Ein in der BAO nicht vorgesehener, da erfundener Antrag (hier: Antrag auf Ersetzung einer Abgabe) löst keine Entscheidungspflicht aus
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der EK, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Zurückweisung des Antrages vom 10. April 2006 auf Ersetzung der Einkommensteuerfestsetzung 1999 entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Nach vorangegangener Devolution erließ die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland unter der GZ AO 670/5-15/2001 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 20.11.2002, setzte die Einkommensteuer mit ATS 13.044,- (€ 947,94) fest und verwies als Begründung auf die im BP-Bericht angeführten Feststellungen.
Im für die Jahre 2000 und 2001 geführten Berufungsverfahren RV/4498-W/02 kamen neue Tatsachen, und zwar nicht erklärte Betriebseinnahmen, hervor, die auch die Vorjahre betrafen, weshalb die Amtspartei am 23. Jänner 2004 die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 verfügte und eine neue Sachentscheidung traf, die sie am 26. Jänner 2004 berichtigte. Aufgrund des neuen Sachbescheides war die gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 1999 erhobene Beschwerde klaglos zu stellen (s. Beschluss des VwGH vom 2.6.2004, 2003/13/0071).
Der nach verfügter Wiederaufnahme neu ergangene Einkommensteuerbescheid 1999 i. d. gemäß § 293 berichtigten Fassung vom 26. Jänner 2004 bemaß die Einkommensteuer mit nunmehr € 1.413,05, wobei neben Pensionseinkünften die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit ATS 65.120,00 im Bescheid ausgewiesen werden. Die Amtspartei berücksichtigte keine Betriebsausgaben. Gegen diesen Bescheid erhob die Berufungswerberin (Bw) Berufung, über die der unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom 5. Mai 2006, RV/0929-W/05, entschieden hat und den angefochtenen Erstbescheid insoweit abänderte, als die von der umsatzsteuerlich unecht befreiten HK erhaltenen Gelder von ATS 20.000,- als Betriebseinnahmen mit ATS 16.666,67 erfasst wurden und geschätzte Betriebsausgaben von ATS 3.880,00 berücksichtigt wurden. Zu dieser Berufungsentscheidung ist zur Zahl 2006/13/0168 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.
Weiters stellte die Bw zur Einkommensteuer für das Jahr 1999 1.) den Antrag auf Aufhebung vom 25. August 2005 (s. Berufungsentscheidung vom 21.4.2006, RV/0609-W/06) 2.) den Antrag auf Wiederaufnahme vom 28. Oktober 2005 (s. Berufungsentscheidung vom 21.4.2006, RV/0610-W/06, und 3.) den Antrag auf Ersetzung der Einkommensteuerfestsetzung vom 10. April 2006, welcher den Gegenstand des gegenständlichen Berufungsverfahrens bildet und welchen die Amtspartei mit Bescheid vom 25. September 2006 infolge Unzulässigkeit zurückwies. Erläuternd führt sie im angefochtenen Bescheid aus, dass der Instanzenzug für die Einkommensteuer 1999 bereits mit der Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom 5.5.2006, RV/0929-W/05, ausgeschöpft sei. Der VwGH habe in seinem Erkenntnis 2005/13/0133 bereits ebenfalls die Feststellung getroffen, dass die Zurückweisung der ständigen Anträge auf Abänderung bereits in Rechtskraft getretener Bescheide (u.a. auch die Einkommensteuer 1999) zu Recht durchgeführt worden sei. Schließlich wird dargelegt, dass der Antrag auf Ersetzung keiner Verfahrensnorm der Bundesabgabenordnung entspreche und nur den Zweck habe, die Behörde mutwillig in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls Erwähnung finden in diesem Erkenntnis die Anträge der Bw auf "Neufestsetzung" der Einkommensteuer, die aus dem Grund entschiedener Sache zu Recht zurückgewiesen worden waren.
In der Berufung vom 3. Oktober 2006 wiederholt die Bw im Wesentlichen ihre im Antrag auf Ersetzung dargelegte Rechtsansicht und begehrt noch immer die Festsetzung der Einkommensteuer 1999 von einer um ATS 3.333,33 reduzierten Bemessungsgrundlage, obgleich in diesem Punkt mit der Berufungsentscheidung vom 5. Mai 2006, RV/0929-W/05, dem Berufungsbegehren - und darüber hinaus - entsprochen wurde und ihr das im Zeitpunkt der Verfassung gegenständlicher Berufungsschrift bekannt war.
