VfGH G135/2018

VfGHG135/20184.10.2018

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch eine Strafbestimmung des Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG betreffend die Nicht-Bereitstellung von Lohnunterlagen zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping; kein Missverhältnis zwischen den Mindeststrafdrohungen und dem Unrechtsgehalt der Tat für die Nicht-Bereitstellung von Lohnunterlagen; Bedachtnahme auf Vervielfachung des Unrechtsgehaltes und Erhöhung des wirtschaftlichen Nutzens durch Festsetzung der Strafdrohung pro Arbeitnehmer entspricht dem für das Verwaltungsstrafverfahren charakteristischen Kumulationsprinzip

Normen

B-VG Art7 / Gesetz
Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG §7i Abs4 idF BGBl I 94/2014
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
VStG §16, §22 Abs2
AuslBG §28 Abs1
GlücksspielG §52 Abs2
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G135.2018

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass §7i Abs4 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl 459/1993 idF BGBl I 94/2014, verfassungswidrig war.

II. Rechtslage

§7 AVRAG, BGBl 459/1993 idF BGBl I 120/1999, und die §§7a Abs1, 7b Abs1 und 9, 7d, 7f sowie 7i AVRAG, jeweils BGBl 459/1993 idF BGBl I 94/2014, lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Ansprüche von Arbeitnehmern mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich gegen ausländische Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich

 

§7. Beschäftigt ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, der nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, so hat dieser Arbeitnehmer zwingend Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.

 

Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen ohne Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

 

§7a. (1) §7 gilt (ausgenommen Beiträge nach §6 des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes – BMSVG, BGBl I Nr 100/2002 und Beiträge oder Prämien nach dem Betriebspensionsgesetz – BPG, BGBl Nr 282/1990), unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts, zwingend auch für eine/n Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in ohne Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird. Ein/e Beschäftiger/in ohne Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gilt hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die §§7d Abs1, 7f Abs1 Z3 sowie 7i Abs1 und Abs4 Z1 als Arbeitgeber/in. Sieht das nach §7 anzuwendende Gesetz, der Kollektivvertrag oder die Verordnung Sonderzahlungen vor, hat der/die Arbeitgeber/in diese dem/der Arbeitnehmer/in aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt (Fälligkeit) zu leisten.

[…]

 

Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

 

§7b. (1) Ein/e Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf

1. zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen von vergleichbaren Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen gebührt (ausgenommen Beiträge nach §6 BMSVG und Beiträge oder Prämien nach dem BPG);

2. bezahlten Urlaub nach §2 Urlaubsgesetz, sofern das Urlaubsausmaß nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates geringer ist; nach Beendigung der Entsendung behält dieser/diese Arbeitnehmer/in den der Dauer der Entsendung entsprechenden aliquoten Teil der Differenz zwischen dem nach österreichischem Recht höheren Urlaubsanspruch und dem Urlaubsanspruch, der ihm/ihr nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates zusteht; ausgenommen von dieser Urlaubsregelung sind Arbeitnehmer/innen, für die die Urlaubsregelung des BUAG gilt;

3. die Einhaltung der kollektivvertraglich festgelegten Arbeitszeitregelungen;

4. die Bereithaltung der Aufzeichnung im Sinne der Richtlinie des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (91/533/EWG ) in Österreich durch den Arbeitgeber oder den mit der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers gegenüber den entsandten Arbeitnehmern Beauftragten.

Ein/e Beschäftiger/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich gilt hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die Abs3 bis 5 und 8, §7d Abs1, §7f Abs1 Z3 sowie §7i Abs1 und Abs4 Z1 als Arbeitgeber/in. Sieht das nach Abs1 Z1 anzuwendende Gesetz, der Kollektivvertrag oder die Verordnung Sonderzahlungen vor, hat der/die Arbeitgeber/in diese dem/der Arbeitnehmer/in aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt (Fälligkeit) zu leisten.

[…]

(9) Die Abs1 bis 8 gelten auch für Arbeitnehmer/innen, die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden.

 

Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

 

§7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§7, 7a Abs1 oder 7b Abs1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§7b Abs4 Z6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§7b Abs1 Z4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

 

Erhebungen der Abgabenbehörden

 

§7f. (1) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach §§7b Abs5 und 7d zu überwachen sowie die zur Kontrolle des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmer/in unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts im Sinne des §7i Abs5 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

1. die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer/innen ungehindert zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist,

2. von den dort angetroffenen Personen Auskünfte über alle für die Erhebung nach Abs1 maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um Arbeitgeber/innen oder um Arbeitnehmer/innen handelt, sowie

3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§7b Abs5 und 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

(2) Die Organe der Abgabenbehörden haben die Ergebnisse der Erhebungen nach Abs1 dem Kompetenzzentrum LSDB zu übermitteln und auf Ersuchen des Kompetenzzentrums LSDB konkret zu bezeichnende weitere Erhebungen zu übermittelten Erhebungsergebnissen oder Erhebungen auf Grund von begründeten Mitteilungen durch Dritte durchzuführen.

 

Strafbestimmungen

 

§7i. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen §7d Abs1 oder §7f Abs1 Z3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen §7g Abs2 oder §7h Abs2 die Unterlagen nicht übermittelt.

(2) Wer entgegen §7f Abs1 den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie den Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer/innen und das damit verbundene Befahren von Wegen oder die Erteilung von Auskünften verweigert oder die Kontrolle sonst erschwert oder behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.

(2a) Wer die Einsichtnahme in die Unterlagen nach den §§7b Abs5 und 7d verweigert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist für jede/n Arbeitnehmer/in von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro zu bestrafen.

(3) Ebenso ist nach Abs2a zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in entgegen §7g Abs2 die Einsichtnahme in die Unterlagen verweigert.

(4) Wer als

1. Arbeitgeber/in im Sinne der §§7, 7a Abs1 oder 7b Abs1 und 9 entgegen §7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2. Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen §7d Abs2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder

3. Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen §7d Abs2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

(5) Wer als Arbeitgeber/in einen/e Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in §49 Abs3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Auf Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag beruhende Überzahlungen bei den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgeltbestandteilen sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer/innen liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der/die Arbeitgeber/in die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

(5a) Die Strafbarkeit nach Abs5 ist nicht gegeben, wenn der/die Arbeitgeber/in vor einer Erhebung der zuständigen Einrichtung nach den §§7f bis 7h die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt nachweislich leistet.

