BVwG W156 1428648-1

BVwGW156 1428648-117.6.2015

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W156.1428648.1.00

 

Spruch:

W156 1428648-1/22E

Schriftliche Ausfretigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 09.06.2015

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. XXXX, gegen den Spruchteil II. und III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 30.07.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2014 sowie 09.06.2015 zu Recht erkannt:

A) I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des

angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 09.06.2016 erteilt.

III. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Die Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der BF reiste am 15.05.2012 schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein.

2. Am selbigen Tag stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 und gab an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren zu sein und Staatsangehöriger von Afghanistan zu sein.

3. Bei der Erstbefragung vor der Bezirkspolizeikommandos XXXX am 15.05.2012 gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt Folgendes an:

"Ich bin Automechaniker und habe von der Nationalarmee in Afghanistan die Autos repariert. Die Taliban haben meinen Vater entführt und getötet und auch mich mit dem Tode bedroht. Ich sollte mir den Taliban zusammenarbeiten, was ich ablehnte. Danach drohten sie mich umzubringen."

4. Am 04.07.2012 wurde der BF beim Bundesasylamt einvernommen, wobei er im Wesentlichen als Fluchtgrund die Verfolgung durch die Taliban und die Regierung angab. Als Automechaniker mit Werkstätte in Logar, die er nach dem Tod seines Vaters übernommen habe, habe er Autos der Nationalarmee repariert. Es seien ihm Benzin und Autoersatzteile von der Mitgliedern der Nationalarmee zu Kauf angeboten worden. Taliban, die ihm vermutlich von seinen Cousins, die ebenfalls Taliban wären, geschickt worden seien, hätten ihn zur Zusammenarbeit aufgefordert. Seine Cousins hätten ihm die Taliban aus Rache geschickt, da er die Heirat seiner Schwester mit einem der Cousins verhindert habe und er so einem Ehrenmord ausgesetzt sei.

5. Mit Bescheid vom 30.07.2012 wurde der Antrag auf Zuerkennung auf internationalen Schutz vom 15.05.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, sowie der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und die Ausweisung gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan verfügt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.

7. Durch Verfügung des Geschäftsausschusses wurde das gegenständliche Verfahren mit 08.01.2014 der Gerichtsabteilung W 156 zur Erledigung zugewiesen.

8. Am 16.10.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der der BF im Wesentlichen folgendes vorbrachte:

"R: Warum mussten Sie aus Afghanistan flüchten? Bitte erzählen Sie in chronologischer Reihenfolge.

BF: Mein Großvater und Vater stammen alle aus der Provinz Logar, wir hatten ein Geschäft in XXXX. Sechs Monate nach dem Tod meines Vaters bin ich nach Logar gegangen und habe dort das Geschäft wieder eröffnet. Die Polizei ist einige Male zivilgekleidet in ihren Autos gekommen. Sie haben Autoteile, Motoröl und Benzin gebracht. Ich habe die Teile, das Öl und die Rohstoffe gekauft und damit gehandelt. Die Gesamtkosten lagen teilweise bei 25000-30000 Afgani.

R: Von welcher Marke waren diese Autoteile?

BF: bei den Autoteilen handelte es sich um Batterien und Filtern, sie waren für verschiedene Autos geeignet.

R: Woher wussten Sie, dass die Personen Polizisten sind?

BF: Die Polizisten sind ca. zwei Mal in Zivil gekommen, aber sonst sind sie immer in der Polizeiuniform in staatlichen Autos, Autos der Regierung, gekommen. Diese Polizisten haben die Ware vom Staat gestohlen und weiterverkauft.

R: Sie wussten, dass diese Waren gestohlen waren?

BF: Wenn ich die Waren nicht eingekauft hätte, dann hätten andere Händler diese gekauft. Ich habe sie günstig bekommen und konnte sie so kaufen und nach Kabul bringen.

R: Sie haben diese Waren also nicht in Logar sondern in Kabul verkauft?

BF. Ja ich habe sie dann an andere Geschäfte und Privatpersonen weiterverkauft.

R: Bitte fahren Sie fort.

BF: Während dieser Zeit habe ich nebenbei auch eine Werkstatt geführt, die Werkstatt war relativ groß. Viele Kunden haben ihre Autos zur Reparatur gebracht. Eines Tages sind zwei Personen gekommen, sie waren zwar Taliban aber sie trugen keine Waffen. Sie hatten einen Verdacht, betreffend der Kartons die ich gekauft und mit denen weitergehandelt habe. Die zwei Personen wollten wissen was sich in den Kartons befand. Ich habe ihnen gezeigt, dass sich darin Motoröl, Benzin und diverse Autoteile befunden haben. Die zwei Personen forderten mich auf, ihnen Bescheid zu geben, wenn die Polizisten wieder in mein Geschäft kamen. Sie gaben mir einen Zettel, mit einer Telefonnummer und sagten, dass ich dann diese Telefonnummer anzurufen hatte. Während diese Personen in meinem Geschäft waren und meine vier Lehrlinge ebenfalls da waren, kamen die Polizisten. Als die Polizei die zwei Männer im Geschäft gesehen haben, fuhr das Auto weiter, sie blieben nicht stehen. Sie waren bestimmt verängstigt, genauso wie die zwei Personen als sie das Polizeiauto sahen.

R: Die Polizei ist nicht stehen geblieben, Sie haben nicht mit ihnen gesprochen?

BF. Nein, habe ich nicht. Sie sind ca. zwei bis drei Stunden später gekommen und haben mir die Ware gebracht. Als sie mich gefragt haben, wer die Personen im Geschäft waren, habe ich lediglich erklärt, dass es Kunden waren und dass ich jede Art von Kunden in meinem Geschäft hatte. Sie gaben mir meine Ware und nahmen das Geld entgegen. Die Polizei dachte, dass ich mit den Taliban zusammen arbeitete, die Taliban dachten, dass ich mit den Polizisten zusammen gearbeitet habe.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Sie hatten einen Verdacht, die Polizisten sind nämlich nicht mehr gekommen und sie haben mir keine Ware mehr gebracht.

R: Aber sie haben nichts in diese Richtung gesagt?

BF: Nein, sie haben mir lediglich Ware verkauft. Sie haben nichts gesagt aber die zwei Taliban haben mich ausdrücklich aufgefordert, sie anzurufen wenn die Polizisten wieder in mein Geschäft kommen. Ich habe mich mit der Zusammenarbeit mit den Taliban einverstanden erklärt. Ich bin noch zwei bis drei Tage in meinen Laden gegangen. In dieser Zeit habe ich die Ware eingesammelt, die Lehrlinge entlassen und das Geschäft geschlossen. Ich bin nach Kabul gegangen.