Über die Berufung wurde erwogen:
Ist ein Antrag als inhaltlich überholt anzusehen, weil seinem Begehren ohnedies bereits aus einem Grund entsprochen wurde, was im Fall der Bw durch die teilweise stattgebende Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom 5.5.2006, RV/0929-W/05, gegeben ist, so führt dies - in der Regel - zur Abweisung des Antrages. Im gegenständlichen Fall ist aus folgenden Gründen eine Ausnahme von dieser Regel gegeben:
Die Bw nimmt seit etwa Mai 1999 gemeinsam mit LP die Tätigkeit der Abgabenbehörde erster und zweiter Instanz in einer Weise in Anspruch, durch die Arbeitskapazität der Abgabenbehörden mit einer Vielzahl von Erledigungsanträgen in einer jede zielgerichtete Sacherledigung erschwerenden Weise absorbiert wird (siehe weiters die im Beschluss des VwGH vom 22.3.2006, 2005/13/0029 dargelegten Ausführungen und die dort angeführten aus Gründen der Aussichtslosigkeit und Mutwilligkeit abweisenden Beschlüsse zahlreicher Anträge auf Verfahrenshilfe, insbesondere jene vom 24.11.2004, 2004/13/0064 bis 0066 und 0068).
Dass der Bw ihre Vielzahl an Eingaben selbst nicht zu Gute kommt, geht eindeutig aus dem die Bw betreffenden Erkenntnis des VwGH vom 15.2.2006, 2005/13/0133, hervor. In diesem Erkenntnis hat der VwGH unter Hinweis auf die die bereits oben angeführten dg. Beschlüsse 24.11.2004, 2004/13/0064 bis 0066 und 0068, zu Recht erkannt, dass die Bw in dem mit der notorischen Vielzahl ihrer Anträge errichteten Verfahrenslabyrinth augenscheinlich nunmehr selbst die Orientierung habe. Der Verlust der Übersicht über die Vielzahl initiierter - zumeist sinnloser - Verfahren führte dazu, dass die Bw übersehen hat, gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 1998 Berufung einzulegen (siehe zB Berufungsentscheidung des UFS vom 31.7.2007, RV/0262-W/07, zum Vorwurf, bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1996 seien die Verjährungsbestimmungen der §§ 207 f BAO nicht eingehalten worden).
Den Vorwurf, bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1996 seien die Verjährungsbestimmungen der §§ 207 f BAO nicht eingehalten worden, hat die Bw über einen Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides erfolglos bekämpft. Zu der in diesem Rechtsstreit ergangenen Berufungsentscheidung vom 2. Dezember 2005, RV/1662-W/05, hat der VwGH mit Erkenntnis vom 31.5.2006, 2006/13/0079, zu Recht erkannt, dass der Vorwurf bezüglich der Nichteinhaltung der Verjährungsbestimmungen der §§ 207 f BAO rechtlich fehl gehe und die von der Bw vermisste Klarheit über die Verbuchung ihrer Einkommensteuer für das Jahr 1996 nicht mehr als die Fertigkeit zum Addieren zweier Zahlung und ein Minimum logischen Denkvermögens voraussetze, was ihr beides zuzutrauen war. Auch mit der dem Erkenntnis vom 15.2.2006, 2005/13/0133, zu Grunde liegenden Beschwerde versuchte die Bw vergebens, den Einkommensteuerbescheid für 1996 infolge Verjährung zu bekämpfen.
Zu den im Erkenntnis 2005/13/0133 erwähnten Anträgen auf "Neufestsetzung" der Einkommensteuer wird bemerkt, dass LP im die Umsatzsteuer für das Jahr 2002 betreffenden Berufungsverfahren RV/0347-W/04 am 22.4.2005 niederschriftlich ausgesagt hat, dass er dann, wenn die Drei-Monats-Frist für die beantragte Wiederaufnahme vorbei sei, keinen Antrag auf Wiederaufnahme mehr stellen könne. Aus diesem Grund mache er dann einen Antrag auf Neufestsetzung. In der BAO gebe es neben der Wiederaufnahme auch nach §§ 293, 293a, 293b, 295 und 299 die Möglichkeit, Berichtigungen von Bescheiden vorzunehmen. Die Neufestsetzungsanträge sehe er auf die genannten Bestimmungen gleichermaßen gestützt.
