BVwG I415 2158906-1

BVwGI415 2158906-121.10.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:I415.2158906.1.00

 

Spruch:

I415 2158906-1/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Manuel Dietrich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 05.05.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer nigerianischer Herkunft reiste am 21.01.2015 legal per Schengenvisum nach Griechenland. Von dort gelangte er auf der Ladefläche eines LKW nach Österreich, wo der Beschwerdeführer am 05.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den er mit seiner Homosexualität begründete. Er führte weiters aus bereits verheiratet zu sein und drei Söhne in Nigeria zu haben.

 

2. Am 03.02.2017 erging seitens des StandesamtsXXXX eine Anfrage an das BFA mit der Bitte um Übermittlung aller relevanter Daten sowie den aktuellen Status im Asylverfahren hinsichtlich des Beschwerdeführers, weil dieser in XXXX die Ehe schließen möchte.

 

3. Am 06.04.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seiner Lebensgefährtin vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund führte er aus vor 17 Jahren herausgefunden zu haben, dass er sich in betrunkenem Zustand zu Männern hingezogen fühle. Jedes Mal, wenn er zu Partys gegangen sei, habe er sich von Männern angezogen gefühlt. 2014 habe ihn seine Frau in flagranti mit seinem Partner erwischt. Daraufhin sei sein Freund geflohen und habe der Beschwerdeführer ein paar Dinge genommen und sei auch weggegangen. Dieser Vorfall habe die Beziehung zu seiner Frau beendet. Homosexuelle Kontakte pflege er auf Nachfrage in Österreich nicht, habe er doch deswegen seine Familie zurücklassen müssen. Beim XXXX Verkauf habe er schließlich seine Freundin kennengelernt. Er wohne in der Eigentumswohnung seiner Lebensgefährtin mit dieser und dem gemeinsamen Sohn.

 

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 27.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Als Frist für seine freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde einen Zeitraum von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

 

5. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 18.05.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 22.05.2017, erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dabei wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde ihren Bescheid im Wesentlichen damit begründe, dass dem Beschwerdeführer nicht geglaubt werde, dass er homosexuell sei. Diesbezüglich monierte der Beschwerdeführer auch nicht lediglich ausgeführt zu haben homosexuell, sondern bisexuell zu sein. Hierin bestehe bekanntermaßen ein eklatanter Unterschied. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme ja auch angegeben traditionell verheiratet zu sein. Da er sich allerdings auch zu Männern hingezogen fühle, pflege er auch sexuelle Beziehungen mit Männern. Es liege staatliche Verfolgung vor, da es keinerlei staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Nigeria gebe. Hinzukomme, dass Transsexuelle während der Verbüßung der Haftstrafen von den Vollzugsbeamten drangsaliert und gepeinigt werden. Auch Folter sei diesbezüglich nicht selten an der Tagesordnung. Bezüglich seiner Bisexualität liege eine unrichtige, weil widersprüchliche Beweiswürdigung vor. Insbesondere werde weiters Spruchpunkt III. des Bescheides der belangten Behörde bekämpft, wonach kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt wurde. Hier sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen in einer Beziehung stehe, welcher auch ein Kind entsprungen sei.

 

6. Mit am 07.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch RA Mag. Manuel Dietrich, einen Fristsetzungsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

7. Mit Schreiben vom 19.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine Reihe von Unterstützungserklärungen und sonstige Unterlagen als Nachweis seiner Integrationsbemühungen.

 

8. Am 05.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, wobei die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zeugenschaftlich einvernommen wurde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger Nigerias, christlichen Glaubens (Penticostal) und gehört der Volksgruppe der Esan an. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist legal aus Nigeria mit einem vom 25.01.2015 bis 22.02.2015 gültigen griechischen Schengen Visum ausgereist und hält sich (mindestens) seit 05.02.2015 in Österreich auf.

 

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist er daher auch erwerbsfähig.

 

Der Beschwerdeführer ist mit einer nigerianischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit dieser drei minderjährige Kinder. Frau, Kinder und Mutter des Beschwerdeführers leben allesamt im Herkunftsstaat und hat der Beschwerdeführer regelmäßig telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und über diese auch zu seinen Kindern.

 

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria zwölf Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer arbeitet in Österreich als Straßenzeitungsverkäufer - zuerst in XXXX, mittlerweile in der XXXX Marktgemeinde XXXX, was naturgemäß mit langwierigem Pendeln von drei Stunden pro Richtung, sohin sechs Stunden pro Tag einhergeht - und bezieht seit Mitte 2017 auf eigenen Wunsch hin - außer der Krankenversicherung - keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer legte eine Einstellungszusage als Abwäscher und Küchenhilfe bei einem Restaurant in XXXX vor, wobei er in einer 35-Stunden-Woche € 1.349,- netto ins Verdienen bringen würde.

 

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner österreichischen Lebensgefährtin, mit der der Beschwerdeführer seit November 2015 ein Paar ist und seit Jänner 2017 an gemeinsamer Adresse wohnt, und des gemeinsamen am XXXX geborenen Sohnes, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist, wobei eine gemeinsame Obsorge seitens der Eltern gem. § 177 Abs ABGB vor dem Standesamt XXXX erklärt wurde. Seine Lebensgefährtin arbeitet zwei Mal pro Woche als Rezeptionistin in einem Hotel. In dieser Zeit passen der Beschwerdeführer oder die Eltern der Lebensgefährtin auf den gemeinsamen Sohn auf. Der Beschwerdeführer leistet monatliche Alimentationszahlungen für seinen Sohn an seine Lebensgefährtin: diese betrugen bis November 2017 € 150,- pro Monat, seitdem € 250,- pro Monat. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Lebensgefährtin in der Kindesbetreuung.

 

Betreffend seine Integration brachte der Beschwerdeführer zahlreiche Unterstützungsschreiben vornehmlich von Bekanntschaften aus seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer und eine Liste an Unterschriftserklärungen für ein Bleiberecht in Österreich in Vorlage. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Sonstige tiefergehenden sozialen Bindungen oder Vereinsmitgliedschaften konnten nicht festgestellt werden. In Ermangelung sonstiger Anknüpfungspunkte wird festgestellt, dass kein schützenswertes Privatleben vorliegt.

