AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L519.2137571.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 30.09.2016, Zl. 1099382907/152007144, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.02.2017 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Iran, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 16.12.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er im Wesentlichen vor, dass er zu den Zeugen Jehovas und zum Christentum wechseln wolle. Beim BFA ergänzte er, dass er seit seiner Jugend Probleme mit dem Islam habe. Im Cafe seines Bruders habe er einen Zeugen Jehovas getroffen. Seine Erzählungen über Deutschland und das Christentum hätten ihm sehr gefallen. In Österreich habe er die katholische Kirche kennen gelernt, der er jetzt beitreten wolle. Die Taufe sei so abgelaufen, dass man ihn in der Flüchtlingsunterkunft abgeholt, in ein Hochhaus gebracht und 3 Mal mit Wasser übergossen wurde. Dann sei ihm gesagt worden, dass er jetzt getauft ist. Er glaube aber, dass diese Taufe und der Taufschein nicht viel wert wären.
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Der BF habe seine Furcht vor Verfolgung nicht plausibel machen können, vielmehr habe er den Eindruck einer konstruierten Verfolgungsgeschichte erweckt.
Er hat beim BFA angegeben, seit seiner Jugend Probleme mit dem Islam gehabt zu haben. Er habe nicht zwangsweise fasten und beten wollen. 3 bis 4 Monate vor der Ausreise habe er im Cafe einen ehemaligen Nachbarn getroffen und dieser habe dem BF erzählt, dass er jetzt in Deutschland lebe und Zeuge Jehovas sei. Nach dem Gespräch habe der BF beschlossen, ebenfalls nach Deutschland zu reisen und zu den Zeugen Jehovas zu wechseln. Schlussendlich sei er aber in Österreich gelandet, wo er die katholische Kirche kennengelernt habe, der er jetzt angehören möchte.
Der BF habe nicht den Eindruck erwecken können, echtes Interesse am Christentum zu haben. Bei der Nachfrage, seit wann genau er Interesse am Christentum habe, hat der BF angegeben, das wäre schon im Iran so gewesen, seit seiner Jugend genau würde er es nicht wissen. Er habe auch nichts über das Christentum gewusst, nichts recherchiert, keine Kirche besucht, aber Sehnsucht danach gehabt. Das stehe eindeutig in Widerspruch zur vorher getätigten Aussage, dass der ehemalige Nachbar ihm erst kurz vor der Ausreise von den Zeugen Jehovas erzählt hätte und der BF daraufhin auch zu diesen wechseln wollte. Zur katholischen Kirche sei der BF erst in Österreich gekommen, was heiße, der BF habe sich im Heimatland noch keineswegs für das Christentum interessiert. Abgesehen davon, dass der BF selbst auch angegeben hat, er hätte sich im Heimatland nicht damit beschäftigt.
Es sei zudem sehr unglaubwürdig, dass ein ehemaliger Nachbar, der im Iran auf Besuch ist, dem BF einfach aus heiterem Himmel über seinen Glaubenswechsel erzählt und sogar noch an einem öffentlichen Ort, in einem Cafe, wo ihn jeder hören kann, auch wenn es rein nur die Aussage ist, dass er jetzt zu den Zeugen Jehovas gegangen ist.
Dass diese äußerst knappe Aussage darüber beim BF den Wunsch geweckt hat, ebenfalls Zeuge Jehovas zu werden, sei ebenfalls nicht glaubhaft. Es sei davon auszugehen, dass sich der BF – hätte er sich tatsächlich für die Zeugen Jehovas interessiert – auch zuerst darüber informiert hätte, was er jedoch mit keinem Wort erwähnte. Wie sonst hätte der BF wissen können, ob dies das passende für ihn sein kann oder nicht. Nach einem solch kurzen Gespräch sei es für die belangte Behörde absolut nicht glaubhaft, solch ein Interesse daran zu entwickeln, dass überhaupt eine Konversion angestrebt wird.
Viel eher gehe das BFA davon aus, dass der BF die Information hatte, dass es für Konvertiten oder jemanden, der konvertieren will, in Europa Asyl gebe.
Weiter habe der BF angegeben, dass er in Österreich die katholische Kirche kennen gelernt habe, er sei jetzt katholisch und wolle nicht mehr Zeuge Jehovas werden. Auf Nachfrage, ob er offiziell zum Christentum konvertieren wolle, gab der BF an, er sei bereits konvertiert. Er sei getauft. Anfang 2016 habe er von anderen Flüchtlingen in seiner Unterkunft gehört, dass es eine Möglichkeit gebe, sich in S. christlich taufen zu lassen. Ein Mann habe ihn und 23 andere abgeholt und in eine Wohnung gebracht, wo alle getauft worden seien. Es habe keine Zeremonie gegeben, den Täufer habe der BF nur dieses eine Mal gesehen. Er habe den BF 3 Mal mit Wasser übergossen und ihm gesagt, dass er nun getauft sei. Dann habe der BF einen Taufschein bekommen.
Es sei offensichtlich, dass der BF diese Taufe nur durchführen ließ, um in Österreich Asyl dadurch zu bekommen. Er habe sich keineswegs ernsthaft für den Glauben interessiert oder dafür engagiert. Der BF habe sich weder im Iran noch in Österreich mit dem Christentum oder den Zeugen Jehovas beschäftigt. Als er nach Österreich kam und merkte, dass man sich christlich taufen lassen kann, habe der BF die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sich den anderen Asylwerbern angeschlossen. Der BF selbst hat angegeben, er sei vor der Taufe nur 2 Mal in einer Kirche gewesen, aber er habe nur einmal schauen wollen, wie das so sei. Es sei nicht glaubhaft, dass man nach 2 Besuchen in der Kirche ein ernsthaftes Interesse an der katholischen Kirche bekommt und gleich eine Konversion anstrebt.
Für das nicht vorhandene Interesse am Christentum spreche weiter, dass der BF angibt, einmal die Woche die Kirche zu besuchen, sonst aber nicht viel zu machen. Das BFA gehe davon aus, dass der BF das nur tue, um glaubwürdig zu erscheinen. Er habe auch bei der Einvernahme vor dem BFA nicht den Eindruck erweckt, sich tatsächlich für das Christentum zu interessieren. Er konnte zwar inhaltliche Fragen wie jene nach Feiertagen, Geboten, Heilige Maria oder Symbol des Christentums beantworten. Das deute aber keinesfalls darauf hin, dass er sich tatsächlich für den christlichen Glauben interessiert. Es sei ebenso möglich, sich ohne echtes Interesse dieses Wissen für die Befragung anzueignen, wovon das BFA beim BF ausgehe.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.
Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht:
Der Bescheid der belangten Behörde werde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft.
Der BF nehme derzeit am Vorbereitungskurs zum Beitritt in die katholische Kirche teil.
Aufgrund des langen Zeitraumes zwischen Befragung und Bescheiderlassung sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt. Der BF hätte erneut befragt werden müssen, wie sich sein Zugang zum christlichen Glauben weiter entwickelt hat bzw. wie aktiv er seinen Kirchenbeitritt anstrebt. Auch zur Integration hätte er erneut befragt werden müssen.
Es wären auch weitere Ermittlungen zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlich gewesen. Fallbezogene Feststellungen wären ebenfalls zu treffen gewesen, um die Plausibilität und die Asylrelevanz beurteilen zu können.
Die Länderfeststellungen seien veraltet und unvollständig. In der Folge wurden auszugsweise mehrere Berichte zur Lage von Christen bzw. Konvertiten im Iran wieder gegeben (Open Doors, USDOS vom August 2016). Bei Berücksichtigung dieser Berichte hätte die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis kommen müssen.
Die Beweiswürdigung sei unschlüssig, eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens sei nicht erfolgt.
I.4. Für den 6.2.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der der BF mit seiner Rechtsvertreterin teilnahm.
I.4.1. Mit Schriftsatz vom 24.2.2017 nahm der BF zu den aktuellen Länderberichten Stellung.
I.5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführer:
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen iranischen Staatsangehörigen, welcher zur Volksgruppe der Perser gehört. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger. Dass der BF zum Christentum konvertiert wäre, kann nicht festgestellt werden.
Der BF ist ein lediger, junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer im Iran –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF hat 7 Jahre die Grundschule besucht und spricht Farsi auf muttersprachlichem Niveau. Er hat den Beruf eines Schweißers erlernt.
Im Iran leben nach wie vor Mutter, 5 Brüder und 4 Schwestern des BF.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten und bezieht Grundversorgung. Der BF hat einen A1-Kurs im Ausmaß von 90 Unterrichtseinheiten besucht. Ein Sprachdiplom wurde nicht vorgelegt.
Der BF hat keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.
Die Identität des BF steht nicht fest.
Er reiste unrechtmäßig in die Europäische Union und in der Folge in das österreichische Bundesgebiet ein.
Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran werden folgende
Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Höchste politische Instanz ist Ayatollah Ali Khamenei, der "Oberste Führer der Islamischen Revolution". Dieser verfügt als Ausdruck des Prinzips der "Herrschaft der Islamischen Rechtsgelehrten" über eine verfassungsrechtlich verankerte Richtlinienkompetenz, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen. Die beiden Kernelemente der "Herrschaft des Rechtsgelehrten" sind zum einen das "göttliche Recht" als einzige Quelle staatlicher Legitimität und politischer Autorität sowie zum anderen die verbindliche Interpretation dieses Rechts durch den religiösen (Revolutions‑)Führer bis zur Wiederkehr des verborgenen Imams (AA 9.12.2015).
Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (derzeitiger Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Madschlis – Majlese Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der lt. Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich. Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit 12 Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs vom Majlis gewählte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Normenkontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 10.2015, vgl. AA 9.12.2015, FH 27.1.2016). Weiters gibt es den Schlichtungsrat, der zwischen dem Parlament und dem Wächterrat, der als Verfassungsgericht fungiert vermittelt, wenn zwischen beiden ein Patt eintritt. Dann kann der Schlichtungsrat im Interesse der Staatsräson das Inkrafttreten eines Gesetzes erzwingen (FAZ 11.3.2015). Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 27.1.2016).
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und der Einigung auf ein Abkommen ("Joint Comprehensive Plan of Action") geht die Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft einher. Nach der Implementierung der im Atomabkommen vorhergesehenen Bestimmungen (starke Einschränkung iranischer Atomanreicherung, Umbau des Reaktors in Arak) ist eine schrittweise Aufhebung der bisher bestehenden Sanktionen vorgesehen (ÖB Teheran 10.2015, vgl. AA 9.12.2015). Die Sanktionen der USA und EU gegen den Iran sind aufgehoben. Das teilten US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 16.1.2016 in Wien mit. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bescheinigte zuvor dem Iran, allen Verpflichtungen nachgekommen zu sein, die in dem 2015 geschlossenen Atomabkommen vereinbart wurden. Ohne Sanktionen wird der Iran unter anderem wieder viele Industriegüter frei einführen und Öl auf dem Weltmarkt frei verkaufen können. Zahlreiche westliche Länder warten darauf, wieder Geschäfte mit der Islamischen Republik machen zu können. Eine Reihe von Sanktionen, wie die zum Verkauf schwerer Waffen, bleibt jedoch noch für einige Jahre in Kraft. Beim Verstoß gegen die Vereinbarungen kann es zum Wiedereinsetzen der UN-Sanktionen ("snapback") kommen. Das wäre zugleich das Ende des Atom-Deals (Welt.de 16.1.2016).
Nach seiner Wahl zum Präsidenten kündigte der Kleriker Hassan Rohani in innen- und außenpolitischen Fragen einen moderaten Kurs und eine Abkehr von Extremismus und Konfrontation an. Rohanis Regierung von "Weitsicht und Hoffnung" (tadbir va omid) – so der Slogan seiner Wahlkampagne – gipfelte im Juli 2015 in der Unterzeichnung des "Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans" (JCPOA), der vorläufigen Beilegung des Streits über das iranische Atomprogramm und der bevorstehenden wirtschaftlichen Öffnung des Landes. Gleichzeitig konnte Rohani die in ihn gesetzten – wohl auch zu optimistischen – Erwartungen hinsichtlich substantieller Reformen innerhalb des Landes nicht erfüllen. Dies mag auch daran liegen, dass er sein gesamtes politisches Kapital in die Nuklearfrage investiert (hat) und sein Handlungsspielraum gering ist. Tatsache ist, dass bis dato weder das Wahlversprechen Rohanis einer Lockerung der Zensur noch die Freilassung politischer Gefangener (von wenigen Ausnahmen zu Anfang seiner Regierungsperiode, die rückblickend eher den Eindruck einer PR-Kampagne erwecken, abgesehen) eingelöst wurden. Mir Hussein Moussavi und Mehdi Karroubi stehen nach wie vor unter Hausarrest. Twitter, Facebook, YouTube und Millionen anderer Websites sind weiterhin blockiert; regierungskritischen Nutzern sozialer Netzwerke drohen hohe Haftstrafen. Die Anzahl an Hinrichtungen stieg seit Rohanis Amtsübernahme an und verbleibt weiterhin auf hohem Niveau. Bislang gibt es auch keine stichhaltigen Hinweise, dass der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen zu einer größeren Dynamik hinsichtlich innerer Reformen führen wird. Die vorläufige Bilanz der Regierung Rohanis ist daher eher ernüchternd. Ein stärkerer Durchgriff der moderaten Regierungskräfte auf Sicherheitsapparat und Judikative zeichnete sich weder ab, noch erscheint er angesichts des internen Machtgefüges realistisch. Die Initiative einer Bürgerrechts-Charta der Regierung Rohani, die den Schutz der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stärken soll, ist bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben. Ein Entwurf der Charta wurde am 26. November 2013 veröffentlicht; die Annahme der endgültigen Version steht weiterhin aus. Allerdings wurde die Charta von MenschenrechtsverteidigerInnen als nicht weit genug gehend kritisiert, insbesondere da alle von ihr garantierten Rechte unter der Einschränkung "im Rahmen des Gesetzes" und der Voraussetzung, dass sie die "Prinzipien des Islam nicht verletzen" stehen (ÖB Teheran 10.2015). Zwei Jahre nach Amtsantritt von Präsident Hassan Rohani ist eine punktuelle Liberalisierung etwa im Bereich der Kulturpolitik und an Hochschulen spürbar, angekündigte grundlegende Reformen auf den Gebieten Pressefreiheit und Frauenrechte bleiben bislang aus. Verfassungsmäßige Vetorechte des Revolutionsführers und des von ihm ernannten Wächterrates sowie der Umstand, dass Spitzenfunktionäre in Justiz und Sicherheitsorganen vom Revolutionsführer ernannt werden, setzen der gewählten Regierung bei ihren Reformbemühungen sehr enge Grenzen (AA 9.12.2015).
Das Konstrukt der Islamischen Republik gibt regelmäßigen Wahlen einen festen Platz, schränkt aber die Kandidaten durch Vorselektion ein. Dies erlaubt einen begrenzten Wettbewerb innerhalb einer prinzipiell systemtreuen Elite, über den das Regime flexibel auf innere und äußere Herausforderungen reagiert. Rohani steht für das Lager der Pragmatiker und Technokraten. Deren Vertreter wollen die Stabilität des Regimes über wirtschaftliche Entwicklung und konstruktive Außenbeziehungen sichern. Rohanis Kandidatur wurde von einem breiten politischen Spektrum getragen – angefangen von den Reformern über die traditionelle Geistlichkeit bis hinein ins konservative Lager. Die iranischen Wähler wollten Veränderung, doch der Verlauf der Protestbewegung nach den Präsidentschaftswahlen von 2009 und auch das Beispiel Syriens hatten ihnen gezeigt, wohin die direkte Konfrontation mit einem gewaltbereiten Regime führen konnte. Also stimmten sie für graduellen Wandel und zeigten damit eine in der Region kaum erreichte politische Reife. Doch Rohanis Versprechen von mehr Freiheiten und Bürgerrechten blieb bislang weitgehend unerfüllt. Zwar sind in der Presse Tabus gefallen und sogar Regierungsmitglieder kommunizieren über die eigentlich zensierten sozialen Netzwerke im Internet. Auch veröffentlichte Rohani einen vielbeachteten Entwurf einer Charta der Bürgerrechte. Doch Justiz und Sicherheitsapparat tun alles, um den Eindruck von größerer Offenheit zu trüben. Trotz Freilassung einiger prominenter politischer Gefangener sitzen noch immer dutzende Aktivisten und Kritiker in Haft. Erneut wurden Zeitungen geschlossen und Generalstaatsanwalt Mohseni Ejei warnte vor einer Wiedereröffnung der unabhängigen Journalistengewerkschaft. Die Zahl der Hinrichtungen ist alarmierend. Der Iran drängt selbstbewusst auf die internationale Bühne und agiert dabei keinesfalls immer so, als wäre er nach Jahren der Konfrontation endlich durch internationalen Druck auf eine konziliante Linie gebracht worden. Rohani vertritt die Interessen des Regimes und handelt in Übereinstimmung mit dem Revolutionsführer (IPG 27.1.2014).
Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt. Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt (AA 1 .2016a).
Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion Teheran eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Noch stehen nicht alle Ergebnisse fest, weil in zwanzig Prozent der Wahlkreise Stichwahlen nötig sind. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Das vorherige Parlament hatte mehreren Ministerkandidaten den Weg ins Kabinett verbaut, allein für den Hochschulminister brauchte der Regierungschef drei Anläufe. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre – angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss. Bei den Atomgesprächen jedenfalls entpuppte er sich als Meisterstratege. Und so könnte es jetzt auch daheim noch einige Überraschungen geben (Zeit Online 29.2.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- AA – Auswärtiges Amt (1.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html , Zugriff 21.2.2016
- FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.3.2015): Gewinn für die Hardliner,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/machtgewinn-fuer-irans-hardliner-13477598.html , Zugriff 30.3.2016
- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016, http://www.ecoi.net/local_link/320134/459362_de.html , Zugriff 21.3.2016
- IPG – Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!
http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/ , Zugriff 21.3.2015
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- Wel.de (16.1.2016): Internationale Sanktionen gegen den Iran aufgehoben,
http://www.welt.de/politik/ausland/article151089740/Internationale-Sanktionen-gegen-den-Iran-aufgehoben.html , Zugriff 30.3.2016
- Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani , Zugriff 24.2.2016
Sicherheitslage
Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 21.3.2016b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Die iranische Regierung hat die Provinz im November 2007 für ausländische Staatsangehörige zur "no-go-area" erklärt. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschieht vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 21.3.2016b, vgl. BMEIA 21.3.2016).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und der kurdischen Separatistenorganisation PJAK mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kommt es weiterhin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Revolutionsgarden und der PJAK nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), sind am 8.9.2015 zwei Angehörige der Revolutionsgarden getötet und zwei weitere verletzt worden. Daneben soll es zwei PJAK-Todesopfer und fünf verletzte PJAK-Mitglieder gegeben haben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMEIA 21.3.2016).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (21.3.2016b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html , Zugriff 21.3.2016
- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (21.3.2016): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html , Zugriff 21.3.2016
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (21.3.2016): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html , Zugriff 21.3.2016
Rechtsschutz/Justizwesen
Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2015). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 25.6.2015).
In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.
Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative; Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. In Iran gibt es eine Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA) sowie das "Centre for Legal Consultants of the Judiciary", dessen Mitglieder ebenfalls als Rechtsanwälte tätig werden dürfen. Die IBA gilt als unabhängige Organisation und arbeitet mit vielen internationalen Anwaltskammern eng zusammen. Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt. So kritisiert die IBA beispielsweise ein am 22.06.2015 in Kraft getretenes Gesetz, wonach Verteidiger von Angeklagten, denen politische oder sicherheitsgefährdende Straftaten vorgeworfen werden, zukünftig von der Justiz dafür zugelassen werden müssen (AA 9.12.2015).
Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Einschränkungen. Die Vorgehensweise zahlreicher Gerichte bei politischen Verfahren lässt darauf schließen, dass die Justiz in der Praxis nicht unabhängig ist, weder gegenüber der Exekutive noch gegenüber dem Revolutionsführer. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane – wie etwa der Geheimdienst oder die Revolutionsgarden – trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung genommen haben. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. Unzureichende Ausbildung der jungen Richter fördert zudem Abhängigkeit vom direkten Vorgesetzten (AA 9.12.2015).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Durch entsprechende Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft und arbiträr weite Auslegung der Straftatbestände kann die Zuständigkeit anderer Gerichte umgangen werden. Grundsätzlich finden Verfahren mit politischem Bezug vor dem Revolutionsgericht statt, da die Anklage regelmäßig auf "Handlungen gegen die Sicherheit des Landes" lautet. Die Revolutionsgerichte sind mit besonders linientreuen Richtern besetzt. Die Verfahren vor Revolutionsgerichten sind häufig kurz und summarisch, eine umfassende Überprüfung des Sachverhalts findet kaum statt, die Verteidigung hat oft nur unzureichend oder keine Zeit zur Vorbereitung und zur angemessenen Verteidigung ihres Mandanten. In vielen Fällen findet trotz gegenteiliger Anweisung des Chefs der Judikative keine oder nur eine mangelhafte Verteidigung durch einen Anwalt statt. Gegen Entscheidungen der ordentlichen Strafgerichte und der Revolutionsgerichte können Rechtsmittel zunächst beim Berufungsgericht und dann beim Obersten Gerichtshof eingelegt werden, die jeweils spezielle Kammern für Verfahren vor dem Revolutionsgericht haben. Bei Todesurteilen, Haftstrafen von mehr als zehn Jahren und Amputationsstrafen ist der Oberste Gerichtshof alleinige Rechtsmittelinstanz (AA 9.12.2015, vgl. AI 24.2.2015).
Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Die neue Strafprozessordnung verbesserte zwar den Zugang von Häftlingen zu einem Rechtsbeistand; sie garantierte allerdings nicht den Kontakt zu einem Rechtsanwalt unmittelbar nach der Festnahme. Dies wäre aber notwendig, um Häftlinge vor Folter zu schützen. Außerdem konnte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeiständen die Einsicht in die Fallakten ihrer Mandanten teilweise oder gänzlich verweigern, wenn sie der Ansicht war, dass eine Akteneinsicht "die Wahrheitsfindung" behindern würde, sowie in Fällen, die die innere oder äußere Sicherheit betreffen. Damit wurde das Recht der Rechtsanwälte auf eine angemessene Vorbereitung der Verteidigung behindert. Im August 2014 brachte die Justiz- und Gesetzeskommission des Parlaments einen Gesetzentwurf ein, um das geplante Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung im Oktober zu verschieben. Begründet wurde dies mit "ernsthaften Problemen und Hindernissen bei der Umsetzung". Die Gesetzesvorlage zielte außerdem darauf ab, geplante Reformschritte wieder rückgängig zu machen, indem Änderungen zu 19 Artikeln vorgeschlagen wurden, in denen es zumeist um einen besseren Zugang zu Rechtsbeiständen ging (AI 25.2.2015).
Gerichte verurteilten Angeklagte weiterhin in Abwesenheit eines Rechtsbeistandes und aufgrund von "Geständnissen" oder anderen Informationen, die durch Folter und Misshandlung erpresst worden waren. In einigen Fällen wurden auf Anordnung der Behörden bereits vor der Gerichtsverhandlung "Geständnisse" der Angeklagten im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt und damit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Im September 2014 verabschiedete das Kabinett ein Gesetz über die Anwaltschaft, das von den Justizbehörden entworfen worden war, und legte es dem Parlament zur Zustimmung vor. Der Gesetzentwurf diskriminiert Nichtmuslime, weil er sie vom Vorstand der iranischen Rechtsanwaltskammer ausschließt. Auch die Unabhängigkeit der Kammer ist durch den Entwurf gefährdet (AI 24.2.2015).
Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:
- "Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.
- "Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).
Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas- Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).
Die seit Juli 2008 kontrovers zwischen Parlament und Wächterrat diskutierte Strafrechtsnovelle ist im Juni 2013 in Kraft getreten. Entgegen anfänglicher Erwartungen ist die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).
Strafverfolgungspraxis ist insbesondere in Bezug auf politische Überzeugungen diskriminierend. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, teils, weil ihnen das Recht verwehrt wird, teils, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten, z.B. Spionage für das Ausland oder Drogendelikten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch (AA 9.12.2015).
Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2015).
Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- AI – Amnesty International (24.2.2015): Jahresbericht 2014/15 – Iran,
https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/iran#unfairegerichtsverfahren , Zugriff 12.2.2016
- AI (11.2.2016): Flawed reforms: Iran's new Code of Criminal Procedure [MDE 13/2708/2016],
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455175709_mde1327082016english.PDF , Zugriff 16.2.2016
- ICHR – International Campaign for Human Rights in Iran (7.12.2010): Unprecedented Death Sentence for Christian Pastor on Charge of Apostasy,
http://www.iranhumanrights.org/2010/12/khanjani-nadarkhani-apostasy/ ; Zugriff 12.2.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- US DOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/306266/443538_de.html , Zugriff 12.2.2016
Sicherheitsbehörden
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt auch keine Berichte, dass die Regierung Täter disziplinieren würde (US DOS 25.6.2015).
Seit 1991 sind die islamischen Revolutionskomitees, die Polizei und die Gendarmerie zu einer einzigen Sicherheitsbehörde mit einheitlichem Befehlsstrang und einheitlicher Verwaltung verschmolzen. Seit 2005 gibt es eine klare Aufgabenverteilung und Zuständigkeitsregelung zwischen den einzelnen Polizeikräften (Kriminalpolizei, Sittenpolizei und Verkehrspolizei). Das "Sepah-Pasdaran-Corps" ("Revolutionswächter") ist ein Instrument zur gewaltsamen Durchsetzung der Revolution und Islamisierung der Gesellschaft. Es war ursprünglich eine kleine Elitetruppe mit dem Ziel, die Revolution gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Im Laufe des Krieges gegen den Irak entwickelte es sich zu einer eigenständigen zweiten Streitmacht, dessen einzige Verbindung zum regulären Militär die Eingliederung des eigenen Generalstabs in den gemeinsamen Generalstab der Streitkräfte ist. Die Pasdaran besitzen inzwischen eine höhere Bedeutung als das reguläre Militär, sind moderner ausgerüstet und stellten beispielsweise während der Proteste im Juni 2009 einen Großteil der Sicherheitskräfte. Die Aufgaben sind gemäß ihrem Statut:
- Schutz der Islamischen Republik und der Errungenschaften der islamischen Revolution gegen ausländische Feinde;
- Bekämpfung von Verschwörungen innerer Feinde (gemeint ist nicht Zuständigkeit zur Verfolgung einzelner Oppositioneller oder Oppositionsgruppen, sondern Gewährleistung der inneren Sicherheit bei Aufständen oder Unruhen);
- Sicherheitsschutz für Politiker und strategische Zentren im Lande,
- seit einigen Jahren auch Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels, insbesondere in den Provinzen Sistan-Belutschistan und Khorasan (AA 9.12.2015, vgl. DW 13.6.2013).