(6) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass

1. der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet, und

2. die Unterschreitung des nach Abs5 Z1 maßgeblichen Entgelts unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist oder

3. das Verschulden des/der Arbeitgebers/in oder des/der zur Vertretung nach außen Berufenen (§9 Abs1 VStG) oder des/der verantwortlichen Beauftragten (§9 Abs2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt,

hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Ebenso ist von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührende Entgelt vor der Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nachweislich leistet und die übrigen Voraussetzungen nach dem ersten Satz vorliegen. In Verwaltungsstrafverfahren nach Abs5 ist §45 Abs1 Z4 und letzter Satz VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.

(7) Die Frist für die Verfolgungsverjährung (§31 Abs1 VStG) beträgt drei Jahre ab der Fälligkeit des Entgelts. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, beginnt die Frist für die Verfolgungsverjährung im Sinne des ersten Satzes ab der Fälligkeit des Entgelts für den letzten Lohnzahlungszeitraum der Unterentlohnung. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§31 Abs2 VStG) beträgt in diesen Fällen fünf Jahre. Hinsichtlich von Sonderzahlungen beginnen die Fristen nach den beiden ersten Sätzen ab dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres (Abs5 dritter Satz) zu laufen.

(7a) Für den Fall, dass der/die Arbeitgeber/in das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt für den betroffenen Zeitraum der Unterentlohnung nach Abs5 nachträglich leistet, beträgt die Dauer der Fristen nach §31 Abs1 und 2 VStG ein Jahr (Verfolgungsverjährung) oder drei Jahre (Strafbarkeitsverjährung), soweit nicht aufgrund des Abs7 die Verjährung zu einem früheren Zeitpunkt eintritt; der Fristenlauf beginnt mit der Nachzahlung.

(8) Parteistellung in Verwaltungsstrafverfahren

1. nach Abs1 erster Satz, Abs2 und 4 und nach §7b Abs8 hat die Abgabenbehörde, in den Fällen des Abs5 in Verbindung mit §7e das Kompetenzzentrum LSDB,

2. nach Abs5 in Verbindung mit §7g und in den Fällen des Abs1 zweiter Satz und Abs3 hat der zuständige Träger der Krankenversicherung,

3. nach Abs1, 2a, 4 und 5 und nach §7b Abs8 in Verbindung mit §7h hat die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse,

auch wenn die Anzeige nicht durch die in den Z1 bis 3 genannten Einrichtungen erfolgt. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(9) Bei grenzüberschreitender Entsendung oder Arbeitskräfteüberlassung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.

(10) Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ist handelsrechtlicher Geschäftsführer eines kroatischen Unternehmens. Dieses war von einer österreichischen AG mit Bauarbeiten in Österreich beauftragt worden. Im Zeitraum zwischen 14. September 2015 und 30. Oktober 2015 waren für das kroatische Unternehmen insgesamt 217 Arbeitskräfte auf der österreichischen Baustelle im Einsatz.

Während der Arbeiten führte die Finanzpolizei für das Finanzamt Judenburg Liezen drei Kontrollen auf der Baustelle durch. Die Lohnunterlagen der insgesamt 217 Arbeitskräfte konnten gemäß §7d AVRAG bei keiner Kontrolle vollständig vorgelegt werden.

In der Folge erging am 19. April 2017 ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murtal gegen den Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als iSd §9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener des kroatischen Unternehmens. Ihm wurde zur Last gelegt, dass das kroatische Unternehmen im Zuge einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen in deutscher Sprache für 217 namentlich genannte Arbeitskräfte nicht gemäß §7d Abs2 AVRAG bereitgestellt hat. Gemäß §7i Abs4 AVRAG wurde je Spruchpunkt eine Geldstrafe in Höhe von € 15.000,– verhängt. In Summe belaufen sich diese Geldstrafen auf € 3.255.000,–. Der Geschäftsführer erhob gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark.

2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Präjudizialität:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um das im verfahrensrelevanten Zeitraum gemäß §9 Abs1 VStG nach außen vertretungsbefugte Organ des kroatischen Montageunternehmens […]. Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes von 217 Übertretungen des §7i Abs4 Z2 iVm §7d Abs2 AVRAG wurden seitens der Bezirksverwaltungsbehörde 217 Geldstrafen gemäß §7i Abs4 AVRAG in Höhe von je € 15.000,00, insgesamt somit eine Strafe von € 3.255.000,00, ausgesprochen.

Die angefochtene Strafnorm des §7i Abs4 AVRAG ist daher in diesem Verfahren vom Landesverwaltungsgericht anzuwenden.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit:

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt gegen die Strafnorm des §7i Abs4 AVRAG, hinsichtlich derer die Feststellung der Verfassungswidrigkeit beantragt wird, Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der daraus resultierenden Gesamtstrafe, welche sich - wie im Folgenden näher ausgeführt - aus dem Zusammenwirken von hohen Mindeststrafen, mehrfachen strafsatzerhöhenden Umständen und dem Kumulationsprinzip ergibt. Der Verfassungsgerichtshof vertritt selbst in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass, selbst wenn aus Gründen der General- und Spezialprävention vom Gesetzgeber eine strenge Strafe intendiert wird, auch in diesen Fällen die Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch die Vergehen bewirkten Schadens stehen muss (VfSlg 9901/1983 und VfSlg 11587/1987). Insbesondere widersprechen exzessive Strafdrohungen dem aus dem Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VGerfließenden Sachlichkeitsgebot (G408/2016 ua vom 13.12.2017; VfSlg 19665/2012 vom 30.06.2012; VfSlg 18219 - 18421,18422/2007 vom 27.09.2007). Mit weiterem Erkenntnis VfSlg 12151/1989 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Strafbestimmung des §35 Wr. VergnügungssteuerG verfassungswidrig war, weil die dort vorgesehene Obergrenze der Strafe für die - auch bloß fahrlässig begangene - Verkürzung einer Abgabe mit dem 30fachen des Verkürzungsbetrages durch sachbezogene strafrechtspolitische Argumente nicht zu rechtfertigen sei.

[...]

1. […] In diesem Fall droht dem Beschuldigten unter Anwendung des dritten Strafsatzes gemäß §7i Abs4 AVRAG zumindest die Mindeststrafe von € 2.000,00 je Spruchpunkt, insgesamt somit eine Geldstrafe von € 434.000,00. Die Verhängung einer niedrigeren Strafe ist dem antragstellenden Gericht bei gesetzeskonformer Strafbemessung verwehrt, da der gegenständlich einzige Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes gemäß §20 VStG nicht rechtfertigt (Ra 2015/02/0009; Zl 2009/03/0155; Zl 2002/09/0120; Zl 2001/03/0298 uva). Ebenso ist nach Auffassung der antragstellenden Richterin ein gänzliches Absehen von der Strafe bzw der Ausspruch einer Ermahnung gemäß §45 Abs1 Z4 VStG im vorliegenden Fall nicht möglich, da schon im Hinblick auf den Umstand, dass so gut wie alle gemäß §7d AVRAG bereitzuhaltenden bzw bereitzustellenden Teile der Lohnunterlagen gefehlt haben, von unbedeutenden Folgen nicht gesprochen werden kann und überdies eine sehr große Anzahl von Arbeitnehmern betroffen war.

Die somit im Falle einer Bestrafung drohende (Mindest-)Gesamtstrafe von € 434.000,00 erscheint aus nachstehenden Gründen unverhältnismäßig:

2. §7i Abs4 AVRAG sieht für die unterlassene Bereitstellung der Lohnunterlagen an die Beschäftigerin (Z2), bei welcher Tat es sich auch nach dem Selbstverständnis des Gesetzgebers um ein bloßes Formaldelikt handelt - die Nachfolgeregelung in §22 LSD-BG steht unter der Überschrift ‚Formale Verpflichtungen bei grenzüberschreitendem Arbeitseinsatz‘- gleich hohe Strafen vor wie bei erwiesener Unterentlohnung gemäß §7i Abs5 AVRAG, wobei es sich bei letzterer Regelung um die Kernbestimmung des Gesetzes gemäß Schutzzweck des AVRAG in Umsetzung von Erwägungsgrund 12 iVm Art3 der RL 96/71/EG handelt. Diese seit dem Inkrafttreten des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz (ASRÄG) per 01.01.2015 geltende Gleichsetzung der Strafrahmen wurde vom Gesetzgeber wie folgt begründet:

‚Dabei werden die Strafrahmen an jene des §7i Abs5 AVRAG betreffend Unterentlohnung angeglichen. In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass Arbeitgeber/innen oftmals eine Anzeige wegen des mit einer wesentlich geringeren Strafe bedrohten Tatbestandes des Nicht-Bereithaltens von Lohnunterlagen in Kauf genommen haben, um Unterentlohnungen zu ‚verschleiern‘, weil ohne diese Lohnunterlagen eine erfolgversprechende Anzeige wegen Lohndumping de facto regelmäßig nicht möglich ist. Mit der Anhebung des Strafrahmens entfällt die Möglichkeit eines solchen ‚günstigen Freikaufens‘.‘

3. Das antragstellende Gericht verkennt nicht, dass es geeigneter Maßnahmen und wirksamer Sanktionen bedarf, um derartigen Praktiken von Arbeitgebern vorzubeugen. Dennoch erscheint die gegenständliche Regelung überschießend, da den Behörden nach dem Regelungssystem des AVRAG noch weitere Mittel zur Verfügung stehen, um den Dienstleistungserbringer zur Herausgabe der am Arbeitsort nicht (vollständig) aufgelegenen bzw nicht an den inländischen Beschäftiger bereitgestellten Lohnunterlagen zu zwingen. Vor Ort fehlende Lohnunterlagen werden nämlich - so auch im Anlassfall - von der Finanzpolizei mit kurzer Frist und detaillierter Auflistung der fehlenden Unterlagen nachgefordert. Entspricht der Arbeitgeber diesem Auftrag nicht, droht ihm eine weitere Strafanzeige wegen unterlassener Nachreichung der Lohnunterlagen gemäß §7f Abs1 Z3 iVm §7i Abs1 AVRAG (nunmehr §12 AbsZ3 iVm §27 Abs1 LSD-BG), wobei allerdings die dortigen Strafdrohungen (€ 500,00 bis € 5.000,00, im Wiederholungsfall € 1.000,00 bis € 10.000,00) - nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes rechtspolitisch nicht wirklich schlüssig - deutlich niedriger sind wie jene bei Verstößen gegen §7i Abs4 AVRAG. Immerhin ist die häufig auf bloßer Rechtsunkenntnis oder unrichtiger Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen - die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass vor allem die Interpretation des recht unbestimmten Begriffs ‚Lohnaufzeichnungen‘ sowohl inländischen als noch mehr ausländischen Arbeitgebern erhebliche Probleme bereitet - beruhende unterlassene Bereitstellung bzw Bereithaltung der Lohnunterlagen vor Ort im Regelfall mit einem deutlich geringeren Unrechtsgehalt behaftet wie die unterlassene Nachreichung der Unterlagen trotz vorangegangener Aufforderung.

4. Die Strafnorm des §7i Abs4 AVRAG beruht auf dem Kumulationsprinzip, welches noch durch mehrfache strafsatzändernde Umstände verschärft wird. Sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, was bei grenzüberschreitenden Entsendungen/Überlassungen erfahrungsgemäß beinahe immer der Fall ist, verdoppelt sich allein dadurch der Strafsatz. Liegt darüber hinaus ein Wiederholungsfall vor, tritt eine weitere Verdoppelung ein. In der Praxis folgt daraus, dass selbst bei Nichtvorliegen von Erschwerungsgründen – so auch im Anlassfall – so gut wie immer der dritte Strafsatz zur Anwendung kommt. Obwohl die unterlassene Bereitstellung bzw Bereithaltung von Lohnunterlagen auch bei größerer Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer in der Regel auf ein und denselben Fehler des Arbeitgebers bzw dessen Mitarbeiter zurückgeht, resultiert daraus - in Ermangelung einer absoluten Strafobergrenze - eine nach oben offene Gesamtstrafe, welche, wie der Anlassfall anschaulich zeigt, zu einer exorbitanten, für das betroffene Unternehmen existenzbedrohenden bzw existenzvernichtenden Strafe führt, welche in keiner auch nur annährend angemessenen Relation zum Verschulden des Arbeitgebers sowie zum Schutzzweck der Norm steht. Dies widerspricht nach Ansicht des antragstellenden Gerichts dem Gebot der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen.

[...]

5. Selbst wenn es, wie vorliegend geschehen, in weiterer Folge nicht zu einer Anzeige wegen Unterentlohnung, geschweige denn zu einer Bestrafung wegen Lohndumpings kommt und es daher im Falle von Schuldsprüchen bei einem bloßen Verstoß gegen formale Bereitstellungspflichten von Unterlagen geblieben ist, ist es dem antragstellenden Gericht auf Grund der hohen Mindeststrafen nicht möglich, vom richterlichen Mäßigungsrecht Gebrauch zu machen und die Gesamtstrafe auf ein schuldangemessenes und wirtschaftlich vertretbares Ausmaß zu reduzieren. Im Erkenntnis vom 27.09.2007, G24/07 u.a., in welchem der Verfassungsgerichtshof die hohen Mindeststrafen der systematisch ähnlichen Strafbestimmung des §28 Abs1 Z1 AuslBG nicht für verfassungswidrig erkannt hat, hat der Verfassungsgerichtshof die Abweisung des dortigen Normprüfungsantrages des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem damit begründet, dass die belangte Behörde mit der Anwendung der Bestimmungen der §§20 und 21 VStG ohnedies die Möglichkeit gehabt hätte, die Verhängung verfassungswidriger, weit überschießender Strafen zu vermeiden. Dieser Argumentation sei entgegengehalten, dass dies aus den unter III/1 bereits ausgeführten Gründen im hier vorliegenden Fall nicht möglich ist, da die Landesverwaltungsgerichte an die insofern durchaus strenge ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden sind. [...]

6. Da dem Gesetzgeber den Erläuternden Bemerkungen zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (1076 der Beilagen, XXIV GP) zu Folge für die angefochtene Strafnorm und auch für jene des §7i Abs5 AVRAG die Strafnorm des §28 Abs1 Z1 AuslBG als Vorbild diente, ist für die den Gegenstand der Anfechtung bildende Frage der hohen (Mindest-)Strafen in Verbindung mit dem Kumulationsprinzip am ehesten die einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum AuslBG maßgeblich. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in den Erkenntnissen VfSlg 13.790/1984, VfSlg 18.219/2007 und VfSlg 18.775/2009 die dortigen Strafsätze als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Dennoch sind die bezughabenden Begründungsausführungen des Verfassungsgerichtshofes aus nachstehenden Gründen nicht ohne Weiteres auf §7i Abs4 AVRAG übertragbar:

 Zum einen handelt es sich hier zum Unterschied vom Tatbestand der Unterentlohnung gemäß §7i Abs5 AVRAG, bei welcher Bestimmung es sich im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes um die eigentliche Kernbestimmung handelt, gegenständlich nur um ein Formaldelikt. §28 Abs1 Z3a AuslBG sieht für die mit der unterlassenen Bereithaltung der Lohnunterlagen am ehesten vergleichbare ‚formale‘ Übertretung des §3 Abs6 AuslBG (unterlassene Bereithaltung der erteilten Bewilligung im Betrieb) deutlich niedrigere Strafen (bis € 2.000,00) ohne Mindeststrafe vor.

 Im Erkenntnis VfSlg 18.775 hat der Verfassungsgerichtshof zwar die für die Übertretung des §26 Abs4a AuslBG (Verweigerung der Identitätsfeststellung) vorgesehene Mindeststrafe in §28 Abs1 Z2 AuslBG von € 2.500,00 nicht als verfassungswidrig erachtet. Dazu ist allerdings auszuführen, dass Normadressat des §26 Abs4a AuslBG der einzelne überprüfte Ausländer selbst ist, welcher naturgemäß nur für seine eigene unterlassene Mitwirkung an der Identitätsfeststellung belangt werden kann, weshalb hier von vornherein eine kumulative Verhängung mehrerer Strafen ausgeschlossen ist.

 Hinzu kommt, dass das AVRAG einer anderen Systematik folgt. Die unterlassene Bereithaltung der Lohnunterlagen am Kontrollort bedeutet anders als etwa bei der Verweigerung der Identitätsfeststellung entgegen §26 Abs4 und Abs4a AuslBG nicht zwingend, dass allein dadurch schon die Lohnkontrolle vereitelt wäre, da den Behörden - wie unter III/2 bereits ausgeführt - noch weitere, ebenfalls mit hohen kumulativ zu verhängenden (Mindest)Strafen bedrohte Zwangsmittel zur Verfügung stehen, um in den Besitz der Lohnunterlagen zu gelangen und eine sich allenfalls aus diesen letztlich doch erhaltenen Unterlagen hervorgehende Unterentlohnung, welche zusätzlich ebenfalls wieder kumulativ strafbar ist, zur Anzeige zu bringen, wobei diese Strafdrohungen jeweils einander nicht ausschließen. Es ist somit möglich - und wird dies auch regelmäßig so zur Anzeige gebracht - dass zusätzlich zu Verstößen gegen §7d AVRAG eine Anzeige wegen unterlassener bzw unvollständiger Nachreichung der Lohnunterlagen entgegen §7f Abs1 Z3 iVm §7i Abs1 AVRAG und danach allenfalls noch eine weitere Anzeige wegen Unterentlohnung gemäß §7i Abs5 AVRAG erfolgt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Systematik der Straftatbestände des AuslBG, bei denen es so gut wie immer hinsichtlich ein und desselben Ausländers nur zu einer Anzeige wegen Verwirklichung eines der Straftatbestände des §28 Abs1 AuslBG kommt.

7. Im Erkenntnis VfSlg 13.790 hat der Verfassungsgerichtshof die hohen Strafen des §28 Abs1 Z1 AuslBG unter anderem mit nachstehender Begründung (Rechtssatz) als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet:

‚Andernfalls kann es bei ausreichend hohem wirtschaftlichen Interesse dazu kommen, dass der Strafbetrag als bloßer Preis des erwarteten Nutzens kalkuliert wird und die Strafdrohung ihren Zweck verfehlt. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, dass das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Vorschriften über die Kontrolle der Ausländerbeschäftigung Strafen dieser Höhe nicht rechtfertigen würde. Von einem Exzess kann in Ansehung der Strafsätze angesichts des möglichen Nutzens einer längerdauernden Beschäftigung und im Hinblick darauf, dass im einzelnen Strafsatz auch sehr lange Zeit hindurch fortgesetzte Straftaten erfasst werden müssen, nicht die Rede sein. ‘

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass zum einen bei der Übertretung des §7d iVm §7i Abs4 AVRAG von vornherein nicht von einem langen Tatzeitraum gesprochen werden kann, da als Tatzeit bei diesem Tatbestand lediglich der Tag der Kontrolle anzusehen ist, an welchem die Lohnunterlagen nicht (vollständig) bereitgehalten wurden bzw bereitgestellt waren. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass in Fällen, wie dem hier vorliegenden, wo es in Ermangelung entsprechender auf eine Unterentlohnung hinweisender Verdachtsmomente nicht einmal zu einer Anzeige wegen §7i Abs5 AVRAG gekommen ist, nicht davon gesprochen werden kann, dass das betroffene Unternehmen allein durch die unterlassene Bereitstellung der Lohnunterlagen einen wie auch immer gearteten ‚Nutzen‘ in Gestalt einer Ersparnis bei den Lohnkosten in Österreich lukriert hätte.

8. Im Erkenntnis G24/07 u.a. vom 27.09.2007 hat der Verfassungsgerichtshof die kumulative Verhängung von Strafen mit erhöhtem Strafsatz für die unerlaubte Beschäftigung von mehr als drei Ausländern gemäß §28 Abs1 AuslBG unter anderem damit gerechtfertigt, dass in der gleichzeitigen unerlaubten Beschäftigung mehrerer Ausländer ja auch eine Vervielfachung des Unrechtsgehaltes liege. Das antragstellende Gericht vertritt zwar durchaus auch die Auffassung, dass in einem Fall wie dem hier vorliegenden, wo entsprechend dem Tatvorwurf die Lohnunterlagen für immerhin 217 Arbeitnehmer großteils nicht bereitgestellt wurden, ein höherer Unrechtsgehalt vorliegt, welcher die Verhängung einer entsprechend höheren Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens rechtfertigen würde. Das antragstellende Gericht vermag allerdings nicht zu erkennen, dass im Falle einer Bestrafung die in der Schuldform der Fahrlässigkeit zu verantwortende Rechtsunkenntnis des Beschwerdeführers hinsichtlich der Bereitstellungspflicht der Lohnunterlagen bei 217 betroffenen Arbeitnehmern um so viel höher wäre, dass 217 Einzelstrafen von zumindest je € 2.000,00 tat- und schuldangemessen wären.

[…]

Zum Umfang der Anfechtung:

Die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichtes richten sich sowohl gegen die hohen Mindeststrafen des §7i Abs4 AVRAG, als auch gegen das Kumulationsprinzip, welches noch durch mehrfache strafsatzändernde Umstände verschärft wird, wobei diese Regelungen letztlich in ihrem Zusammenwirken im Anlassfall zu einer unverhältnismäßigen Gesamtstrafe führen, welche nach Auffassung des antragstellenden Gerichts einen rechtspolitischen Exzess darstellt, welcher nur durch eine gänzlich andere Strafbestimmung beseitigt werden könnte. Es war daher die Feststellung zu begehren, dass die angefochtene Bestimmung in ihrem gesamten Umfang verfassungswidrig war.

Diese Vorgangsweise folgt der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der zu Folge im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Antrages nicht zu eng gewählt werden darf (unter anderem VfSlg 16212/2001; 18142/2007; 19496/2011) wohingegen eine zu weite Fassung den Antrag nicht in jedem Fall unzulässig macht (unter anderem VfSlg 19942/2014; VfGH 24.11.2015, G255/2015; VfSlg 19746/2013; VfGH 05.03.2014, G79/2013 ua)." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die Bundesregierung verweist auf die in den Verfahren G60/2018 (Anfechtungsgegenstand: §28 Abs1 AuslBG) und G62/2018 (Anfechtungsgegenstand: §7i Abs4 AVRAG) erstatteten Äußerungen und legt diese vor:

 

"[…] Die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichts richten sich im Wesentlichen dagegen, dass in Verfahren nach […] §7i Abs4 AVRAG Verwaltungsstrafbehörden – und nicht die ordentlichen Gerichte – Geldstrafen in Millionenhöhe bzw Ersatzfreiheitsstrafen von mehreren Jahren verhängen könnten. Derart hohe Strafen dürften aber aufgrund des Anklageprinzips gemäß Art90 Abs2 B‑VG und des Grundsatzes der Gewaltentrennung gemäß Art94 B‑VG nur von ordentlichen Gerichten verhängt werden. Die Strafen seien außerdem unverhältnismäßig und verstießen daher gegen das Verbot unverhältnismäßiger Strafen gemäß Art49 GRC sowie gegen Art3 EMRK.

1.2. Diese Bedenken richten sich aber nicht (allein) gegen die angefochtenen Bestimmungen:

1.2.1. Weder §28 Abs1 AuslBG noch §7i Abs4 AVRAG sehen die Verhängung einer primären Freiheitsstrafe oder einer Ersatzfreiheitsstrafe vor. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Grundlage vielmehr in §16 Abs1 VStG, wonach bei Verhängung einer Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist. Die Aufhebung des §16 Abs1 VStG wurde aber nicht beantragt.

1.2.2. §28 Abs1 Z1 lita AuslBG und §7i Abs4 AVRAG sehen für das Grunddelikt einen Strafrahmen von 1 000 bis 10 000 Euro (im Wiederholungsfall von 2 000 bis 20 000 Euro) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer bzw für jeden Arbeitnehmer und im Qualifikationsfall (unberechtigte Beschäftigung von mehr als drei Ausländern bzw wenn mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind) einen Strafrahmen von 2 000 bis 20 000 Euro (im Wiederholungsfall von 4 000 bis maximal 50 000 Euro) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer bzw für jeden Arbeitnehmer vor.

Die Anträge begründen die behauptete Verfassungswidrigkeit damit, dass nach den angefochtenen Bestimmungen Geldstrafen in Millionenhöhe und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen, wie sie etwa den Anlassfällen zu Grunde liegen (nämlich Geldstrafen von insgesamt 2 640 000 Euro bzw Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 1 600 Tagen und Geldstrafen von insgesamt 2 864 400 Euro bzw Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 1 736 Tagen), möglich seien. Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) auf Grund des §28 Abs1 AuslBG bzw des §7i Abs4 AVRAG (iVm. §16 Abs1 VStG) in einer solchen Höhe sind aber nur in Fällen echter Realkonkurrenz denkbar, wenn also durch zahlreiche selbständige Taten zahlreiche Verwaltungsübertretungen begangen wurden; die unberechtigte Beschäftigung jedes einzelnen Ausländers bzw die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen für jeden einzelnen Arbeitnehmer stellt nämlich ein eigenes Delikt dar und ist gesondert zu bestrafen. In einem solchen Fall ist für jedes Delikt – entsprechend §22 Abs2 erster Satz VStG – eine eigene Strafe zu verhängen, wie dies auch in den Anlassfällen erfolgt ist: Nach den Angaben des antragstellenden Verwaltungsgerichts erfolgte eine Bestrafung nach dem AuslBG in 200 Spruchpunkten (Antrag zu G60/2018, Seite 3) bzw nach dem AVRAG in 217 Spruchpunkten (Antrag zu G62/2018, Seite 3). In verfahrensrechtlicher Hinsicht kann in einem solchen Fall über jedes Delikt in einem eigenen Bescheid oder – wie dies offenbar in den Anlassfällen erfolgte – über mehrere Delikte in einer gemeinsamen Bescheidausfertigung abgesprochen werden (vgl VwGH 24.1.2014, 2013/09/0048 mwN). Eine die jeweiligen Einzelstrafen addierende ‚Gesamtstrafe‘ kennt das VStG nicht (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] §22 VStG Rz 9).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Der Antragsteller muss daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und darf nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (siehe VfGH 10.3.2015, G201/2014; 7.10.2015, G315/2015 ua; 10.12.2015, G639/2015; 25.11.2016, G252/2016).

Vor dem Hintergrund seiner Bedenken, dass nämlich die angefochtenen Bestimmungen Geldstrafen in Millionenhöhe (und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen) ermöglichten, hätte das antragstellende Verwaltungsgericht daher nicht nur den jeweiligen Verwaltungsstraftatbestand des §28 Abs1 Z1 AuslBG bzw des §7i Abs4 AVRAG anfechten müssen, sondern auch den Grundsatz der Strafenkumlierung in §22 Abs2 VStG, um so den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könnte.

1.2.3. Die Anträge sind schon aus diesem Grund zur Gänze unzulässig.

2. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997).

Die angefochtenen §28 Abs1 Z1 AuslBG und §7i Abs4 AVRAG enthalten jeweils einen nach Grund- und Qualifikationsdelikt sowie nach Erst- und Wiederholungsdelikt abgestuften Strafrahmen, wobei die Höchststrafe 50 000 Euro für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer bzw für jeden Arbeitnehmer beträgt. Die Anträge begründen die behauptete Verfassungswidrigkeit hingegen ausschließlich – und undifferenziert – damit, dass nach den angefochtenen Bestimmungen Geldstrafen in Millionenhöhe und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen möglich seien (zB Antrag G60/2018, Seite 12: ‚Nach §28 AuslBG kann jedoch ein Beschuldigter zu einer deutlich über dreijährigen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt werden …‘; Seite 13: ‚… ein Beschuldigter wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes in seiner Abwesenheit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt werden kann …‘; Seite 14: ‚… für ein Fahrlässigkeitsdelikt mehrjährige Freiheitsstrafen verbüßen sollen …‘; Seite 15: ‚… ein unvertretener Beschuldigter nach §28 Abs1 AuslBG zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden kann …‘). Solche Strafhöhen sehen die angefochtenen Verwaltungsstraftatbestände aber nicht vor.

Es fehlt den Anträgen daher an einer Darlegung der Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der in §28 Abs1 AuslBG und in §7i Abs4 AVRAG vorgesehenen Strafrahmen sprechen. Die Anträge sind daher auch aus diesen Gründen unzulässig.

[…]

4. Der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung darauf hin, dass im Anlassverfahren zu G60/2018 ausschließlich der Verwaltungsstraftatbestand des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG und im Anlassverfahren zu G62/2018 ausschließlich der Verwaltungsstraftatbestand des §7i Abs4 Z3 AVRAG präjudiziell sind und dass die übrigen Teile dieser Bestimmungen mit den jeweils präjudiziellen Teilen auch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

5. Insgesamt ist die Bundesregierung daher der Auffassung, dass die Anträge zur Gänze unzulässig sind. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein Eingehen auf die Bedenken in der Sache." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark anschließt.

5. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat eine Replik erstattet, in der es den Ausführungen der Bundesregierung entgegentritt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des §7i Abs4 AVRAG zweifeln ließe.

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, dass der Anfechtungsumfang des Antrages, nämlich festzustellen, dass §7i Abs4 AVRAG zur Gänze verfassungswidrig war, zu weit gefasst sei, weil im vorliegenden Verfahren nur ein Tatbestand des §7i Abs4 AVRAG (in diesem Fall §7i Abs4 Z2 AVRAG) präjudiziell sei.

Dem ist zu entgegnen, dass die unterschiedlichen Tatbestände des §7i Abs4 AVRAG offenkundig in einem konkreten Regelungszusammenhang stehen.

1.4. Weiters bringt die Bundesregierung vor, dass der Antrag unzulässig sei, weil das antragstellende Gericht vor dem Hintergrund seiner Bedenken nicht nur §7i Abs4 AVRAG anzufechten gehabt hätte, sondern auch §22 Abs2 VStG (Kumulationsprinzip).

Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung nicht im Recht: Wie der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt hat, führen Verwaltungsstraftatbestände, die die Strafhöhe an die Anzahl der Arbeitnehmer knüpfen, bloß zu einem ähnlichen Ergebnis wie das in §22 Abs2 VStG geregelte Kumulationsprinzip (vgl VfSlg 13.790/1994, 18.219/2007). §22 Abs2 VStG ist daher für das antragstellende Gericht weder präjudiziell noch bildet er mit der angefochtenen Bestimmung eine untrennbare Einheit.

1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag hinsichtlich §7i Abs4 AVRAG als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität des §7i Abs4 AVRAG. Die Mindeststrafen in Höhe von € 1.000,– (weniger als drei Arbeitnehmer betroffen) bzw € 2.000,– (mehr als drei Arbeitnehmer betroffen) in Kombination mit weiteren strafsatzerhöhenden Umständen und einer Bestrafung pro Arbeitnehmer bereits für das "Formaldelikt" des Nicht-Bereitstellens der Lohnunterlagen stellten einen rechtspolitischen Exzess des Gesetzgebers dar, was im Anlassfall zu einer unverhältnismäßig hohen Gesamtstrafe führe.

