HinweisgeberInnenschutzgesetz

GesetzgebungPersonalrechtLass-KönczölMärz 2023

Umsetzung der RL 2019/1937/EU [zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden]; Pflicht für Unternehmen zur Einrichtung interner oder externer Meldestellen für anonyme Hinweise von Gesetzesverstößen; Schutz der Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen

Inkrafttreten

25.2.2023

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

24.2.2023

Betroffene Normen

HSchG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2023/6

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (Hinweisgeberlnnenschutzgesetz – HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden; BGBl I 2023/6 vom 24. 2. 2023 (695/BNR BlgNR 27. GP , AB 1921 BlgNR 27. GP , 3087/A BlgNR 27. GP 210/ME BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Das Gesetz dient der Umsetzung der RL 2019/1937/EU  des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, und hat zum Ziel, in Lebensbereichen von besonderem öffentlichen Interesse die Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten zu bestärken, indem Hinweisen auf Rechtsverletzungen einfache Verfahren mit vorhersehbaren Abläufen zur Verfügung stehen. Dabei sind Hinweisgeber und Personen in ihrem Umkreis vor persönlichen Nachteilen (Vergeltungsmaßnahmen) zu schützen und unbegründete oder ungerechtfertigte Verdächtigungen zu verhindern.

International ereignen sich nun schon seit Jahrzehnten als Whistleblowing – zum Teil prominente und in Medien stark vertretene – Fälle, in denen es Menschen mit Insiderwissen gelingt, Rechtsverletzungen mit beträchtlichem Schaden für die Allgemeinheit aufzudecken und durch ihr Aufdecken weiteren Schaden zu verhindern. Whistleblower („Hinweisgeber“) sind Personen, die aus ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Praktiken wie Betrug, Korruption, Gesundheits- oder Umweltgefährdungen erlangt haben und diese Informationen weitergeben. Der faktische Druck der Anfeindungen und der Verfolgung aufgrund von Rechtsvorschriften ist enorm.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie beschränkt sich vorerst auf die von der RL zwingend vorgegebenen Inhalte. Damit sollen die Belastungen, die für kleinere und mittlere Unternehmen mit den neuartigen Einrichtungen zur Ermöglichung des Whistleblowings verbunden sind, gering gehalten werden. Die Option einer späteren Erweiterung des sachlichen Geltungsbereichs und der Instrumente zur Unterstützung des Whistleblowings ist vorgesehen.

2. Geltungsbereich

2.1. Persönlicher Geltungsbereich

Umfasst vom HSchG sind Personen, die aufgrund ihrer laufenden oder früheren beruflichen Verbindung zu einem Rechtsträger des privaten oder des öffentlichen Sektors Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben (§ 2 Abs 1 HSchG). Diese Personen sind zB Arbeitnehmer, Stellenwerber, Praktikanten, selbstständige Personen oder Beamte. Arbeitnehmerähnliche Personen und freie Dienstnehmer fallen als selbstständig erwerbstätige Personen ebenfalls in den persönlichen Geltungsbereich des HSchG.

Der Hinweis muss die Qualität von Insiderwissen aufweisen, das nur über die berufliche Tätigkeit zu erlangen ist. Unbeteiligte Dritte unterliegen nicht dem Schutz des HSchG. Auch Personen im Umfeld eines Hinweisgebers, die, ohne selbst einen Hinweis nach dem HSchG gegeben zu haben, besonders als Opfer indirekter Vergeltungsmaßnahmen in Betracht kommen, unterliegen den Schutzbestimmungen. Zu diesem Personenkreis zählen Personen wie Betriebsräte und sonstige Arbeitnehmervertreter und va Arbeitskollegen und Verwandte des Hinweisgebers.

2.2. Sachlicher Geltungsbereich

Zur Einrichtung interner Meldestellen (zB „Whistleblowing-Hotline“) sind künftig juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie eingetragene Personengesellschaften ab 50 Beschäftigten verpflichtet, wobei je nach Unternehmensgröße folgender Zeitplan vorgesehen ist:

  • Für Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors mit 250 oder mehr Arbeitnehmern gilt eine 6-monatige Übergangsfrist, innerhalb derer die Einrichtung des Meldesystems erfolgen muss – somit müssen bis 25. 8. 2023 entsprechende Systeme eingerichtet sein.
  • Für Unternehmen und juristischen Personen mit weniger als 250 Beschäftigten gilt die Verpflichtung ab 17. 12. 2023.

