Normen
AVG §13 Abs8
BauO Wr ArtV Abs5 idF 2018/069
BauO Wr ArtV Abs6 idF 2018/069
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022050021.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 und der Bundeshauptstadt Wien € 553,20, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution, zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. September 2021 wurde der erstmitbeteiligten Partei für eine näher bezeichnete Liegenschaft in Wien die baubehördliche Bewilligung für näher beschriebene bauliche Änderungen, die Herstellung hofseitiger Aufzugsschächte und den näher beschriebenen Ausbau eines Dachgeschosses am Straßentrakt und am Hoftrakt des Bestandsgebäudes erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien, die nach den Feststellungen jeweils Miteigentümer einer an das Baugrundstück unmittelbar angrenzenden Liegenschaft sind, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer näher ausgeführten Spruchergänzung ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die Bewilligung unter Zugrundelegung näher bezeichneter Projektunterlagen erteilt werde. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, „ob im Fall einer an der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe anknüpfenden Bebauungsbestimmung über die zulässige Firsthöhe bei Anwendung der Ausnahmebestimmungen des Art. V Abs. 5 und Abs. 6 Bauordnung für Wien (BO) für Wien die ausgehend vom durch das Bauvorhaben nicht veränderten oberen Abschluss der Front bemessene Firsthöhe des neu zu errichtenden Daches zur Anbringung einer Wärmedämmung im Dachbereich um 30cm erhöht werden darf“.
3 Die vorliegende, gegen dieses Erkenntnis gerichtete ordentliche Revision wiederholt zu ihrer Zulässigkeit zum einen die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes und bringt ergänzend dazu zusammengefasst vor, es fehle Rechtsprechung zur neuen Textierung des Art. V Abs. 5 der BO für Wien; weiters liege keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob eine kumulative Anwendung der Bestimmungen des Art. V Abs. 5 und Abs. 6 leg. cit. zulässig sei, bzw. liege ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „in Bezug auf die Anwendung von Art V und Abs 5 und 6 BO für Wien“ vor. Außerdem liege keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob und inwiefern Nachbarn im Sinne des § 134 Abs. 3 der BO für Wien die Beachtung der Tatbestandsmerkmale „wenn diese den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen“in § 81 Abs. 6 zweiter Satz leg. cit. als subjektiv‑öffentliches Recht im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. b leg. cit. geltend machen können und es liege ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Gewährung einer Ausnahme gemäß § 81 Abs. 6 leg. cit. vor, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Schließlich liege auch ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Wesentlichkeit einer Projektänderung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG vor.
4 Die mitbeteiligten Parteien und die belangte Behörde erstatteten jeweils mit Anträgen auf Kostenersatz verbundene Revisionsbeantwortungen.
5 Die Revision ist unzulässig.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, mwN).
10 Zur Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes:
11 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. für viele etwa VwGH 21.10.2021, Ro 2021/01/0017, mwN).
12 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 17.11.2020, Ro 2020/07/0011, oder auch 4.7.2018, Ro 2018/10/0017, jeweils mwN).
13 Mit den allgemeinen Ausführungen im gegenständlichen Zulassungsausspruch des Verwaltungsgerichtes wird nicht ausreichend konkret und fallbezogen nachvollziehbar dargestellt, aus welchem Grund das Schicksal der Revision von der dort gestellten Frage abhängen sollte (vgl. etwa VwGH 16.9.2022, Ro 2022/05/0019; 19.6.2018, Ro 2016/06/0011; 28.2.2018, Ro 2015/06/0016; oder auch bereits 20.12.2016, Ro 2015/01/0010), weshalb die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes für sich genommen nicht zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision führt.
14 Zur Zulässigkeitsbegründung der revisionswerbenden Parteien:
15 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 4.5.2022, Ro 2022/06/0005, oder auch nochmals VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, mwN).