2.3. Gemäß §7i Abs4 Z2 AVRAG ist der Überlasser im Zuge einer grenzüberscheitenden Arbeitskräfteüberlassung für das erstmalige Nicht-Bereitstellen der Lohnunterlagen an den Beschäftiger gemäß §7d Abs2 AVRAG für weniger als drei Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe in Höhe von € 1.000,– bis zu € 10.000,– pro Arbeitnehmer zu bestrafen (Grundtatbestand). Für eine Begehung dieser Straftat mit mehr als drei betroffenen Arbeitnehmern verdoppelt sich die Geldstrafe auf mindestens € 2.000,– bis zu € 20.000,– pro Arbeitnehmer (qualifizierter Tatbestand).

2.4. Zu den Bedenken gegen die Mindeststrafhöhe in §7i Abs4 AVRAG im Hinblick auf Art7 B‑VG:

2.4.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begrenzt das Sachlichkeitsgebot den Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung von Sanktionen für rechtswidriges Verhalten. Der Verfassungsgerichtshof hat es insbesondere für unzulässig angesehen, wenn eine absolute Strafdrohung unabhängig vom Grad des Verschuldens und unabhängig von der Höhe des durch eine Gesetzesübertretung bewirkten Schadens vorgesehen ist (vgl VfSlg 9901/1983 zur Strafe des Verfalls), mit der Folge, dass eine Regelung ihrem System nach ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe einerseits und dem Grad des Verschuldens und der Höhe des verursachten Schadens andererseits einschließt (vgl VfSlg 10.904/1986, ähnlich bereits in VfSlg 10.597/1985). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Sachlichkeitsgebot auch den Fall verpönt, in dem ein exzessives Missverhältnis zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primären Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe gegeben ist (VfSlg 12.151/1989).

2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (VfSlg 13.790/1994, 15.785/2000, 18.219/2007, 18.775/2009, 19.960/2015) die Auffassung, dass es nicht unsachlich ist, wenn sich die Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert (VfSlg 7967/1977), welcher nur dann erreicht wird, wenn die für den Fall des rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich ist, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt werden kann.

2.4.3. Entgegen den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark ist die Rechtsprechung zum Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), insbesondere VfSlg 13.790/1994, 15.600/1999, 18.219/2007, 18.775/2009, in den wesentlichen Entscheidungsgründen auf den vorliegenden Fall übertragbar:

Bereits im Erkenntnis VfSlg 13.790/1994 hielt der Verfassungsgerichtshof die Strafsätze des §28 Abs1 Z1 AuslBG idF BGBl 231/1988 von (damals) 5.000 S bis zu 60.000 S für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer sowie im Fall der Wiederholung von 10.000 S bis zu 120.000 S und – bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern – für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer von 10.000 S bis zu 120.000 S für verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber dürfe bei der Festsetzung der Strafdrohung für Verwaltungsübertretungen dieser Art, insbesondere für Fälle einer lang andauernden Fortsetzung oder wiederholten Begehung der Straftat, den möglichen wirtschaftlichen Nutzen in Betracht ziehen, den der Täter durch das verbotene Verhalten erziele. Andernfalls könne es bei ausreichend hohem wirtschaftlichem Interesse dazu kommen, dass der Strafbetrag als bloßer Preis des erwarteten Nutzens kalkuliert werde, und die Strafdrohung ihren Zweck verfehle. Der Verfassungsgerichtshof konnte nicht erkennen, dass das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Vorschriften über die Kontrolle der Ausländerbeschäftigung Strafen dieser Höhe nicht rechtfertigen würde. Von einem Exzess könne in Ansehung der Strafsätze angesichts des möglichen Nutzens einer länger dauernden Beschäftigung und im Hinblick darauf, dass im einzelnen Strafsatz auch sehr lange Zeit hindurch fortgesetzte Straftaten erfasst werden müssen, nicht die Rede sein.

Zur Höhe der Mindeststrafe in §28 Abs1 Z2 AuslBG idF des Antimissbrauchsgesetzes, BGBl 895/1995, führte der Verfassungsgerichtshof bereits aus, dass der Vergleich der auch für §28 Abs1 Z2 litc AuslBG geltenden Mindeststrafe von 30.000 S mit der Mindeststrafe für verbotene Beschäftigung von Ausländern keine Unsachlichkeit der Regelung aufzeigt. Es besteht wohl ein gewisser sachlicher (Mittel-Ziel-)Zusammenhang zwischen dem Interesse an der Kontrolle des Arbeitsmarktes in Bezug auf die Ausländerbeschäftigung und dem Interesse am Unterbleiben unerwünschter Beschäftigung von Ausländern. Das Interesse an der Kontrolle erschöpft sich aber nicht im Interesse an der Verhinderung illegaler Beschäftigung. Wenn der Gesetzgeber die Kontrolle höher bewertet oder stärker gefährdet sieht, kann ihm schon deshalb nicht entgegengetreten werden, weil ihre Vereitelung das Verschleiern auch der unberechtigten Beschäftigung mehrerer Ausländer und die Wiederholung unberechtigter Beschäftigung ermöglicht (VfSlg 15.600/1999).

Im Erkenntnis VfSlg 18.219/2007 sprach der Verfassungsgerichtshof in Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl VfSlg 13.790/1994, 15.600/1999) zu §28 Abs1 Z1 AuslBG ebenfalls aus, dass das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Vorschriften über die Kontrolle der Ausländerbeschäftigung Strafen dieser Höhe rechtfertige und die §§20 und 21 VStG geeignet seien, die Verhängung verfassungswidriger, weil überschießender Strafen gegenüber Privaten abzuwenden.

In seinem Erkenntnis VfSlg 18.775/2009 verdeutlichte der Verfassungsgerichtshof nochmals, dass der Zweck der Strafnorm des §28 Abs1 Z2 litc bis f AuslBG letztlich – ebenso wie jener der Strafnorm des §28 Abs1 Z1 AuslBG – darin liege, das öffentliche Interesse an der Entrichtung von Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung bei der Beschäftigung von Ausländern durchzusetzen, einen geordneten Arbeitsmarkt sicherzustellen, die legalen Beschäftigungschancen inländischer und integrierter ausländischer Arbeitnehmer zu wahren (Arbeitsmarktprüfung, Ersatzkraftstellung) und ausländische Arbeitnehmer vor ausbeuterischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie Arbeitgeber vor unlauterem Wettbewerb durch Schwarzarbeit und Lohndumping durch in- und ausländische Unternehmen zu schützen (vgl auch das bereits zitierte Erkenntnis VfSlg 15.600/1999). Auch der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung, dass die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zu volkswirtschaftlichen Schäden durch den Entfall von Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung und zu einer Wettbewerbsverzerrung führt (vgl VwGH 30.8.1991, 91/09/0022; 21.4.1994, 93/09/0423; 3.9.2002, 99/09/0014; 18.5.2010, 2009/09/0122; 16.9.2010, 2010/09/0158; 20.6.2011, 2011/09/0094; 9.9.2014, Ro 2014/09/0008).

Mit seinem Erkenntnis VfSlg 19.960/2015 hat der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsprechung zum AuslBG auf einen glückspielrechtlichen Fall mit ähnlichen Erwägungen übertragen. Auch die hohen Mindeststrafen des §52 Abs2 Glückspielgesetz (GSpG) sind zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung aus Gründen der General- und Spezialprävention zulässig.

2.4.4. Vor diesem Hintergrund kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, dass zwischen den Mindeststrafdrohungen in §7i Abs4 AVRAG und dem Unrechtsgehalt der Tat und ihren wirtschaftlichen Folgen ein Missverhältnis bestünde. Von einem Exzess kann in Ansehung der Strafsätze angesichts des möglichen Nutzens einer längerdauernden Beschäftigung und im Hinblick darauf, dass im einzelnen Strafsatz auch sehr lange Zeit hindurch fortgesetzte Straftaten erfasst werden müssen, nicht die Rede sein.

2.4.5. Dass §7i Abs4 AVRAG für das Nicht-Bereitstellen von Lohnunterlagen die gleichen Mindeststrafen wie für die Unterentlohnung gemäß §7i Abs5 AVRAG selbst vorsieht, dient dem Zweck, eine Umgehung zu verhindern. Andernfalls könnte es – wie im AuslBG – bei ausreichend hohem wirtschaftlichem Interesse dazu kommen, dass der Strafbetrag als bloßer Preis des erwarteten Nutzens kalkuliert wird und die Strafdrohung ihren Zweck verfehlt. Der Zweck der Strafnorm des §7i Abs4 AVRAG liegt letztlich – ebenso wie jener der Strafnorm des §7i Abs5 AVRAG – darin, das öffentliche Interesse an einem geregelten Arbeitsmarkt, am Schutz von Arbeitnehmern vor ausbeuterischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie am Schutz von Unternehmen vor unlauterem Wettbewerb durch Lohn- und Sozialdumping zu wahren.

Der Gesetzgeber führt anlässlich der Novelle BGBl I 94/2014 in den Materialien zu §7i Abs4 AVRAG aus, dass Arbeitgeber in der Praxis oftmals eine Anzeige wegen des Nicht-Bereithaltens von Lohnunterlagen in Kauf genommen hätten, um Unterentlohnungen zu verschleiern. Der Grund dafür sei in der im Falle des Nicht-Bereithaltens (damals) wesentlich geringeren Strafe und in der Tatsache gelegen, dass eine erfolgversprechende Anzeige ohne diese Lohnunterlagen nicht möglich war. Mit der Anhebung des Strafrahmens entfalle ein kalkulierbarer Nutzen im Falle einer Unterbezahlung (Erläut RV 319 BlgNR 25. GP , 10 f.). Auch die sukzessive Anhebung des Strafrahmens für das Fehlen von Lohnunterlagen spricht für die mangelnde Zielerreichung durch frühere niedrigere Strafdrohungen (vgl BGBl I 120/1999, BGBl I 78/2007, BGBl I 24/2011, BGBl I 94/2014).

2.4.6. Dem Gesetzgeber ist sohin aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er im Zusammenhang mit einer Arbeitskräfteüberlassung in Österreich durch einen Überlasser ohne Sitz im Inland zur effektiven Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping dazu verpflichtet, für Zwecke der Kontrolle bestimmte Lohnunterlagen dem Beschäftiger bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund und der oben angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum AuslBG und zum GlSpG sind die Mindeststrafdrohungen nicht unsachlich.

2.5. Zu den Bedenken gegen die Bestrafung pro Arbeitnehmer in §7i Abs4 AVRAG im Hinblick auf Art7 B‑VG:

2.5.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.5.2. Indem der Gesetzgeber die Strafdrohung für das Nicht-Bereitstellen der Lohnunterlagen pro Arbeitnehmer gemäß §7i Abs4 AVRAG festsetzt, nimmt er auf die Vervielfachung des Unrechtsgehaltes, aber auch auf die Erhöhung des wirtschaftlichen Nutzens bei Betroffenheit mehrerer Arbeitnehmer auf eine Weise Bedacht, die der Häufung von Straftaten und damit dem für das Verwaltungsstrafverfahren charakteristischen Kumulationsprinzip entspricht. Was die Strafsätze betrifft, führt das hier gewählte System nämlich zu einem ähnlichen Ergebnis wie der in §22 Abs2 VStG niedergelegte Grundsatz, dass die durch mehrere Übertretungen verwirkten Strafen nebeneinander zu verhängen sind (VfSlg 13.790/1994).

2.5.3. Seit VfSlg 4496/1963 bis zu VfSlg 12.997/1992 hat der Verfassungsgerichtshof §22 Abs2 VStG in ständiger Rechtsprechung als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Der Antrag gibt keinen Anlass, von dieser – sinngemäß auch auf die vorliegende Entscheidung übertragbaren – Auffassung abzugehen. Der bloße Umstand, dass es im vorliegenden Fall, ähnlich wie bei der verbotenen Beschäftigung von Ausländern, leicht zur Vervielfachung des Unrechtsgehaltes kommen kann, ist kein Grund, an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verhängung gebündelter Strafen zu zweifeln. Auch die Gestaltung der Straftatbestände bietet vor dem Hintergrund des Kumulationsprinzips keinen Anlass zu Bedenken (VfSlg 13.790/1994).

2.5.4. Der Verfassungsgerichtshof vermag daher auch insofern keinen Verstoß gegen Art7 B‑VG zu erblicken.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §7i Abs4 AVRAG idF BGBl I 94/2014 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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