Von der Hinweisgebung sind nach § 3 Abs 3 HSchG die Verletzung von Vorschriften in einem der folgenden Bereiche erfasst: öffentliches Auftragswesen; Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; Produktsicherheit und -konformität; Verkehrssicherheit; Umweltschutz; Strahlenschutz und nukleare Sicherheit; Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz; öffentliche Gesundheit; Verbraucherschutz; Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen; Verhinderung und Ahndung von Straftaten nach den §§ 302 bis 309 StGB (derzeit somit nicht Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften!).

§ 5 HSchG enthält Legaldefinitionen, um den Zentralbegriffen der RL in den Umsetzungsvorschriften einen möglichst eindeutigen Inhalt zu geben. Der Begriff „Unternehmen“ umfasst für den privaten Sektor jene Organisationseinheiten in Form juristischer Personen, die ab einer Größe von 50 Beschäftigten zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtet sind. Darunter fallen nicht nur gewinnorientiert, gewerblich, wirtschaftlich etc tätige Unternehmen iSd § 1 Abs 2 UGB, sondern auch Vereine und gemeinnützige Organisationen.

3. Schutzwürdigkeit von Hinweisgebern

Die Voraussetzungen (§ 6 HSchG) dafür, dass Hinweisgeber Anspruch auf Befassung der internen und der externen Stellen und ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Hinweises einen Anspruch auf den spezifischen Rechtsschutz haben, sind:

  • Dem Hinweisgeber liegt eine Information vor, die nach allgemeiner Erfahrung Richtigkeit für sich beanspruchen kann.
  • Die Information stellt einen Sachverhalt fest, der als solcher, wenn er tatsächlich vorliegt, nach allgemeiner Erfahrung und mit durchschnittlichem Allgemeinwissen, das juristische Kenntnisse nicht notwendig einschließt, den Verdacht einer Rechtsverletzung nahelegt.
  • Der Hinweisgeber ist subjektiv von der Richtigkeit der Information und der Verwirklichung des Sachverhalts überzeugt und kann als nicht rechtskundiger Mensch annehmen, dass das HSchG zur Anwendung kommt.
  • Der Hinweisgeber kann bei ungefährer Kenntnis der Vorschriften des HSchG annehmen, dass er zu den Personen gehört, die in den persönlichen Geltungsbereich fallen, und dass die vermutete Rechtsverletzung in einen der Rechtsbereiche des § 3 Abs 3 HSchG fällt.

Wesentlicher Inhalt rechtlicher Grundlagen der Hinweisgebung sind der Schutz der Identität der an der Hinweisgebung beteiligten oder von ihm betroffenen Personen und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Über den Kreis der unmittelbar mit einem Hinweis befassten Personen hinaus soll die Identität nur dann offen gelegt werden können, wenn dies im Rahmen behördlicher Untersuchungen, im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe und auf eine Gefährdung der Person des Hinweisgebers verhältnismäßig ist.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist für die Zwecke des HSchG zulässig, wobei die jeweiligen Bestimmungen der DSGVO einzuhalten sind.

4. Einrichtung interner und externer Meldestellen

Wesentlich ist die institutionelle Verankerung und Errichtung organisationsinterner Meldekanäle für mögliche Hinweise nach dem HSchG. § 11 Abs 1 HSchG geht vom Grundgedanken aus, dass es durchaus im Interesse der Organisationen selbst liegt, die internen Stellen so attraktiv zu gestalten, dass sich Hinweisgeber in erster Linie an die interne Stelle wenden und nicht an einen externen Meldekanal. Es bringt für die Organisation Vorteile, wenn ihr die Möglichkeit belassen bleibt, sich um rechtskonforme Vorgänge selbst zu bemühen.

Als Anforderungen an die Meldekanäle gelten gemäß § 13 HSchG:

  • Die internen Meldekanäle müssen über angemessene personelle und finanzielle Ressourcen verfügen.
  • Die verwendbare Technik und das zu verwendende Mittel der Kommunikation mit potenziellen Hinweisgebern ist nicht konkret vorgegeben, jedoch müssen die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt werden können, und die Hinweisgebersysteme müssen technisch und organisatorisch gemäß Art 25 der DSGVO geeignet sein.
  • Hinweise müssen der internen Stelle schriftlich oder mündlich oder in beiden Formen gegeben werden können.
  • Wenn es ein Hinweisgeber wünscht, muss spätestens innerhalb von 14 Kalendertagen eine mündliche Besprechung des Hinweises möglich sein.
  • Mitarbeiter der internen Stelle dürfen bei der Entgegennahme und Weiterverfolgung von Hinweisen nicht Weisungen unterworfen werden, sie müssen die Möglichkeit haben, unparteilich und unvoreingenommen vorzugehen.
  • Den Mitarbeitern in der internen Stelle muss es möglich sein, Hinweise auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und entsprechende Veranlassungen zu treffen, wenn sich ein Hinweis als zutreffend erweist.
  • Die internen Stellen müssen in der Lage sein, dem Hinweisgeber innerhalb von 3 Monaten eine Rückmeldung zu geben.

Nach § 12 HSchG wird die interne Hinweisgebung für alle Organisationseinheiten des Bundes (Organisationseinheiten des Bundesdienstes einschließlich nachgeordneter Dienststellen) grundsätzlich bei einer einzigen gemeinsamen internen Stelle, der Leiterin oder dem Leiter der Bundesdisziplinarbehörde, eingerichtet. Sonderregelungen bestehen für das Bundesministerium für Landesverteidigung und das Bundesministerium für Justiz, die jeweils interne Stelle für alle Hinweise sind, die in den jeweiligen Wirkungsbereich dieser Bundesministerien fallen oder die sich jeweils auf eine diesen Bundesministerien zuzuordnende Organisationseinheit beziehen.

Als zusätzliche Instrumente der Unterstützung der Hinweisgebung werden neben internen auch externe Meldekanäle eingerichtet werden (§ 14 ff HSchG). Dabei bleibt es den Hinweisgebern vorbehalten, ob sie sich an den internen oder direkt an die externe Meldestelle wenden. Im Sinne einer Zentrierung der externen Stellen ist das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung als einheitliche Stelle für externe Hinweise zuständig.

5. Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen

Maßnahmen, die in Vergeltung eines berechtigten Hinweises erfolgt sind, sind rechtsunwirksam (§ 20 HSchG). Solche Maßnahmen sind ua insbesondere:

  • SuspendierungKündigung oder vergleichbare Maßnahmen,
  • Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags,
  • vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen,
  • Herabstufung oder Versagung einer Beförderung,
  • Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Minderung des EntgeltsÄnderung der Arbeitszeit.

Die juristische oder natürliche Person, der die Vergeltungsmaßnahme zuzurechnen ist, ist zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, zum Ersatz des Vermögensschadens sowie zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.

Vergeltungsmaßnahmen, die zum Teil oder gänzlich nicht rückgängig gemacht werden können, wie zB Nötigung, Einschüchterung oder Zuweisung einer ärztlichen Behandlung, lösen in erster Linie Schadenersatzansprüche aus.

6. Strafbestimmungen

Für Verstöße gegen das HSchG drohen Verwaltungsstrafen bis zu € 20.000,- (im Wiederholungsfall bis zu € 40,000,-). Konkret begeht eine Verwaltungsübertretung, wer

  • einen Hinweisgeber, dessen Unterstützer oder Personen im Umkreis des Hinweisgebers im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung behindert oder zu behindern sucht oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzt,
  • eine Vergeltungsmaßnahme (§ 20 HSchG) der Hinweisgebung setzt,
  • die Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit verletzt,
  • wissentlich einen falschen Hinweis gibt.

Das Unterlassen der Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems durch Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Sektors steht unter keiner Strafdrohung.

 



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