Fortgesetztes Verfahren1. BVE zur Wiederaufnahme des Verfahrens zeitlich erst nach BVE zum Sachbescheid ergangen2. Ausländische Kapitaleinkünfte - Selbstanzeige, Verkürzungsvorsatz, Verjährungsfrist
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100129.2020
Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0040. Zurückweisung mit Beschluss vom 9.12.2021.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
[...]
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***2***, vertreten durch ***3***, gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich Einkommensteuer 2006 sowie Einkommensteuer für das Jahr 2006 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) erstattete gemeinsam mit ihrem Ehegatten mit Eingabe vom 15. Dezember 2016 durch ihren steuerlichen Vertreter eine Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2011 und legte folgenden Sachverhalt offen.
Das Ehepaar verfüge seit dem Jahr 2003 über ein Depot bei der UBS AG in der Schweiz. Das Vermögen stamme aus Ersparnissen. Im November 2011 sei das gesamte Vermögen nach Österreich übertragen worden. Zum Zeitpunkt des Übertrages nach Österreich habe das Vermögen ca. 884.000 Euro betragen. Die Bf. und ihr Ehegatte seien davon ausgegangen, dass das Vermögen und die Erträgnisse daraus ausschließlich im Ausland steuerpflichtig seien, weswegen die Einkünfte nicht in die Steuererklärungen aufgenommen worden seien.
Die Bf. sei in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig, womit auch ihre ausländischen Kapitaleinkünfte zu versteuern gewesen wären. Die erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen würden dem Sondersteuersatz gemäß § 37 Abs. 8 EStG in der Höhe von 25% unterliegen. Mangels Aufnahme der Einkünfte in die Steuererklärungen seien die erwähnten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich nicht versteuert und damit die Einkommensteuer seit dem Jahr 2003 verkürzt worden.
In der Anlage wurden die ausländischen steuerpflichtigen Erträge für die Jahre 2006 bis 2011 dargestellt und wurde darauf hingewiesen, dass die Jahre bis einschließlich 2009 mangels Vorsatzes festsetzungsverjährt seien. Die Zahlen für die Jahre bis einschließlich 2005 hätten nicht mehr rekonstruiert werden können, weswegen schätzungsweise davon auszugehen sei, dass sich die Erträge in den vergangenen Jahren in ähnlichen Größenordnungen wie jene ab 2006 ff befunden hätten.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2006 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 die Einkommensteuer für das Jahr 2006 mit einer Abgabennachforderung in der Höhe von 105.814,75 Euro fest. Begründet wurde dieser Bescheid mit der Selbstanzeige vom 16. Dezember 2016.
Gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 brachte die Bf. eine Beschwerde ein und begründete dies wie folgt:
Die Begründung des Finanzamtes sei zu kurz, denn aus der Tatsache der Erstattung einer Selbstanzeige könne nicht gefolgert werden, dass der Täter damals vorsätzlich gehandelt habe (VwGH 16.12.1998, 96/13/003, VwSlg 7338/F). Das gelte auch hier. Die Selbstanzeige enthalte den klaren Hinweis, dass die Bf., ein steuerlicher Laie, der Annahme gewesen sei, die Sache sei mit dem Steuerabzug in der Schweiz erledigt gewesen. Mit diesem Vorbringen habe sich die Behörde nicht beschäftigt, obwohl es auf einen nicht entschuldbaren, daher zwar strafbaren, jedoch Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum hinauslaufe (§ 9 FinStrG).
