B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
Dublin III-VO Art.29 Abs3
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2137899.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Kamerun, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zahl: XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.10.2016 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 17.10.2016 bis 25.10.2016 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 06.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Mit Schreiben vom 12.04.2016 teilte Frankreich im Rahmen des Konsultationsverfahrens mit, einen Transfer der BF nach den Regelungen der Dublin III-VO zu akzeptieren.
1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 26.07.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 06.03.2016 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich für die Prüfung des Antrags gemäß Artikel 13 Absatz 1 Dublin III - VO zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Absatz 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass dem zu Folge ihre Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Absatz 2 FPG zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen und die Außerlandesbringung mit 15.09.2016 durchführbar.
1.4. Am 02.10.2016 wurde die BF zwei Mal von Beamten in ihrer Unterkunft gesucht, jedoch nicht angetroffen. Nach Auskunft der Unterkunftgeberin sei mit einer Rückkehr der BF an ihre Meldeadresse erst am 05. Bzw. 06.10.2016 zu rechnen. Die BF halte sich bei Bekannten in Wien auf.
1.5. Am 03.10.2016 wurde ein Festnahmeauftrag hinsichtlich der BF erlassen und die Verlängerung der Überstellungsfrist nach dem Dublin-III Übereinkommen auf 18 Monaten den französischen Behörden mitgeteilt. Die für die 04.10.2016 geplante Abschiebung wurde revidiert und die Flugbuchung storniert.
1.6. Am 17.10.2016 wurde die BF auf dem Areal der Flüchtlingsunterkunft in Traiskirchen festgenommen und in der Folge vor dem BFA einvernommen. Hierbei führte die BF im Wesentlichen aus, weder in Frankreich, noch in Österreich einen Asylantrag gestellt zu haben. Sie sei nach Frankreich mit einem französischen Visum eingereist und sei danach nach Österreich verschleppt worden. Per Flugzeug sei sie von Frankreich nach Österreich gereist und habe keine Reisedokumente. Sie habe jedoch einen Personalausweis. Familienangehörige befänden sich nicht in Österreich, sondern lediglich im Heimatland. Sie verfüge derzeit aktuell über Euro 640,-- und habe eine Bankomatkarte. Untergebracht sei sie in einem Lager in XXXX am Schneeberg und werde dort auch versorgt. Dort sei sie auch gemeldet und aufhältig. Sie werde seit ca. 1 Monat auf Grund einer vaginalen Erkrankung behandelt und auch von einer Psychologin begleitet.
Zu ihrer Abwesenheit an ihrer Meldeadresse am 02.10.2016 wurde die BF nicht näher befragt.
1.7. Daraufhin wurde über die BF die gegenständliche Schubhaft mit Mandatsbescheid zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass für die BF eine durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung bestehe und die französischen Behörden einer Überstellung nach dem Dublinbestimmungen zugestimmt haben. Die BF gehe keiner Erwerbstätigkeit nach, habe sich im bisherigen Verfahren unkooperativ
verhalten, habe sich spätestens seit dem 06.03.2016 und besitze weder einen ordentlichen Wohnsitz noch ausreichende Barmittel um den Unterhalt zu finanzieren. Sie sei am 04.10. in ihrer Unterkunft nicht angetroffen worden und weder beruflich noch sozial in Österreich verankert. Sie habe daher durch ihr Verhalten die im § 76 Absatz 3 Ziffer 6 und 9 beschriebenen Tatbestände verwirklicht und sei hinsichtlich ihrer Person daher Fluchtgefahr anzunehmen. Auf Grund des geschilderten Vorverhaltens sei die BF nicht als vertrauenswürdig anzusehen und läge ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vor. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergäbe daher, dass die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit den Interessen des Staates hinten anzustellen seien. Insofern sei eine ultima-ratio-Situation gegeben und sei auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zweckdienlich. Die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft sei daher notwendig und rechtskonform erfolgt.