16 Die revisionswerbenden Parteien bringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, sowohl am Straßentrakt als auch am Hoftrakt des verfahrensgegenständlichen Gebäudes würden ‑ über die Ansteilung der Dachneigung gemäß Art. V Abs. 6 der BO für Wien hinaus ‑ die Dachkörper unter Bezugnahme auf Art. V Abs. 5 leg. cit. auch noch vertikal um 30 cm nach oben geschoben. Die Höherlegung von zuvor schon aufgeklappten Dachkörpern „bei einer die zulässige Gebäudehöhe massiv überschreitenden Bestandsgebäudehöhe“ sei nicht zulässig. Es fehle Rechtsprechung zur neuen Textierung des Art. V Abs. 5 der BO für Wien, es fehle Rechtsprechung dazu, ob eine kumulative Anwendung des Art. V Abs. 5 und Abs. 6 leg. cit. zulässig sei, und es liege ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „in Bezug auf die Anwendung von Art V und Abs 5 und 6 BO für Wien“ vor (Verweis auf VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0210; 25.9.2018, Ra 2018/05/0025, und 4.12.2020, Ra 2019/05/0294). Zur „angeblich“ kumulierbaren Anwendung der Bestimmungen des Art. V Abs. 5 BO für Wien mit Art. V Abs. 6 leg. cit. habe das Verwaltungsgericht „auf nicht näher angegebene Inhalte von Materialien zur Bauordnungsnovelle 2018“ verwiesen, diese Quelle aber weder nachvollziehbar bezeichnet, noch deren Inhalt angeführt.
17 Dazu ist zunächst Folgendes zu sagen:
18 Die Ausführung in der Zulässigkeitsbegründung, das Verwaltungsgericht habe zur Frage der Kumulation des Art. V Abs. 5 und Abs. 6 der BO für Wien weder die Quelle der herangezogenen Materialien bezeichnet, noch deren Inhalt angeführt, entspricht nicht den Tatsachen. Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis (S. 37 bis 51) ausführlichst mit der Frage der ‑ gleichzeitigen ‑ Anwendbarkeit der Art. V Abs. 5 und Abs. 6 der BO für Wien im Revisionsfall auseinandergesetzt und das Vorliegen der Voraussetzungen der Inanspruchnahme beider Ausnahmebestimmungen bejaht. Dabei hat sich das Verwaltungsgericht unter anderem auf die ‑ im Originaltext zitierten ‑ Erläuterungen zur Bauordnungsnovelle 2018, Beilage Nr. 27/2018, LG‑401807‑2018, gestützt und dies auch offengelegt (S. 41). In der Sache kam es unter Beiziehung eines bautechnischen Amtssachverständigen nach Führung eines mängelfreien Verfahrens mit detaillierter Begründung zu dem Ergebnis, dass die fallbezogen zulässige Gebäudehöhe durch das revisionsgegenständliche Bauprojekt nicht überschritten wird. Diesen inhaltlichen Ausführungen setzen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts Substantielles entgegen, sondern ziehen sich (bloß) auf den bereits oben genannten Standpunkt zurück, es gebe keine Rechtsprechung zu Art. V Abs. 5 der BO für Wien bzw. dazu, ob fallbezogen Art. V Abs. 5 und Abs. 6 leg. cit. kumulativ anwendbar seien, bzw. (insofern widersprüchlich), die diesbezügliche Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes (S. 6, 39), dass das verfahrensgegenständliche Gebäude bereits vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 33/2004 (vgl. Art. V Abs. 5 BO für Wien) und damit auch vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2014 (vgl. Art. V Abs. 6 leg. cit.) bestand (weshalb eine Anwendung der Ausnahmebestimmungen sowohl des Art. V Abs. 5 und als auch des Art. V Abs. 6 der BO für Wien grundsätzlich in Betracht kommt), treten die revisionswerbenden Parteien nicht entgegen.
19 Art. V Abs. 5 und 6 der BO für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der im Revisionsfall (aufgrund des Antragszeitpunktes am 14. April 2020) maßgeblichen Fassung der Bauordnungsnovelle 2018, LGBl. Nr. 69/2018, lautet:
„ARTIKEL V
[...]
(5) An zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle LGBl. für Wien Nr. 33/2004 bereits bestehenden Gebäuden dürfen Wärmedämmungen bis 20 cm über Fluchtlinien und in Abstandsflächen sowie in Abstände gemäß § 79 Abs. 5 vorragen. Zur Anbringung einer Wärmedämmung, zur Herstellung einer Hinterlüftungsebene oder einer Kombination dieser Maßnahmen darf bei diesen Gebäuden die bestehende Gebäudehöhe bzw. der oberste Gebäudeabschluss um nicht mehr als 30 cm überschritten werden.