Nach allgemeinem Regime sei für die Einkommensteuer 2006 (und gleichermaßen auch für die Einkommensteuer 2007 und 2008) bereits relative Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 207 Abs. 1 erster Satz BAO). Damit dieses Steuerjahr doch noch offen sei, müssten die Voraussetzungen für die verlängerte Verjährungsfrist vorliegen (§ 207 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Dem sei aber nicht so: Es fehle an der nötigen Vorfragenbeurteilung. Ob eine Abgabe hinterzogen sei, dies sei eine Vorfrage (z.B. VwGH 20.6.1990, 86/13/0168; 29.9.1997, 96/17/0453; 18.10.1988, 87/14/0173, VwSlg 6357/F; 5.7.1999, 98/16/0391; 22.2.2012, 2009/16/0032), und zwar auch in den Fällen des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO (für alle: VwGH 5.11.1991, 91/14/0049; 5.7.1999, 98/16/0391; 19.3.2003, 2002/16/0190, VwSlg 7802/F). Diese Beurteilung setze eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Hinterziehung (VwGH 29.9.1997, 96/17/0453; 19.12.2006, 2004/15/0163; 22.2.2012, 2009/16/0032) mit der Unschuldsvermutung und dem daraus abgeleiteten Zweifelsgrundsatz als prozessualer Richtschnur voraus (VwGH 19.3.2003, 2002/16/0190, VwSlg 7802/F; 28.6.2012, 2009/16/0076; Ritz BAO 5, § 207 Tz 15; Stoll 2172). Dabei sei vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine solche nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliege, sondern Vorsatz als Schuldform erfordere. Darum könne eine Hinterziehung erst dann als erwiesen gelten, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststehe (z.B. VwGH 27.2.2014, 2012/15/0168; 19.3.2008, 2005/15/0072; VwSlg 8320/F; 23.2.2010, 2007/15/0292).
Bezogen auf diesen Fall heiße dies, dass für die verlängerte Verjährungsfrist auf Seiten der Bf. Vorsatz hätte vorliegen müssen, der jedoch völlig ausgeschlossen sei. Es gehe hier nicht um gänzlich unversteuert gebliebene Kapitalerträge, sondern darum, dass sie im "falschen" Staat versteuert worden seien, konkret in der Schweiz und nicht in Österreich. Dass ein steuerlicher Durchschnittsbürger dieses fachspezifische Wissen weder habe noch haben könne, verstehe sich von selbst. Der einzige Vorwurf, der der Bf. gemacht werden könne, sei der, keinen fachkundigen Rat eingeholt zu haben. Diese Unterlassung gehe über Fahrlässigkeit nicht hinaus, sodass es beim allgemeinen Verjährungsregime bleibe. Solcherart sei für die Einkommensteuer 2006 bereits relative Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 207 Abs. 1 erster Satz BAO).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. November 2017 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 20. Dezember 2016 als unbegründet ab.
Die Nichterklärung von Kapitaleinkünften aus Depots in der Schweiz würde den Tatbestand der hinterzogenen Abgaben erfüllen und zu der verlängerten Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 2 BAO führen. Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a FinStrG sei im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Unter Verletzung der ihr obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO werde durch das Nichterklären von Einkünften eine Verkürzung von Abgaben bewirkt. Für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung sei es erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch kenne und wisse, dass er unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen mache und dadurch der Steueranspruch beeinträchtigt werde. Nach dem Gesamtbild der Vermögensverhältnisse sei davon auszugehen, dass die Bf. die Steuerbarkeit der Kapitaleinkünfte gekannt habe. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge, auch von der potenziellen Steuerpflicht anfallender Erträge wisse. Hinsichtlich der wahrheitswidrigen Nichtangabe der ausländischen Einkünfte liege mindestens Eventualvorsatz vor (UFSW, GZ RV/1451-W/11 vom 11.10.2012, Krafft/Parz in UFS Journal 2013, 61).
Dagegen brachte die Bf. mit Eingabe vom 3. Jänner 2018 einen Vorlageantrag ein und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Das gesamte bisherige Vorbringen werde aufrecht gehalten, insbesondere werde der Verkürzungsvorsatz energisch bestritten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. Mai 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2006 vom 20. Dezember 2016 als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Feststellung der nicht erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen eine neu hervorgekommene Tatsache darstelle und somit eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 begründe.