1.8. Mit Beschwerde vom 21.10.2016 gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid vom 17.10.2016 führte die Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da die BF richtigerweise bis zu ihrer Festnahme am 17.10.2016 an ihrer Meldeadresse auch wohnhaft gewesen sei. Darüber hinaus sei die Überstellungsfrist nach Artikel 29 Absatz 1 Dublin-III VO bereits am 12.10.2016 abgelaufen und daher eine Schubhaft zur Überstellung nach Frankreich unzulässig gewesen. Die BF sei selbständig am 17.10.2016 nach Traiskirchen gefahren um einen Antrag einzubringen. Auf Grund ihrer traumatischen Erfahrungen in ihrem Heimatland habe die BF an Depressionen gelitten und sei in psychologischer Behandlung gewesen. Die Anhaltung in Schubhaft erscheine auf Grund der psychischen Verfassung der BF als unverhältnismäßig und daher auch rechtswidrig. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei nicht ausreichend geprüft worden und bestehe durch die Anhaltung in einer Haftanstalt bei der BF die Gefahr einer Retraumatisierung.
Die BF sei allen bisherigen Ladungen der Behörden bis zu ihrer Festnahme gefolgt und sei aufrecht in XXXX gemeldet gewesen. Dass sich die BF durch ihre Abwesenheit am 04.10.2016 dem Verfahren entzogen hätte, sei unrichtig. Jedenfalls aktenwidrig sei die Behauptung, dass sich die BF spätestens seit 06.03.2016 ohne polizeiliche Meldung und ohne Wohnsitz im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Für die BF sei keine Verpflichtung zu sehen, sich durchgehend in ihrer Unterbringung aufzuhalten. Sie habe sich selbständig am 17.10.2016 bei der Behörde eingefunden und sei daher schon deshalb nicht von Fluchtgefahr auszugehen. Aktenwidrig sei festgestellt worden, die BF verfüge über keine Bankomatkarte. Hinsichtlich der ihr vorgeworfenen fehlenden sozialen und beruflichen Integration sei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, da die BF erst seit März 2016 in Österreich aufhältig sei und daher (auf Grund der kurzen Anwesenheit) aus den fehlenden sozialen Anknüpfungspunkten kein Sicherungsbedarf abgeleitet werden könne.
Hinsichtlich der Verwendung eines gelinderen Mittels seien keine konkreten Ausführungen getroffen worden und wäre die Verhängung eines gelinderen Mittels jedenfalls ausreichend.
Weiters beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Ersatz etwaiger Dolmetschkosten, sowie der Aufwandsersatz als Ersatz des Schriftsatzaufwandes der BF als obsiegende Partei.
1.9. Das BFA legte dem Gericht am 24.10.2016 Teile des gegenständlichen Verwaltungsaktes vor, erstattete eine Stellungnahme in der im Wesentlichen auf die im Bescheid herangezogene Begründung verwiesen wurde und beantragte ebenfalls Kostenersatz.
1.10. Die BF wurde am 25.10.2016 im Rahmen einer Abschiebung auf dem Luftwege nach Frankreich überstellt.
1.11. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27.10.2016 führte die Rechtsvertretung der BF ergänzend aus, die Abschiebung sei auf Grund des Ablaufs der Überstellungsfrist unzulässig, da eine Verlängerung der Überstellungsfrist im Bescheid nicht festgehalten worden sei. Die BF war nicht flüchtig im Sinne des Artikel 29 Absatz 3 Dublin III-VO da sie aufrechte gemeldet und unaufgefordert bei der Behörde erschienen sei. Das Quartier sei nach den Angaben im Bescheid lediglich einmal aufgesucht worden und sei daher nicht von Flüchtigkeit der BF auszugehen. Eine einmalige Abwesenheit sei keine Verletzung der Mitwirkungspflicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zum Verfahrensgang:
Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
Zur Person:
1.1. Die BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist Staatsangehörige Kameruns und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie ist daher Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1
FPG.
1.2. Sie stellte am 06.03.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 26.07.2016 zurückgewiesen wurde. Gemäß § 61 FPG wurde weiters die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Frankreich für zulässig erklärt. Die Anordnung zur Außerlandesbringung wurde am 15.09.2016 durchführbar.
1.3. Im gesamten Verfahren finden sich zwar Hinweise auf gesundheitliche Beschwerden der Beschwerdeführerin, diese begründeten jedoch keine Haftunfähigkeit, Fluguntauglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Haft.
1.4. Die BF verfügte nicht über ein gültiges Reisedokument.
1.5. Die BF ist in Österreich bisher nicht straffällig geworden.
Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist aufgrund der rechtzeitigen Bekanntgabe der Aussetzung der Frist an Frankreich nicht abgelaufen gewesen. Die Abschiebung der BF nach Frankreich am 25.10.2016 war daher rechtmäßig.
Zum Sicherungsbedarf (erhebliche Fluchtgefahr):
3.1. Es lag eine durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung vor.
3.2. Die BF hat beim inländischen Asylverfahren mitgewirkt und sich dem Verfahren nicht durch Untertauchen entzogen.
3.3. Die BF ist im bisherigen Verfahren nicht unkooperativ gewesen.
3.4. Die BF war in der Zeit von 19.04.2016 bis 03.11.2016 in Österreich behördlich mit einem Hauptwohnsitz gemeldet.
3.5. Die Polizei hat lediglich zweimal an einem Vormittag die BF an ihrer Meldeadresse aufgesucht und nicht vorgefunden. Die dabei bei der Unterkunftgeberin der BF eingeholten Erkundigungen reichen nicht hin, bereits von einem Untertauchen der BF ausgehen zu können.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. Die BF hatte keine Familienangehörigen in Österreich.
4.2. Die BF ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Sie verfügte über € 760,-- und eine Bankkarte.
4.3. Die BF hatte keine nennenswerten sozialen Kontakte im Inland.
4.4. Die BF verfügte über einen gesicherten Wohnsitz.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person:
Der Verfahrensgang und die hiezu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person der BF (1.1. bis 1.4.), ergeben sich im Wesentlichen aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, deren Akteninhalt die BF in keiner Phase des Verfahrens substantiiert entgegengetreten ist.
Hinsichtlich des wiedergegebenen Verfahrensgangs wird angemerkt, dass sich aus dem Akteninhalt (AS 79) ergibt, dass am 02.10.2016 um 06:00 Uhr bzw. 10:50 Uhr die Unterkunft der BF durch Beamte aufgesucht worden ist. Diese wurde dabei nicht angetroffen. Wiewohl sich aus dem Bescheid (BS 2) entnehmen lässt, dass am 04.10.2016 bei einer Nachschau die BF nicht angetroffen werden konnte, lässt sich dies aus dem gesamten vorgelegten Akteninhalt in dieser Form nicht nachvollziehen. Diesbezüglich geht das Gericht daher auch nicht davon aus, dass am 04.10.2016 tatsächlich eine polizeiliche Nachschau bei der BF stattgefunden hat, da sich dies aktenmäßig nicht niedergeschlagen hat. In weiterer Folge findet sich eine Mitteilung per E-Mail vom 07.10.2016 (AS 89) darüber, dass eine Festnahme der BF in ihrer Unterkunft negativ verlaufen sei. Diese elektronische Nachricht trägt lediglich
als Sendedatum den 07.10.2016, in ihrer inhaltlichen Ausführung ergeht jedoch kein Hinweis darauf, an welchem Tag die mitgeteilte versuchte Festnahme negativ verlaufen sei. Hierzu kann daher keine konkrete Feststellung über eine weitere Nachschau (nach dem 02.10.2016) getroffen werden.
Hinsichtlich der Feststellung zu 1.3. wird näher ausgeführt, dass das Gericht im Zuge des Verfahrens die Beischaffung medizinischer Unterlagen aus dem Polizeianhaltezentrum durchgeführt hat. In diesen Unterlagen ergaben sich Hinweise auf mehrere unterschiedliche gesundheitliche Beschwerden der BF. Inhalt dieser Unterlagen ist jedoch auch eine Haftfähigkeitsprüfung und Flugtauglichkeitsuntersuchung. Im Rahmen dieser ärztlichen Untersuchungen wurde sowohl die Haftfähigkeit, als auch die Flugtauglichkeit bestätigt. Hinweise darauf, dass auf Grund des gesundheitlichen Zustandes die durchgeführt Schubhaft unverhältnismäßig gewesen sein könnte, hat das Verfahren jedoch nicht ergeben. Es zeigte sich daher, dass den entsprechenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift tendenziell eher die Qualität eines Erkundungsbeweises anhaftete und sich in weiterer Folge in keiner Weise bewahrheitet haben.
Die Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einem im Akt erliegenden Strafregisterauszug.
2.2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:
Aufgrund der Aktenbestandteile im Verwaltungsakt ergibt sich, dass die französischen Behörden mit Schreiben vom 12.04.2016 die Bereitschaft der Rückübernahme der Beschwerdeführerin erklärt hat. Innerhalb der darauf folgenden Sechsmonatsfrist hat das BFA mit Schreiben vom 03.10.2016 die Aussetzung dieser Frist bekanntgegeben. Das diesbezügliche Schreiben und die Beilagen liegen im Akt ein (AS 93-97). Die BF wurde am 25.10.2016 nach Paris überstellt. Dies ergibt sich aus dem dem Gericht vorgelegten Bericht über die Abschiebung vom 25.10.2016.
2.3. Zum Sicherungsbedarf:
Aus dem Akteninhalt ergibt sich unbestritten, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung der BF zum Zeitpunkt der Schubhaftnahme bereits durchführbar gewesen ist.
Die Feststellung zu 3.2. beruht im Wesentlichen auf die diesbezüglichen im Akt erliegenden Aktenteile. In einem E-Mail vom 02.10.2016 (AS 79) wird beschrieben, dass seitens der Polizeibeamten am 02.10.2016 um 06:00 Uhr bzw. 10:50 Uhr an der meldemäßigen Unterkunft der BF in XXXX Nachschau gehalten worden ist, diese jedoch nicht angetroffen werden konnte. Im Zuge der zweiten Nachschau gab sodann die
Unterkunftgeberin an, dass die BF an unbekannter Adresse in Wien bei einem Freund sei und sich vermutlich erst wieder am 05. oder 06.10. an der Adresse in XXXX befinden wird. Ein Hinweis darauf, dass noch weitere Versuche stattgefunden hätten, die BF an ihrer Meldeadresse aufzufinden, sind dem Akt nicht zu entnehmen. Der Nachschautermin 04.10.2016, wie im Bescheid angeführt, ist in keiner Weise nachvollziehbar und schlägt sich mit keiner Notiz im Akt nieder. Es dürfte sich dabei um einen Tippfehler handeln. Das Informationsmail vom 07.10.2016 (AS 89) enthält keine Angabe, ob es sich dabei um eine eigene Nachschau an diesem Tag gehandelt hat, oder ob es nur ein nachträglicher Bericht über die Nachschau am 02.10. darstellen soll. Es ist daher für das Gericht nicht nachvollziehbar und auch im Bescheid in keiner Weise näher angeführt, ob es sich dabei tatsächlich um eine weitere Nachschau gehandelt haben könnte. Dies wurde auch von der Behörde im Verfahren in dieser Form nicht behauptet. Auf Grund der konkreten Fakten im Akt kann daher hinsichtlich der getroffenen Feststellung 3.2. lediglich die Abwesenheit der BF von ihrer Meldeadresse am 02.10. um 06:00 Uhr und um 10:50 Uhr objektiviert werden. Ein Rückschluss daraus, dass sich die BF durch Untertauchen dem Verfahren entzogen haben könne, war daher nicht geboten. Auf Bescheid Seite 7 wird festgestellt, dass die BF im bisherigen Verfahren sich ohne Angaben von Gründen geweigert habe, die Einvernahme der Behörde zu unterschreiben. Bei einer konkreten Durchsicht des Aktes konnte festgestellt werden, dass die BF das Einvernahmeprotokoll vom 17.10.2016 (AS 33) worin es um das Schubhaft- bzw. Abschiebeverfahren geht, jedenfalls unterschrieben hat. Diesbezüglich war daher eine Negativfeststellung im Sinne der Feststellung zu 3.3. zu treffen.
Aus einer aktuellen Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass die BF für die festgestellte Zeitspanne ihren Hauptwohnsitz behördlich gemeldet hatte (3.4.).