R: Zwischen dem letzten Besuch der Polizisten und der Schließung des Geschäfts lagen zwei Tage

BF: Ja, zwei bis drei Tage

R: In welchen Abständen haben die Polzisten Ihnen davor die Ware gebracht?

BF: Sie sind ca. alle drei bis vier Tage einmal gekommen, manchmal sind sie einmal in der Woche gekommen. Ich schätze, dass sie insgesamt 20- 25 Mal gekommen sind und mir Ware verkauft haben

R: Wenn die Polizisten Ihnen in diesen Abständen Ware gebracht haben und Sie Ihr Geschäft in dieser Zeit geschlossen haben, woher wissen Sie, dass die Polizisten Ihnen keine Waren mehr geliefert hätten?

BF: In diesen zwei bis drei Tagen sind sie nicht gekommen, ich bin nicht sicher, ob sie vorhatten wieder zu kommen, auch wenn sie Ware gebracht hätten, hätten sie diese vermutlich jemand anderen verkauft

R: Das ist also einfach eine Vermutung?

BF: Ich habe damals das Geschäft geschlossen und bin von dort weggegangen. Sie hätten die Ware möglicherweise jemand anderen verkauft

R: Dann hätten die Taliban aber keinen Möglichkeit mehr gehabt Sie zur Zusammenarbeit zu zwingen.

BF: Die Taliban haben mich zur Mitarbeit aufgefordert, weil sie wussten, dass die Polizisten mich immer wieder aufgesucht haben. Die Taliban wollten nicht nur die Polizisten sondern auch ihr Auto. Ich weiß aber nicht genau was die Taliban geplant hatten

R: Sie sagten, dass die Taliban nur wollten dass sie sie anrufen, was haben sie noch gesagt?

BF: Die Taliban haben mir einen Warenbrief der Taliban gebracht. Der Brief war mit einem Stempel und Unterschrift der Taliban versehen. Er war in Paschtu verfasst, ich konnte ihn daher nicht lesen und verstehen. Sie haben mir ebenfalls auf einem Stück Papier die Telefonnummer gegeben unter welcher ich sie erreichen konnte.

R: Ist das der Brief, der mit der Post in Afghanistan aussortiert wurde?

BF: Ja, Briefe die einen Inhalt aufweisen, welcher gegen die afghanische Regierung ist werden von der Post eingezogen und nicht weitergeleitet. Ich wollte nämlich diesen Warnbrief vorlegen.

R: Es irritiert mich, wenn in anderen Verfahren diese Drohbriefe zu mir durchdringen und in einigen nicht, deshalb frage ich.

BF: Der Enkelsohn meines Onkels mütterlicherseits namens XXXX hat versucht mir die Dokumente zu schicken, die Geburtsurkunden der Kinder und die Heiratsurkunde wurden zugestellt. Der Warnbrief allerdings nicht.

R: Wie ging es weiter?

BF: Von Karzai angefangen bis zu den Polzisten die bei Kreuzungen stehen sind alle Diebe. Ich hatte in Afghanistan ein weiteres großes Problem, seit ca. 40-50 Jahren lebt mein Onkel väterlicherseits in Logar. Als meine Schwester XXXX noch ein Kind war, wurde sie seinem Sohn versprochen. Meine Schwester ist in Kabul aufgewachsen, als sie älter wurde wollte sie meinen Cousin nicht heiraten. Mein Cousin hat in Logar gelebt. Für meine Schwester war das eine große Belastung, daher hat sie zwei oder dreimal versucht Selbstmord zu begehen. Sie hatte jemand anderen gern. Es ist daher möglich, dass die zwei Taliban die mich aufgesucht haben von meinem Onkel bzw. meinen Cousins geschickt wurden. Meine Cousins haben nämlich Verbindungen zu den Taliban in Logar. Nach dem Tod meines Vaters verlangte mein Cousin die Heirat mit meiner Schwester. Meine Schwester und wir waren nicht einverstanden. Sie wollten meine Schwester zwangsverheiraten, der Name meines Cousins lautet XXXX. Eines Tages wollten sie fünf bis sechs Leute schicken, die meine Schwester durch Zwang mitnehmen sollten, aus diesem Grund brachte ich meine Schwester von zu Hause weg. Ich brachte sie zu Verwandten. Anschließend ging ich mit meiner Mutter und mit meiner Schwester nach Pakistan.

R: Sine diese Personen wirklich dort aufgetaucht?

BF: Ja sie sind gekommen.

R: Fünf bis sechs Leute haben versucht die Schwester mit zunehmen, warum hat das nicht funktioniert?

BF: Als diese Leute gekommen sind, hatte ich meine Schwester bereits woanders hingebracht

R: Wie viel Zeit ist zwischen diesem Vorfall und der Reise nach Pakistan vergangen?

BF: Ca. fünf bis sieben Tage. Meine Mutter war ebenfalls damit einverstanden, dass meine Schwester jenen Mann heiratet den sie geliebt hat.

R: Bitte weiter.

BF: Nach dem Tod meines Vaters wollte meine Mutter unbedingt mit mir zusammenleben. Als ich mit meiner Mutter und mit meiner Schwester nach Pakistan ging, blieben wir ca. eine Woche dort, meine Schwester heiratete und ich kehrte mit meiner Mutter nach Kabul zurück. Ca. eine Woche später war ich eines Nachts nicht zu Hause, ich erhielt einen Anruf von meiner Gattin. Sie warnte mich, nicht nach Hause zu gehen, weil das Haus durchsucht worden war. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung unseres Hauses war ich im Stadtteil XXXX. Später bin ich nach XXXX gegangen, von dort bin ich zu meiner Tante väterlicherseits nach XXXX gegangen. Ca. einen Monat später habe ich den Entschluss gefasst das Land zu verlassen, weil ich dort nicht mehr in Sicherheit leben konnte. Ich bin kaum zu Hause gewesen, ich habe ständig meinen Aufenthaltsort gewechselt und habe immer bei Verwandten und Bekannten geschlafen. Wenn ich meine Gattin und Kinder sehen wollte, dann habe ich sie zu mir verlangt.

R: Wieso sollten Ihre Cousins Ihnen diese Taliban ins Geschäft schicken?

BF: Es war wegen meine Schwester XXXX, ich habe meine Schwester damit unterstützt und nicht zugelassen, dass sie zwangsverheiratet wird. Wegen dieses Problems haben sie die Taliban zu mir ins Geschäft geschickt.

R: Können Sie diese Vorfälle bitte in eine chronologische Reihenfolge bringen?