Mit Eingabe vom 6. Juni 2018 beantragte die Bf. die Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages bis zum 15. Juni 2018. Mit Eingabe vom 8. Juni 2018 brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde vorgebracht, dass das Finanzamt vorerst - mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. November 2017 - nur über die Beschwerde gegen den Sachbescheid (Einkommensteuer 2006) abgesprochen habe, während die vorgelagerte Wiederaufnahme damals unberücksichtigt geblieben sei. Schon aus diesem Grund sei die dortige Beschwerdevorentscheidung (also jene vom 28.11.2017) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei klar und eindeutig:
"Eine Entscheidung in der Sache selbst über eine Berufung gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid ohne gleichzeitige Entscheidung über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid verstößt gegen § 307 Abs. 1 BAO" (VwGH 27.2.1980, 1596/78; 9.11.1983, 82/13/0038; 18.10.1988, 87/14/0173, VwSlg 6357/F)."
"Es widerspricht dem Gesetz, eine Berufung gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Diese inhaltliche Rechtswidrigkeit ist vom VwGH im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen wahrzunehmen." (VwGH 8.11.1988, 88/14/0135)."
"Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 8.11.1988, 88/14/0135, widerspricht es dem Gesetz, eine Berufung gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung der Berufungsbehörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten" (VwGH 24.6.2009, 2007/15/0041; 22.11.2012, 2012/15/0193, VwSlg 8771/F)."
Das treffe auch hier zu. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit in der Sache selbst strahle logischerweise auf die Wiederaufnahme aus.
Für die Einkommensteuer 2006 sei nach allgemeinem Regime bereits mit Jahresende 2012 relative Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 207 Abs. 1 BAO). Solcherart wäre dieser Eingriff in die Rechtskraft nur dann rechtens, wenn diese Abgabe vorsätzlich verkürzt - also hinterzogen - und dieser Nachweis anhand einer Vorfragenbeurteilung nach strafrechtlichen Grundsätzen und mit dem Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) als prozessuale Richtschnur (VwGH 19.3.2003, 2002/16/0190; 28.6.2012, 2009/16/0076; Ritz BAO 6 § 207 Tz 15 am Ende; Stoll BAO 2172) schlüssig erbracht worden ist. Doch steht dieser Nachweis noch immer aus, obwohl die maßgeblichen Hinterziehungskriterien - dazu zähle auch (oder gerade) der Vorsatz (z.B. VwGH 30.10.2003, 99/15/0098; 31.1.2018, Ra 2017/15/0059) - vom Finanzamt nachzuweisen seien (so schon VwGH 18.10.1988, 87/14/0173, VwSlg 6357/F). Dazu sei auf das bisherige, mehr oder minder unwidersprochen gebliebene Beschwerdevorbringen verwiesen.
Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.1998, 96/13/0033, VwSlg 7938/F, zufolge (vgl. den Hinweis darauf im Vorlageantrag zur Einkommensteuer 2006 vom 3.1.2018) könne aus der Tatsache der Erstattung einer Selbstanzeige nicht automatisch auf Vorsatz bei Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung geschlossen werden, weil - so die darin enthaltene selbstverstandene Botschaft - diese Rechtsfigur dann bei Fahrlässigkeitsdelikten ausgeschlossen wäre. Doch biete das Gesetz dafür keinen Anhaltspunkt. Solcherart hätte es schlüssiger Beweise samt konkreter und nachprüfbarer Tatsachenfeststellungen zur Schuldform bedurft, die es ebenfalls nicht gebe.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach der in der Selbstanzeige offengelegte Sachverhalt die Wiederaufnahme rechtfertige, sei richtig und falsch zugleich. Richtig deshalb, weil neue Tatsachen und/oder Beweise klassischer Wiederaufnahmegrund seien und eine Selbstanzeige solche enthalte. Falsch deshalb, weil die prinzipielle Zulässigkeit dieser Maßnahme nichts über deren Zulässigkeit im Einzelfall aussage. Dazu gehörten auch die Prozessvoraussetzungen, die bei relativer oder absoluter Festsetzungsverjährung nicht gegeben seien. Deren Eintritt sei in Abgabensachen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (vgl. VwGH 18.10.1988, 87/14/0173, VwSlg 6357/F).
Mit Eingabe vom 3. Mai 2019 zog die Bf. ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und wiederholte im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie betonte, speziell den Verkürzungsvorsatz zu bestreiten und verwies auf die mangelhafte Vorfragenbeurteilung des Finanzamtes sowie darauf, dass die Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme nach jener zum Sachbescheid ergangen sei.