(6) Bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle 2014 bereits bestehenden Gebäuden sind, soweit städtebauliche Rücksichten nicht entgegenstehen, Bauführungen zur Schaffung oder Erweiterung eines Dachraumes für die Errichtung von Wohnungen durch Erhöhung der Dachneigung bis zum Erreichen des Gebäudeumrisses gemäß § 81 Abs. 4 auch dann zulässig, wenn dadurch die zulässige Gebäudehöhe, Bestimmungen des Bebauungsplanes über die gärtnerische Ausgestaltung der Grundfläche, die Herstellung von Flachdächern oder Baufluchtlinien nicht eingehalten werden; die bestehende Gebäudehöhe darf durch solche Bauführungen unbeschadet des Abs. 5 nicht überschritten werden. § 68 Abs. 1 findet Anwendung.“
20 Art. V Abs. 5 der BO für Wien in der im Revisionsfall nicht mehr anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 25/2014 (vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2018) lautete (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„ARTIKEL V
[...]
(5) An zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle LGBl. für Wien Nr. 33/2004 bereits bestehenden Gebäuden dürfen Wärmedämmungen bis 20 cm über Fluchtlinien und in Abstandsflächen sowie in Abstände gemäß § 79 Abs. 5 vorragen. Die Dachhaut dieser Gebäude darf zur Anbringung einer Wärmedämmung, zur Herstellung einer Hinterlüftungsebene oder einer Kombination dieser Maßnahmen angehoben werden, wobei dadurch weder die bestehende Gebäudehöhe noch der oberste Gebäudeabschluss um mehr als 30 cm überschritten werden darf.
[...]“
21 Wie bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (S. 40) zutreffend ausgeführt hat, wurde der Wortlaut des Art. V Abs. 5 der BO für Wien durch die Bauordnungsnovelle 2018 dahingehend abgeändert, dass bei Inanspruchnahme dieser Ausnahmebestimmung nicht mehr nur die „Anhebung der Dachhaut“ bis zu einem bestimmten Ausmaß zulässig ist (vgl. hierzu, also zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2018 dagegen VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0210), sondern nunmehr nach dem Gesetzeswortlaut zur Anbringung einer Wärmedämmung bzw. Hinterlüftungsebene die bestehende Gebäudehöhe bzw. der oberste Gebäudeabschluss um bis zu 30 cm überschritten werden darf.
22 Die bereits oben (Rn. 18) genannten Erläuterungen zur Bauordnungsnovelle 2018 (Beilage Nr. 27/2018, LG‑401807‑2018, S. 4) führen zu Art. V Abs. 5 BO für Wien in der neuen Fassung LGBl. Nr. 69/2018 (u.a.) Folgendes aus:
„[...]
Die Anhebung einer bestehenden Dachhaut im wörtlichen Sinne ist aus bautechnischer Sicht kaum oder gar nicht realisierbar. In der Praxis wird im Zuge der Anbringung einer Wärmedämmung, der Herstellung einer Hinterlüftungsebene oder einer Kombination dieser Maßnahmen die bestehende Dachhaut bzw. ‑ in Kombination mit der Ansteilung eines Daches gemäß Abs. 6 ‑ die gesamte Dachkonstruktion abgetragen und ‑ im Regelfall mit neuen Materialien ‑ neu errichtet. Die Änderung des Abs. 5 trägt dieser Praxis Rechnung (vgl. dazu auch VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0210).
[...]“
23 Dem Willen des Gesetzgebers ‑ der in den wiedergegebenen Erläuterungen selbst ausdrücklich auf eine Kombination der Inanspruchnahme des Art. V Abs. 5 BO für Wien und des Abs. 6 leg. cit im Zuge der Ansteilung des betreffenden Daches verweist ‑ ist damit zur vorliegend maßgeblichen Rechtslage nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2018 eindeutig zu entnehmen, dass (nunmehr) eine kumulierte Inanspruchnahme der beiden in Rede stehenden Bestimmungen zulässig sein soll. Auch aus dem nunmehrigen Gesetzestext selbst ergibt sich nicht, dass und aus welchem Grund bei Anwendung des Art. V Abs. 6 BO für Wien die Anwendung von Art. V Abs. 5 leg. cit. ausgeschlossen sein sollte. Wie den zitierten Gesetzesmaterialien weiters klar zu entnehmen ist, erfolgte die Neufassung des Art. V Abs. 5 BO für Wien gerade in Reaktion auf das von den revisionswerbenden Parteien für ihre Rechtsauffassung u.a. ins Treffen geführte, jedoch zur „alten“ und daher hier gerade nicht mehr maßgeblichen Rechtslage ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018, Ra 2017/05/0210). Die Berufung auf dieses Erkenntnis verhilft der Revision daher genausowenig zur Zulässigkeit wie die Berufung auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 2018, Ra 2018/05/0025, und vom 4. Dezember 2020, Ra 2019/05/0294, die zum einen ebenso zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2018 ergangen sind und aus denen zum anderen für den Rechtsstandpunkt der revisionswerbenden Parteien schon mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nichts zu gewinnen ist.
24 Soweit die revisionswerbenden Parteien nicht ein Abweichen, sondern ein Fehlen von Rechtsprechung (zu Art. V Abs. 5 BO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 69/2018 bzw. zur Frage der kumulativen Anwendung der genannten Gesetzesbestimmung mit Art. V Abs. 6 leg. cit.) ins Treffen führen, ist die Rechtslage nach dem oben in Rn. 19 bis 23 Ausgeführten eindeutig. Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision; eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt unter anderem dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. für viele etwa VwGH 2.9.2021, Ra 2018/04/0085; 16.2.2021, Ra 2020/10/0147; 20.12.2019, Ra 2019/10/0124; 15.5.2019, Ro 2019/01/0006; 11.12.2017, Ra 2015/11/0102, oder bereits 28.10.2015, Ra 2015/10/0095, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG wird daher in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.
25 Was das zur Zulässigkeit der Revision weiters erstattete Vorbringen zu § 81 Abs. 6 BO für Wien betrifft, übersehen die revisionswerbenden Parteien, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (S. 52) mit näherer Begründung und unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt hat, dass die beim gegenständlichen Bauvorhaben projektierten raumbildenden Dachaufbauten nicht an den östlichen und westlichen Fronten des Gebäudes geplant und von diesen außerdem abgerückt sind, weshalb eine Verletzung von Nachbarrechten der revisionswerbenden Parteien weder bezüglich der raumbildenden Dachaufbauten an der Straßenfront und den Hoffronten, noch bezüglich der hinter den Dachaufbauten der Hoffront liegenden, niedrigeren Treppenhausaufbauten in Frage kommt. Dem treten die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegen. Der Frage, „ob und inwiefern Nachbarn iSd § 134 Abs 3 BO die Beachtung der Tatbestandsmerkmale ‚wenn diese den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen‘ in § 81 Abs. 6 zweiter Satz BO ‑ welche die Zulässigkeit ‚weiterer raumbildender Aufbauten‘ beschränken ‑ als subjektiv‑öffentliches Recht iSd § 134a Abs. 1 lit. b BO geltend machen können“, kommt daher im Revisionsfall keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Hinsichtlich nicht raumbildender Gebäudeteile untergeordneten Ausmaßes im Sinne des § 81 Abs. 6 erster Halbsatz BO für Wien enthält die Revision kein konkretes Zulässigkeitsvorbringen.
26 Wenn zur Zulässigkeit der Revision schließlich vorgebracht wird, es liege ein Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf die Wesentlichkeit einer Projektänderung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG vor, wird dies zwar behauptet, aber sachverhaltsbezogen nicht näher dargestellt. Das Verwaltungsgericht hat zur Frage der Zulässigkeit der vorgenommenen Projektänderungen im angefochtenen Erkenntnis (S. 60) mit näherer Begründung und wiederum unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass keine Erweiterung oder substantielle Änderung des Projektes erfolgt sei, sondern die vorgenommenen Modifikationen nur den Wegfall bestimmter Bauteile und Ausbesserungen bzw. Ergänzungen von fehlerhaften bzw. zuvor widersprüchlichen Darstellungen betrafen, weshalb durch die vorgenommenen Projektänderungen die Grenzen des § 13 Abs. 8 AVG nicht überschritten worden seien. Dem setzt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts entgegen.
27 Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betrifft die Frage, ob ein Projekt nach einer Projektmodifikation die Sache ihrem Wesen nach im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG geändert hat, eine Beurteilung des Einzelfalles. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. für viele etwa VwGH 3.2.2021, Ra 2021/05/0006, mwN). Derartiges zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung wie erwähnt nicht ansatzweise auf; der Verweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.9.2010, 2009/05/0316 und vom 16.2.2021, Ro 2021/06/0001, die jeweils zu anderen Verfahrenskonstellationen als gegenständlich ergangen sind, ist nicht zielführend. Bemerkt wird, dass die bloße Tatsache einer mehrmaligen Projektmodifikation für sich allein genommen noch nicht zwangsläufig bewirkt, dass eine Sache im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG ihrem Wesen nach geändert wird.
28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Jänner 2023
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