Die Pasdaran verfügen über eigene Gefängnisse und einen eigenen Geheimdienst. Die Liquidierung Oppositioneller wurde in den Jahren nach der Revolution v.a. von den Pasdaran durchgeführt. Sie sind darüber hinaus eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (AA 9.12.2015, vgl. DW 13.6.2013, FH 2.11.2015).
Die sog. Bassij-Bewegung wurde 1980 von Staatsgründer Ayatollah Khomeini als schnell mobilisierbare Volksmiliz aufgestellt. Sie ist ein paramilitärischer Freiwilligenverband, der organisatorisch den Sepah-Pasdaran unterstellt ist. Ihm gehören auch Frauen an. Mitglieder ohne militärische Ausbildung erhalten von den Sepah-Pasdaran in sogenannten Aschura-Bataillonen eine militärische Grundausbildung (AA 9.12.2015). Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2015).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela’at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Die Organisation ist aufgeteilt in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Der Inlandsgeheimdienst hat die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition. Er stellt eine engmaschige Überwachung der Bürger sicher, die potentiell für das Regime gefährlich werden könnten. Seine Mitglieder sitzen in den Ministerien und öffentlichen Behörden, in staatlichen und privaten Betrieben sowie in den Universitäten. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Ladungen zu Anhörungen beim Geheimdienst ergehen grundsätzlich nur mündlich. Der Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran untersteht der Kontrolle des Geheimdienstes.
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung (AA 9.12.2015).
Neben einem "Hohen Rat für den Cyberspace" wurde am 23. Januar 2011 die iranische Internet-Polizei (FATA) gegründet, die sich nur mit Internetkriminalität beschäftigt. Im Anfangsstadium hat diese Polizei-Einheit vor allem bei der Überwachung von Oppositionellen und Menschenrechts-Aktivisten eine maßgebliche Rolle gespielt. Nachdem der Blogger Sattar Beheshti im November 2012 unter ungeklärten Umständen nach Inhaftierung durch die FATA starb, verlegte die Einheit ihren Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet (AA 9.12.2015).
Staatsschutzeinrichtungen und Geheimdienste unterhielten eigene Haftzentren, die trotz anderslautender Gesetze nicht der staatlichen Gefängnisbehörde unterstanden. In diesen Haftzentren waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. In einigen Fällen "verschwanden" Todeskandidaten vor ihrer Hinrichtung, indem man sie in diese Einrichtungen verlegte (AI 24.2.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- AI – Amnesty International (AI 24.2.2015): Jahresbericht 2014/15 – Iran,
https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/iran#unfairegerichtsverfahren , Zugriff 12.2.2016
- DW – Deutsche Welle (13.6.2013): Nirumand: "Irans wahre Machthaber",
http://www.dw.de/nirumand-irans-wahre-machthaber/a-16744438 , Zugriff 15.2.2016
- FH – Freedom House (2.11.2015): Freedom on the Net 2015 – Iran, http://www.ecoi.net/local_link/314200/452564_de.html , Zugriff 15.2.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- US DOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/306266/443538_de.html , Zugriff 15.2.2016
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer beunruhigenden Lage der Menschenrechte, was sich auch auf die Asyl- und Migrationsströme auswirkt (ÖB Teheran 10.2015). Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark eingeschränkt. Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschafter und Personen, die Kritik äußerten, wurden aufgrund von vage formulierten und überaus weit gefassten Anklagen festgenommen und inhaftiert. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Haftbedingungen waren hart. Gerichtsverfahren waren unfair und in einigen Fällen endeten sie mit Todesurteilen. Frauen sowie Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wurden durch Gesetze und im Alltag diskriminiert. Die Behörden vollstreckten grausame Körperstrafen. Gerichte verurteilten Menschen wegen einer Reihe von Verbrechen zum Tode. Viele Gefangene wurden hingerichtet, darunter mindestens vier, die zur Tatzeit noch minderjährig waren (AI 24.2.2015, vgl. US DOS 25.6.2015, UN Human Rights Council 12.3.2015).
Repressive Elemente innerhalb des Sicherheitsapparates, des Geheimdienstes und der Justiz bewahrten ihre Macht und blieben weiterhin die Haupttäter bei Menschenrechtsverstößen. Exekutionen, vor allem bei Drogenvergehen stiegen im Vergleich zu früheren Jahren nochmals an. Sicherheitsbehörden und Geheimdienst inhaftierten Journalisten, Blogger und Social Media Aktivisten, und die Revolutionsgerichte verhingen schwere Strafen gegen sie (HRW 27.1.2016).
Neben Menschenrechtsverteidigern sind insbesondere auch Menschenrechts-Anwälte von staatlicher Verfolgung bedroht. Nach Angaben des Iran Human Rights Documentation Center sind zurzeit 24 Menschenrechtsaktivisten in Iran inhaftiert. In zahlreichen Fällen werden Berufungsverfahren von Menschenrechtsaktivisten oder -anwälten bewusst in der Schwebe gehalten, um die Betroffenen so in Unsicherheit zu belassen und iranischen oder internationalen Akteuren keine Angriffspunkte durch ein rechtskräftiges Urteil zu bieten (AA 9.12.2015, vgl. HRW 27.1.2016). Trotz all dieser Probleme begrüßt der UN Human Rights Council die Freilassung von politischen Gefangenen und Gefangenen, die aufgrund ihrer Überzeugung eingesperrt waren, jedoch gibt der Grund der ursprünglichen Verhaftung weiterhin Grund zur Sorge. Weiters wird die "überaus weite Interpretation" der Gesetze zur nationalen Sicherheit und Propaganda gegen den Staat kritisiert (UN Human Rights Council 12.3.2015).
Wenige Veränderungen in Bezug auf die Menschenrechtssituation konnte zwischen Jänner und Juni 2015 beobachtet werden. Zum Teil verschlechterte sich die Lage. Beispielsweise wurden im ersten Halbjahr 2015 mehr Menschen hingerichtet als im gesamten Jahr 2014. In den ersten sechs Monaten 2015 wurden 533 Personen exekutiert, im gesamten Jahr 2014 waren es 482. Über die Hälfte davon wurden für Straftaten mit Bezug zu Drogen hingerichtet (FCO 15.7.2015). UNO-Berichten zufolge wurden im Iran im vergangenen Jahr mindestens 966 Menschen hingerichtet. Damit seien dort so viele Todesurteile vollstreckt worden wie seit 20 Jahren nicht mehr. Und von den 73 Minderjährigen, die seit dem Jahr 2005 hingerichtet worden sind, wurden allein 16 in den beiden vergangenen Jahren exekutiert. Zahlreiche regimekritische Persönlichkeiten sind zudem inhaftiert oder leben im Exil (WZ 28.3.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- AI – Amnesty International (24.2.2015): Jahresbericht 2014/15 – Iran,
https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/iran#unfairegerichtsverfahren , Zugriff 2.3.2016
- FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (15.7.2015): Human Rights and Democracy Report 2014: Islamic Republic of Iran - in-year update July 2015, http://www.ecoi.net/local_link/311545/449636_de.html , Zugriff 2.3.2016
- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html , Zugriff 2.3.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- UN Human Rights Council (12.3.2015): Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran, Ahmed Shaheed [A/HRC/28/70], http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1427808361_a-hrc-28-70-en.doc , Zugriff 2.3.2016
- US DOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/306266/443538_de.html , Zugriff 2.3.2016
- WZ – Wiener Zeitung (28.3.2016): Alte Freunde, neue Hoffnungen, http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/?em_cnt=809130em_cnt_page=2 , Zugriff 30.3.2016
Religionsfreiheit
Die Bevölkerung besteht zu 98% aus Muslimen, darunter ca. 88% Schiiten und ca. 10% Sunniten (v.a. Araber, Turkmenen, Belutschen, Kurden). Die im Iran lebenden Schiiten gehören zum größten Teil zu den sogenannten 12er-Schiiten. Sie folgen einer Reihe von 12 Imamen. Es gibt keine offiziellen Zahlen zur Anzahl der Sufis, sie wird auf zwei bis fünf Millionen geschätzt. Die restlichen zwei Prozent verteilen sich auf Christen (ca. 117.000, davon 80.000 Armenisch-Apostolisch, 11.000 Assyrer, 10.000 Lateiner, 7.000 Chaldäer und mehrere Tausend Protestanten), Baha'i (350.000), Zoroastrier (ca. 19.000), Juden (ca. 10.000) und Mandäer (ca. 5.000) (AA 9.12.2015, vgl. UK Home Office 12.2015).
Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen – werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen – Bahá‘í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Sunni – werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Missionarische Tätigkeit, d.h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet (ÖB Teheran 10.2015, vgl. AA 9.12.2015). Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionale Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter zumindest selbst immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der – auch von außen als solche klar erkennbaren – Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismus-Verbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismus-Verbots wird - entgegen autochthoner Kirchen, welche sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot halten - gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Die Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 10.2015, vgl. US DOS 14.10.2015).