Mit Erkenntnis vom 8. Mai 2019 hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, ließ die angefochtenen Bescheide unverändert und erklärte eine Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
Dagegen erhob die Bf. eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, welcher die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat. Die Darlegungen des Bundesfinanzgerichtes dazu, ob der Bf. Vorsatz zuzurechnen sei, würden sich als widersprüchlich erweisen. Mangels expliziter Sachverhaltsdarstellungen und beweiswürdigender Erwägungen zur entscheidenden Frage des Vorsatzes, mit welchen sich das Bundesfinanzgericht (insoweit disloziert) nur im Rahmen der rechtlichen Beurteilung beschäftigt habe - erscheine nicht klar, ob das Bundesfinanzgericht davon ausgehe, dass bei der Bf. kein Irrtum vorgelegen sei, oder ob es davon ausgehe, dass ein Irrtum zwar vorgelegen sei, dieser aber nicht entschuldbar sei, wobei auch der nicht entschuldbare Irrtum gemäß § 9 FinStrG Vorsatz ausschließe und somit nicht die Verlängerung der Verjährungsfrist begründe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Feststellungen
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
- 1. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 nahm das Finanzamt nach Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG durch die Bf. das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2006 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte - ebenfalls mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 - die Einkommensteuer für das Jahr 2006 fest.
Mit Eingabe vom 20. Jänner 2017 brachte die Bf. eine Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. November 2017 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 als unbegründet ab. Dagegen brachte die Bf. mit Eingabe vom 3. Jänner 2018 einen Vorlageantrag ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. Mai 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2006 als unbegründet ab. Nach bewilligter Fristverlängerung brachte die Bf. mit Eingabe vom 8. Juni 2018 einen Vorlageantrag ein.
Die Bf. rügt den Umstand, dass die Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Verfahrens zeitlich erst nach jener zum Sachbescheid und damit in unrichtiger Reihenfolge ergangen ist.
- 1. Einkommensteuer für das Jahr 2006
Die Bf. verfügte seit dem Jahr 2003 gemeinsam mit ihrem Ehegatten über ein Depot bei der UBS AG in der Schweiz, wo die gemeinsamen Ersparnisse veranlagt wurden.
Im November 2011 wurde das sich in diesem Depot befindende Vermögen in der Höhe von ca. 884.000 Euro nach Österreich übertragen.
Mangels Aufnahme der Schweizer Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuererklärungen in Österreich kam es infolge Erlassung eines unrichtigen Abgabenbescheides basierend auf einer unrichtigen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 zu einer Verkürzung an Einkommensteuer 2006 (bewirkt mit Zustellung des Erstbescheides vom 12. November 2007), damit ist der objektive Tatbestand einer Verkürzung einer bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe erfüllt (§ 33 Abs. 1, 3 lit. a FinStrG).
Das Bundesfinanzgericht hat im Rahmen der Vorfragenprüfung nach § 116 BAO das Vorliegen des für die Abgabehinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG erforderlichen Vorsatzes (§ 8 Abs. 1 FinStrG) zu prüfen. Die Bf. vermochte das Vorliegen eines das vorsätzliche Handeln ausschließenden Irrtums gemäß § 9 FinStrG - weder eines entschuldbaren noch eines nicht entschuldbaren - hinsichtlich der Steuerpflicht der Schweizer Kapitaleinkünfte in Österreich nicht darzulegen.
Von Seiten des Bundesfinanzgerichtes erfolgt daher die Feststellung, dass die Bf. die Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat (bedingter Vorsatz).
Mangels Vorliegens eines den Vorsatz ausschließenden Irrtums beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO (BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) zehn Jahre.
Beweiswürdigung
- 1. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
- 1. Einkommensteuer für das Jahr 2006
Unstrittig ist der Sachverhalt, wonach die Bf. in den Jahren 2003 bis 2011 Kapitalerträge aus ausländischen (Schweizer) Kapitalanlagen bezogen hat und mangels Aufnahme der Einkünfte in die Steuererklärungen die verfahrensgegenständlichen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich vor deren Bekanntgabe mittels Selbstanzeige nicht versteuert wurden. Der Zufluss an die Bf. und die Höhe der erzielten Einkünfte wurden nicht in Abrede gestellt.
