VfGH V403/2020

VfGHV403/20201.10.2020

Zurückweisung des Individualantrags eines Vinotheken-, Heurigen- und Beherbergungsbetriebs gegen eine COVID-19-Maßnahmenverordnung mangels nachvollziehbarer Darlegung der rechtlichen Betroffenheit

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3
COVID-19-MaßnahmenG §1
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 idF BGBl II 130/2020 §3, §4
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 idF BGBl II 162/2020 §2, §5
VfGG §7 Abs1, §18, §57 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:V403.2020

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehren die Antragsteller mit dem am 24. April 2020 eingebrachten Antrag, die "Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19, BGBl II Nr 96/2020 [idF BGBl II 162/2020], zur Gänze, in eventu die §§1, §2 Abs2, 3, 5 und 6, §3 sowie §4 der genannten Verordnung […]" als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (im Folgenden: COVID-19-Maßnahmenverordnung-96), BGBl II 96/2020 idF BGBl II 130/2020 (§§3 und 4) und BGBl II 162/2020 (§§2 und 5), lautete (die mit dem Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.

 

§2. (1) §1 gilt nicht für folgende Bereiche:

1. öffentliche Apotheken

2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern

3.. Drogerien und Drogeriemärkte

4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln

5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen

6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe–, Sozialhilfe–, Teilhabe– bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden

7. veterinärmedizinische Dienstleistungen

8. Verkauf von Tierfutter

9. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten

10. Notfall-Dienstleistungen

11. Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel

12. Tankstellen und angeschlossene Waschstraßen

13. Banken

14. Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des §2 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd §3 Z7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter §2 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter §2 erlaubten Tätigkeiten, und Telekommunikation.

15. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege

16. Lieferdienste

17. Öffentlicher Verkehr

18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske

19. Hygiene und Reinigungsdienstleistungen

20. Abfallentsorgungsbetriebe

21. KFZ- und Fahrradwerkstätten

22. Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte

23. Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen

24. Sportbetriebe zum Zweck der Nutzung nicht öffentlicher Sportstätten im Sinn des §5 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020, in der jeweils geltenden Fassung.

 

(2) Die Ausnahmen nach Abs1 Z3, 4, 8, 9, 11, 22 und 23 sowie Abs4 gelten an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

 

(3) Die Ausnahmen nach Abs1 Z2 gilt an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr, sofern es sich nicht um eine Verkaufsstelle von Lebensmittelproduzenten handelt. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

 

(4) §1 gilt unbeschadet Abs1 nicht für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind Betriebstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.

 

(5) Abs1 gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen; dies gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.

2. ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten wird.

 

(6) Abs4 gilt nur, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Abs5 der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten.

 

(7) In den Bereichen nach Abs1 Z5 und 6 gelten

1. abweichend von Abs5 Z1 die einschlägigen berufs- und einrichtungsspezifischen Vorgaben und Empfehlungen, und

2. Abs5 Z2 und 3 nicht.

 

§3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

 

(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe [Gastgewerbebetriebe], welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Kranken-und Kuranstalten;

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

 

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

 

(4) Abs1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.

 

(5) Abs1 gilt nicht für Lieferservice.

 

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.

 

§4. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt.

 

(2) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

 

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungen

1. von Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbarte Dauer der Beherbergung,

2. zum Zweck der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen,

3. aus beruflichen Gründen oder

4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses.

 

§5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

 

(2) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 112/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

 

(3) §4 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 130/2020 tritt mit Ablauf des 3. April 2020 in Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestehende Verordnungen eines Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde über Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben bleiben unberührt.

 

(4) Die §§1 bis 3 treten mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

 

(5) §4 tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

 

(6) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 treten mit Ablauf des 13. April 2020 in Kraft.

 

(7) §2 Z24 in der Fassung BGBl II Nr 162/2020 tritt mit 20. April 2020 in Kraft."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Erstantragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die einen Vinotheken-, Heurigen- und Beherbergungsbetrieb führt. Der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin sind jeweils zur Hälfte Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstantragstellerin.

Zu ihrer Antragslegitimation bringen die Antragsteller Folgendes vor (ohne Hervorhebungen im Original):

"Die bekämpfte generelle Norm wirkt sich unmittelbar auf die Rechtspositionen der Antragsteller aus, weil für die Antragsteller und alle anderen Personen das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und der Dienstleistungsunternehmen, sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben, sowie das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, sowie das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung verboten ist und die Öffnungszeiten für die vom Verbot gemäß §1 ausgenommen Bereiche beschränkt werden (§2 Abs2 u. 3 der Verordnung), dies unter Androhung hoher Verwaltungsstrafen. Vom Betretungsverbot ausgenommene Bereiche nach §2 Abs1 Z1 – Z24 leg cit und Kundenbereiche von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt (§2 Abs4 leg cit), dürfen nur unter Einhaltung der Voraussetzungen, dass Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen, wobei ein Abstand von mindestens 1 Meter gegenüber anderen Personen eingehalten werden muss, betreten werden; im Fall eines Verstoßes wird eine Verwaltungsübertretung begangen, die mit hohen Verwaltungsstrafen geahndet wird.

 

Das Betretungsverbot wirkt sich für bzw zwischen allen Personen und Unternehmen und Einrichtungen nachteilig aus, somit auch direkt für die Antragsteller. Gemäß §3 Abs1 COVID-19-Massnahmengesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu € 3.600,00 zu bestrafen, wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist. Gemäß §3 Abs2 leg cit begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 30.000,00 (!) zu bestrafen, wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu € 3.600,00 zu bestrafen.

 

Den Unternehmensgegenstand der Erstantragstellerin bildet der Vinotheken-, Heurigen- und Beherbergungsbetrieb, die Hauptbranche sind Restaurants und Gaststätten (Gasthäuser, Heurige, Heurigenrestaurants, Restaurants). Der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin sind mit jeweils 50% Anteilen Gesellschafter und Eigentümer der Erstantragstellerin. Der Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin sind zudem jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Erstantragstellerin.

 

Zum Beweis werden nachstehende Urkunden vorgelegt: […]

 

Da den Zweit- und Drittantragstellern beim Betreten einer mit Betretungsverbot belegten Betriebsstätte eine Verwaltungsstrafe von bis zu € 3.600,00 droht, die Betriebsstätte der Erstantragstellerin als Vinotheken-, Heurigen- und Beherbergungsbetrieb nicht betreten werden darf, die Antragsteller als Inhaber bzw handels- und gewerberechtliche, verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen haben, dass die Betriebsstätte der Erstantragstellerin, deren Betreten gemäß §§3 und 4 der Verordnung untersagt ist, nicht betreten wird, andernfalls sie eine Verwaltungsübertretung begehen und mit einer Geldstrafe von bis zu € 30.000,00 zu bestrafen sind, ist eine unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller gegeben, die den Individualantrag auf Verordnungsprüfung legitimiert. Gleichfalls werden die Zweit- und Drittantragsteller im Fall eines Verstoßes nach §2 Abs5 leg cit (Schutzmasken- und Abstandspflicht) mit Verwaltungsstrafen bedroht.

Die drastischen Maßnahmen 'zur Bekämpfung des Coronavirus' bewirken nahezu einen Stillstand des öffentlichen Lebens. Sämtliche Handels- und Dienstleistungsunternehmen (bis auf wenige, taxativ aufgezählte Ausnahmen), sämtliche Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe wurden geschlossen, ebenso Universitäten, Fachhochschulen, Schulen, Kindesbetreuungsstätten, Freizeit-, Sport- und Kultureinrichtungen usw Öffentliche Orte dürfen nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen betreten werden. Ein Zuwiderhandeln wird als Verwaltungsübertretung mit hohen Verwaltungsstrafen bis zu € 3.600,00 bzw € 30.000,00 von den Vollzugsbehörden verfolgt.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob die angefochtene Verordnung sich auf die Rechtssphäre der Antragsteller nachteilig auswirkt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen, der dazu führt, dass Rechtsnachteile evident sind. Bei verständiger Würdigung der konkreten Umstände nach allgemeiner Auffassung sind die durch die Verordnung bewirkten Änderungen der Rechtsposition der Antragsteller als eine für sie nachteilige anzusehen (zB VfSlg 11.765/1988; 14.075/1995 ua).