Die Feststellung zu 3.5. basiert auf den bereits unter Punkt 3.2. näher erörterten Prämissen. Obwohl die Unterkunftgeberin bei der Durchsuchung angegeben hat, dass die BF am 05. oder 06.10. wiederkehren werde, reicht dies für die Annahme des Untertauchens der BF noch nicht aus. Eine 3-tägige Abwesenheit von der Meldeadresse begründet noch keine melderechtliche Verpflichtung, die Eintragungsänderung im Zentralen Melderegister vorzunehmen. Dies wäre noch innerhalb der von der Unterkunftgeberin genannten Frist möglich gewesen.
2.4. Familiäre/soziale Komponente:
Die Feststellungen zu 4.1. bis 4.3. ergeben sich im Wesentlichen aus dem Akteninhalt des Behördenaktes. Auf Grund der eigenen Angabe der BF in der Einvernahme vom 17.10.2016 wäre davon auszugehen, dass sie über die dort angegebenen Euro 640,-- verfügt hatte. Die jedoch aktuellere Angabe über ihr Barvermögen stammt aus dem Auszug der Anhaltedatei in welchem ihr Bargeldbestand mir Euro 760,-- bezeichnet wurde. In der Einvernahme vom 17.10.2016 führte die BF selbst befragt an, eine Bankomatkarte zu besitzen. Im Rahmen der Effektenaufstellung in der Anhaltedatei findet sich die Bezeichnung Bankkarte. Das Gericht geht daher wie in den Feststellungen angeführt von keiner legalen Erwerbstätigkeit der BF, einem Barvermögen von Euro 760,-- und dem Besitz einer Bankkarte aus.
Die Feststellung zu 4.4. begründet sich im Wesentlichen auf die Angaben des Zentralen Melderegisters. Hierbei sei darauf hinzuweisen, dass die korrekte Abmeldung der BF erst am 03.11.2016 erfolgte, was den Rückschluss zulässt, dass die Unterkunftgeberin auch bis zu diesem Tag (daher über den Tag der Abschiebung hinaus) eine Bereitstellung ihrer Unterkunft und daher auch die Wohnsitznahme der BF an dieser Adresse gewährleistet hätte.
2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im
Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine
verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223 [in Druck]).
Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.
"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).
Eine derartige Ausnahme liegt vor, wenn Art. 2 lit. n Dublin III-VO dem Gesetzgeber aufträgt, Kriterien für Vorliegen von Fluchtgefahr zu regeln (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 94 [in Druck]). § 76 Abs. 2a FPG sieht solche Kriterien vor. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 28 Dublin III-VO hätte die belangte Behörde die Schubhaft jedoch jedenfalls auch nach dieser Bestimmung verhängen müssen. Die über das Vorliegen der Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (vgl. Erwägungsgrund 20 Dublin III-VO) hinausgehenden Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO hat die belangte Behörde aber nicht geprüft.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden
vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).
In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.
3.1.3. Die Behörde geht in ihrem Bescheid von der Erfüllung der Tatbestände der Ziffern 6 und 9 des § 76 Absatz 3 FPG aus. Hiezu ist festzuhalten:
Das Tatbestandsmerkmal der Ziffer 6 ist in der allgemeinen Formulierung des ersten Absatzes erfüllt. Die weiteren Merkmale der lit a bis c jedoch konnten anhand der im Akt festgehaltenen Fakten nicht verifiziert werden. Aus dem Akt ergibt sich keine weitere Asylantragsstellung, etwa in Frankreich, da die BF über ein französisches Einreisevisum verfügt hatte. Falschangaben sind dem Akt ebenso nicht zu entnehmen, wie auch die Tendenz der BF in ein drittes Mitgliedsland zu reisen.