BF: Ca. einen Monat vor meiner Ausreise aus Afghanistan habe ich den Entschluss gefasst, das Land zu verlassen. Zeitgleich wurde unser Haus von Polizisten durchsucht, das Problem war, dass meine Cousins sowohl zu den Taliban als auch zur Regierung und zur Polizei Verbindungen hatten. Sie verfügten über viel Einfluss und konnten somit vieles bewirken. Vor der Hausdurchsuchung war ich mit meiner Mutter und mit meiner Schwester in Pakistan. Vor der Reise nach Pakistan sind die fünf bis sechs Männer gekommen, die meine Schwester zwangsgemäß holen wollte und sie mit meinem Cousin verheiraten wollten. Zuvor war ich in Logar und habe dort ein Geschäft geführt, es aber geschlossen. Bevor ich das Geschäft geschlossen habe, hatte ich besuch von den Taliban, die mir einen Warnbrief und eine Telefonnummer gegeben haben. Vor diesem Vorfall habe ich immer wieder Ware von den Polizisten bekommen mit der ich gehandelt habe. Lange vor dem Besuch der Taliban in meinem Laden ist einmal mein Vater von den Taliban in Logar zusammengeschlagen worden. Man hat ihm vorgeworfen, dass seine Söhne in Kabul leben und warum diese nicht in die Heimatprovinz zurückkehren und mit den Taliban zusammen arbeiten.

R: Woher wussten Sie, dass diese Männer kommen würden um Ihre Schwester zu holen?

BF: Sie hatten uns angerufen und uns mitgeteilt, dass sie kommen wollten und meine Schwester mit meinem Cousin trauen wollten und ihre Braut mitnehmen wollten. Das ist in Afghanistan üblich.

R: Woher wussten Ihre Cousins, dass sie mit der Polizei Geschäfte machten?

BF: Meine Cousins haben ebenfalls in Logar ca. 15-20 Kilometer entfernt von meinem Geschäft gelebt. Sie werden mich bei der Arbeit beobachtet haben bzw. sie werden sich umgehört haben.

R: Die Cousins hatten damals doch noch gar keinen Grund Ihnen etwas anzutun, weil die Schwester erst nach dem Besuch der Taliban in Sicherheit gebracht wurde?

BF: Das ist eine Vermutung, dass meine Cousins die Taliban zu mir geschickt haben, ich kann mir aber auch vorstellen, dass es bereits damals Schwierigkeiten und Konflikte zwischen meinem Vater und meinem Onkel väterlicherseits gegeben hat. Mein Vater hat uns nie etwas darüber erzählt. Ich sage das deshalb, weil unser Haus und unsere Grundstücke derzeit in Besitz meiner Cousins sind.

R: Ihr Bruder lebt noch in Kabul?

BF: Ja, zum Zeitpunkt meiner Ausreise hat er noch in Kabul gelebt, ich bin nicht sicher, ob er immer noch dort lebt. Ich habe keinen Kontakt mit ihm?

R: Hat er Probleme mit den Taliban gehabt?

BF: Ich denke nicht, mein Bruder hat nie von Problemen mit den Taliban gesprochen. Er ist ebenfalls Mechaniker in Kabul gewesen. Ich denke, dass die Taliban nur mit mir ein Problem hatten, weil ich die Verantwortung für meine Mutter und Schwester übernommen hatte. Ich weiß nicht was mein Bruder jetzt macht und ob er Schwierigkeiten begegnet ist.

R: Ihrem Vater wurde aber vorgeworfen, dass beide Söhne nicht mit den Taliban arbeiten wollten, aus diesem Grund wurde er doch geschlagen?

BF: Das ist richtig

R: Warum wollten Sie dann nur mit Ihnen zusammenarbeiten, da Ihr Bruder ja auch älter ist?

BF: Mein Bruder war in Kabul, ich war in Logar, ich habe mit Autos und Autoteilen gehandelt. Nebenbei habe ich eine Werkstatt geführt, ich war leicht erreichbar für die Taliban.

R: Aber das ist der Bruder in Kabul auch?

BF: Er hat in Kabul gearbeitet, so weit ich informiert bin hatte er noch keine Probleme mit den Taliban. Ich hatte die Probleme wegen meiner Mutter und meiner Schwester.

R: Was ist bei der Hausdurchsuchung herausgekommen?

BF: Die Polizisten haben bei der Hausdurchsuchung nichts gefunden, es waren ca. acht bis neun Personen, sie trugen Uniformen. Einer von ihnen war XXXX (wörtlich Übersetzt = Oberst, Militärrang) XXXX. Er war jemand aus der Familie meines Onkels väterlicherseits, der für die Regierung gearbeitet hat. Ich bin nicht sicher, ob er Oberst oder General war, er hatte auf jeden Fall einen Rang.

R: Wenn sie nichts gefunden haben, gibt es dafür auch keinen Grund zu flüchten.

BF: Ihr Ziel war ich, sie waren auf der Suche nach mir. Ich vermute, dass sie mich festnehmen wollten und einige Jahre im Gefängnis in XXXX inhaftieren wollten.

R: Zu welchen Zweck?

BF: Ich schätze wegen der Schwierigkeiten betreffend die Heirat meiner Schwester dadurch, dass ich das nicht zugelassen habe ist eine Feindschaft entstanden. Ich war deshalb ihre Zielperson, weil ich die Verantwortung für meine Schwester übernommen hatte. Mein Bruder war daher nicht gefährdet.

R: Wenn es aus Rache passierte, wäre es nicht einfacher Sie zu töten?

BF: Es ist möglich, dass sie mich getötet hätte. Ehrenmorde sind in Afghanistan gang und gäbe.

R: Ist es nicht so, wenn ein Familienmitglied nicht Greifbar ist, wäre dann nicht Ihr Bruder aufgrund der Blutrache gefährdet?

BF: Sie wollten sich nur an mich Rächen, weil ich für die Flucht meiner Schwester verantwortlich gewesen bin. Ich habe ihr geholfen, dass sie von dort fliehen und jemand anderen heiraten konnte.

R: Warum haben Ihre Frau und Ihre Kinder Kabul verlassen um in Pakistan zu leben?

BF: Nach dem Tod meiner Mutter gab es niemanden mehr, der sich um meine Gattin und Kinder ordnungsgemäß kümmern konnte. Mein Bruder hat sie nicht allzu gut behandelt. Ich habe mit meiner Gattin telefoniert, sie hat mir mitgeteilt, dass vor ca. fünf Monaten unser 10 jähriger Sohn namens XXXX auf dem Schulweg von einem Auto der Marke Corola verfolgt wurde und dass er sehr verängstigt zu Hause davon berichtet hatte. Mein Sohn XXXX wird zu Hause XXXX gerufen. Meine Frau hat mich gefragt, was sie nun tun sollte, da mein Schwiegervater bereits in Pakistan lebte ging sie zu ihrer Familie nach Pakistan.

R: Nennen Sie mir bitte die Namen der Cousins.