Da die Bf. in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, wären auch die auf dem Depot der Schweizer Bank erwirtschafteten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich der Besteuerung zu unterwerfen gewesen.
Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG ist damit erfüllt, die Bf. hat unter Verletzung der ihr nach § 119 BAO obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Einreichung einer unrichtigen Jahreserklärung 2006 eine Verkürzung einer bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe (Einkommensteuer 2006) bewirkt.
Zur subjektiven Tatseite ist dem auf einen Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum abzielenden Einwand, die Bf. habe angenommen, dass das Vermögen und die Erträgnisse daraus ausschließlich im Ausland steuerpflichtig seien, wie folgt zu entgegnen:
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfügt, von der potenziellen Steuerpflicht anfallender Erträge weiß (BFG 29.04.2016, RV/7101345/2014). Von diesem Kenntnisstand kann auch bei jemandem, der - wie die Bf. - "ein steuerlicher Laie" ist, ausgegangen werden. Nach Lehre und Rechtsprechung kann bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen der Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 33 Rz 219, sowie VwGH 5.4.2001, 2000/15/0150 und VwGH 25.3.1999, 97/15/0056). Umso mehr muss dieser Grundsatz im Hinblick auf die akademische Ausbildung der Bf. sowie den Umfang der Vermögenstransaktionen daher auch hinsichtlich der Steuerpflicht der im Ausland erzielten Erträge aus den Vermögenstransaktion Gültigkeit besitzen.
In Anbetracht der bei der Schweizer Bank veranlagten Vermögenswerte kann es zudem als Erfahrungstatsache angesehen werden, dass die Bf. seitens der Bank entsprechend beraten wurde. Dass dabei die steuerliche Behandlung der Erträge kein Thema gewesen wäre, kann im Hinblick auf die Höhe der erzielten Erträge nur als abseits jeder Lebenserfahrung stehend angesehen werden, zumal eine wirtschaftlich denkende Anlegerin nicht nur die erzielbaren Erträge, sondern auch die steuerliche Belastung in ihre Überlegungen mit einbezieht.
Des Weiteren ist es im Hinblick auf die seit vielen Jahren in den Medien bzw. in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen bezüglich der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in Liechtenstein, der Schweiz udgl. angelegtem Kapitalvermögen als allgemein bekannt vorauszusetzen, dass die Schweiz zu den Ländern gehört, in denen im Streitjahr aufgrund ihres strengen Bankgeheimnisses und die ua. dadurch bewirkte "Abschirmwirkung" gegenüber ausländischen Steuerbehörden Vermögen in großem Umfang angelegt wurde, um es dem Zugriff der inländischen Steuerbehörde zu entziehen bzw. die daraus resultierenden Erträge "steuerschonend" zu lukrieren.
Jedenfalls seit dem EuGH-Urteil vom 15.07.2004, Rs Lenz, war die Besteuerung von ausländischen Kapitalerträgen immer wieder Thema in den Medien. Dass dies der Bf. entgangen wäre, obwohl sie selbst seit dem Jahr 2003 gemeinsam mit ihrem Ehegatten über ein Depot in der Schweiz verfügte, ist nicht plausibel.
Das Vorbringen der Bf., wonach sie gutgläubig der Auffassung gewesen wäre, ihre Schweizer Einkünfte seien in Österreich nicht zu versteuern, ist daher absolut realitätsfremd und unglaubhaft.
Es ist schließlich auch nicht erforderlich, dass ein Abgabepflichtiger über das für die Beurteilung steuerrechtlicher Sachverhalte nötige Detailwissen verfügt, ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass die Bf. die ausländischen Kapitalveranlagungen und die daraus resultierenden Erträge dem Finanzamt gänzlich verschwiegen hat, damit unrichtige Erklärungen abgegeben und sohin in Kauf genommen hat, dass die Besteuerung in Österreich nicht gesetzeskonform erfolgen kann, zumal das Finanzamt davon anderweitig keine Kenntnis erlangen konnte.
