BVwG W203 2113677-1

BVwGW203 2113677-116.9.2015

B-VG Art.130 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
Privatschulgesetz §8 Abs2
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
B-VG Art.130 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
Privatschulgesetz §8 Abs2
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W203.2113677.1.00

 

Spruch:

W203 2113677-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde des XXXX als Schulerhalter der Privatschule "XXXX XXXX", vertreten durch die Botschaft des XXXX in Wien, vertreten durch RA Dr. Georg RIHS, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien, gegen Spruchteil 2 des Bescheides des Stadtschulrates für Wien vom 20.08.2015, GZ. 100.205/0044-kanz1/2015, mit dem die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen Spruchteil 1 des Bescheides ausgeschlossen worden ist, beschlossen:

A)

Der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gemäß 31 Abs. 1 iVm §§ 13 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG stattgegeben und Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Das Königreich Saudi-Arabien (im Folgenden: Beschwerdeführer) führt in XXXX, XXXX, die Privatschule "XXXX XXXX".

2. Mit Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20.08.2015, GZ. 100.205/0044-kanz1/2015, wurde erstens die weitere Führung der Privatschule gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 6 PrivSchG untersagt und zweitens ausgesprochen, dass "eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG keine aufschiebende Wirkung hat".

Begründet wurde Spruchpunkt 1 damit, dass der Schulerhalter einerseits nicht nachgewiesen habe, dass die Schule die zur Durchführung des Lehrplanes notwendigen Lehrmittel aufweise und andererseits eine Überprüfung der vorgelegten Lehrmittel ergeben habe, dass diese zu einem großen Teil für die Durchführung des Lehrplanes nicht geeignet seien.

Spruchpunkt 2 wurde damit begründet, dass ein großes öffentliches Interesse an der Beschulung von Kindern an Schulen bestehe, die die Vorgaben des Privatschulgesetzes und die Grundwerte der Verfassung sowie das Gebot der staatsbürgerlichen Erziehung gemäß Schulorganisationsgesetz einhielten.

3. Am 25.08.2015 erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtfreundlichen Vertreter Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 und Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG "gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung".

Dabei wird ausdrücklich angemerkt, dass sich die Beschwerde "zunächst gegen den in Spruchpunkt 2 formulierten verfahrensrechtlichen Bescheid, mit dem [...] die aufschiebende Wirkung aberkannt" worden ist, richte, und der Beschwerdeführer "innerhalb der Rechtsmittelfrist auch gegen die Untersagung der Schulführung (Spruchpunkt 1) Beschwerde erheben" werde.

4. Am 14.09.2015 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter beim Stadtschulrat für Wien auch Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides vom 20.08.2015 ein.

Begründet wird die Beschwerde im Hinblick auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung damit, dass die belangte Behörde keine ausreichende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse einerseits und dem Interesse des Beschwerdeführers, der Schüler der XXXX sowie der dort unterrichtenden Lehrkräfte vorgenommen habe. Außerdem habe die belangte Behörde den sich aus Art 15 StGG (Recht auf Privatunterricht) ergebenden Grundsatz, dass bei der Wahl der Sanktionen und vorbeugenden Maßnahmen stets das gelindeste Mittel zu wählen sei, missachtet, indem sie nicht etwa beispielsweise ein Verfahren zur Entziehung des Öffentlichkeitsrechts eingeleitet oder die Verwendung einzelner Schulbücher untersagt habe. Außerdem liege ein Verfahrensfehler vor, weil die belangte Behörde vor Erlassung des Bescheides dem Beschwerdeführer die Möglichkeit hätte einräumen müssen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Es werde daher beantragt, gemäß § 13 Abs. 5 dritter Satz VwGVG über die vorliegende Beschwerde gegen den Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) unverzüglich zu entscheiden und den Ausspruch der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) ersatzlos aufzuheben.

5. Einlangend am 04.09.2015 wurde die Beschwerde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.08.2015 wurde dem Beschwerdeführer die Führung der Privatschule "XXXX XXXX" untersagt und ausgesprochen, dass einer dagegen rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Berufung keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Die gegenständliche Beschwerde richtete sich zunächst ausschließlich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, die Beschwerde gegen die Untersagung der Schulführung wurde am 14.09.2015 erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere dem Beschwerdevorbringen. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Stattgebung der Beschwerde und Behebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.

Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP ). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. Ra 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, dass nach einer von der entscheidenden Behörde durchzuführenden Interessenabwägung der vorzeitige Vollzug des Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem bereits oben zitierten Beschluss vom 01.09.2014, Zl. Ra 2014/03/0028 klargestellt, dass die Entscheidung über die Zuerkennung bzw. die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist (vgl. dazu auch VwGH 03.07.3003, 2002/20/0078). Die belangte Behörde hat den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung lediglich damit begründet, dass "ein großes öffentliches Interesse" an einer Beschulung der Kinder an Schulen, die die österreichischen Gesetze einhalten, bestehe. Diese Begründung entspricht nicht einer in § 13 Abs. 2 VwGVG geforderten, im Einzelfall durchzuführenden Interessenabwägung. Insbesondere hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit der Frage, welche dem öffentlichen Interesse gegenüberstehenden, sonstigen Interessen - insbesondere jene des Schulerhalters - durch die Entscheidung beeinträchtigt sein könnten, auseinanderzusetzen, und demzufolge auch keine Abwägung der gegensätzlichen Interessen vorgenommen.

Ebenso wenig geht die belangte Behörde darauf ein, warum die sofortige Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten wäre.

"Gefahr im Verzug" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei - abgesehen vom Beschwerdeführer - ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31). Ein Eingehen der belangten Behörde auf das Kriterium "Gefahr im Verzug" wäre umso mehr erforderlich gewesen, weil der Schulerhalter die Schule schon seit Jahren betreibt und die zuständige Schulbehörde bis vor kurzem daran keinen Anstand genommen hat, sondern vielmehr erst im Jahr 2013 das Ansuchen der Schule um Verleihung des Öffentlichkeitsrechts unterstützt hat. (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg 2100/1951; in diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass von Gefahr im Verzug nicht die Rede sein kann, wenn die Auflösung eines Vereins erst erfolgt, nachdem die Behörden jahrelang am Bestehen des Vereins keinen Anstand genommen haben).

Im gegenständlichen Kontext ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG - was die Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anbelangt - "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden hat (vgl. dazu Dünser, Beschwerde und Vorverfahren bei der Behörde, ZUV 2013, 12 ff.). Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13 VwGVG). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Insofern verbietet sich im vorliegenden Fall auch die Durchführung ergänzender Ermittlungen, in wie weit tatsächlich eine konkrete Gefahr im Verzug zur Abwehr eines drohenden Nachteils besteht.

Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhalts vermag das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht davon auszugehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür auch aus den übermittelten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte ergeben.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides ersatzlos aufzuheben.

Das Bundesverwaltungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass mit dem gegenständlichen Beschluss eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg genommen wird und die Entscheidung über Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgt.

3.3. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90).

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