Auch im Erkenntnis 2005/13/0133 werden Anträge auf Neufestsetzung der Einkommensteuer erwähnt. Im Beschluss vom 22.3.2006, 2005/13/0029, hat der VwGH keine Bedenken geäußert, dass die Bw und LP als Einheit zu betrachten seien, weil angenommen werden könne, dass beide aufeinander abgestimmt agieren. Dass zwei Personen, die dieselben abgabenrechtlichen Interessen verfolgen und gemeinsam wohnen, unabhängig voneinander Anträge auf Neufestsetzung erfinden, entspricht nun nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates ist der Antrag auf "Ersetzung" ebenso zu beurteilen wie der Antrag auf "Neufestsetzung", nämlich als eine Erfindung und damit außerhalb der abgabenrechtlichen Prozessordnung liegend.
Zum Aufhebungsantrag vom 25. August 2005 hat die Bw im diesbezüglich geführten Berufungsverfahren vorgebracht, sie sehe diesen nicht explizit auf § 299 BAO gestützt, auf welche Norm sie dann aber den Aufhebungsantrag begründet sah, hat sie nicht dargelegt. Damit lag aber auch der Aufhebungsantrag außerhalb der abgabenrechtlichen Prozessordnung, was als ein Unzulässigkeitsgrund anzusehen ist. Weitere "erfundene" - und damit unzulässige - Anbringen waren die Anträge auf Festsetzung einer Zwangs- und Ordnungsstrafe (s. UFS vom 28.9.2004, RV/1315-W/04, und vom 15.11.2004, RV/1317-W/04).
Über die Bw sind bereits vom Finanzamt und vom unabhängigen Finanzsenat bzw. der ehemaligen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen mutwilliger Auskunftsansuchen Mutwillensstrafen verhängt worden (zB: UFS vom 5.12.2003, RV/1240-W/03, UFS vom 18.12.2003, AO 235/2-WStL/03, (Beschwerde zur Zl. 2007/14/0036, vormals 2004/13/0058 anhängig), FLD für Wien, NÖ und Bgld. vom 25.5.2002, RV/246-16/14/2001, (mangels bewilligter Verfahrenshilfe keine Beschwerde erhoben) und vom 21.2.2002, RV/557-16/14/2001, vom VwGH mit Erkenntnis vom 28.6.2006, 2002/13/0133, als unbegründet abgewiesen).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehren Fällen von Säumnisbeschwerden den Zuspruch von Aufwandersatz abgewiesen. Er ist den Darlegungen des unabhängigen Finanzsenates gefolgt, wonach die Abgabenbehörden bei der sie treffenden Überflutung mit Eingaben gar nicht anders können, als säumig zu werden. Die Frage der Säumnis reduziert sich daher lediglich auf die Frage, in welchem Verfahren sie säumig werden, denn die Abgabenbehörden unterliegen der Entscheidungspflicht des § 311 BAO.
Nach der Rechtsprechung des VwGH besteht keine Entscheidungspflicht (keine Berechtigung zur Stellung eines Devolutionsantrages) "in Fällen, in denen jemand ohne Rechtsanspruch und ohne rechtliches Interesse die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt." Für diese Auffassung spricht die Überlegung, dass Rechtsschutzinstrumente dem Rechtsschutz (somit dem Schutz berechtigter Interessen und nicht mutwilligen Vermehrung des Verwaltungsaufwandes) dienen sollen (Ritz, BAO-Kommentar, 3. überarbeitete Auflage, § 311, Tz 12, mwN).
Die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für das Nichtbestehen der Entscheidungspflicht angeführten Voraussetzungen des Fehlens eines Rechtsanspruches und rechtlicher Interessen sieht der unabhängige Finanzsenat beispielsweise bei erfundenen Anbringen wie den Anträgen auf Neufestsetzung oder auf Ersetzung als gegeben an. Rechtliche Interessen der Bw können dann nicht verletzt werden, wenn die Bw überdies rechtlich zulässige Rechtsverteidigungsmaßnahmen gesetzt hat, was u. a. durch die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 ebenfalls zu bejahen ist. Sind jedoch bei der Bw in diesem Sinne die Voraussetzungen für das Nichtbestehen der Entscheidungspflicht als gegeben anzunehmen, so ist ein Bescheid - wie in der Berufungsentscheidung vom 21.4.2006, RV/0609-W/06, auf die bezüglich weiterer rechtlicher Ausführungen und Darstellung der Rechtsgrundlagen verwiesen wird - nicht zu erlassen gewesen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 3. August 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Rechtsschutz, Anbringen, Unzulässigkeit, Zurückweisung |
Verweise: | VwGH 15.02.2006, 2005/13/0133 |