Von der Judikatur werden an die Wissenskomponente keine allzu strengen Maßstäbe angelegt. Demnach genügt es für den Hinterziehungsvorsatz des § 33 FinStrG, wenn der Bürger eine grundsätzliche Steuerpflicht seiner Zusatzeinkünfte ernstlich für möglich hält.
Werden Vermögenswerte in einem solchen Umfang in ein als Steueroase bekanntes Land transferiert und die Vermögensveranlagung im Ausland bzw. die daraus erzielten Erträge der Abgabenbehörde gänzlich verschwiegen, liegt es nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf der Hand, dass die Vermögensveranlagung im Ausland, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, zum Zwecke der Steuervermeidung erfolgt (vgl. VwGH 25.2.2015, 2011/13/0003). Besondere Umstände wurden weder von der Bf. ins Treffen geführt noch sind sie der Aktenlage zu entnehmen.
Bei dem Tatgeschehen, dass die Bf. über viele Jahre lang namhafte Zinsbeträge in der Schweiz bezogen und dem Fiskus verschwiegen hat und der immer wieder stark im Fokus der Öffentlichkeit stehenden medialen Berichterstattung zu Abgabenverkürzungen im Zusammenhang mit Geldanlagen in der Schweiz und in Liechtenstein sowie der zunehmenden gesellschaftlichen Ächtung der Länder, die diesen Praktiken Vorschub geleistet haben, wird der Behauptung der Bf., sie sei davon ausgegangen, dass die in der Schweiz erzielten Zinsen in Österreich nicht der Einkommensbesteuerung unterliegen würden, kein Glaube geschenkt. Ein vorsätzliches Handeln ausschließender Irrtum konnte damit nicht aufgezeigt werden. Nach Ansicht der erkennenden Richterin hat es die Bf. vielmehr ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass die in der Schweiz lukrierten Zinsen der österreichischen Einkommensbesteuerung entzogen wurden. Ihr Leugnen wird im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Schutzbehauptung angesehen.
Das Bundesfinanzgericht ist daher in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss gekommen, dass die Vorfrage einer hinterzogenen Abgabe nach § 116 BAO infolge des Vorliegens eines zumindest bedingt vorsätzlich begangenen Finanzvergehens zu bejahen war.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
- 1. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO setzt die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens u.a. voraus, dass die Kenntnis von (neu hervorgekommenen) Umständen allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Das Vorliegen von (tauglichen) Wiederaufnahmegründen steht im Beschwerdefall ebenso außer Streit, wie deren Eignung, im Spruch anders lautende Bescheide herbeizuführen. Auch die Ermessensübung des Finanzamtes wurde von der steuerlichen Vertretung nicht in Zweifel gezogen.
Soweit im Vorlageantrag vom 8. Juni 2018 gerügt wird, dass das Finanzamt vorerst - mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. November 2017 - nur über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 abgesprochen habe, während die Beschwerde gegen den vorgelagerten Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 unberücksichtigt geblieben sei, ist festzuhalten, dass dieses Vorbingen berechtigt ist.
Da rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge aber dazu führen, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt (vgl. Ritz, BAO6 , § 264, Tz 3) sowie Beschwerdevorentscheidungen mit der abschließenden Beschwerdeerledigung (gegenständliches Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes) außer Kraft treten (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, Anm. 10 und E 31 zu § 264 BAO sowie Ritz, BAO6, § 264, Tz 3 sowie VwGH 22.4.2009, 2007/15/0074) und die Bf. sowohl hinsichtlich des Wiederaufnahmebescheides betreffend Einkommensteuer 2006 als auch hinsichtlich des neuen Sachbescheides (Einkommensteuer 2006) jeweils einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde vom 20. Jänner 2017 gestellt hat, kann dieser Mangel im Verfahren vor dem Bundesfinanzgerichtes saniert werden, indem nun über den Wiederaufnahmebescheid und den neuen Sachbescheid gleichzeitig entschieden wird.