Religions- und Glaubensfreiheit besteht im Iran nur in eingeschränktem Maße. Die wirtschaftliche, berufliche und soziale Diskriminierung religiöser Minderheiten zusammen mit der von einem Großteil der Betroffenen empfundenen wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit führen zu einem unverändert starken Auswanderungsdruck dieser Gruppen. Diskriminierungen von Nichtmuslimen äußern sich u.a. darin, dass diese weder höhere Positionen in den Streitkräften (Art. 144 der Verfassung) einnehmen noch Richter werden können (Art. 163 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz über die Wahl der Richter von 1983). Seit der Islamischen Revolution waren sämtliche Kabinettsmitglieder, Generalgouverneure, Botschafter und hochrangige Militärs sowie Polizeikommandeure ausschließlich schiitische Muslime. Eine Ausnahme ist der Kurde Saleh Adibi, der, wie am 2.9.2015 bekannt wurde, als erster sunnitischer Botschafter den Iran in Vietnam vertreten soll. Art. 14 der Verfassung statuiert, dass Nichtmuslime "nach bester Sitte, mit Anstand und unter Wahrung islamischer Gerechtigkeit zu behandeln und ihre Menschenrechte zu achten sind". Dies gilt aber "nicht gegenüber jenen, die sich gegen den Islam und die Islamische Republik Iran verschwören und hiergegen handeln". Im Bereich des Strafrechts variieren die Strafen je nach Religionszugehörigkeit von Täter bzw. Opfer. Im Bereich des Zivilrechts besagt z.B. § 881a des islamischen Zivilgesetzbuches, das Nichtmuslime nicht von Muslimen erben können. Ist dagegen der Erblasser ein Nichtmuslim und befindet sich an irgendeiner Stelle in der Erbfolge ein Muslim, so werden alle nichtmuslimischen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen und der muslimische Erbe wird Alleinerbe. Diese Regelung kann jedoch durch Errichtung eines Testaments zum Teil umgangen werden (AA 9.12.2015, vgl. ÖB Teheran 10.2015).
Anhänger der Baha'i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq und andere religiöse Minderheiten wurden auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen diskriminiert und konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertierten, Schiiten, die zum sunnitischen Islam übertraten, und Sunniten. Es gingen Berichte ein, wonach zahlreiche Baha'i, zum Christentum konvertierte Personen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten 2015 festgenommen und inhaftiert wurden. Einige von ihnen kamen in Haft, weil sie Baha'i-Studierende unterrichtet hatten, denen der Zugang zur höheren Bildung verweigert wird (AI 24.2.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- AI – Amnesty International (24.2.2016): Jahresbericht 2015/16 – Iran, http://www.ecoi.net/local_link/319678/458901_de.html , Zugriff 21.3.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- UK Home Office (12.2015): Country information and Guidance, Iran:
Christians and Christian Converts, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1449654645_cig-iran-christians-and-christian-converts.pdf , Zugriff 23.2.2016
- US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,
http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html , Zugriff 16.3.2016
Christen
Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa – je nach Quelle – 100.000 (GIZ 1.2016) bis 300.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (FIS 21.8.2015).
Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind – wenn auch nicht alle – Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet. Im Oktober 2014 waren mindestens 49 Christen wegen ihres Bekenntnisses zu Kirchen außerhalb des Irans, die Mitwirkung in informellen Hauskirchen und anderen christlichen Aktivitäten in Haft (ÖB Teheran 10.2015, vgl. FIS 21.8.2015, ICHRI 2013). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand Dezember 2015 70 Christen in Haft, zwölf wurden auf Kaution freigelassen und vier freigelassen (Open Doors 12.2015).
Christen, die Angehörige der ethnischen Minderheiten sind (Armenier, Assyrer, Chaldäer), sind weitgehend in die Gesellschaft integriert. Soweit sie ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Repressionen betreffen missionierende Christen, unabhängig davon, ob diese zuvor konvertiert sind. Missionierungsarbeit findet hauptsächlich durch evangelikale Freikirchen (z.B. die "Assemblies of God"), sowie in weitaus geringerem Umfang durch die Assyrische und Armenisch-evangelische Kirche statt. Staatliche Maßnahmen (v.a. Verhaftungen, Einschüchterung) richteten sich hier bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen. Staatliche Repressionen gegen registrierte Kirchen haben in letzter Zeit zugenommen. Christlichen Kirchen wurde untersagt, ihre Gottesdienste an einem Freitag und auf persischer Sprache abzuhalten. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen. Regelmäßig werden Berichte über Auflösungen von häuslichen christlichen Versammlungen und gelegentlichen Festnahmen von Angehörigen einer Hauskirchengemeinde bekannt. Verfolgung von Konvertiten und Missionaren erfolgt nicht strikt systematisch, sondern stichprobenartig, wenn z.B. von der Bevölkerung hauskirchliche Tätigkeiten oder private Versammlungen von Nachbarn gemeldet werden (AA 9.12.2015, vgl. FIS 21.8.2015).
Vor allem evangelikale Christen sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Einige dieser Personen wurden beinahe sofort wieder freigelassen, andere wurden an geheimen Orten ohne Zugang zu einem Anwalt festgehalten (US DOS 14.10.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- FIS – Finnish Immigration Office (21.8.2015): Christian Converts in Iran,
http://www.migri.fi/download/62318_Suuntaus-raportti_Kristityt_kaannynnaiset_IranissaFINALFINAL160915_2_.pdf?6385541925bfd288 , Zugriff 22.3.2016
- GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2016a): Iran, Gesellschaft,
http://liportal.giz.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 9.2.2016
- ICHRI – International Campaign for Human Rights in Iran (2013):
The cost of faith,
https://www.iranhumanrights.org/wp-content/uploads/Christians_report_Final_for-web.pdf , Zugriff 23.3.2016
- Open Doors (12.2015): Gefangenenliste 2015, https://www.portesouvertes.ch/pdf/prisonnier-d.pdf , Zugriff 22.3.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,
http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html , Zugriff 22.3.2016
Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus
Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Apostasie kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (UK Home Office 12.2015, vgl. US DOS 14.10.2015).
Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2014 (ebenso wie 2013) dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2015). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Die Zahl der politischen Gefangenen, die sich aufgrund von Apostasie oder missionarischer Tätigkeit in Haft befinden, wird auf mindestens zehn geschätzt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2015, vgl. DIS 23.6.2014).
Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Konvertiten und die Gemeinden, denen sie angehören, stehen jedoch insofern unter Druck, als den Konvertiten hohe Strafen drohen und auch die Gemeinden mit Konsequenzen rechnen müssen (z.B. Schließung), wenn die Existenz von Konvertiten in der Gemeinde öffentlich bekannt wird. Zum anderen wird die "Ausübung" der Religion restriktiv ausgelegt und schließt jede missionierende Tätigkeit aus. Missionierende Angehörige auch von Buchreligionen werden verfolgt und hart bestraft, ihnen kann als "Kämpfer gegen Gott" ("Moharebeh") sogar eine Verurteilung zum Tode drohen (AA 9.12.2015, vgl. HRW 27.1.2016).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Zum Christentum konvertierte Muslime sehen sich Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Viele dieser Verhaftungen finden während Polizeirazzien bei religiösen Versammlungen statt und es wird auch religiöses Eigentum konfisziert. Die Regierung vollzieht das Verbot des Proselytismus, indem sie vor allem die Aktivitäten der Evangelikalen streng überwacht, Muslime davon abbringt, kirchliche Grundstücke zu betreten, Kirchen schließen lässt und Christen verhaftet. Die Behörden zwingen evangelikale Kirchenführer Zusicherungen zu unterschreiben, dass sie keine Muslime missionieren oder Muslime den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren. Berichten zufolge sehen die Behörden es als Proselytismus an, wenn eine christliche Kirche einem Muslim erlaubt, die Kirche zu betreten. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Sowohl die armenischen, assyrischen und auch evangelikalen Christen wurden dazu gezwungen, ihre Gottesdienste auf Farsi zu beenden. Mitglieder von evangelikalen Kongregationen müssen Mitgliedsausweise mit sich führen und Kopien dieser müssen den Behörden übergeben werden. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führen Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen". Verhaftete Hauskirchenmitglieder werden oft beschuldigt, von feindlichen Ländern unterstützt zu werden (US DOS 14.10.2015).
Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011 wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar sei. Die iranischen Behörden gaben von 2009 bis 2011 offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- DIS - Danish Immigration Service (23.6.2014): Update on the Situation for Christian Converts in Iran; Report from the Danish Immigration Service’s fact-finding mission to Istanbul and Ankara, Turkey and London, United Kingdom, Zugriff 23.3.2016
- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html , Zugriff 23.3.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
- UK Home Office (12.2015): Country information and Guidance, Iran:
Christians and Christian Converts, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1449654645_cig-iran-christians-and-christian-converts.pdf , Zugriff 23.2.2016
- US DOS - US Department of State (14.10.2015): Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2014, Iran,
http://www.ecoi.net/local_link/313313/451577_de.html , Zugriff 22.3.2016
Grundversorgung/Wirtschaft
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet. Die Wirtschaftslage ist aufgrund der anhaltenden Sanktionen, der hohen Arbeitslosigkeit und der noch immer bestehenden Inflation besonders für sozial schwache Iraner angespannt. Rückkehrer erhalten keine staatlichen Leistungen, es existieren jedoch wohltätige Organisationen, die eine Grundversorgung bereitstellen. Es gibt soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Die Hilfen an Bedürftige werden durch den Staat, die Moscheen, die Armenstiftungen und oft auch privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 9.12.2015).
Die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs bereitet in Teheran keinerlei Schwierigkeiten. Neben einer Vielzahl kleiner Läden mit einem breiten Sortiment gibt es mehrere Basare, auf denen etwa frisches Obst, Gemüse und weitere Lebensmittel zu sehr niedrigen Preisen gekauft werden können. Außerdem eröffnen in Teheran in letzter Zeit immer mehr große Einkaufszentren nach westlichem Vorbild. Anders als auf dem Basar wird in den Läden und Supermärkten nicht gehandelt, auch wenn die Waren nicht immer ausgezeichnet sind. Verboten ist der Verkauf von Alkohol und Schweinefleisch (GIZ 1.2016b).
Seit Amtsantritt der Regierung Rohani 2013 konnte sich die iranische Wirtschaft trotz verschärfter Sanktionen im Jahr 2012 etwas erholen. Die Kontraktion der Wirtschaft (-6,6 % im Jahr 2012; -1,9 % im Jahr 2013) konnte weitestgehend gestoppt werden. Hauptauslöser des vormalig massiven Konjunktureinbruchs war ein starker Verfall der iranischen Währung seit Mai 2012, verbunden mit einer massiven Inflation in praktisch allen Produktklassen und einem starken Rückgang der Erdölexporte als wichtigste Devisenquelle durch die Erdölsanktionen. Für 2015 rechnet die Regierung in ihrem im April verabschiedeten Budget mit einer signifikanten Erholung der Wirtschaft zwischen 4 - 6%. Dies ist jedoch wesentlich von den Sanktionserleichterungen abhängig und ohne einen stark zunehmenden Außenhandel in der Form nicht realistisch. Seit Anfang 2014 ist es der iranischen Regierung gelungen, den Abwärtstrend des Rial zu stoppen und auch die Inflation ist seit Dezember 2013 leicht rückläufig. Im vergangenen iranischen Jahr 1393 betrug die Durchschnittsinflation 15,6% (ÖB Teheran 10.2015).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr weitere Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Die Arbeitslosenrate im Iran betrug im Juni 2015 nach offiziellen Statistiken rund 16% mit Tendenz nach oben. Inoffiziellen Zahlen zufolge ist der Wert jedoch fast doppelt so hoch. Neben Arbeitslosigkeit spielt im Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger "brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird. Eine nachhaltige Erholung der iranischen Wirtschaft wird auch davon abhängen, ob es der Regierung gelingt, die Devisenknappheit und das Inflationsproblem langfristig unter Kontrolle zu bringen. Devisenreserven befinden sich großteils im Ausland und können von der iranischen Regierung nur eingeschränkt verwendet werden. Beide Problembereiche sind eng mit dem Zugang zu ausländischen Devisenquellen und Investitionen aus dem Ausland verbunden. Gegenwärtig halten sich sowohl einheimische als auch ausländische Investoren aufgrund der derzeit nicht absehbaren politischen Risiken mit Investitionen zurück. Die Lösung der wirtschaftlichen Probleme ist daher ebenfalls mit dem schrittweisen Wegfall der Sanktionsarchitektur verbunden, wodurch die politischen Risiken zumindest teilweise ausgeräumt und die Voraussetzungen für Investitionen aus dem Ausland gebildet werden (ÖB Teheran 10.2015).
Die Regierung ist bemüht, das unter Präsident Ahmadinejad eingeführte, nicht finanzierbare, großzügige System indirekter Subventionen an die Bevölkerung schrittweise zurückzufahren. Im Gegenzug wurden die Direkttransfers schrittweise erhöht und betragen nunmehr umgerechnet um die 40 USD pro Person. Auch dieses System ist jedoch langfristig unfinanzierbar. Die amtierende Regierung Rohani schränkte im Jänner 2014 daher den Kreis der Empfänger noch einmal erheblich ein. Im April 2015 wurden Treibstoffpreise und Gaspreise noch einmal erhöht und werden aktuell nicht mehr direkt subventioniert. Die negativen Auswirkungen dieser Erhöhungen sowohl auf die Popularität der Regierung als auch auf die Inflationsentwicklung waren vergleichsweise gering. Für die amtierende Regierung ist die Subventionsfrage einer der wichtigsten Punkte in der Innenpolitik und hat direkten Einfluss auf die Kaufkraft wie auch die Moral der Bevölkerung. Im neuen Budget 1394 sind zwar noch Mittel für die Direkttransfers vorgesehen, viele Direktzahlungen (vor allem für Energie und Brot; im Ausland lebende IranerInnen) wurden aber stark gekürzt bzw. ganz eingestellt. Der starke Verfall des Erdölpreises seit Oktober 2014 stellt für das iranische Budget eine ernsthafte Belastung dar. Im Budget 1394 wurden die Erdölpreise mit 53.7 USD/Barrel kalkuliert, ein Einnahmensverlust von fast 50% im Vorjahresvergleich (im Budget 1393 wurde von 100 USD/Barrel ausgegangen) (ÖB Teheran 10.2015).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast komplett unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln. Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten Jahren wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da etwa 60% des Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran komplett von den Öleinnahmen abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch das politische Überleben iranischer Regierungen hängt vom Ölpreis ab. Das große Problem der iranischen Ölförderung ist, neben den Schwankungen des Ölpreises, die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Diese, meist noch von den USA in den 70er Jahren an die Regierung des Schahs geliefert, können sich längst nicht mehr mit den modernsten Anlagen etwa in Saudi-Arabien messen, was zu großen Verlusten führt. Aufgrund der jahrelangen Sanktionen konnte der Iran sie jedoch lange nicht durch importierte Teile modernisieren, wodurch es in iranischen Raffinerien in den letzten Jahren immer wieder zu Unfällen kam. Diese Hindernisse bei der Modernisierung führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass der Modernisierung der Infrastruktur des Erdölsektors nach dem Ende der Sanktionen eine hohe Priorität eingeräumt werden wird (GIZ 2.2016c).
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil‑)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 2.2016c).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
- GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2016b): Iran, Alltag, http://liportal.giz.de/iran/alltag/ , Zugriff 9.2.2016
- GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016c): Iran, Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 17.2.2016
- ÖB Teheran (10.2015): Asylländerbericht
Behandlung nach Rückkehr
Allein der Umstand, dass eine Person im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, löst keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran aus. Es kann in Einzelfällen aber zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, besonders zu Kontakten während dieser Zeit. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Nach Angaben des Chefs der Judikative können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von den iranischen Auslandsvertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser gesetzlichen Wiedereinreise werde die frühere illegale Ausreise legalisiert. Personen, die während des Krieges illegal das Land verlassen haben, ohne den Wehrdienst abzuleisten, könnten mit Passersatzpapieren zurückkehren, wenn sie während ihres Aufenthaltes im Ausland nicht gegen den Iran aktiv gewesen sind. Die iranischen Behörden bestehen darauf, dass ein Heimreisedokument von der zuständigen iranischen Auslandsvertretung ausgestellt wird. Diese wiederum haben Anweisung, jedem Iraner, der bei ihnen vorspricht und freiwillig die Ausstellung eines Reisepasses beantragt, einen solchen auszustellen. Dies gilt auch für Personen, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 9.12.2015).
Rückkehrer erhalten keine staatlichen Leistungen, es existieren jedoch wohltätige Organisationen, die eine Grundversorgung bereitstellen. Die Pflege von Angehörigen erfolgt üblicherweise innerhalb des Familienverbandes (AA 9.12.2015).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF in seinem Heimatland Iran eine begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.
Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung des BF in den Iran zulässig und möglich ist.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich – vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Originallichtbildausweises konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei. Es bedeutet jedoch nicht die Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG.
Anzuführen ist, dass es dem BF aufgrund seiner Staatsangehörigkeit möglich gewesen wäre, seine Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren zu bescheinigen. Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung des BF an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher vom BF zu vertreten.
II.2.3 Zur Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprungeshandelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten –immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen –allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden- aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348). Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschieberelevanten Situation ist seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingetreten.
Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen, welche in den Länderfeststellungen getroffen wurden, nicht konkret und substantiiert entgegen. Soweit in der Beschwerde auf diverse Quellen zur Lage der Christen bzw. Konvertiten im Iran verwiesen wird, deckt sich deren Inhalt mit den Erkenntnissen des BVwG bzw. den Länderinformationen des BFA. Da der BF – worauf im Rahmen der Beweiswürdigung im Detail einzugehen sein wird – eine tatsächliche Konversion zum Christentum bzw. einen tatsächlichen Abfall vom Islam aber nicht glaubhaft machen konnte, erübrigt es sich näher darauf einzugehen.
