VwGH 2010/21/0502

VwGH2010/21/050224.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 22. Oktober 2010, Zl. Senat-FR-10-0078, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §5;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs2a idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1 idF 2009/I/122;
PersFrSchG 1988 Art1;
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §5;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs2a idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1 idF 2009/I/122;
PersFrSchG 1988 Art1;
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein 1978 geborener Staatsangehöriger von Marokko, reiste erstmals 2008 nach Österreich, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 nach Marokko aus. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Oktober 2009 keine Folge.

Der zwischenzeitig aus Österreich ausgereiste Beschwerdeführer wurde am 5. Oktober 2010 nach der Dublin II-Verordnung aus Norwegen rücküberstellt und beantragte am 6. Oktober 2010 neuerlich internationalen Schutz. Das Bundesasylamt hob hierauf mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf. Im unmittelbaren Anschluss daran wurde der Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2a Z 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zur Sicherung seiner Abschiebung in Schubhaft genommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Oktober 2010 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) die in der Folge erhobene Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG ab. Außerdem stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlägen, wobei sie § 83 Abs. 4 erster Satz FPG als Rechtsgrundlage anführte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

In der Beschwerde an die belangte Behörde war

u. a. vorgebracht worden, dass sich die gegenständliche Schubhaft als unverhältnismäßig erweise. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2a Z 5 FPG gestützt habe und dass Schubhaft nach dieser Gesetzesbestimmung zwingend vorgeschrieben sei. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung habe daher zu unterbleiben.

Mit dieser Auffassung verkannte die belangte Behörde das Gesetz, wozu des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 26. August 2010, Zl. 2010/21/0234, verwiesen werden kann. Unter 3.2. der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, es könne nicht zweifelhaft sein, dass sich auch im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2a FPG Schubhaft nur dann als zulässig erweise, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist und dass einem Automatismus dergestalt, dass aus der Verwirklichung eines Schubhafttatbestandes des § 76 Abs. 2a FPG ohne Weiteres ein die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis folge, am Boden des Gesetzes eine Absage erteilt werden müsse.

Darüber hinaus erweist sich der bekämpfte Bescheid auch deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde über das Vorbringen in der an sie gerichteten Beschwerde, der Beschwerdeführer sei tatsächlich nicht abschiebbar, ohne Vornahme von Ermittlungen hinweggegangen ist.

Im Übrigen kann bei dieser Sachlage auch nicht davon die Rede sein, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt sei, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG habe unterbleiben können.

Aus den dargestellten Gründen ist der bekämpfte Bescheid wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Februar 2011

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