Die Behörde stellt in ihrem Bescheid zwar fest, dass eine durchführbare aufenthaltsbeendete Maßnahme besteht, subsumiert diese jedoch nicht unter einen Tatbestand des § 76 Absatz 3 FPG. Dies wäre zwar zulässig, im Hinblick auf die Überprüfungsfunktion des Gerichtes kann jedoch für die Überprüfung des Sicherungsbedarfs nunmehr die Ziffer 3 nicht herangezogen werden. Hinsichtlich der Gefahr des Untertauchens hat das Gericht im Rahmen der Feststellungen bereits angeführt, dass die im Akt enthaltenen Unterlagen und Vermerke zu
einer diesbezüglichen Qualifikation und Annahme des Untertauchens nicht hinreichen. Ein tatsächliches Untertauchen der BF ließ sich im gerichtlichen Verfahren nicht objektivieren. Eine angeordnete Untersuchung der Unterkunft an einem einzigen Vormittag, wenn auch zu zwei verschiedenen Zeiten, in Zusammensicht mit der Information der Unterkunftgeberin, dass die BF erst 3 oder 4 Tage nachher wieder an die Unterkunft zurückkehren werde, reicht für die Feststellung des Untertauchens der BF in keiner Weise aus. In der Beschwerde wird richtig ausgeführt, dass Beschwerdeführer nicht rund um die Uhr an ihrer Unterkunft anwesend sein müssen und wurde in ähnlichen Fällen gerichtlich bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine 3-tägige Abwesenheit von der Meldeadresse nicht dazu hinreicht, von einer qualifizierten Ortsabwesenheit der diesbezüglichen Person ausgehen zu können. Es hätte daher nach Ansicht des Gerichts zumindest eine weitere, an einem anderen Tag angesetzte Nachschau durchgeführt werden müssen, um unter bestimmten Umständen zu Recht von einer unerlaubten Ortsabwesenheit ausgehen zu können.
Als weiteren Sicherungsgrund unterstellt die Behörde in ihrem Bescheid die Erfüllung des Tatbestandes der Ziffer 9, die zum Teil auch erfüllt wurde. Das Verfahren hat ergeben, dass keine Familienangehörigen in Österreich aufhältig gewesen sind, die BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und über keine nennenswerten sozialen Kontakte im Inland verfügte. Nicht richtig war die behördliche Feststellung darüber, dass kein gesicherter Wohnsitz vorhanden gewesen sein soll. Das gerichtliche Verfahren hat ergeben, dass die BF durchgehend eine Meldeadresse gehabt hat, an der sie auch gewohnt hat bzw. wohnen hätte können. Es ist daher entgegen der Feststellung der Behörde von einem gesicherten Wohnsitz auszugehen. Hinsichtlich der Verfügbarkeit im Hinblick auf eine Selbsterhaltungsfähigkeit kann nur so weit von Aktenwidrigkeit gesprochen werden, dass die BF deutlich in ihrer Einvernahme neben einer Bankkarte (Bankomatkarte) auch einen 500 Euro übersteigenden Geldbetrag angegeben hat. Dies hat sich bei konkreter Überprüfung mit der effekten Aufstellung der Anhaltedatei jedenfalls bewahrheitet, weshalb nicht von einer gänzlichen Selbsterhaltungsunfähigkeit der BF ausgegangen werden konnte. Auch hier ist das Verfahren im Rahmen der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar bzw. unrichtig geführt worden. Es bleibt also die korrekte Subsumierung des gegebenen Sachverhaltes unter den Grundtatbestand der Ziffer 6 und unter Teile der Ziffer 9 des § 76 Absatz 3 FPG.
Im vorliegenden Fall ist daher nach Ansicht des Gerichtes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung noch nicht von erheblicher Fluchtgefahr der BF auszugehen. Sie hat im Verfahren bisher mitgewirkt und hat sich nicht durch Untertauchen entzogen. Sie war für die Behörde nicht sofort beim ersten Zugriff greifbar, es erfolgte jedoch lediglich eine weitere
Nachschau am selben Vormittag. Die BF war seit dem 19.04.2016 durchgehend in Österreich aufrecht gemeldet und kann ihr daher nicht angelastet werden, keinen sicheren Wohnsitz gehabt zu haben. Die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens herausgearbeiteten und übriggebliebenen Kriterien (Ziffer 6 und teilweise Ziffer 9) reichen sohin nach Ansicht des erkennenden Gerichts noch nicht aus, um von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des Artikels 28 der Dublin III - VO auszugehen und eine freiheitsentziehende Maßnahme rechtfertigen zu können. Im Ergebnis geht das Gericht im vorliegenden Fall nicht vom Vorliegen eines ausreichenden Sicherungsbedarfs aus und war daher die Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Schubhaftverhängung konnte daher entfallen.
Zu Spruchpunkt II. und III. - Kostenbegehren
Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Ein Kostenersatz für die Behörde besteht nach dem Gesetz in diesem Fall nicht.
Zu Spruchpunkt B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie bereits ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
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