 

Ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ist nicht gegeben, weil den Antragstellern ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren, das Gelegenheit zur Anregung eines Antrages auf Normprüfung bzw zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs bietet, nicht initiiert werden kann. Es liegen besondere und außergewöhnliche Umstände vor. Es liegt eine unmittelbare, rechtliche und aktuelle Betroffenheit durch die Verordnung vor. Ein anderer Weg zur Normenkontrolle ist nicht gegeben und unzumutbar. Ein verwaltungsstrafbehördliches Strafverfahren zu provozieren, ist jedenfalls unzumutbar (VfSlg 16.137/2001, 16. 281/2001 ua).

 

Die Antragsteller sind durch die angefochtene generelle Rechtsnorm in ihren Rechten verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 8009/1977, 16.031/2000 ua) kann mit einem Individualantrag ausnahmslos jede Rechtswidrigkeit der bekämpften Norm geltend gemacht werden.

 

Zur unmittelbaren Betroffenheit verweisen die Antragsteller auf ihren Individualantrag insgesamt, die unter Punkt IV. ausgeführten Beschwerdegründe, aus deren Darstellung sich ebenso die unmittelbare Betroffenheit ihrer Personen in der Verletzung ihrer Rechte durch die bekämpfte Verordnung ergibt."

 

2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat eine Äußerung erstattet, in der er die beigelegte Äußerung im Verfahren zur Zahl V405/2020 zum Inhalt der Äußerung des vorliegenden Verfahrens erhebt und die Zurückweisung des Antrags, in eventu dessen Abweisung begehrt.

IV. Zulässigkeit

Der Antrag ist unzulässig:

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

2. Die Antragsteller haben es zwar unterlassen, die angefochtene Fassung der Bestimmungen, deren Aufhebung begehrt wird, hinreichend genau zu bezeichnen (zu dieser Anforderung bei Individualanträgen auf Prüfung einer Verordnung vgl VfGH 20.11.2014, V61/2013; 7.10.2015, G24/2013, V12/2013), sie haben diese jedoch im Antrag wörtlich wiedergegeben, sodass – aus dem Zusammenhang – unzweifelhaft erkennbar ist, in welcher Fassung diese Bestimmungen angefochten werden sollen (vgl VfSlg 16.773/2002, 17.237/2004, 20.313/2019; VfGH 7.10.2015, G24/2013, V12/2013 uva.).

3. Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muss die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im Einzelnen" darlegen und dartun, inwieweit alle angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.277/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015). Anträge, die dem Erfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007) nicht im Sinne von §18 VfGG verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (vgl etwa VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011, 19.721/2012).

4. Die Antragsteller bringen vor, der "Unternehmensgegenstand" der erstantragstellenden Gesellschaft, deren Gesellschafter und Geschäftsführer die weiteren Antragsteller sind, sei der "Vinotheken-, Heurigen- und Beherbergungsbetrieb", und sie verweisen "[z]ur unmittelbaren Betroffenheit […] auf ihren Individualantrag insgesamt". Insbesondere angesichts der unterschiedlichen und voneinander abzugrenzenden angefochtenen Verbotsnormen und der daran anknüpfenden unterschiedlichen Ausnahmen und Rechtsfolgen genügt der Antrag der Pflicht zur – nachvollziehbaren – Darlegung der rechtlichen Betroffenheit, deren gebotenes Konkretisierungsmaß auch vor dem Hintergrund der angefochtenen Rechtslage zu beurteilen ist, nicht, weil eine Zuordnung der Betroffenheit der Antragsteller zu den angefochtenen Normen (etwa des "Heurigenbetriebes" zu §1 oder §3 der angefochtenen Verordnung) nicht möglich ist, sodass der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen ist.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist deshalb zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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