 

Der Beschwerdeführer brachte ein Deutsch Zertifikat Niveau A2 in Vorlage. Der Beschwerdeführerbesucht aktuell keinen Deutschkurs, jedoch hilft ihm seine Lebensgefährtin beim Deutschlernen.

 

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.

 

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homo- oder bisexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria deshalb Probleme mit seiner nigerianischen Ehefrau bekommt hat und deshalb sein Herkunftsland verlassen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Nigeria aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten habe.

 

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

 

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

 

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

 

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 05.05.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die aktuellen Länderberichte übermittelt.

 

Es ist auch keine maßgebliche Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen aktuellen Ausführungen zu Nigeria vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

 

Die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria hat sich nicht in einem Umfang verändert, der auf eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes schließen lässt. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

 

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

 

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

 

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

 

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

 

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

 

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

 

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

 

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

 

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

 

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert. Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

 

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existentiellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

 

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

 

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

 

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).

 

In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).

 

Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).

 

Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen‑)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).

 

Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).

 

Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).

 

Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

 

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

 

UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).

 

Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).

 

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

 

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).

 

Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).

 

Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015)

 

Nordnigeria - Boko Haram

 

In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzudämmen (AA 4 .2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4 .2017a).

 

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Distriktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).

 

Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4 .2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Islamisten weiterhin aktiv (AA 4 .2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wurde nahe Magumeri im Bundesstaat Borno angegriffen (DS 28.7.2017).

 

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017). Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren (DW 6.5.2017).

 

Boko Haram möchte eine Version vom Islam durchsetzen, die es für Muslimen "haram" macht oder ihnen verbietet an irgendeiner politischen oder sozialen Tätigkeit teilzunehmen, die mit dem Westen assoziiert wird. Dazu gehört das Wählen, das Tragen von Hemden und Hosen oder säkulare Bildung. Boko Haram betrachtet den nigerianischen Staat als von Ungläubigen betrieben, ungeachtet dessen, ob der Präsident muslimisch ist oder nicht (BBC 24.11.2016). Grob datiert werden kann die Entstehung der Gruppe auf das Jahr 2002. Sie hat sich in Maiduguri im Norden Nigerias formiert. Ihr Vorgehen war zunächst friedlich. Experten sehen die anfängliche Attraktivität von Boko Haram vor allem in den politischen und sozialen Verhältnissen im Norden Nigerias begründet: Die Gesellschaft ist ethnisch und religiös zersplittert, Armut und Arbeitslosigkeit sind höher als in anderen Landesteilen. Der Staat kommt seinen Aufgaben nur bedingt nach, die Lokalregierungen sind oft korrupt. Etwa ab 2009 radikalisierte sich die Gruppe und bekämpft seither aktiv den nigerianischen Staat. Seit 2011 kommt es beinahe im Wochenrhythmus zu Überfällen auf Kirchen, Polizeistationen, Schulen, Universitäten und andere Einrichtungen des Staates. Markenzeichen von Boko Haram sind sogenannte Drive-by-Shootings, gezielte Tötungen vom Motorrad aus, die sogar zu einem Motorrad-Verbot in Maiduguri führten. Aufgrund des anhaltenden Terrors rief der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Mai 2013 in den drei nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Notstand aus. Der Konflikt weitete sich inzwischen auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Seit November 2013 wird Boko Haram von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die finanziellen Mittel Boko Harams stammen einerseits von Überfällen, bei denen in den vergangenen Jahren mutmaßlich Millionen von Dollar erbeutet wurden. Die Organisation wird aber auch von anderen Terrororganisationen wie Al-Kaida und ihrem nordafrikanischen Ableger Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), der somalischen al-Schabab oder dem Islamischen Staat unterstützt. Der Chef von Boko Haram war von 2010 bis 2016 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hatte, ist fraglich. Im August 2016 meldete das IS-Magazin Al-Naba, dass Shekau als Chef von Boko Haram entmachtet wurde. Als Nachfolger nannte das Magazin den bisherigen Sprecher der Organisation, Abu Musab al-Barnawi (Zeit 18.1.2017). Es gibt Berichte, dass Boko Haram sich in zwei Gruppierungen aufgeteilt hat, eine wird von Abubakar Shekau geführt und die andere von Abu Musab al-Barnawi (NW 15.3.2017; vgl. DW 4.8.2016). Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 18.1.2017).

 

Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016) und im Dezember 2016 erklärte das nigerianische Militär den Sambisa Wald frei von Boko Haram (VOA 31.3.2017). Boko Haram übte trotzdem sporadische Angriffe im Sambisa Waldgebiet aus und verstärkte Überfälle auf Dörfer und Städte in der Suche nach Nahrungsmitteln (DW 28.3.2017)

 

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) haben weiterhin militärische Operationen gegen Boko Haram im Nordosten des Landes durchgeführt. Einige der Truppen töteten mutmaßliche Boko Haram Mitglieder. Auch gab es Massenverhaftungen von Männern und Buben, die auch gefoltert wurde. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischen Operationen 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigerianische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 21.11.2016).

 

Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen (TNY 22.12.2015; vgl. IRIN 9.5.2017). Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut der UN und anderen internationalen Organisationen rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet den Einsatz von Kindersoldaten und behauptet, dass die CJTF keine Kindersoldaten einsetzte. Dennoch wird die CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 3.3.2017). Es gibt auch Berichte, dass Frauen in IDP-Lager von Mitgliedern der CJTF und des Militärs sexuell ausgebeutet und missbraucht werden (AI 6.2017). Die CJTF hat aus Angst vor weiblichen Selbstmordattentätern für Frauen in Maiduguri eine Ausgangssperre verhängt. Frauen, die diese nicht einhalten, werden verprügelt. Trotz Versprechungen der Regierung die CJTF unter Kontrolle zu bringen, gibt es weiterhin Berichte, dass CJTF-Mitglieder ihre Opfer schikanieren, foltern und misshandeln (IRIN 9.5.2017).

 

In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

 

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

 

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Sachverhalt:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017 und in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2018. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

 

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Herkunft und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten und bereits vom StandesamtsXXXX geprüften nigerianischen Reisepasses mit der Nummer XXXX fest.

 

Bezüglich des Familienstandes des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass er in der Erstbefragung angegeben hat, traditionell und standesamtlich verheiratet zu sein. Die vom Beschwerdeführer dem StandesamtsXXXX vorgelegten nigerianischen Dokumente sprechen allerdings davon, dass der Beschwerdeführer niemals verheiratet gewesen sei. Beim Behördentermin am 01.03.2017 vor dem StandesamtsXXXXaufgrund der geplanten Heirat mit seiner österreichischen Lebensgefährtin führte der Beschwerdeführer aus geschieden zu sein und lediglich traditionell verheiratet gewesen zu sein. Auch in der Einvernahme vor dem BFA am 06.04.2017 führte der Beschwerdeführer ausdrücklich aus nur traditionell verheiratet gewesen zu sein und bezüglich einer standesamtlichen Ehe bei der Erstbefragung falsch verstanden worden zu sein. Eine Scheidung erwähnte der Beschwerdeführer wiederum mit keinem Wort. In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer auf Nachfrage der belangten Behörde aus wie folgt:

 

BehV: Ihre Ehefrau [gemeint wohl: Lebensgefährtin] hat Ihren Heiratsantrag zurückgezogen, warum?

 

BF: Das Problembestand darin, dass ich in Nigeria nur traditionell verheiratet war und nicht vor dem Standesamt. Ich habe aber bei der Befragung vor dem BFA angegeben, dass ich verheiratet bin und das hat dazu geführt, dass das Standesamt hier in Österreich ein Hinderungsgrund sah. Ich bin davon ausgegangen, dass meine traditionell geschlossene Ehe aufgelöst ist. Aufgelöst ist die Ehe dann, wenn die Ehefrau den Entschluss fasst, nichts mehr mit dem Ehemann zu tun haben wollte. Das war der Fall und dazu brauchte es keine Dokumente. Am Standesamt in Österreich haben sie uns gesagt, dass wenn wir den Antrag nicht zurückziehen, wir vor Gericht gehen müssen. Wir hatten damals viel zu tun, dass wir das dann nicht machen wollten und haben den Antrag dann als gemeinsame Entscheidung zurückgezogen.

 

BehV: Ich erlaube mir darauf, auf die im Akteninhalt betreffend die Ausführungen des Standesamtes hinzuweisen, wo sich halt aus Sicht des Standesamtes der BF verheiratet wäre. Dazu hat er vor dem Standesamt eine offensichtlich gefälschte Ledigkeitsbestätigung vorgelegt.

 

BehV: Hat Frau R. gewusst, dass Sie bereits verheiratet sind?

 

BF: Ich war verheiratet. Ich betone noch einmal, ich war verheiratet. Ich habe in Nigeria nicht standesamtlich geheiratet. Ich muss kein Dokument vorweisen, dass die Scheidung bescheinigen würde. Frau R. wusste Bescheid. Ich habe ihr alles erzählt und auch den Grund, warum diese Ehe zerstört wurde.

 

Wie schon die belangte Behörde zutreffend festhielt, ist das Bestehen dieser Ehe ein zentraler Punkt im Asylvorbringen des Beschwerdeführers und ist auch der offensichtlich nach Belieben vorgebrachte Ehestatus seiner persönlichen Glaubwürdigkeit nicht zuträglich. Der erkennende Richter folgt den Ausführungen des Standesamtes und geht daher - wie auch schon die belangte Behörde - von einem verheiraten Status des Beschwerdeführers in Nigeria aus. Mit den dem Standesamt vorgelegten nigerianischen Dokumenten wollte der Beschwerdeführer nachvollziehbar einen ledigen Beziehungs-Status glaubhaft machen, um damit die Heirat im Bundesgebiet mit der österreichischen Lebensgefährtin zu beschleunigen.

 

Dass der Beschwerdeführer regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und seinen drei Kindern in Nigeria pflegt, erläuterte der Beschwerdeführer glaubhaft vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen zu seinem österreichischen Sohn ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer beigebrachten österreichischen Dokumenten. Dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin seit November 2015 ein Paar ist und seit Anfang 2017 im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus einer Nachschau im ZMR und den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin in der Verhandlung. Dass er von dieser beim Deutschlernen unterstützt wird und er diese bei der Betreuung des gemeinsamen Sohnes tatkräftig unterstützt, brachten beide glaubhaft in der mündlichen Verhandlung vor. Die Alimentationszahlungen und deren Höhe ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer beigebrachten monatlichen Kontobewegungen.

 

Eine bestandene Deutschprüfung im Niveau A2 wies der Beschwerdeführer durch Vorlage eines entsprechenden Zertifikates nach. Betreffend das Bemühen Deutsch zu sprechen konnte sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Bild machen, in der der Beschwerdeführer selbst ausführte, aktuell keinen Kurs zu besuchen, jedoch von seiner Lebensgefährtin im Selbststudium unterstützt zu werden.

 

Es wird diesbezüglich vom erkennenden Richter nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer durch seine Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 durchaus integrative Schritte gesetzt hat und die von ihm vorgelegten zahlreichen Empfehlungsschreiben seine persönlichen Kontakte in Österreich widerspiegeln. Es wird aber auch nicht verkannt, dass sich der Beschwerdeführer erst seit drei Jahren und neun Monaten im Bundesgebiet aufhält und ist in diesem Zusammenhang auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen, sodass eine Ausweisung auch nach einem 3-jährigen Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen ist. Zudem war der Beschwerdeführer in weiten Teilen der Verhandlung auf den Dolmetscher angewiesen.

 

Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgebrachten privaten Kontakte, entsprechen, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für Ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht was seinen relativ kurzen Aufenthalt in Österreich betrifft als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität. Dies ergibt sich aus seinen Angaben und nicht zuletzt seinen beträchtlichen, in der Verhandlung näher erläuterten Pendelzeiten:

 

RI: Wie gestalten Sie sonst Ihre Freizeit? Haben Sie Freunde? Sind Sie Mitglied eines Vereines oder sonstige soziale Kontakte, die Sie mir nennen möchten?

 

BF: Weil ich größte Zeit damit verbringe, nach Vorarlberg zu fahren, verbringe ich die meiste Zeit mit meiner Familie.

 

Die legale Ausreise aus Nigeria wird angesichts des bestehenden griechischen Touristenvisums als glaubhaft erachtet.

 

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Es wurde keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

 

Dass der Beschwerdeführer als Straßenzeitungsverkäufer in XXXX tätig war und in XXXX tätig ist sowie die damit korrelierenden langen, werktäglichen Pendelzeiten, ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden, glaubhaften Aussagen, seinen monatlichen Abbuchungsaufträgen zu Gunsten der Verkehrsverbünde XXXX und XXXX sowie den damit in Relation stehenden zahlreichen Unterstützungserklärungen. Dass der Beschwerdeführer seit Mitte 2017 außer der Krankenversicherung keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung und den damit übereinstimmenden Auszügen aus der GVS.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage als Abwäscher und Küchenhilfe bei einem Restaurant in XXXX vor, wobei er in einer 35-Stunden-Woche € 1.349,-

netto ins Verdienen bringen würde.

 

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

 

2.3. Zu den Fluchtgründen und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

 

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers.

 

Die Behörde und in weiterer Folge das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Neben den bereits oben erwähnten Widersprüchlichkeiten betreffend den Ehestatus des Beschwerdeführers sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass der Beschwerdeführer vor den Sicherheitsbehörden bei seiner Asylantragstellung vorgab, seinen Reisepass in Griechenland verloren zu haben. Zur beabsichtigten Ehe mit seiner österreichischen Lebensgefährtin war er dann jedoch sehr wohl im Stande seinen originalen nigerianischen als verloren behaupteten Reisepass beim behördlichen Termin vor dem Standesamt zwei Jahre später in XXXX in Vorlage zu bringen. Es ist der belangten Behörde diesbezüglich zuzustimmen, dass es unwahrscheinlich anmutet, dass der laut Erstbefragung vor der Polizei in XXXX in Griechenland verloren geglaubte Reisepass (AS 13) rein "zufällig" wieder auftaucht und ist auch dies seiner persönlichen Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht zuträglich.

 

Der Beschwerdeführer führte bei der Erstbefragung am 05.02.2015 vor der den Sicherheitsbehörden der LPD XXXXaus homosexuell zu sein und dass dies sein einziger Fluchtgrund sei. Er sei zwar verheiratet, lebe diese Neigungen aber seit 15 Jahren ohne Wissen seiner Frau aus. Als zuletzt sein Liebhaber mit zu ihm nach Hause gekommen sei, habe ihn seine Ehefrau dabei beobachtet. Seitdem seine Frau in Kenntnis sei, habe er Angst, dass sie etwas unternimmt bzw. der Behörde meldet und sei er daher aus Angst geflohen. Auf Nachfrage führte er an, seinen Reisepass in Griechenland verloren zu haben.

 

Bei der Einvernahme durch das BFA am 06.04.2017 führte der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass er vor 17 Jahren herausgefunden habe, sich in betrunkenem Zustand zu Männern hingezogen zu fühlen. Er habe dieser Neigung aber niemals nachgegeben bis ins Jahr 2014, als er einen anderen Mann kennengelernt und mit diesem geheim eine Beziehung geführt habe, bis er in flagranti von seiner Frau daheim erwischt worden sei. Der Freund sei geflohen und auch der Beschwerdeführer habe durch diese Handlung seinen Familiennamen und seine Ehe ruiniert und sei ebenfalls davongerannt. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer weiters an, dass der als XXXX bezeichnete Freund sein einziger homosexueller Partner gewesen sei und er mit diesem fast zwei Monate eine Beziehung geführt habe.

 

Wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid festhält, sind die Angaben zwischen den Eckpfeilern der der beiden Vorbringen ungewöhnlich verschieden ausgefallen und erscheint es daher nicht glaubhaft, dass sich Besagtes überhaupt so zugetragen hat:

 

So macht es jedenfalls durchaus einen Unterschied, ob man - wie in der Erstbefragung ausgeführt - seine Homosexualität 15 Jahre geheim auslebt oder - wie in der Einvernahme durch das BFA dargelegt - nur eine Beziehung gehabt hat, welche lediglich zwei Monate gedauert habe.

 

In der mündlichen Verhandlung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die vor dem BFA dargetane Version:

 

RI: Wann sind Sie sich Ihrer Homosexualität konkret bewusst worden?

 

BF: In den frühen 20ern. Ich war auf einer Party, ich war betrunken und habe dann bemerkt, dass ich mich zu Männern hingezogen fühle.

 

RI: Sie haben sich also nur zu Männern hingezogen gefühlt, ohne dass Sie einen konkreten Partner gehabt haben. Ist das richtig? Ihre Homosexualität war also vorerst im "Verborgenen"?

 

BF: Wenn ich auf Partys war und ich betrunken war, habe ich nicht gewusst, wie ich mit dieser Situation umgehen soll, da ich mich zu Männern hingezogen fühlte.

 

RI: Wann hatten Sie schlussendlich Ihre ersten homosexuellen Kontakte in Nigeria?

 

BF: Es hat einen Vorfall gegeben. Das war der erste und der letzte gewesen. Ich habe einen Mann auf einer Party kennengelernt und das war im Jahr 2014. Diese Beziehung ging zwei Monate.

 

RI: Wie viele Jahre liegen dazwischen, dass Sie herausgefunden haben, dass Sie homosexuell sind und Sie den ersten sexuellen Kontakt mit einem Mann hatten?

 

BF: Der Zeitpunkt, wo ich meine Bisexualität entdeckt habe, war im Jahr 2002. Ich habe keinen Partner gefunden bis zum Jahr 2014.

 

Der Beschwerdeführer präzisierte sein Vorbringen in der Verhandlung dahingehend, dass es bei diesem einzigen homosexuellen Kontakt geblieben ist, er in Österreich keine (weiteren) homosexuellen Kontakt gehabt habe. Daher ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seinen Erzählungen zu Folge lediglich einen homosexuellen Partner in seinem Leben gehabt hat, und zwar jenen, mit dem er vorgibt, von seiner Frau daheim in flagranti erwischt worden zu sein.

 

RI: Sie haben also erst 2014 Ihren homosexuellen Partner kennengelernt. Hatten Sie bis dahin lediglich heterosexuellen Kontakt mit Ihrer Ehefrau?

 

BF: Das stimmt. In dieser Zeit habe ich auch versucht, wenn ich auf Partys war, männliche Partner zu finden. Ich habe aber keinen gefunden.

 

RI: Wir reden von einem sehr langen Zeitraum von zwölf Jahren. Haben Sie Ihre homosexuelle Empfindung unterdrücken müssen oder wie darf ich mir das vorstellen?

 

BF: Es ist verboten. Ich habe versucht es zu unterdrücken, aber ein derartiges Gefühl kann man nicht unterdrücken. Ich habe es versucht. Ich habe gesucht, bis ich 2014 diese Person kennengelernt habe.

 

RI: Wie geht es Ihnen hier in Österreich mit Ihrer Bisexualität? Leben Sie Ihre Homosexualität aus?

 

BF: Hier habe ich erkannt, dass Männer auf mich zugehen. Ich habe den XXXX verkauft und Männer sind dann an mich herangetreten. Wie ich im ersten Jahr den XXXX verkauf habe, haben Männer ganz konkrete Angebote gemacht, die ich dann abgelehnt habe. Ich bin deswegen den Angeboten nicht nachgegangen. Aufgrund der Erfahrungen, die ich in meiner Heimat gemacht habe, wo ich wegen meiner Homosexualität verfolgt worden bin und der Tatsache, dass das auch meine Ehe zerstört hat und mein Verhältnis zu meiner Familie schwer beschädigt hat.

 

RI: Fällt es Ihnen schwer Ihre homosexuellen/bisexuellen Neigungen zu unterdrücken?

 

BF: Es ist für mich sehr schwierig, vor allem, wenn ich etwas getrunken habe. Das war auch der Grund, warum ich aufgehört habe zu trinken.

 

RI: Demnach haben Sie, seit Sie in Österreich sind, keine sexuellen Kontakte zu Männern gehabt. Ist das richtig?

 

BF: Nein.

 

RI: Haben Sie Ihre Lebenspartnerin in Ihre Fluchtgeschichte eingeweiht? Weiß Ihre Lebensgefährtin über Ihre bisexuellen Neigungen Bescheid?

 

BF: Ja, das ist sie. Ich habe es ihr von Anfang an erzählt.

 

RI: Wie steht sie dazu?

 

BF: Zu Beginn war sie schockiert und traurig. Sie hat mich gefragt, ob ich bereit bin, mich zu ändern. Ich habe "Ja" gesagt.

 

RI: Sind Sie einmal mit Ihrer Partnerin auf einer Party gegangen und haben etwas getrunken, sodass Sie diesbezüglich in Schwierigkeiten gekommen sind?

 

BF: Ich habe meiner Freundin versprochen, dass ich nicht zu meinem alten Leben zurückkehre. Wenn ich auf einer Party bin, dann kenne ich meine Grenzen, trinke ein Glas und nicht mehr.

 

RI: Sie glauben also sehr wohl, dass, wenn Sie mehr trinken würden, sich von Männern angezogen fühlen?

 

BF: Nur, wenn ich wirklich betrunken bin, kommt dieser starke Drang, wo ich mich zu Männern hingezogen fühle. Aber ich habe aufgrund meiner Vergangenheit gelernt. Ich habe auch ein Versprechen gegenüber meiner Partnerin gegeben. Ich weiß, wie viel ich trinken kann und belasse das auch dabei.

 

Der Beschwerdeführer beteuert seiner aktuellen Lebensgefährtin gegenüber mit seinem alten Leben "abgeschlossen" zu haben, weil er dadurch schon eine Ehe zerstört habe. Er trinke in Österreich nicht mehr so viel, weil er seine Grenzen kenne und seine "zweite Chance" nutzen wolle. Auf Nachfrage seiner Rechtsvertretung führte er aus, dieses Gefühl, auf Männer zuzugehen, jedoch auch zu haben, wenn er nicht betrunken sei:

 

RV: Dieses Gefühl, wie Sie es nennen, haben Sie das immer? Haben Sie das Gefühl auch, wenn Sie nüchtern sind oder haben Sie es dann nur besser unter Kontrolle oder nur, wenn Sie betrunken sind?

 

BF: Wenn ich nicht betrunken bin, habe ich das Bedürfnis auf Männer zuzugehen, aber ich habe nicht den Mut und die Kraft auch an diese heranzutreten.

 

RI: Sie haben eine Einstellungszusage aus dem Gastgewerbe vorgelegt. Haben Sie da nicht Angst, dass Sie vielleicht im Gastgewerbe das eine oder andere Glas Alkohol genießen, dass Sie sich diesbezüglich nicht mehr im Griff haben?

 

BF: Wie ich bereits zuvor gesagt habe, ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich habe die Situation, dass ich mich mit Männern einlassen möchte, hinter mir gelassen. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich bin seit vier Jahren hier. Das ist jetzt meine zweite Chance und die möchte ich mir nicht zerstören.

 

RI: Das klingt für mich, dass Sie sich emotional sehr gut im Griff haben. Würden Sie das auch so bezeichnen?

 

BF: Das trifft zu.

 

RI: Insofern könnte man auch davon ausgehen, dass Sie bei Rückkehr nach Nigeria auch derart Kontrolle hätten oder was macht hier, aus Ihrer Sicht, den Unterschied?

 

BF: Mein Leben in Nigeria ist gänzlich zerstört. Ich habe dort meine Beziehung zerstört, meine Familie, die ich einem Trauma ausgesetzt habe und weiter auch der Schande, die mit dieser Veranlagung verbunden ist. Niemand will sich mit jemanden mit der Veranlagung assoziieren. Das ist ein gänzliches Tabu in Nigeria. Auf der anderen Seite habe ich hier eine Familie für die ich mich gänzlich einsetze.

 

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

 

BF: In Nigeria ist es für mich gefährlich. Meine Frau will mich nicht mehr und meine Familie ist völlig traumatisiert. Zu denen kann ich auch nicht zurückgehen.

 

RI: Unter der Annahme, dass Sie die von Ihnen geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten nicht hätten, könnten Sie dann wieder in Ihrem Herkunftsstaat leben?

 

BF: Weil ich hier eine Familie habe.

 

Es stellt sich hier unweigerlich die Frage, wieso der Beschwerdeführer - der vorgibt in Österreich seine Homosexualität nicht ausgelebt zu haben und auch nicht auslebt - nicht in sein Herkunftsland zurückkehren könnte. Er führt dezidiert an "seine Entscheidung getroffen zu haben": Er hat die Situation, dass er sich mit Männern einlassen möchte, hinter sich gelassen. Er hat seine Lektion gelernt. Aufgrund dieser Aussagen gelingt es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht seinen behaupteten Fluchtgrund der Homosexualität glaubhaft zu untermauern, vielmehr bejahte er auf Nachfrage seiner Lebensgefährtin und Kindesmutter, die er zwischenzeitlich vermutlich geheiratet hätte, wenn es den vom Standesamt XXXX aufgedeckten Hinderungsgrund der aufrechten Ehe im Herkunftsstaat nicht gäbe, die Bereitschaft sich ändern zu wollen.

 

Weiters gibt der Beschwerdeführer nicht einmal an behördlich gesucht zu werden. Dass seine Frau sich nach dem behaupteten "in flagranti Erwischen" an die Behörden gewendet habe, behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal. Auch war es dem Beschwerdeführer auf Nachfrage der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung möglich nach diesem Vorfall bei der Behörde legal einen Pass zu beantragen und legal per Flugzeug auszureisen, was jedenfalls auch nicht für etwaige Verfolgungshandlungen seitens des nigerianischen Staates oder eine entsprechende "Dringlichkeit" der - wie oben erwähnt - legalen Ausreise spricht:

 

BehV: Wie kamen Sie dann an den Reisepass und an die finanziellen Mittel Ihrer Ausreise?

 

BF: Das Geld wurde mir von meinem Freund gegeben.

 

BehV: Und der Pass?

 

BF: Den Pass habe ich von der Behörde bekommen.

 

BehV: Sie haben den Pass nach dem Vorfall bekommen?

 

BF: Ja, das ist richtig.

 

BehV: Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Sie hatten Angst vor der Behörde und haben aber von der Behörde den Pass geholt. Erklären Sie mir das.

 

BF: Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich den Reisepass bekommen habe, war dieser Fall noch gar nicht den Behörden bekannt bzw. wurde nicht gemeldet.

 

RI: Kann es sein, dass Ihre Frau so loyal zu Ihnen ist und den Behörden gar nicht gemeldet hat, was sie gesehen hat?

 

BF: Wenn sie es nicht gemeldet hätte, wären damit Konsequenzen verbunden gewesen, dann wäre sie von bösen Geistern heimgesucht worden.

 

BehV: Wissen Sie überhaupt, ob Ihre Frau diesen Vorfall den Behörden gemeldet hat?

 

BF: Weiß ich nicht.

 

BehV: Warum machen Sie sich Sorgen darüber, dass die Behörde davon wissen, wenn Sie gar nicht wissen, ob das gemeldet wurde?

 

BF: Es geht nicht nur um die Behörden. Es geht auch um die Familie. Das ist noch nie vorgekommen und sie hätten mich deswegen auch umbringen können.

 

BehV: Sie haben vorhin ausgeführt, dass niemand mit so jemanden wie Ihnen in Kontakt sein will. Sie haben sich Dokumente von der Hochzeit von Nigeria nach Österreich schicken lassen, wie ist das dann möglich? Wer hat Ihnen geholfen?

 

BF: Jener Freund, der mich bei der Flucht geholfen hat, wollte nicht, dass ich getötet werde. Dieser Freund, der mir die Dokumente zuschickte, war mein Cousin. Für ihn war das kein Problem, da ich nicht mehr dort lebe.

 

Es ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen.

 

Generell drängt sich nach der Durchsicht der Einvernahmeprotokolle und der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung der Eindruck einer gesamthaft nicht nachvollziehbaren Darstellung und einer konstruierten Fluchtgeschichte auf und erachtet der erkennende Richter das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Lichte der obigen Ausführungen als nicht glaubhaft bzw. entkräftete der Beschwerdeführer sein Kernfluchtvorbringen homo- bzw. bisexuell zu sein selbst bzw. führt auch vor seiner Lebensgefährtin aus sich geändert zu haben.

 

2.4. Zum Herkunftsstaat:

 

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die aktuellen Länderberichte übermittelt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ermöglicht. In der Verhandlung verwies die Rechtsvertretung diesbezüglich auf die schriftliche Stellungnahme vom 19.09.2018 (Akt, OZ 16), in der hinsichtlich der "lebensbedrohlichen" Sicherheitslage ebenfalls auf die aktuellen Länderberichte mit Stand 07.08.2017 verwiesen wurde. Demnach wüte in Nigeria die radikal-islamische Terrormiliz Boko Haram müssten Homosexuelle oder Bisexuelle mit drakonischen Strafen rechnen und wäre das Leben des Beschwerdeführers aufgrund seiner Bisexualität in Gefahr. Dass der erkennende Richter nicht von einer Homo- bzw. Bisexualität des Beschwerdeführers ausgeht, wurde oben unter Punkt II.2.3. ausgeführt. Dass in ganz Nigeria Boko Haram wüte, ist aus den Länderberichten in keiner Weise ersichtlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

 

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Ziffer 1, § 8 Abs. 1 Ziffer 1 sowie Abs. 2 und 3, § 10 Abs. 1 Ziffer 3 sowie § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Status des Asylberechtigten

 

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Status des subsidiär Schutzberechtigten

 

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

-wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

3.-der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1.

 

wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2.

 

zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3.

 

wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

 

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50, § 52 Abs. 2 Ziffer 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

 

Rückkehrentscheidung

 

§ 52. (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

2.

 

dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Frist für die freiwillige Ausreise

 

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

 

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (Vergleiche auch die Verfolgungsdefinition im § 2 Abs. 1 Ziffer 11 Asylgesetz 2005, die auf Artikel 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates verweist).

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Wie umseits in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits ausführlich dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft machen.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059). Der Beschwerdeführer ist volljährig und erwerbsfähig. Er weist eine mehrjährige Schulausbildung und ein Universitätsstudium im Bereich Landwirtschaft auf. In Nigeria kümmerte er sich für vier Jahre gegen Bezahlung um Hühner. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb er seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht zuletzt aufgrund seiner überdurchschnittlichen Ausbildung durch die Aufnahme einer adäquaten Tätigkeit bestreiten können sollte bzw. weshalb er im Falle der Rückkehr nicht eine staatliche oder private Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen sollte.

 

Damit ist der Beschwerdeführer nicht durch die Außerlandesschaffung nach Nigeria in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, nicht. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

 

Außerdem besteht ganz allgemein in Nigeria derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

 

Somit war Beschwerde gemäß Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen und der Spruch entsprechend abzuändern.

 

3.2.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

 

3.2.3.1. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III., erster Teil des angefochtenen Bescheides):

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides - im Umfang des ersten Spruchteiles - gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.3.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III., zweiter und dritter Teil des angefochtenen Bescheides):

 

Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 gestützt.

 

Wird durch eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Zu prüfen ist zunächst ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 (im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers im Ausmaß von drei Jahren und neun Monaten davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

 

Von einer "Aufenthaltsverfestigung" allein aufgrund der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann allerdings auch deshalb keine Rede sein, weil er spätestens mit der negativen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz seines unsicheren Aufenthaltes bewusst war und ein allenfalls nach diesem Zeitpunkt entstandenes Privat- und Familienleben deutlich an Gewicht verliert.

 

Zu seiner Lebensgefährtin, die österreichische Staatsangehörige ist, mit der der Beschwerdeführer mit dem gemeinsamen Sohn im gemeinsamen Haushalt lebt, ist Folgendes ins Kalkül zu ziehen:

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Judikatur zu Art. 8 EMRK wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hiebei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessensspielraum zukommt. Art. 8 EMRK enthält keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat sind, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (z.B. Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen ist. Dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch wiederholt festgehalten, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 MRK bewirkt. Weiters ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. April 2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen die Niederlande, hinzuweisen, der ein Beschwerdefall zu Grunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde. In dieser Entscheidung erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt. Hiebei stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte. Weiters erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Entscheidung eine Übersiedlung in den Heimatstaat des Fremden nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen, zumal der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aufrechterhalten werden könne (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. März 2017, I410 2127933-1, mwN).

 

Zum vom Beschwerdeführer behaupteten schützenswerten Familienleben in Österreich ist anzuerkennen, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin im gemeinsamen Haushalt lebt und einen eineinhalbjährigen Sohn hat. Daher ist das Kindeswohl jedenfalls in Betracht zu ziehen. Das Familienleben zwischen Eltern und Kindern entsteht grundsätzlich mit der Geburt der Kinder und ist unabhängig von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eltern; daher reichen regelmäßige Wochenendbesuche aus (VfGH 11.03.2014, U37-39/2013-13).

 

Der EGMR hatte in seinem Urteil vom 03.10.2014, J. gegen die Niederlande, Nr. 12.738/10 erklärt: "Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. Im gegenständlichen Fall hatte der EGMR entschieden, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin, die seit mehr als 16 Jahren in den Niederlanden war und nie strafrechtlich verurteilt worden war, nicht rechtmäßig sei. Sie hatte in den Niederlanden drei Kinder und einen Ehemann, die alle die niederländische Staatsbürgerschaft hatten. Es war auch die Beschwerdeführerin, die sich im Alltag vorrangig um die Kinder kümmerte, sodass offensichtlich war, dass dem Wohl der Kinder am besten entsprochen werde, wenn ihre derzeitigen Lebensumstände nicht durch einen zwangsweisen Umzug der Mutter gestört würden. Auch wenn die Interessen der Kinder allein nicht entscheidend sein können, muss solchen Interessen auf jeden Fall erhebliches Gewicht beigemessen werden. Im gegenständlichen Fall, war es daher unerheblich, dass das Familienleben zu einer Zeit geschaffen worden war, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass das Fortbestehen von Familienleben im Gaststaat wegen des Einwanderungsstatus einer von ihnen von Beginn an unsicher war."

 

Der gegenständliche Fall unterscheidet sich zum obigen Fall in grundlegenden Voraussetzungen, da sich der Beschwerdeführer erst relativ kurz im Bundesgebiet aufhält, der Beschwerdeführer noch nicht einmal drei Jahre mit seiner Lebensgefährtin liiert ist, erst seit einem Jahr und zehn Monaten mit dieser im gemeinsamen Haushalt wohnt und das gemeinsame Kind erst eineinhalb Jahre alt ist.

 

Dazu hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 15.12.2009, 2008/18/0037, die Ausweisung einer seit 1999 in Österreich aufhältigen chinesischen Staatsbürgerin für zulässig erklärt, die 2005 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet hatte. Dabei wurde insbesondere erwogen: "Die angeführten persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann stellen jedoch nach den Kriterien in der Judikatur des EGMR keine besonderen Umstände im Sinn des Art 8 EMRK dar, die es der Beschwerdeführerin unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren. Dass die belangte Behörde eine Übersiedlung des Ehemannes der Beschwerdeführerin nach China für zumutbar erachtet, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden." In seinem Urteil vom 31.07.2008 in der Rechtssache Darren Omeregie and others v. Norway 265/07, hat der EGMR die Ausweisung eines seit 2001 in Norwegen aufhältigen nigerianischen Staatsbürgers für zulässig erklärt, der 2003 eine Norwegerin geheiratet und mit ihr seit 2006 eine gemeinsame Tochter hatte. Einen Antrag auf neuerliche Einreise durfte Herr Omeregie nach der Entscheidung der norwegischen Behörden erst nach 2 Jahren stellen. Der EGMR führte dabei unter Rz 66 aus:

 

"The second applicant (gemeint: die norwegische Ehefrau) would probably experience some difficulties and inconveniences in settling in Nigeria, despite her experience from a period spent in another African country, South Africa, and the fact that English was also the official language of Nigeria. However, the Court does not find that there were insurmountable obstacles in the way of the applicants' developing family life in the first applicant's country of origin. In any event, nothing should prevent the second and third (gemeinsames Kleinkind) applicants from coming to visit the first applicant for periods in Nigeria". In seinem schon erwähnten Urteil vom 28.06.2011 in der Rechtssache Nunez hat der EGMR die grundsätzliche Zulässigkeit einer Trennung, auch einer Mutter, von ihren minderjährigen Kindern in besonderen Fällen bestätigt, sie im konkreten Fall (Mutter war für die ersten Lebensjahre die primäre Bezugsperson bis zu einer gegenteiligen zwangsweise umgesetzten Gerichtsentscheidung, Kinder waren wegen der jahrelang in Aussicht gestellten Abschiebung der seit 1996 in Norwegen aufhältig gewesenen Mutter in psychischer Stresssituation, wegen befristetem Rückkehrverbot wäre Mutter jedenfalls zumindest zwei Jahre von ihren Kindern getrennt), trotz Besuchsmöglichkeiten, auch unter dem Aspekt des Kindeswohls mehrheitlich für unzulässig erklärt (siehe insb. Rz 84 des Urteils und Punkt 5-7 der "dissenting opinion" Richter Mijovic und De Gaetano).

 

Die relevante Rechtsprechung zeigt also, dass es besondere Fälle geben kann, in denen bereits ein Verweis auf Besuchsmöglichkeiten oder sonstige fernmündliche Kontakte (statt einer dauerhaften Übersiedlung) genügt, um eine Verletzung von Art. 8 EMRK zu vermeiden. Dass die Trennung des Beschwerdeführers von seinem Sohn eine Traumatisierung des Kindes nach sich ziehen und die psychologische Entwicklung beeinflussen würde, wurde nicht behauptet und findet sich dafür auch kein Anhaltspunkt im Akt (dazu Fall Sarközi und Mahran gegen Österreich).

 

Im Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31.1.2006, 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art 8 EMRK bewirkt (vgl nur zuletzt EGMR, 28.06.2011, Nunez v Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Im vorliegenden Fall wurde die Beziehung zu einem Zeitpunkt begonnen, als sich der Beschwerdeführer jedenfalls seines unsicheren Status bewusst sein musste, da er, als er seine jetzige Lebensgefährtin im Sommer 2015 kennem und ab November 2015 lieben gelernt hat, in einem laufenden Asylverfahren befand und die negative Entscheidung des Asylamtes im Mai 2017 erfolgte. Ebenso ist auszuführen, dass das gemeinsame Kind innerhalb des unsicheren Aufenthaltes des Beschwerdeführers geboren wurde, wobei unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Judikatur nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese dazu führt, dass eine Rückkehrentscheidung als unverhältnismäßig angesehen werden würde.

 

In die Abwägung hat ferner einzufließen, ob ein Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Kind auch im Fall einer Ausweisung nach Nigeria fortgesetzt werden kann (vgl VfGH 01.07.2009, U 992/08), wobei auch der EGMR bereits festgestellt hat, dass aufgrund des Eingehens des Familienlebens trotz prekären Aufenthaltsstatus eine Verletzung von Art 8 EMRK nur mehr in außergewöhnlichen Umständen bejaht werden kann (vgl nur zuletzt EGMR, 28.06.2011, Nunez v Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Die Beschwerdeführerin hat eine Eigentumswohnung und konnte bis dato auch schon fallweise auf die Unterstützung ihrer Eltern bei der Kindesbetreuung vertrauen, wenn sie selbst als Rezeptionistin arbeitete und war sie auch bis dato nicht auf die alleinige Betreuung des gemeinsamen Sohnes durch den Beschwerdeführer angewiesen, welcher sich meistens dienstags um den Sohn gekümmert habe. Laut glaubhafter Darstellung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung arbeitet er montags, mittwochs und donnerstags ca. fünf bis sechs Stunden und freitags und samstags neun Stunden und pendelt zudem jeweils drei Stunden in eine Richtung.

 

Bei der Abwägung der Interessen ist im gegenständlichen Fall auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer grundsätzlich nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Dazu ist insbesondere festzuhalten, dass keine Umstände hervorgekommen sind, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längeren Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG zu stellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Antrag grundsätzlich auch im Falle einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gestellt werden kann, nachdem der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist. (§ 11 Abs. 1 Z 3 NAG).

 

Dem bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

 

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Auch wenn der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterstützungserklärungen, und entsprechende Nachweise über seine sprachlichen Fähigkeiten sowie außer der Krankenversicherung seit Sommer 2017 nicht mehr auf die staatliche Grundversorgung angewiesen zu sein in Vorlage brachte, liegen - insbesondere auch im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer - keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (Hinweis E 26.1.2009, 2008/18/0720).

 

Die vom Beschwerdeführer vorgelegte "Einstellungszusage" vermag an dieser Einschätzung ebenfalls nichts zu ändern, zumal eine solche "Einstellungszusage" dem Beschwerdeführer wohl keinen durchsetzbaren Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses vermittelt. Hierbei wird auch nicht die Tatsache verkannt, dass der Beschwerdeführer als ausgebildeter (Zeitungs‑)Verkäufer eine Tätigkeit als Abwäscher und Küchenhilfe ausführen soll. Zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.10.2011, Zl. 2011/22/0065, mwN.

 

Zudem kann auch nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Nigeria ausgegangen werden, zumal er dort den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat und dort hauptsozialisiert wurde, er nach wie vor seine Muttersprache spricht und durchaus mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der nigerianischen Kultur vertraut ist. So führte der Beschwerdeführer zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 05.10.2018 aus, regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und auch fallweise zu seinen drei nigerianischen Kindern zu pflegen. Es kann somit im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers gesprochen werden.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

 

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365, vom 03.05.2005, Zl. 2005/18/0076, vom 17.01.2006, Zl. 2006/18/0001 und vom 09.09.2014, Zl. 2013/22/0246).

 

Vor diesem Hintergrund und nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen kann ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers jedenfalls als im Sinne des Artikels 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden.

 

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

 

Zur Feststellung, ob eine Abschiebung gemäß § 46 nach Nigeria zulässig ist (§ 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005), ist auf die umseits stehenden Ausführungen unter Punkt A) 3.2.2. zu verweisen.

 

Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes III., im Umfang des zweiten und dritten Teils des angefochtenen Bescheides, gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

 

3.2.3. Zur Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides).

 

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Derartige "besondere Umstände" wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

 

Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die Beschwerde daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruches des angefochtenen Bescheides - im Umfang des Spruchpunkt IV. - gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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