht zog zur Beurteilung der gegenwertigen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 heran. Diese Berichte sind aktuell und setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

 

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid vom XXXX . Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig. Sie ist auch begründet:

 

3.2. Zu Spruchpunkt A)

 

3.2.1. Zu Spruchpunkt A) I. - Stattgabe der Beschwerde:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370;

21.09.2000, Zl. 2000/20/0286). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrem Herkunftsstaat Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihre Ausreise aus den Iran auf denselben Fluchtgrund wie ihr Ehemann, nämlich auf eine angebliche Verfolgung durch ihre Familie infolge ihrer Eheschließung und der hierdurch vereitelten, arrangierten Verehelichung mit ihrem Cousin, gestützt hat. Diesem Fluchtvorbringen kommt jedoch, wie im Verfahren ihres Ehemannes, GZ: W210 2193406-1 und oben, beweiswürdigend ausgeführt, keine Glaubwürdigkeit zu. Auch ist diesem Vorbringen - welches eine Verfolgung aus rein privaten Gründen behauptet, die sich zudem nur im Iran zugetragen haben sollen, und welches keinen glaubwürdigen Konnex zu einer wahrscheinlichen Verfolgung im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes enthält - selbst im Falle einer Wahrunterstellung keine Asylrelevanz zu entnehmen.

 

Die Beschwerdeführerin hat im Beschwerdeverfahren jedoch eine Konversion zum Christentum glaubhaft gemacht und damit einen Nachfluchtgrund geltend gemacht. Sie konnte damit eine asylrelevante Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat darlegen (vgl. II.2.2). Hierzu ist Folgendes auszuführen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit dem Gesichtspunkt einer Verfolgung aus "Gründen der Religion" zusammengefasst bereits ausgesprochen, dass die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Menschenrechtspakte das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit verkünden. Dies beinhaltet die Freiheit des Menschen, seine Religion zu wechseln und die Freiheit, ihr öffentlich oder privat Ausdruck zu verleihen. Nach Kälin betrifft religiöse Verfolgung Maßnahmen, welche eine Organisation gegen ihre Gegner bei Konflikten über die richtige Anschauung in Fragen des Verhältnisses des Menschen zu (einem) Gott ergreift. Nach dem "Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996" betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs Flüchtling in Art 1 der GFK ist der Begriff der "Religion" in einem weiten Sinn aufzufassen und umfasst theistische, nichttheistische oder atheistische Glaubensüberzeugungen. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen kann danach auch dann vorliegen, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließt oder sich weigert, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen. In diesem Sinn gilt auch nach der Rechtsprechung in der Schweiz als religiöse Verfolgung das Vorgehen des Staates gegen Atheisten, Ungläubige etc., um sie für ihre Ungläubigkeit zu bestrafen oder zu einem bestimmten Glauben zu zwingen (vgl. VwGH vom 21.9.2000, 98/20/0557 mwN).

 

Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass der Konventionsgrund der Religion auch die Verfolgung wegen einer nicht-religiösen Weltanschauung oder wegen atheistischer Überzeugungen umfasst (vgl EuGH 5.9.2012, C- 71/11 und C-99/11 , Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z). Es ist daher auch die Judikatur zur Religionsausübung auf die Praktizierung einer atheistischen Weltanschauung zu übertragen. In diesem Sinne kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, seine atheistische Weltanschauung nur auf sein Innerstes zu beschränken, sondern muss auch eine öffentliche Ausübung möglich sein (siehe auch Asylgerichtshof vom 14.5.2012, E1 406206-2/2009). Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling ist dem Antragsteller weiter nicht zuzumuten, auf religiöse bzw. areligiöse Betätigungen zu verzichten (Asylgerichtshof vom 19.4.2013, B9 431634-1/2013).

 

Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie sich dem christlichen Glauben zugewandt hat und sich nicht mehr zum Islam bekennt. Diese Haltung der Beschwerdeführerin steht im völligen Gegensatz zu den in Afghanistan vorherrschenden religiösen Zwängen des Islam. Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen besteht in Afghanistan innerhalb der Bevölkerung eine starke Intoleranz gegenüber Menschen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert sind. Konversion oder Apostasie ist nach der Scharia ein Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wird. In den meisten Fällen verstößt selbst die Familie diese Person.

 

Folglich muss angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht, sie sich sohin aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren, von welchem sie keinen effektiven Schutz erwarten kann.

 

Mit Bedacht auf die Länderberichte muss davon ausgegangen werden, dass der afghanische Staat nicht gewillt ist, die Beschwerdeführerin vor der ihr drohenden Verfolgung zu schützen. Der Beschwerdeführerin ist es angesichts dessen nicht zumutbar, sich des Schutzes ihres Heimatlandes in Bezug auf ihre Abwendung vom muslimischen Glauben zu bedienen.

 

Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführerin insoweit eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde, als sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung aufgrund ihres Glaubensabfalls sicher wäre. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin, die eine verinnerlichte Konversion zum Christentum glaubhaft gemacht hat und der in Afghanistan zumindest eine Abkehr vom islamischen Glauben unterstellt werden würde, die aufgezeigten Bedrohungen in allen Landesteilen droht. Eine inländische Fluchtalternative kommt daher für die Beschwerdeführerin nicht in Betracht.

 

Es kamen im Verfahren keine Asylausschlussgründe iSd § 6 AsylG 2005 hervor.

 

Aus diesen Gründen war der Beschwerde statt zu geben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

 

3.2.2. Zu Spruchpunkt A) II. - Feststellung der Flüchtlingseigenschaft:

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz am 01.08.2015 und sohin noch vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, weshalb gemäß § 75 Abs. 24 AsylG die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") im konkreten Fall nicht anzuwenden sind. Der Beschwerdeführerin kommt daher ein dauerndes Einreise- und Aufenthaltsrecht zu.

 

3.3. Zu B) - Zur Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

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