BF: Mein Onkel heißt XXXX und sein ältester Sohn heißt XXXX. Der Sohn mit dem meine Schwester verlobt war heißt XXXX. Der dritte Sohn heißt XXXX.

R: Wo leben diese Cousins?

BF: Sie leben alle in Logar, im Distrikt XXXX.

R: Gibt es sonst noch etwas, dass Sie ergänzen möchten?

BF: Mein Fluchtgrund ist, dass ich meiner Schwester geholfen habe. Meine Angst besteht deshalb, weil sie sowohl zu den Taliban als auch zur Polizei Verbindungen haben und sie mir an jedem Ort in meiner Heimat Schaden zufügen können."

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit zur Einholung eines länderkundlichen Gutachtens vertagt.

9. Mit Beschluss vom 15.12.2014, Zl. W156 1428648-1/10Z, wurde Frau Mina ASEF-HAMEED als Sachverständige beauftragt.

10. Im Gutachten vom 15.04.2015 nahm die Sachverständige zu den vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Fragen Stellung wie folgt:

"F: Entspricht es der Wahrheit, dass Briefe, deren Inhalt gegen die afghanische Regierung gerichtet ist, im gegenständlichen Verfahren ein Drohbrief der Taliban, von der afghanischen Post "aussortiert" und nicht ins Ausland zugestellt werden.

A: Hierzu wurden mehrere Mitarbeiter der Post in Afghanistan befragt. Die Angaben aller befragten Personen waren übereinstimmend. Sie gaben an, dass Briefe, die bei der Post aufgegeben werden, keiner Kontrolle unterzogen werden. Es würde nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Darüber hinaus wäre diese Aufgabe nicht mit diesem Personal zu überwinden. Auch könnte so eine Kontrolle aus ökonomischen Gründen nicht verantwortet werden. Die Briefe werden versiegelt in die Post gebracht und aufgegeben. Die Postmitarbeiter versehen den Brief mit der entsprechenden Postmarke und übernehmen diesen. Sie fügten hinzu, dass in einzelnen Fällen, Briefe unter bestimmten Voraussetzungen kontrolliert werden, jedoch wollten sie dazu keine Details bekanntgeben. Hierbei wurde angemerkt, dass die Briefe bzw. Dokumente nicht inhaltlich kontrolliert werden würden. Keiner der befragten Postmitarbeiter konnte bestätigen, dass die zu versendenden Briefe einer Kontrolle unterzogen werden, wobei Briefe, deren Inhalt sich gegen die Regierung richten würde, herausgenommen werden.

In diesem Zusammenhang wurden auch Informationen beim DHL-Afghanistan mit Sitz in Kabul eingeholt. Auch dort konnte niemand bestätigen, dass die aufgegebenen Briefe auf regierungsfeindliche Inhalte geprüft und diese gegebenenfalls aus dem Kuvert entfernt werden.

Daher sind die Angaben des BF bezüglich der "Aussortierung" der Briefe, deren Inhalt gegen die Regierung gerichtet ist, nicht zutreffend. Das Vorbringen des BF diesbezüglich entspricht nicht den aktuellen Gegebenheiten in Afghanistan.

F: Wenn durch ein männliches Familienmitglied, gegenständlich der BF, eine geplante Heirat eines weiblichen Familienmitgliedes verhindert wird, ist es üblich, dieses Familienmitglied zur Ehrenrettung zu töten?

A: Nach den Regeln der Pashtunwali zieht die Verhinderung einer geplanten Heirat eines weiblichen Familienmitgliedes durch ein männliches Familienmitglied die Konsequenz des Ehrenmordes nach sich. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Schwester des BF dem Sohn des Onkels väterlicherseits bereits versprochen war. Somit sind das Mädchen und dessen Familie an die Eheschließung mit dem betreffenden Mann gebunden. Wenn das Mädchen die Heirat gegen den Willen der eigenen Familie und der "Schwiegerfamilie" verweigert, so wird es in erster Linie von der eigenen Familie zur Ehrenrettung getötet. Gegenständlich äußerte das Mädchen ihre Weigerung durch Androhung von Selbstmord. Sie wurde bei einem der Selbstmordversuche von ihrem Bruder gesehen, sodass sie daran gehindert werden konnte. Der BF hat seiner Schwester geholfen, vor der Eheschließung mit dem Cousin zu flüchten und unterstützte sie dabei, jenen Mann zu ehelichen, den sie geliebt hat. Damit hat der BF die Ehre der Familie seines Onkels väterlicherseits verletzt und sich dadurch diese Familie zum Feind gemacht.

Den gesellschaftlichen Normen und der afghanischen Tradition zu Folge, kann die Ehre der Familie des Onkels durch den Tod des Bruders des Mädchens wiederhergestellt werden. Dieser Bruder des Mädchens ist der Gefahr ausgesetzt Opfer eines Ehrenmordes zu werden. Es ist zu erwähnen, dass im Falle der Verletzung der Ehre, aus welchem Grund auch immer, meist nur derjenige getötet wird, der die Entehrung der anderen Familie zu verantworten hat. Im Falle einer Blutrache hingegen, können auch andere nahe männliche Verwandte des Täters von der Tötung betroffen sein.

Das Pashtunwali ist ein Kanon an Gesetzen und Verhaltensregeln und stellt den Rechts- und Ehrenkodex der Pashtunen dar. Pashtunwali übernimmt eine sowohl ideelle als auch physische Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre. Es zählt zu den sogenannten Stammesgesetzen, nach denen die Angehörigen der pashtunischen Volksgruppe leben. Pashtunwali kann als Ansammlung von Normen und Werten gesehen werden, die die soziale Interaktion in der pashtunischen Gesellschaft anleitet. Dabei ist zu erwähnen, dass die Regeln der Pahtunwali landesweit von anderen afghanischen Ethnien mit nur wenigen Abweichungen befolgt werden.

Blutrache ist ein Prinzip zur Sühnung von Verbrechen, bei dem Tötungen oder andere Verbrechen durch Tötungen gerächt werden. Hierbei straft die Familie des Opfers den Täter und seine Familie oftmals auch aus der Absicht heraus, die vermeintlich verlorene Familienehre wiederherzustellen. Unter Familie ist dabei mancherorts nicht nur die biologische Verwandtschaft zu verstehen, sondern auch ein Clan.

Der Begriff Ehrenmord bezeichnet die Tötung bzw. Ermordung eines Mitglieds der Familie des Täters zur Abwendung einer ihm oder seiner Familie drohenden oder bereits zugefügten, gesellschaftlichen Herabsetzung aufgrund der Verletzung gesellschaftlicher Verhaltensregeln vonseiten der ermordeten bzw. zu ermordenden Person.