Der Umstand, dass das Finanzamt zunächst betreffend Sachbescheid und erst in der Folge betreffend Wiederaufnahme mittels Beschwerdevorentscheidung entschieden hat, bewirkt keine Rechtswidrigkeit (VwGH 11.12.2019, Ra 2019/13/0091).
Strittig bleibt somit im Ergebnis, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2006 aufgrund bereits eingetretener Verjährung unzulässig war oder nicht. Vor dem Hintergrund der unter 3.2. dargelegten Gründe stand der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2006 der Einwand der Verjährung aber nicht entgegen, sodass die belangte Behörde die iSd. § 304 BAO vor Eintritt der Verjährung zulässige amtswegige Wiederaufnahme des in Rede stehenden Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2006 zu Recht verfügt hat.
- 1. Einkommensteuer für das Jahr 2006
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist u.a. bei der Einkommensteuer fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO (BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) zehn Jahre.
Gemäß § 116 Abs. 1 BAO gilt: Sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, sind die Abgabenbehörden berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden, bewirkt.
Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbestand entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (bedingter Vorsatz).
"Bedingter Vorsatz" (dolus eventualis), der eine Untergrenze des Vorsatzes darstellt, ist dann gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, ja nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, d.h. als naheliegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist bzw. dessen Eintritt in Kauf nimmt (VwGH 17.12.1992, 91/16/0133 und 0136, VwGH 26.4.1994, 93/14/0052 oder VwGH 28.06.1995, 94/16/0282, mwN). Davon spricht man, wenn der Täter intellektuell erkannt hat, dass sein Verhalten zu einer Steuerverkürzung führen kann und er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rz 216, und die dort zitierte OGH- bzw. VwGH-Rechtsprechung).
Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).
Nach § 9 FinStrG in der Fassung BGBl. Nr. 571/1985 wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.
Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Liegt daher eine finanzstrafrechtliche Verurteilung nicht vor, hat die Abgabenbehörde über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden (VwGH 22.2.2012, 2009/16/0032, mwN).
Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus; die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (vgl. VwGH 26.2.2015, 2011/15/0121; VwGH 28.6.2012, 2009/16/0076; VwGH 22.2.2012, 2009/16/0032, mwN; VwGH 23.2.2010, 2007/15/0292).
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung ist daher entscheidend, ob neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung ausreichend festgestellte Sachverhaltselemente den Schluss darauf zulassen, dass das Entstehen der Abgabepflicht tatsächlich erkannt oder zumindest ernstlich für möglich gehalten worden war und damit eine auf eine Abgabenverkürzung gerichtete subjektive Einstellung bejaht werden kann. Auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) setzt eine solche (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung voraus (vgl. VwGH 18.9.1991, 91/13/0064).
Im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt; die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. VwGH 26.5.2011, 2011/16/0011, sowie VwGH 9.9.2004, 99/15/0250, mwN).
Unter Würdigung aller Sachverhaltselemente kommt das Bundesfinanzgericht nach seiner Überzeugung zur Vorfragenprüfung nach § 116 BAO zum Ergebnis, dass die Bf. sowohl eine Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht als auch die dadurch bewirkte Abgabenverkürzung ernstlich für möglich gehalten und die Abgabenverkürzung billigend in Kauf genommen hat, womit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO erfüllt war. Die Ausführungen der Bf. zum Vorliegen eines das vorsätzliche Handeln ausschließenden Irrtums hinsichtlich einer Steuerpflicht der Schweizer Kapitaleinkünfte in Österreich vermochten nicht zu überzeugen.
Damit hat die belangte Behörde zu Recht die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben herangezogen, zumal es dem Sinn der Verjährungsbestimmungen entspricht, dass für die Durchsetzung von Abgabenansprüchen ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, wenn der Abgabengläubiger keine Möglichkeit hatte, das Bestehen seines Abgabenanspruches zu erkennen (VwGH 14.7.1989, 86/17/0198).
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Vorliegen des im Beschwerdefall strittigen vorsätzlichen Verhaltens wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt; derartige nicht über den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.
Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am 25. Jänner 2021
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |