VwGH Ro 2022/07/0001

VwGHRo 2022/07/000119.4.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des Dr. M G in W, vertreten durch Dr. Verena Schimka‑Gohn, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Parkring 12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. September 2021, Zl. VGW‑022/056/7942/2020‑1, betreffend Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §8
EURallg
PMG 2011
PMG 2011 §1 Abs2
PMG 2011 §15 Abs1 Z1
PMG 2011 §3 Abs1
VStG §24
VStG §44a Z1
VStG §5 Abs1
VStG §9
VStG §9 Abs1
VwGG §21 Abs1 Z4
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwRallg
32009R1107 Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln Art3 Z9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022070001.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag des Bundesamtes für Ernährungssicherheit auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 In Spruchpunkt I. des ‑ im Beschwerdeweg ergangenen ‑ angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes vom 21. September 2021 wurde dem Revisionswerber vorgehalten, er habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der F. GmbH & Co KG zu verantworten, dass das Pflanzenschutzmittel mit der Handelsbezeichnung „D S“ durch Verkauf am 11. März 2019 und am 12. April 2019 in Verkehr gebracht worden sei, ohne dass dessen Zusammensetzung der Zulassung entsprochen hätte. Der Revisionswerber habe daher § 3 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 (im Folgenden: PMG 2011) in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 übertreten. Gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 PMG 2011 wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,‑‑ (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Tag) verhängt.

2 Im Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für zulässig.

3 In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses ging das Verwaltungsgericht von folgendem festgestellten Sachverhalt aus:

4 Die F. GmbH & Co KG, deren vertretungsbefugtes Organ der Revisionswerber sei, sei eine Zwischenhändlerin von Pflanzenschutzmitteln. Es seien im vorliegenden Fall lediglich administrative Handelstätigkeiten (Verkauf) durchgeführt worden. Kontrollen vor Ort oder/und chemische Kontrollen der Pflanzenschutzmittel seien nicht vorgenommen worden.

5 Das Pflanzenschutzmittel „D S“ sei von der F. GmbH & Co KG im Vorfeld (nach Bestellung der S Agro GmbH bei der F. GmbH & Co KG) vom Importeur des Produkts, der S Europe b.v.b.a., gekauft worden. Die S Europe b.v.b.a. habe dieses Produkt daraufhin nach Österreich, direkt in ein dafür besonders ausgestattetes Lager (LLT) in K. geliefert. Das Produkt sei dann von der F. GmbH & Co KG am 11. März 2019 und am 8. April 2019 an die S. Agro GmbH mit Sitz in Österreich verkauft worden. Die Lieferung sei von LLT im Auftrag und auf Rechnung der F. GmbH & Co KG durchgeführt worden.

6 Die Vertriebsunternehmerin sei S. Europe b.v.b.a.; „D S“, ein Insektizid, sei vom Bundesamt für Ernährungssicherheit (im Folgenden: BAES) ab 19. November 2013 zugelassen. Die Zulassung sei zum Tatzeitpunkt aufrecht gewesen.

7 Dieses Pflanzenschutzmittel habe im Verkaufszeitpunkt nicht jene Zusammensetzung aufgewiesen, die im Rahmen der Zulassung dafür jedoch einzuhalten gewesen wäre.

8 Die bestehende Zulassung des vorliegenden Pflanzenschutzmittels ergebe sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Pflanzenschutzmittelregister, Nr. 3389‑0. Es bleibe unbestritten, dass der gemessene Gehalt von anderen Wirkstoffen, wie im Verfahren angelastet, vorgelegen sei und damit die Zusammensetzung nicht der Zulassung entsprochen habe. Unstrittig blieben auch die Verkaufs- und Liefervorgänge durch die F. GmbH & Co KG als Zwischenhändlerin ebenso wie die angelasteten Tatzeitpunkte sowie die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Revisionswerbers für die F. GmbH & Co KG. Entsprechende Zweifel seien im Verfahren nicht hervorgekommen.

9 Strafbar sei ‑ so führte das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines angefochtenen Erkenntnisses weiter aus ‑ ein Inverkehrsetzen von Pflanzenschutzmitteln, welche beim Inverkehrsetzen nicht der Zulassung entsprächen. Damit sei bei einer Inverkehrsetzung auf die Einhaltung der Bestimmungen des PMG 2011 zu achten.

10 Strittig sei gewesen, ob die F. GmbH & Co KG eine Inverkehrsetzungshandlung zu verantworten habe, oder ob dies ‑ wie der Revisionswerber vorgebracht habe ‑ lediglich die S. Europe b.v.b.a. als Importeur und Erstinverkehrsetzerin betreffe.

11 Schon aufgrund des klaren Wortlautes von Art. 3 Z 9 VO (EG) 1107/2009 sei ein Inverkehrsetzen nicht bloß die erstmalige Inverkehrsetzung durch Import aus einem Drittstaat, sondern auch ein Verkauf und sonstige Weitergabe innerhalb Österreichs. Bei der Frage des Inverkehrsetzens handle es sich daher um eine Art der Weitergabe des Produktes. Zu Fragen der Weitergabe habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. März 2015, Zl. 2012/07/0034, ausgeführt, dass ein „Inverkehrbringen“ durch „Verkaufen“ oder durch „jedes sonstige Überlassen an andere“ nicht bereits bei Vorliegen einer entsprechenden Willenseinigung, sondern erst bei tatsächlicher Einräumung der Gewahrsame (der Verfügungsmöglichkeit) über das Pflanzenschutzmittel ‑ etwa durch körperlicher Übergabe oder durch Besitzauflösung ‑ gegeben sei.

12 Dies ergebe sich gegenständlich beim „Verkauf“ aus der Bestellung und Lieferung. Beides sei vom Revisionswerber nicht bestritten worden. Demnach sei auch insbesondere die jeweilige Tatzeit als erwiesen festzustellen. Hinweise auf mögliche Gefahren einer Doppelbestrafung seien aus den Begleitumständen des vorliegenden Falles nicht hervorgekommen.

13 Entgegen der Annahme des Revisionswerbers sei nicht nur ein erstmaliges Inverkehrsetzen (durch Import) in Österreich eine relevante Inverkehrsetzungshandlung des Pflanzenschutzmittels, sondern umfasse dies jede Art von Weitergabe. Damit treffe die Pflicht zur Beachtung der einschlägigen Schutznormen alle innerhalb der Vertriebskette Beteiligten, so auch die F. GmbH & Co KG. Die unmittelbare körperliche Übergabe durch diese selbst sei dafür nicht erforderlich.

14 Es handle sich hier somit um „ein Inverkehrbringen durch Weitergabe durch Verkauf“.

15 Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, dass an die S. Agro GmbH verkauft worden sowie die Lieferung auf Auftrag und auf Kosten der F. GmbH & Co KG erfolgt sei. S. Agro GmbH habe darüber hinaus, wie sich auch unstrittig aus den vorgelegten Rechnungen und dem Akteninhalt ergebe, an die F. GmbH & Co KG bezahlt.

16 Es gebe daher keinen Zweifel, dass unter den vorliegenden Umständen eine Inverkehrsetzung durch die F. GmbH & Co KG gegeben sei.

17 Demnach wäre der Tatbestand des Inverkehrsetzens eines in der Form nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels erfüllt.

18 Die Verwaltungsübertretung des Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels durch Verkauf sei als Begehungsdelikt anzusehen. In einem solchen Fall sei der Tatort dort, wo die jeweilige als „Inverkehrbringen“ zu qualifizierende Handlung gesetzt worden sei. Gegenständlich sei die Inverkehrsetzung durch Verkauf angelastet worden. Der Tatort sei daher beim Sitz des Unternehmens in Wien zu sehen. Die Lieferung mit Ausgangspunkt LLT Lager in Niederösterreich sei demgegenüber nicht relevant. Das LLT Lager habe nur auf Auftrag und Rechnung der F. GmbH & Co KG gehandelt; sämtliche Entscheidungen hätten daher im Betrieb des Revisionswerbers stattgefunden.

19 Bestritten werde insbesondere, dass dem Revisionswerber ein Verschulden an der vorliegenden Übertretung treffe.

20 Es entspreche nun herrschender Rechtsprechung, dass der Verantwortliche, der persönlich nicht mehr sämtlichen Überwachungsaufgaben nachkommen könne, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von seinerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen habe, dass die im Unternehmen von den Beschäftigten zu beachtenden Vorschriften diesen nicht nur bekannt seien, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten würden. Nur wenn der Verantwortliche glaubhaft machen könne, dass die ihm angelastete Verwaltungsübertretung trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im Einzelnen darzulegenden Systems, ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt sei, könne ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden.

21 Dass ein internes Kontrollsystem vorgelegen sei, sei nicht dargelegt worden. Vielmehr sei der Revisionswerber davon ausgegangen, dass eine Kontrolle der Kennzeichnung und äußere Kontrolle durch das LLT Lager ausreiche und er zu Recht auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels (entsprechend der Zulassung) vertrauen hätte dürfen. Daher seien keinerlei Maßnahmen getroffen worden, um etwa das Inverkehrsetzen von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln hintanzuhalten.

22 Da der Revisionswerber nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihn an der vorliegenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, sei ohne Weiteres auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form von zumindest fahrlässigen Verhaltens auszugehen gewesen.

23 Die ordentliche Revision sei hinsichtlich der „Frage des Tatortes bei derartigen Begehungsdelikten“ zulässig.

24 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

25 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

26 Das BAES brachte ebenfalls einen Schriftsatz ein.

27 Der Revisionswerber erstattete eine ergänzende Eingabe.

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

29 Der Verwaltungsgerichtshof kann auch eine (ordentliche) Revision annehmen, die von einer anderen als der in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes in der Revision angesprochenen, grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt (VwGH 27.4.2017, Ro 2017/07/0007, mwN). In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr ‑ über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes hinaus ‑ als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (VwGH 31.3.2016, Ro 2016/07/0002, mwN).

30 Der Revisionswerber kommt in der Revision auf die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes nicht mehr zurück, behauptet aber in seinen Zulässigkeitsausführungen, dass sich das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Erkenntnis lediglich mit der Frage beschäftige, ob ein Inverkehrbringen durch die F. GmbH & Co KG im Sinne des PMG 2011 vorliege oder nicht. Die Frage, ob die F. GmbH & Co KG als Zwischenhändlerin gemäß den geltenden Rechtsbestimmungen des PMG 2011 und des Chemikaliengesetzes verpflichtet sei, chemische (Labor‑)Analysen ‑ wenn auch nur stichprobenartig ‑ von Pflanzenschutzmitteln durchführen zu lassen, habe das Verwaltungsgericht gänzlich außer Acht gelassen. Zu dieser Frage fehle es auch an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die F. GmbH & Co KG kenne als Zwischenhändlerin nämlich nicht die genaue (und geheime) Rezeptur des Pflanzenschutzmittels und könne somit auch nach Vorliegen einer Laboranalyse keine Aussage treffen, ob das Pflanzenschutzmittel der Zulassung entspreche. Zudem werde in keiner Form die Verpackung oder Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels verändert, berührt oder das Pflanzenschutzmittel selbst umgefüllt.

31 Der Verwaltungsgerichtshof habe ‑ so wird in den Zulässigkeitsausführungen der Revision weiter vorgebracht ‑ lediglich in seinem Erkenntnis vom 28. Februar 2013, 2011/07/0255, ausgesprochen, dass es keine Verpflichtung von Händlern gebe, jedenfalls chemische Untersuchungen durchzuführen. Im konkreten Fall sei damals eine Verpflichtung für eine chemische Analyse nur bejaht worden, weil bei den Vorlieferanten eine Umfüllung von Pflanzenschutzmitteln in neutrale Gefäße erfolgt sei. Im Gegenschluss ergebe sich, dass ein reiner Zwischenhändler sich bei originalverpackten Produkten, die vom Zulassungsinhaber hergestellt und ordnungsgemäß gekennzeichnet seien, darauf verlassen könne, dass das jeweilige Pflanzenschutzmittel der Zulassung entspreche.

32 Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes widerspreche diesem „Umkehrschluss“ und führe zu einem Widerspruch zu den Bestimmungen des PMG 2011 und des Chemikaliengesetzes. Es führe auch zu einer uneinheitlichen Behandlung von Zwischenhändlern „im Segment des Pflanzenschutzmittelhandels“ im Vergleich zu Zwischenhändlern im pharmazeutischen Bereich (etwa Apotheken), im Chemikalienbereich oder im Bereich des Lebensmittelhandels. In diesen Bereichen sei klargestellt, dass reine Zwischenhändler (wie etwa Apotheker oder der Lebensmitteleinzelhandel) keine (chemischen) Analysen der Waren durchführen müssten. Eine einheitliche Lösung für die Behandlung von Zwischenhändlern von gefährlichen Stoffen/Gemischen sowie von Medikamenten sei aber zur „Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung“ unbedingt erforderlich.

33 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen nicht begründet:

34 Die Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, wonach sich das Verwaltungsgericht lediglich mit der Frage, ob ein Inverkehrbringen durch die F. GmbH & Co KG im Sinne des PMG 2011 vorliege, befasst habe, erweist sich als unzutreffend. Neben der Lösung der Frage des „Inverkehrsetzens eines in der Form nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels“, die vom Revisionswerber nicht weiter in Zweifel gezogen wird, finden sich im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes auch Ausführungen zur subjektiven Tatseite.

35 Der Revisionswerber habe es demnach verabsäumt darzulegen, dass ein internes Kontrollsystem vorläge. Vielmehr sei der Revisionswerber davon ausgegangen, dass eine Kontrolle der Kennzeichnung und äußere Kontrolle durch das LLT Lager ausreiche und dass er auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels (entsprechend der Zulassung) vertrauen habe dürfen. Daher seien auch keinerlei Maßnahmen getroffen worden, um etwa das Inverkehrsetzen von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln hintanzuhalten.

36 Der Revisionswerber habe somit nicht glaubhaft gemacht, dass ihn an der vorliegenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Damit sei ohne Weiteres auch „vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form zumindest fahrlässigen Verhaltens auszugehen“.

37 § 3 und § 15 PMG 2011 idgF lauten auszugsweise wie folgt:

„Voraussetzungen für das Inverkehrbringen

§ 3. (1) Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe dürfen nur dann zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere gelagert oder vorrätig gehalten oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der darauf beruhenden Verordnungen und den Rechtsvorschriften der Europäischen Union entsprochen wird.

...

Straf‑, Schluss‑ und Übergangsbestimmungen

Strafbestimmungen

§ 15. (1) Sofern die Tat nicht nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. mit Geldstrafe bis zu € 15.000,‑‑, im Wiederholungsfall bis € 30.000,‑‑, wer

a) Tätigkeiten entgegen § 3 Abs. 1 oder 2 oder § 4 Abs. 1 ausübt,

...“

38 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhält, hat die F. GmbH & Co KG das revisionsgegenständliche Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht. Dies wird vom Revisionswerber auch nicht bestritten. Nach Art. 3 Z 9 VO (EG) 1107/2009 ist „Inverkehrbringen“ (auch) der Verkauf selbst. So ist es für ein Inverkehrbringen im Sinne von § 3 Abs. 1 PMG 2011 im Zusammenhang mit Art. 3 Z 9 VO (EG) 1107/2009 , deren Begriffsbestimmungen gemäß § 1 Abs. 2 PMG 2011 im PMG 2011 gelten, nicht erforderlich, dass der Verkäufer eines Pflanzenschutzmittels nach Abschluss des „Verpflichtungsgeschäftes“ die Ware selbst übergibt (vgl. schon zum insoweit inhaltsgleichen § 2 Abs. 10 PMG 1997 VwGH 26.3.2015, 2012/07/0034).

39 Beim „Inverkehrbringen“ des revisionsgegenständlichen Pflanzenschutzmittels handelt es sich um ein Begehungsdelikt (vgl. VwGH 23.10.2014, 2011/07/0202). Zum Tatbestand der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört somit weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr.

40 Damit liegt ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG vor. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere dass er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen oder ohne seinen Willen begangen wurden (vgl. VwGH 14.6.2012, 2009/10/0080 bis 0081, mwN).

41 Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulasse, dass sich der Unternehmer (Arbeitgeber, strafrechtlich Verantwortliche) aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es müsse ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf mögliche und zumutbare Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Dabei treffe ihn jedoch die Obliegenheit, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, dass seinen Anordnungen entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im Einzelnen darzulegen hat. Davon, dass der Verantwortliche das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft gemacht hat, könne nur gesprochen werden, wenn konkret dargelegt wird, in welcher Weise im Unternehmen sichergestellt wird, dass Verletzungen der in Rede stehenden Vorschriften vermieden bzw. Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden; insbesondere ist darzulegen, auf welche Weise der Verantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht verhindern konnte. Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt den oben dargestellten Anforderungen nicht (vgl. VwGH 19.2.2014, 2013/10/0206 bis 0207, mwN).

42 Dies hat zur Konsequenz, dass jeder Unternehmer (in Österreich) innerhalb der Vertriebskette für eine Übertretung des PMG 2011, die an das Inverkehrbringen anknüpft, in Anspruch genommen werden kann. Dies selbst dann, wenn die Sorgfaltspflichtverletzung auf eine vorgelagerte Vertriebsstufe (etwa das Importeurs) zurückzuführen ist (vgl. zum Lebensmittelrecht etwa VwGH 12.10.2020, Ro 2018/10/0047, mwN).

43 Der Revisionswerber hat es somit verabsäumt, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems im Einzelnen darzulegen. Der pauschale Verweis auf eine Kontrolle der Kennzeichnung und äußere Kontrolle durch das LLT Lager reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Der Revisionswerber konnte somit nicht zu Recht auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels (entsprechend der Zulassung) vertrauen. Das Verwaltungsgericht ging zutreffend vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form zumindest fahrlässigen Verhaltens aus.

44 Da der Revisionswerber das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht einmal im Ansatz glaubhaft machte, kann die Beantwortung der von ihm in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Frage, ob einem Zwischenhändler gemäß den geltenden Bestimmungen des PMG 2011 (strichprobenartige) chemische Laboranalysen auferlegt werden könnten, dahinstehen. Das PMG 2011 enthält nun zwar keine eindeutige Anordnung über die vom Revisionswerber angesprochenen Prüfpflichten, aber eine eindeutige Anordnung darüber, dass nur zugelassene Mittel in Verkehr gebracht werden dürfen (VwGH 28.2.2013, 2011/07/0255). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits festgehalten, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde ist, Anleitungen dahingehend zu geben, wie aufbauend auf den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien ein funktionierendes Kontrollsystem in einem Unternehmen bzw. Betrieb konkret zu gestalten ist, sondern zu überprüfen, ob auf dem Boden der Darlegungen der betroffenen Partei überhaupt ein Kontrollsystem in dem genannten Sinn gegeben ist bzw. ob das aufgezeigte Kontrollsystem hinreichend beachtet wurde, um mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen (vgl. etwa jüngst VwGH 31.1.2023, Ra 2023/02/0013, oder ausführlich VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, je mwN).

45 Auch der vom Revisionswerber konstatierte Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes zum hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013, 2011/07/0255, liegt nicht vor.

46 In diesem Erkenntnis nahm der Verwaltungsgerichtshof angesichts der Umfüllung von Pflanzenschutzmitteln in neutrale Gefäße ohne Etikett durch den Vorlieferanten eine Pflicht des Käufers zu einer chemischen Untersuchung an, um eine Überprüfung der Identität der Pflanzenschutzmittel mit der Chargenbezeichnung sicherstellen zu können.

47 Aus dieser in einem Einzelfall ergangenen Aussage des Verwaltungsgerichtshofes kann nun nicht der vom Revisionswerber angedachte Umkehrschluss gezogen werden. Vielmehr erübrigt es sich zum Ausmaß der Prüfpflichten des Revisionswerbers in der Konstellation des vorliegenden Revisionsfalles allein schon deswegen Stellung zu nehmen, weil er ‑ wie bereits ausgeführt ‑ seinen Verpflichtungen zur Darlegung eines Kontrollsystems nicht einmal im Ansatz nachgekommen ist.

48 Bestimmungen des Chemikaliengesetzes sowie der Behandlung von Zwischenhändlern „im Bereich des Lebensmittelhandels“ und „im pharmazeutischen Bereich“ kommt für die hier zu beantwortende Frage nach dem PMG 2011 ‑ entgegen den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung ‑ keine Relevanz zu. Entscheidend dafür ist allein das Regelwerk des PMG 2011 in Verbindung mit den dargestellten Überlegungen zum allgemeinen Verwaltungsstrafrecht.

49 Wenn der Revisionswerber ferner in einer ergänzenden Eingabe vom 27. Jänner 2022 unter Hinweis auf eine näher genannte Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte moniert, genügt der Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfüllt (vgl. VwGH 15.3.2023, Ra 2023/07/0035, mwN).

50 Die Revision war somit nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

51 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

52 Der Antrag des BAES auf Kostenersatz für die Einbringung der Gegenschrift wird abgewiesen, weil ihm als Amtspartei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend Übertretung des BMG 2011 gemäß § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG nicht die Stellung als mitbeteiligte Partei zukommt (vgl. VwGH 28.5.2014, 2011/07/0176, mwN).

Wien, am 19. April 2023

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