Im Wertesystem vieler streng traditioneller Gesellschaften hängt die "gesellschaftliche Ehre" der gesamten Familie auch vom normgerechten Verhalten aller Angehörigen ab. Aufgrund der sozialen Struktur in den von Ehrenmorden betroffenen Ländern werden Ehrverletzungen vom sozialen Umfeld sehr streng sanktioniert und nach diesen Vorstellungen kann nur der Tod dessen, der den Makel in die Familie getragen hat, diese wieder von diesem befreien. Es handelt sich dabei um eine Familienangelegenheit.

Die Befürworter dieser Praxis sehen darin kein Verbrechen, sondern eine soziale Notwendigkeit, die dem höheren Zweck diene, die Familie zu erhalten. Im Verständnis dieser Kulturen geht es weniger darum, die Person, die Schande über die Familie gebracht hat, zu bestrafen, sondern eher darum, den "Fleck", den "Schmutz" aus der Familie zu entfernen. Die Zielsetzung eines Ehrenmordes ähnelt also der einer Verstoßung.

F: Ist dieses Familienmitglied nicht greifbar, hier durch Flucht ins Ausland, wird dann im Sinne der Blutrache auf ein anderes männliches Familienmitglied zurückgegriffen?

A: Die Blutrache kann an andere nahe männliche Familienmitglieder - wie Vater, Bruder, Sohn und sogar Onkel und Cousin väterlicherseits - verübt werden, sofern die betreffende Person nicht greifbar ist. Im gegenständlichen Fall droht jedoch nicht Blutrache sondern Ehrenmord. Hierbei ist zu erwähnen, dass in vielen Gebieten die Praxis des Ehrenmordes, die Tötung jener Person erfordert, die die Ehrenverletzung verursacht hat.

F: Ist es üblich, dass Söhne eines Afghanen, hier Vater des BF, von den Taliban zur Mitarbeit aufgerufen werden? wenn ja, welche Folgen hätte eine Weigerung? Kann einer der Brüder ohne Probleme weiterhin in Afghanistan an seinem üblichen Aufenthaltsort leben, wenn er die Zusammenarbeit mit den Taliban verweigert?

A: Hierzu wurden Bewohner verschiedener Gebiete in Afghanistan befragt. Die meisten von Ihnen führten aus, dass es in Gebieten, in denen die Taliban über Macht und Einfluss verfügen, vorkommt, dass sie Familien (Väter) auffordern ihre Söhne - meist den älteren Sohn - mit den Taliban mitzuschicken, damit diese an der Seite der Taliban kämpfen. Mehrere der befragten Personen gaben an, dass die Taliban in diesen Fällen keine Gewalt anwenden würden, weil sie damit riskieren würden, das Vertrauen der Bewohner in der bestimmten Gegend zu verlieren.

In einem Bericht für das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo vom September 2011 schreibt der Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi, dass Zwangsrekrutierung kein hervorstechendes Merkmal des Konflikts in Afghanistan sei. Die Aufständischen hätten sich dieser Praxis nur am Rande bedient und dabei hauptsächlich männliche Dorfbewohner, die nicht mit ihnen sympathisierten in Gebieten unter ihrer Kontrolle gezwungen, als Lastenträger zu dienen. In Gesprächen, die 2011 in mehreren Provinzen mit Ältesten und anderen Bewohnern durchgeführt wurden, hätte niemand von Zwangsrekrutierung gesprochen, jedoch habe man sich über Steuereintreibung und Gewalt durch die Taliban beklagt; in einigen Fällen von Mobilisierung durch die Taliban. In Gemeinden könne es vorgekommen sein, dass unwillige Familien durch die Dorfältesten gezwungen wurden, im Rahmen des lashkar, einer traditionellen Form der Mobilisierung, bei der jeder Haushalt einen Mann im Kampfesalter stellen müsse, Männer als Kämpfer bereitzustellen.

Im selben Bericht gibt Giustozzi an, dass die Taliban bei der Rekrutierung von Selbstmordattentätern "ziemlich rücksichtslos" vorgingen und sowohl Jungen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren als auch Erwachsene aufnehmen würden. Seit 2010/2011 würden zudem auch weibliche Personen Selbstmordanschläge verüben. Obwohl keine Hinweise auf Zwangsrekrutierung von Selbstmordattentätern deuten würden, scheine es klar zu sein, dass Jungen auch vor Erreichen des Pubertätsalters geschult und indoktriniert würden, um anschließend als Selbstmordattentäter eingesetzt werden zu können. Dieser Prozess könne sogar Jahre dauern. Die Mehrheit der Selbstmordattentäter scheine sowohl unter der afghanischen als auch der nicht-afghanischen Bevölkerung in Pakistan rekrutiert zu werden. Laut Giustozzi handle es sich bei rekrutierten Personen oftmals um Studenten einer Madrasa.

F: Ist es üblich, dass ein jüngerer Sohn die Position des verstorbenen Vaters einnimmt?

A: Wenn in Afghanistan der Vater als Oberhaupt einer Familie verstirbt, so übernimmt in der Regel der älteste Sohn die Rolle seines Vaters und wird zum Oberhaupt der Familie, sofern er die Voraussetzungen dafür erfüllt, zum Beispiel wenn er alt genug ist. Wenn ein Familienvater kleine Kinder hinterlässt, gilt gegebenenfalls der Bruder des Vaters als Familienoberhaupt, bis sein ältester Sohn in der Lage ist für seine Familie die Verantwortung zu übernehmen. Es kommt auch oft vor, dass der Bruder der Mutter sich bereit erklärt, als Oberhaupt der Familie seiner Schwester aufzutreten und sie in der Übergangszeit zu unterstützen, wenn sich die Brüder des Verstorben der Verantwortung entziehen.

In seltenen Fällen wird auch dem jüngeren Sohn die Aufgabe des Familienoberhauptes übertragen. Dafür kann es verschiede Gründe geben, wie zum Beispiel familieninterne Zwistigkeiten, der ältere Sohn ist verheiratet und führt ein getrenntes Haushalt, der ältere Sohn ist aus gesundheitlichen Gründen- sei es psychischer oder physischer Natur- nicht in der Lage, für die Familie zu sorgen, etc.

F: Kann verifiziert werden, dass die Cousins des BF, deren Namen er mit XXXX, XXXX angibt, sowie der Vater, also Onkel des BF, dessen Namen er mit XXXX angibt, lebend in Logar, Distrikt XXXX, Verbindungen zu den Taliban als auch zur Regierung haben.

