VwGH 2008/21/0647

VwGH2008/21/064722.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des S, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. Dezember 2008, Zl. Senat-FR-08-1091, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Liberia, stellte nach seiner Einreise nach Österreich am 2. September 2002 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Jänner 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen, zugleich sprach das Bundesasylamt gemäß § 8 Asylgesetz 1997 aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia zulässig sei. Der Beschwerdeführer, gegen den mittlerweile mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Mai 2003 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden war und der sich ab 29. November 2005 (erneut) in Haft (zunächst Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft, dann ab 21. Juni 2006 Strafhaft) befand, erhob gegen den Bescheid des Bundesasylamtes Berufung. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2007, in Rechtskraft erwachsen am 12. Oktober 2007, wies der unabhängige Bundesasylsenat diese Berufung als unbegründet ab.

Vor Entlassung aus der Strafhaft am 28. November 2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Haftentlassung wurde er dem Bundesasylamt vorgeführt und nach seiner Erstbefragung gemäß § 39 Abs. 3 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG festgenommen. In der Folge ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden mit Bescheid vom 28. November 2008 gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG die Schubhaft an, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und um die Abschiebung des Beschwerdeführers zu sichern. Die dagegen erhobene Schubhaftbeschwerde wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 67c Abs. 3 AVG iVm § 83 FPG ab (Spruchpunkt 1.). "Gemäß § 83 Abs. 1 FPG i.V.m. Abs. 2 leg. cit." stellte die belangte Behörde überdies fest, "dass die für die Verhängung der Schubhaft gesetzlichen Voraussetzungen in

der Person des nunmehrigen Beschwerdeführers ... als maßgeblich

vorlagen und weiterhin vorliegen" (Spruchpunkt 2.).

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Bezirkshauptmannschaft Baden hatte ihren Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gegründet. Die belangte Behörde hat sich demgegenüber mit dem maßgeblichen Schubhaftgrund - insbesondere bezüglich ihres Ausspruches nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft - überhaupt nicht auseinander gesetzt (zur dahingehenden Verpflichtung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0446). Eine derartige Auseinandersetzung unterblieb ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer in seiner Schubhaftbeschwerde vorgebracht hatte, der von der Bezirkshauptmannschaft Baden herangezogene Schubhaftgrund komme gegenständlich nicht in Betracht.

Auch in der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, die Schubhaft hätte fallbezogen nicht auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gegründet werden dürfen. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist. Die genannte Bestimmung knüpft mithin an eine durchsetzbare Ausweisung oder an ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot an. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, existierte bei Schubhaftverhängung jedoch - jedenfalls nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten - weder eine Ausweisung noch ein Aufenthaltsverbot. Zwar war gegen den Beschwerdeführer (siehe oben) mit Bescheid vom 7. Mai 2003 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden, dieses Aufenthaltsverbot gilt aber zufolge § 125 Abs. 3 zweiter Satz FPG - der Beschwerdeführer war am 1. Jänner 2006 unstrittig Asylwerber - als Rückkehrverbot, welches nicht in ein - zumal durchsetzbares - Aufenthaltsverbot umgedeutet werden kann.

Die belangte Behörde hat sich, wie bereits erwähnt, mit der Frage des Vorliegens eine Schubhaftgrundes überhaupt nicht auseinander gesetzt. Der bekämpfte Bescheid beschränkt sich vielmehr auf Überlegungen zum Sicherungsbedarf, die freilich insofern verfehlt sind, als sie "generalpräventive" Erwägungen ins Spiel bringen. Dessen ungeachtet ist die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass gegenständlich - abstrakt betrachtet - ein Sicherungsbedarf gegeben sei. Das vermag das Vorliegen eines Schubhaftgrundes nach dem Abs. 2 des § 76 FPG als grundlegende Voraussetzung für die Verhängung und Aufrechterhaltung von Schubhaft gegen einen Asylwerber freilich nicht zu ersetzen, weshalb der dies offenkundig verkennende angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2009

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