II.2.4.1. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
Weiter ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).
II.2.4.2. Der belangten Behörde ist insofern zuzustimmen, als sie zum Schluss kommt, dass der BF im Iran keiner glaubhaften asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt war bzw. im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
II.2.5.1. Darüber hinaus ist es dem BF auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung nicht gelungen, das erkennende Gericht von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben zu überzeugen.
Gegen die Glaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte des BF spricht bereits der Umstand, dass er nach seinen Angaben in die EU über Griechenland eingereist ist, allerdings, ohne dort einen Asylantrag zu stellen. Wäre der BF in seiner Heimat tatsächlich asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen und würde er tatsächlich Schutz brauchen, wäre es nach der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegend gewesen, dass er im ersten sicheren Staat, den er erreicht, um Schutz bittet, anstatt quer durch Europa weiter zu reisen.
Nicht glaubhaft ist weiter, wenn der BF vor Gericht behauptet, er habe im Dezember 2015 einen Asylantrag gestellt und dieser sei abgelehnt worden, zumal er bereits am 16.12.2015 den ggst. Antrag einbrachte. Er konnte diesbezüglich auch keine Nachweise wie beispielsweise einen negativen Bescheid vorlegen. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass der BF an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen wurde. Dass die Ausreise des BF vorwiegend von wirtschaftlichen Motiven geprägt war, lässt sich auch daraus schließen, dass er selbst angab, dass Österreich und Deutschland die besseren europäischen Länder seien, Griechenland sei finanziell schwach. Ein Mensch, dem des darum geht, Sicherheit zu finden, würde wohl kaum den finanziellen Aspekt derart in den Vordergrund schieben.
Auffallenderweise hat der BF bei seiner Erstbefragung auf die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit spontan "Islam, Schiit" angegeben. Erst im Rahmen der Befragung zu seinem Fluchtgrund gab er an, zu den Zeugen Jehovas und zum Christentum wechseln zu wollen. Wäre der BF -zumindest im Inneren - zu diesem Zeitpunkt bereits Christ gewesen, hätte er seine Religion wohl kaum mehr mit "Islam,Schiit" angegeben.
Der BF versuchte auch seine tatsächliche Identität zu verschleiern, indem er nie einen Originallichtbildausweis bzw. Reisepass vorlegte. So behauptete er bereits im Dezember 2015 bei der Erstbefragung, dass sein Reisepass zu Hause sei. Als er bei Gericht nach seinem Pass gefragt wurde, gab er erneut an, dass der Reisepass im Iran sei. Gefragt, warum er sich diesen in über einem Jahr nicht schicken ließ, gab er ausweichend an, dass der Pass bereits abgelaufen sei. Als ihm darauf gesagt wurde, dass der Reisepass trotzdem ein Nachweis seiner Identität sei, fragte der BF nahezu provokant:
"Brauchen Sie das?" Ebenso versuchte er, sein familiäres Netzwerk im Iran zu verschleiern. So gab er bei der Erstbefragung am 16.12.2015 noch an, dass unter anderem sein Vater im Iran lebe. Beim BFA behauptete er dann, der Vater sei 1994 verstoreben (der BF war 1 Jahr) Bei Gericht behauptete der BF völlig konträr, dieser sei verstorben als er 2 Jahre alt war.
Gegen eine tatsächliche Gefährdung des BF im Iran spricht auch der Umstand, dass er bis zuletzt mit seiner Mutter und mit seinem Bruder an seiner Heimatadresse gewohnt hat, ohne dass etwas passiert wäre, und das, obwohl ihn wegen seines eigenen Glaubenswechsels neben der Regierung auch die eigene Familie verfolgen soll.
Auch zum eigentlichen Fluchtgrund befragt, erwies sich der BF als hochgradig unglaubwürdig, indem er nur sehr allgemeine und vage Angaben machte, die obendrein zum Teil nicht plausibel waren. So gab er beispielsweise auf die Frage, wann er im Iran das erste Mal mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei, an, dass er 1 Monat vor seiner Ausreise einen Herrn getroffen habe. Nachgefragt, durch wen der Kontakt entstanden sei, nannte der BF einen Vornamen und gab an, den Nachnamen nicht zu kennen. Dabei ist aber äußerst unglaubwürdig, dass der BF nicht den vollständigen Namen kennen soll, handelte es sich angeblich doch um einen ehemaligen Nachbarn. Damit konfrontiert, entgegnete der BF völlig unglaubwürdig, er habe beim BFA nie von einem Nachbarn gesprochen . Mit der entsprechenden Textstelle der Niederschrift vom 13.5.2016 (AS 74) konfrontiert, behauptete der BF völlig unglaubwürdig, er habe nie angegeben, dass der Mann ein ehemaliger Nachbar sei. Es sei nur ein Gast gewesen, vielleicht habe ihn der Dolmetscher nicht richtig verstanden. Dazu ist allerdings anzumerken, dass dem BF die gesamte Niederschrift rückübersetzt wurde und er keine Einwände dagegen hatte. Widersprüchlich zu seinen Angaben bei Gericht (1 Monat vor der Ausreise) hatte der BF beim BFA angegeben, dass er den Mann im Cafe 3 bis 4 Monate vor seiner Ausreise getroffen habe. Völlig unglaubwürdig ist auch, dass ein Iraner, der vom Islam abgefallen ist, freiwillig in den Iran zurückkehrt und dort quasi öffentlich in einem Cafe jemand anspricht bzw. sich ansprechen lässt und zu missionieren versucht. Diesfalls wäre die Gefahr viel zu groß belauscht und bei den Behörden gemeldet zu werden bzw., dass er von einem Spitzel angesprochen wurde.
Der BF vermochte bei Gericht auch nicht, glaubhaft darzulegen, was konkret eigentlich sein Interesse am Christentum geweckt habe. So behauptete er völlig allgemein und vage, dass er mit dem Mann im Cafe über Jehova und das Christentum geredet habe. Das Gespräch habe ihm gefallen und er habe Barmherzigkeit im Christentum gefunden ..Nach dem Gespräch habe ihm das Christentum gefallen, es habe sein Interesse geweckt und er sei dem Christentum gefolgt. Konkrete Inhalte blieb der BF zur Gänze schuldig. Ebenso konnte er nicht erklären, weshalb er das Wort "Allah" seit seinem 12. Lebensjahr hasst. Der BF gab dazu erneut ausweichend und vage an, das Wort mache ihm Angst, er sei mit Lügen aufgewachsen, man habe ihm immer gesagt, er dürfe nicht lügen und man dürfe keine schlechten Sachen machen, sonst würde man blind. Damit konfrontiert, dass man auch nach den christlichen Regeln nicht lügen soll, musste der BF einräumen, dass das stimmt.
Der BF konnte auch nicht ansatzweise angeben, was die Unterschiede zwischen Zeugen Jehovas, für die er sich ursprünglich interessiert haben soll, und Katholiken und Protestanten sind. So antwortete er auf die entsprechende Frage lediglich, dass er ca. die Unterschiede kenne. Nach Wiederholung der Frage antwortete der BF erneut völlig vage, dass es bei den Protestanten einige Änderungen gebe, die Katholiken seien die gesamte Religion, bei den Zeugen Jehovas kenne er sich nicht aus.
Widersprüchlich war weiter, dass der BF beim BFA angab, er habe beschlossen nach Deutschland zu reisen und zu den Zeugen Jehovas zu wechseln, während er bei Gericht angab, er sei wegen des Christentums nach Deutschland gegangen, die Zeugen Jehovas glaubten überhaupt nicht an die Kirche, an die Hölle und viele andere Dinge, an die die Zeugen Jehovas nicht glauben. Weiter gab er bei Gericht an, sich bei den Zeugen Jehovas überhaupt nicht auszukennen.
Auch die ursprüngliche protestantische "Schnelltaufe" in einer Wohnung in S. zeigt deutlich, dass es dem BF offensichtlich nur darum ging, schnell zu einem Taufschein für sein Asylverfahren zu kommen. Letztlich räumte er dann beim BFA selbst ein, dass er glaube, dass diese Taufe und dieser Taufschein nicht viel wert seien. Das bestätigte er auch bei Gericht indirekt, indem er angab, dass er nicht einmal einen Taufvorbereitungslehrgang besucht habe und dieser Täufer aus Holland komme und Leute gegen Geld taufe, was aber nicht korrekt sei. Auffälligerweise konnte der BF beim BFA den vollständigen Namen des Täufers angeben, während er bei Gericht vorgab, nur den Vornamen zu kennen. Den entsprechenden Vorhalt konnte der BF nicht entkräften, indem er angab, er habe beim BFA den Familiennamen nicht angegeben. Auch in diesem Zusammenhang sei auf die erfolgte Rückübersetzung verwiesen.