A: Zu dieser Frage wurden verschiedene Bewohner im Distrikt XXXX befragt. Die Namen der Familienmitglieder des Onkels des BF waren weitgehend in der Gegend bekannt. Sie führten aus, dass die Familie des XXXX über Verbindungen zu den Taliban verfügt. Sie konnten aber keine näheren Angaben dazu machen, welcher genaue Zusammenhang zwischen der Familie des XXXX und den Taliban besteht und ob Mitglieder der Familie des Onkel des BF für die Taliban arbeiten und an ihrer Seite kämpfen. Im Heimatdistrikt des BF war den Einheimischen nicht bekannt, dass XXXX bzw. dessen Söhne Verbindungen zu Regierungsbeamten in Kabul hatten. Sie gaben hierzu an, dass falls so eine Verbindung besteht, dann wird sie möglicherweise geheim gehalten.

F: Welche allfälligen länderkundlichen Angaben können zum Vorbringen des BF im Verfahren gemacht werden.

A: Die Recherchen in Afghanistan haben ergeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Vorgehensweise der afghanischen Post bei Sendung von Briefen nicht realitätskonform sind. Die erhaltenen Informationen sowie Berichte betreffend die Zwangsrekrutierung durch die Taliban stehen ebenfalls nicht im Einklang mit den Angaben des BF in diesem Zusammenhang.

Die Ausführungen des BF bezüglich seines Onkels und dessen Söhne konnten grob im Laufe der Erhebungen bestätigt werden. Auch die befürchtete Gefahr seitens der Familie des Onkels väterlicherseits des BF, die der BF wegen der Verhinderung der Eheschließung seiner Schwester geltend macht, entspricht dem Ehrenkodex der Pashtunwali und der gelebten Tradition in Afghanistan."

11. AM 09.06.2015 wurde die Verhandlung fortgesetzt, in der die Sachverständige ergänzend angab:

"Betreffend die Werkstatt in Loghar ist anzuführen, dass sich dort ein Geschäftslokal der Familie befindet und dieses auch kurzfristig als Werkstatt genutzt wurde. Die befragten Personen konnten die vom BF dargestellten Probleme mit den Taliban in der Werkstatt nicht bestätigen. Befragt wurden in erster Linie Bewohner des Dorfes XXXX und der Mullah.

R an SV: Kann bestätigt werden, dass die Schwester des BF mit dem genannten Cousin verheiratet hätten werden sollen und dass diese Heirat durch Intervention des BF nicht zustande gekommen ist?

SV: Im Heimatdorf des BFs in Loghar war es bekannt, dass Familie wegen der Heirat der Schwester des BFs mit dem Onkel des BF Probleme hat. Die Schwester des BF hätte ihren Cousin heiraten sollen. Nachdem sie damit nicht einverstanden gewesen ist, hat der BF sie vor einer Zwangsheirat "gerettet". Die Schwester ist nun mit einem Mann, den sie selbst gewählt hat, verheiratet und lebt in Pakistan."

Der BF zog in gegenständlicher Verhandlung den Antrag auf Asyl gemäß § 3 AsylG 2005 zurück und hielt die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. und III des angefochtenen Bescheides aufrecht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BvWG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom BvWG nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBL I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, volljährig. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischen Glaubens. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Seine Großeltern und Eltern stammen aus der Provinz Logar, seine Eltern zogen mit dem BF als Kind nach Kabul, wo er aufwuchs.

Der BF betrieb vor seiner Flucht eine Autowerkstätte in Logar.

Sein Onkel namens XXXX und dessen Söhne namens XXXX, ansässig in Logar, im Distrikt XXXX, bedrohten des BF mit dem Tod, da er die Heirat seiner Schwester XXXXmit XXXX verhinderte. Sein Onkel und seine Cousins stehen in Verbindung mit den Taliban.

Seien Eltern sind verstorben, seine Gattin, die drei Söhne und die Tochter leben mittlerweile in Pakistan. Zu seinen Geschwistern hat der BF keinen Kontakt.

Dem Erkenntnis wurden im Wesentlichen folgende länderkundlichen Feststellungen zugrunde gelegt:

"Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.

(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans. Anstrengungen, die zur Sicherung der bisherigen Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, S. 4 und vom 31. März 2014, S.4)

Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der inter-nationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, S. 2)

Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 12)

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 1)

Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Fest-stellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Dieses Jahr stieg die Zahl der zivilen Toten an, laut UN wurden ungefähr 5000 Zivilisten in Afghanistan getötet. Dies bedeutet einen Anstieg um ein Viertel verglichen zur selben Periode im Vorjahr.

(BBC News, "Afghan conflict: 15 killed in Taliban attack on buses" 25. Juli 2014, Zugriff 28. Juli 2014)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for inter-national peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicherten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen verletzt worden. Vor zwei Wochen fand in Afghanistan eine Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Wahlergebnis sollte eigentlich heute bekanntgegeben werden.

(ORF-online; http://www.orf.at/#/stories/2236311/ , Acht Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul, 02.Juli 2014)

Bei tagelangen Gefechten in der südafghanischen Provinz Helmand sind nach offiziellen Angaben mehr als 330 Menschen getötet worden, darunter Dutzende Zivilisten. Das Innenministerium in Kabul teilte am Sonntag mit, mindestens 250 Taliban-Kämpfer seien unter den Toten der vergangenen zehn Tage. Nach Angaben der Provinzregierung kamen mindestens 32 Angehörige der Sicherheitskräfte und 50 Zivilisten ums Leben, darunter Frauen und Kinder. Der Sprecher der Provinzregierung, Omar Zwak, sagte, rund 3200 Familien seien vor der Gewalt geflohen. Die Gesundheitsbehörden in Helmand meldeten mehr als 300 Verwundete.

Am vorvergangenen Freitag hatten nach Zwaks Angaben mehr als 1000 Taliban-Kämpfer in den Distrikten Nawzad, Sangin, Kajaki und Musa Qala Stellungen der Sicherheitskräfte angegriffen. Diese begannen daraufhin eine Gegenoffensive. Zwak sagte, die Aufständischen seien weitgehend zurückgeschlagen worden, Gefechte dauerten aber noch an. Die Taliban waren in den vergangenen Jahren von offenen Großangriffen auf Sicherheitskräfte abgekommen und hatten vor allem auf Anschläge mit Sprengfallen gesetzt. Ihre Offensive gegen afghanische Sicherheitskräfte im Süden könnte einen Strategiewechsel vor dem Auslaufen des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende signalisieren.

(DiePresse.com,http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3829431/Sudafghanistan_Hunderte-Tote-nach-tagelangen-Kaempfen?from=suche.intern.portal , 29. Juni 2014)

Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind nach Polizeiangaben drei US-Soldaten getötet worden. Der an einem Motorrad befestigte Sprengsatz explodierte den Angaben zufolge gestern in der Nähe einer Patrouille der NATO-geführten Afghanistan-Truppe ISAF. Die ISAF bestätigte den Vorfall im Bezirk Nad Ali in der südafghanischen Provinz Helmand. Pentagon-Vertreter erklärten, es habe sich um US-Soldaten gehandelt. Die islamistischen Taliban bekannten sich in einer Textbotschaft zu dem Attentat.

(ORF-Online, Drei US-Soldaten bei Anschlag in Afghanistan getötet vom 21. Juni 2014)

Drei Selbstmordattentäter der Taliban haben in Afghanistan Anschläge auf Nato-Lastwagen verübt. An der Grenze zu Pakistan im Osten des Landes hätten sich Polizisten und Taliban-Kämpfer daraufhin einen Schusswechsel geliefert, meldeten afghanische Offizielle. Alle drei Angreifer seien getötet worden, hieß es aus der Provinzregierung. Einer habe sich selbst in die Luft gesprengt, die beiden anderen seien von Polizisten erschossen worden. Die Taliban bekannten sich zu den Anschlägen. Die Attentäter hätten die Wagen auf dem Parkplatz des Nato-Quartiers in der Provinz Nangarhar attackiert, sagte ein Sprecher der Grenzpolizei. Der Gebäudekomplex am Torkham-Checkpoint liegt an einer wichtigen Route für Lieferungen der Nato in Afghanistan - die meisten Transporte der Truppe laufen über diesen Grenzposten. Der durch die Anschläge ausgelöste Schaden ist offenbar verheerend. Der Provinzregierung zufolge wurden durch Explosionen, die bei dem Schusswechsel ausgelöst wurden, 37 Nato-Benzinlaster beschädigt oder gänzlich zerstört.

(Spiegel-Online,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-taliban-anschlag-auf-nato-lastwagen-a-976069.html , vom 19. Juni 2014)

Anschläge in ganz Afghanistan, unter anderem wurden auch Kontrollposten der Polizei von Taliban gestürmt. Zahlreiche Personen wurden getötet, darunter auch sechs Polizeioffiziere in der Provinz Kandarhar. In der Provinz Helmad, hat eine in einem Motorrad versteckte Bombe vier Zivilisten getötet und zahlreiche weitere verletzt. In Kabul wurde ein Armeeoffizier durch einen Sprengsatz getötet, seinen Fahrer verletzt. In der Stadt Herat hat ein Angreifer von seinem Motorrad aus zwei Armeeoffiziere getötet.

(The Washington Post, "Afghan gunmen kill 14 Shiite travelers on road from Kabul" 25. Juli 2014, Zugriff 28. Juli 2014)

Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu.

(ANSO, Quarterly Report vom April 2013)

Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind.

(UNAMA-Annual Report vom Februar 2014)

Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72 Prozent in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen.

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

(Der Spiegel: "Abzug aus Afghanistan" vom 6. Oktober 2013)

Sicherheitslage in Kabul

Kabul zählt zu jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist. Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans.

(Auswärtiges Amt: Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013; Afghan Analyst Network: "After the 'operational pause': ‚How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; Department of Defense: "Report on Progress Toward Security and Stability in Afghanistan" vom Dezember 2012)

Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung.

(Danish Immigration Service: "Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process" vom Mai 2012)

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren.

(Afghanistan Analyst Network: After the 'operational pause': "How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; ACCORD [Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation]: "Ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 10. Jänner 2013, vergleiche auch Afghan Analyst Network: After the 'operational pause': How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013)

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März 2013.

(U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem 9 Zivilisten, 2 ISAF Mitarbeiter und 4 Mitarbeiter eines ausländischen Unter-nehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebieten Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast. (BBC News: "Afghan Taliban assault in Kabul secure zone" vom 25. Juni 2013)

Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli. (Reuters: "Taliban attack breaks months of quiet in Kabul", vom 18. Oktober 2013). Agence France-Presse [AFP] berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschläge und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten. (AFP: "Suicide bomb attack in Kabul outside foreign compound", vom 18. Oktober 2013)

Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde, 8 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 6. Dezember 2013)

Am 18. Jänner 2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant in Kabul. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Entsetzen nach Taliban-Anschlag", vom 18. Jänner 2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26. Jänner 2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25. Jänner 2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Selbstmordanschlag auf Regierungsbus in Afghanistan" vom 26. Jänner 2014)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicherten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen verletzt worden. Vor zwei Wochen fand in Afghanistan eine Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Wahlergebnis sollte eigentlich heute bekanntgegeben werden. (ORF-online;

http://www.orf.at/#/stories/2236311/ , "Acht Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul" vom 02. Juli 2014)

In der Nacht zum 05.07.14 explodierten in der Nähe von Kabul nach Raketenbeschuss zahlreiche geparkte, mit Benzin gefüllte Tanklastzüge. Je nach Quelle ist von mehreren Dutzend bis 400 Fahrzeugen die Rede. Personen scheinen nicht zu Schaden gekommen zu sein. Ein Sprecher der Taliban erklärte, die Fahrzeuge der ausländischen Einsatzkräfte seien aus taktischen Gründen zerstört worden. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Deutschland, Briefing Notes vom 7. Juli 2014)

Anschläge in ganz Afghanistan, unter anderem wurden auch Kontrollposten der Polizei von Taliban gestürmt. Zahlreiche Personen wurden getötet, darunter auch sechs Polizeioffiziere in der Provinz Kandarhar. In der Provinz Helmad, hat eine in einem Motorrad versteckte Bombe vier Zivilisten getötet und zahlreiche weitere verletzt. In Kabul wurde ein Armeeoffizier durch einen Sprengsatz getötet, seinen Fahrer verletzt. In der Stadt Herat hat ein Angreifer von seinem Motorrad aus zwei Armeeoffiziere getötet. (The Washington Post, "Afghan gunmen kill 14 Shiite travelers on road from Kabul" 25. Juli 2014, Zugriff 28. Juli 2014)

Aufständische haben den internationalen Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul angegriffen. Wie das afghanische Innenministerium mitteilte, griffen die Kämpfer den Flughafen am frühen Morgen mit automatischen Waffen und Panzerfäusten an und eroberten ein im Bau befindliches Gebäude auf dem Gelände. Medienberichten nach feuerten sie von dort aus Raketen ab. Sicherheitskräfte haben das Gebiet nach Behördenangaben umstellt. Die afghanische Armee meldete, zwei der Angreifer seien getötet worden.

Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete, waren auf dem streng gesicherten Flughafen, auf dem sich auch ein großer Nato-Stützpunkt befindet, Explosionen und Schüsse zu hören. Nach Angaben eines Behördenvertreters wurde der zivile Flugverkehr unterbrochen. Über dem Gelände kreisten Militärhubschrauber. Für den Angriff verantwortlich erklärten sich die radikalislamischen Taliban. Ihre Kämpfer hätten den Flughafen mit leichten und schweren Waffen angegriffen, teilte ein "Sprecher" mit.