Eine Verfolgung der Regierung wegen seiner angeblichen Konversion konnte der BF ebenso wie eine Verfolgung durch die eigene Familie glaubhaft machen. So gab er nämlich an, dass die staatlichen Organe nichts von seinem Wechsel wüssten. Gefragt, wie sie ihn dann verfolgen sollten, äußerte der BF höchst spekulativ, seine Familie hätte ihn verraten können. Dies ist aber angesichts der Tatsache, dass der BF – zumindest mit einigen Familienmitgliedern – bis zu seiner Ausreise im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ebenfalls nicht glaubhaft.
Widersprüchlich waren auch die Angaben zur Anzahl der Gespräche mit dem Mann aus dem Cafe. War es beim BFA lediglich 1 Gepräch, so waren es bei Gericht 2.
Obwohl der BF angab, seit April 2016 angeblich einen Taufvorbereitungslehrgang besucht, erwiesen sich im Rahmen der Beschwerdeverhandlung im Februar 2017 seine Kenntnisse über das Christentum als äußerst rudimentär. So konnte er lediglich 7 der 12 Apostel nennen, keine Inhaltsangaben über die Evangelien machen, nicht angeben, was Maria Himmelfahrt bedeutet, keinen Ablauf der Messe beschreiben, nicht schildern, wie er persönlich Weihnachten 2016 verbracht hat ("Ich war in S. in der Kirche, den Namen kann ich nicht nennen."), was Wandlung bedeutet, was bei der Hochzeit von Kanaa geschah, welche Sakramente es gibt, etc. Der BF konnte auch nicht einmal ansatzweise die Strukturen der katholischen Kirche angeben. Ebenso konnte er nicht detailliert angeben, was er zuletzt in der Bibel gelesen oder in der am Vortag der Verhandlung besuchten Messe gehört haben will. Wenngleich er einige allgemeine Fragen zum Christentum beantworten konnte, stand doch der Eindruck im Vordergrund, dass sich der BF dieses Wissen mit Unterstützung seiner Betreuer nur deshalb angeeignet hat, um im Asylverfahren bestehen zu können. Wäre der BF aber tatsächlich überzeugter Christ und hätte er tatsächlich seit seiner Einreise ein grundlegendes Interesse an dieser Religion, hätte er sich schon wesentlich intensiver damit auseinandergesetzt und Detailkenntnisse aufweisen können. Diese Detailkenntnisse sind auch nach Überzeugung des Gerichtes erforderlich, um sich tatsächlich aus tiefstem Inneren einer neuen Religion zuwenden zu können.
Es ist auch nicht glaubhaft, dass der BF von seinen Familienangehörigen wegen seiner Konversion verfolgt oder bedroht wäre. So gab er immerhin am 13.5.2016 noch an, vor 3 Tagen mit seiner Mutter via Whatsapp Kontakt gehabt zu haben.
Soweit die vom BF im Rahmen der Verhandlung beantragte Zeugin die Ansicht vertritt, die Taufurkunde belege, dass der BF Christ sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Urkunde lediglich bestätigt, dass der BF getauft ist, aber nichts darüber aussagt, ob es sich um eine Scheinkonversion handelt oder nicht. Die weiteren Ausführungen der Zeugin betrifft, handelt es sich um deren subjektive Wahrnehmungen, die aber nicht geeignet waren, das völlig unglaubwürdige Auftreten des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zu widerlegen. Zudem ist die Zeugin dem BF gegenüber nicht völlig unvoreingenommen, zumal es sich bei ihr um eine Kirchenmitarbeiterin handelt, die für den BF ein Patenamt übernommen hat. Auch die vorgelegten Unterlagen vermögen nicht zu widerlegen, dass die Konversion des BF lediglich zum Schein erfolgt ist.
In Zusammenschau mit der Beweiswürdigung des BFA kam somit auch das Gericht zur Erkenntnis, dass die Fluchtgeschichte des BF frei erfunden ist bzw., dass es sich um eine reine Scheinkonversion handelt.
Den Beschwerdeausführungen, wonach wegen des langen Zeitraumes zwischen Einvernahme und Bescheiderlassung das Parteiengehör verletzt sein soll, vermag das Gericht nicht zu folgen. Auch haben sich in diesen 5 Monaten die kernaussagen der Länderfeststellungen nicht verschlechtert. Dass der BF seinen Zugang zum christlichen Glauben und seine Integration zwischenzeitig nicht maßgeblich weiter entwickelt hat, konnte jedenfalls im Rahmen des Beschwerdeverfahrens festgestellt werden. Auch wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt vom BFA ausreichend ermittelt bzw. verabsäumt die Beschwerde anzugeben, was konkret noch zu ermitteln gewesen sei.
II.2.5.2. Zusammenfassend ist zum Vorbringen des BF auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.
Das BVwG gewann vielmehr den Eindruck, dass der BF primär aus wirtschaftlichen bzw. privaten Gründen nach Österreich reiste.
Unter Heranziehung dieses Sachverhaltes und der offensichtlich missbräuchlichen Asylantragstellung im Zusammenhang mit der allgemein gehaltenen, widersprüchlichen und teilweise nicht nachvollziehbaren Begründung des Antrages auf internationalen Schutz ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspricht und lediglich zur Begründung des Asylantrages und unter Umgehung der fremdenrechtlichen sowie niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zur Erreichung – wenn nicht sogar zur absichtlichen Erschleichung – eines Aufenthaltstitels für Österreich nach dem Asylgesetz frei konstruiert wurde.
Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.
II.2.5.3. Sofern in der Beschwerde seitens des BF moniert wird, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei, wird festgestellt, dass nach Ansicht des ho. Gerichts die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Zu A)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten
II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) (3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
..."
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen war.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.2.2. Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041). Auf die rechtlichen Ausführungen im Schriftsatz vom 24.2.2017 und in der Beschwerde war daher nicht mehr näher einzugehen
Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Auch kann im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2.- wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
"
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:
VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtssprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es gibt aber keinerlei glaubhafte Hinweise, dass der BF eine mit dieser Strafe bedrohte Handlung begangen hätte) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Er gab auch selbst, gesund zu sein.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiter festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört er keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat über soziale Anknüpfungspunkte und jedenfalls eine Wohngelegenheit im Elternhaus oder bei den Familienangehörigen, wo er auch vor seiner Ausreise gelebt haben will, verfügt. Im Herkunftsstaat leben außerdem die Mutter und zahlreiche Geschwister des BF.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:
§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer
Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von
Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels
gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."
§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich
eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
II.3.4.2. Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargelegt.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
II.3.4.4. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner ihm nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit Dezember 2015 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Er bezieht Grundversorgung, und besucht einen Deutschkurs. Ein Sprachdiplom wurde bis dato nicht vorgelegt. Der BF ist strafrechtlich bislang unbescholten.
Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.
II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der geltenden Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der BF ist seit Dezember 2015 in Österreich aufhältig. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.
- das tatsächliche Bestehen eines Privatlebens:
Der BF verfügt über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte. Soweit er behauptet, österreichische Freunde und Bekannte zu haben, wird dies dadurch relativiert, dass er nur er nur 2 Vornamen nennen konnte und der Kontakt im Sprachcafe entstanden ist, wobei eine Person die Deutschlehrerin des BF ist. Außerdem hat er noch Kontakte zu einer Kirchenmitarbeiterin, die missionarisch tätig ist.
- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens
Der BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert war. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.
Letztlich ist auch festzuhalten, dass der BF nicht gezwungen ist, nach einer Ausreise allenfalls bestehende Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihm frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN).
- Grad der Integration
Der BF ist –in Bezug auf sein Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, hat hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und war im Asylverfahren nicht in der Lage, seinen Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen. Er hat besucht einen Deutschkurs und hat bislang keine Prüfung abgelegt, seine Sprachkenntnisse sind dementsprechend auch äußerst dürftig.
Ebenso kam hervor, dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist oder ernsthafte Bemühungen in diese Richtung unternommen hätte.
Er ist auch nicht Mitglied bei einem Verein oder einer Organisation und besucht weder eine Schule noch eine sonstige Bildungseinrichtung, lediglich ein Sprachcafe.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass im Iran Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- und/oder Bekanntenkreises des Beschwerdeführers existieren, da nichts darauf hindeutet, dass er vor seiner Ausreise im Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Diese Feststellung stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Der BF reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.
- die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass dem BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätte.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Ein derartiges Verschulden kann der Aktenlage nicht entnommen werden.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für einen BF grundsätzlich nicht mehr möglich, den Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem BF gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass sie mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.
Wenn man – wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.
Der GH führte weiter –wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als "fait accompli" mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.
Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:
Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.
Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.
Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.
Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.
II.3.4.7. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnisse mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Der BF hält sich im Vergleich zu seinem Lebensalter erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, arbeitet nicht und eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist schon aufgrund der nur geringfügigen Sprachkenntnis nicht erkennbar. Der BF hat den Großteil des Lebens im Iran verbracht und wurde dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zum Iran eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.
Insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären wäre.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.4.8. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
II.3.4.9. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.
Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
II.3.4.10. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden, um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
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