(FAZ.net, "Taliban-Kämpfer greifen Flughafen von Kabul an" vom 17. Juli 2014)

Provinz Logar:

Die Taliban sind besonders in der Provinz Logar aktiv. Die Taliban sperren Straßen, die nur dann wieder eröffnet werden, wenn die Bewohner aufhören, Freiwilligenstreitkräfte zu bilden bzw. Milizen gegen sie zu mobilisieren.

(Pajhwok: "Taliban stage comeback, close Azra roads" vom 22. August 2013)

Laut einem Beamten wurden 32 Rebellen im Zuge einer einwöchigen Sicherheitsoperation im Zentralraum der Provinz Logar verhaftet und dabei eine große Menge an Sprengstoff beschlagnahmt. Mehrere Dörfer wurden im Zuge dieser Operation von den Aufständischen geräumt. Auch Waffen konnten beschlagnahmt werden. Die Taliban behaupteten jedoch, dass deren Kämpfer auch weiterhin die Kontrolle über diese Gebiete hätten, und dass es sich um falsche Propaganda handle.

(Pajhwok: "32 rebels held in Logar operation, Taliban deny" vom 10. September 2013)

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Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Das Justizsystem funktioniert nur sehr eingeschränkt. Eine einheitliche Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) ist nicht gegeben. Auch rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden längst noch nicht überall eingehalten. Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern durch mächtige Akteure verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems. Nachdem die Justizbehörden Afghanistans seit 2004 mit einer vorläufigen Strafprozessordnung operierten, liegt dem Parlament nun zumindest eine neue Strafprozessordnung zum Beschluss vor. Auch das Strafrecht selbst wird zurzeit überarbeitet.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, S. 5)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Ein afghanischer Polizist ist am Donnerstag wegen der tödlichen Schüsse auf die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus in erster Instanz zum Tode verurteilt worden. Das Gericht in Kabul befand den Polizisten des Mordes und des Amtsmissbrauchs für schuldig, hieß es nach offiziellen Angaben. Die 48 Jahre alte Fotografin war Anfang April durch die Schüsse des Polizeioffiziers in der Unruheprovinz Chost getötet worden. Sie war in Afghanistan unterwegs, um über die Wahlen am 5. April zu berichten. Das Urteil werde noch durch eine weitere Instanz geprüft, sagte der stellvertretende Gouverneur der Provinz Khost. Der Verurteilte habe 15 Tage Zeit, Revision einzulegen.

(FAZ.net, Gericht verurteilt Mörder der Fotografin Niedringhaus zum Tode vom 24. Juli 2014, Zugriff 24. Juli 2014)

Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 12)

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Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 20)

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Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

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Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.04.2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 31. März 2014, S. 5)

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen

(Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

Die traditionelle erweiterten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der afghanischen Gesellschaft bilden weiterhin den vorwiegenden Schutz- und Bewältigungsmechanismus, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Infrastruktur nicht so entwickelt ist. Afghanen sind auf diese Strukturen und Verbindungen zum Zweck der Sicherheit und des wirtschaftlichen Überlebens, einschließlich des Zugangs zur Unterkunft und eines angemessenen Niveaus des Lebensunterhaltes angewiesen.

Alleinstehende Männer und Kernfamilien können unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft in städtischen oder semi-urbanen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 06.08.2013).

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften. Für eine Unterstützung seitens der Familie kommt es auch darauf an welche politische und religiöse Überzeugung das jeweilige Heimatdorf dominiert. Für Frauen ist es kaum möglich, ohne familiäre Einbindung in andere Regionen auszuweichen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 16)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)

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Risikogruppen:

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013" geht UNHCR (HCR/EG/AFG/13/01) von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter

• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden

• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben

• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen

• Frauen

• Kinder

• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)

• Angehörige ethnischer (Minderheiten‑)Gruppen

• an Blutfehden beteiligte Personen

• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.

Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen, wie etwa:

• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern

• Zwangsrekrutierung

• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen

• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren

• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung

• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers sowie der länderkundlichen Feststellungen und des Gutachtens der Sachverständigen vom 15.04.2015 und der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 09.06.2015.

Die Recherchen in Afghanistan haben ergeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Ausführungen bezüglich seines Onkels und dessen Söhne sowie der Verheiratung seiner Schwester im Laufe der Erhebungen bestätigt wurden. Auch die befürchtete Gefahr seitens der Familie des Onkels väterlicherseits des BF, die der BF wegen der Verhinderung der Eheschließung seiner Schwester geltend macht, entspricht dem Ehrenkodex der Pashtunwali und der gelebten Tradition in Afghanistan.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Durch die Zurückziehung des Antrages auf internationalen Schutz vom 15.05.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, wird der angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. rechtskräftig.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049; 05.04.1995, Zahl 95/18/0530;

04.04.1997, Zahl 95/18/1127; 26.06.1997, Zahl 95/18/1291;

02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214)Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122;

25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560). Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zahl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zahl 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059).Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG gegeben sind:

Aus dem Gutachten vom 16.04.2015 ergibt sich, dass das Vorbringen des BF hinsichtlich der Verfolgung durch seine Familie aufgrund seiner Unterstützung seiner Schwester gegen die angeordnete Heirat mit dem Cousin Gul Mohammad den Tatsachen entspricht. Der BF ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Personen, bei der vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstößt, einer Verfolgung durch den Cousin und dessen Familie (Ehrenmord) ausgesetzt.

Wie aus den zitierten Länderfeststellungen hervorgeht, ist es aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen auch in Kabul kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will.

Die Inanspruchnahme des Schutzes durch den afghanischen Staat vor dieser Bedrohung durch die öffentlichen Sicherheitsorgane ist angesichts der ineffizienten Schutzmechanismen des afghanischen Staates (kein funktionierender Polizei- oder Justizapparat; im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber bestehen keine effektiven Mechanismen zur Verhinderung der dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgung) sowie der instabilen Sicherheitslage auch in der Provinz Logar sowie Kabul eher theoretischer Natur. Fallbezogen ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer angesichts des ihn betreffenden Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.

Die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen. Daher war gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

3.3 Zu Spruchpunkt III - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher war dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

3.4 Zu Spruchpunkt IV - Ausweisung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Statuts des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht vor.

Daher war die von der belangten Behörde in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides angeordnete Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen

Auch weicht die Entscheidung nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur: VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049; 05.04.1995, Zahl 95/18/0530; 04.04.1997, Zahl 95/18/1127; 26.06.1997, Zahl 95/18/1291; 02.08.2000, Zahl 98/21/0461; VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214; VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141; VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011; VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005;

VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438;

30.05.2001, Zahl 97/21/0560; VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059; VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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