VwGH Ra 2020/10/0147

VwGHRa 2020/10/014716.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der J G in L, vertreten durch Dr.in Elfgund Abel‑Frischenschlager, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Marienstraße 13/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 25. August 2020, Zl. LVwG‑350809/4/GS/TO, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z2 lita
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs5
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100147.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. August 2020 erkannte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ der Revisionswerberin (soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse) ab dem 6. März 2020 Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhaltes sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Form von monatlichen Leistungen in der Höhe des Richtsatzes „für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen“ gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. Sozialhilfe‑Ausführungsgesetz ‑ Oö. SOHAG (in der Fassung des LGBl. Nr. 6/2020) zu, wobei es die Revision nicht zuließ.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, die Revisionswerberin lebe seit 6. März 2020 in einer bestimmten Einrichtung eines Vereins für psychosoziale Dienste in einer Wohngemeinschaft. Dabei handle es sich um ein teilbetreutes Übergangswohnen mit zeitlich befristeter Wohnmöglichkeit.

3 Bei dieser Unterkunft handle es sich um eine Wohngemeinschaft mit sechs Bewohnern pro Stockwerk, wobei jeder über ein Einzelzimmer verfüge. Die Küchen‑ bzw. Sanitärräumlichkeiten und die Waschmaschine in der Waschküche würden von allen Stockwerkbewohnern gemeinsam genutzt. Es lägen keine besonderen Umstände vor, aus denen eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung der Revisionswerberin mit den anderen Bewohnern der Einrichtung ausgeschlossen werden könne.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die belangte Behörde sei ‑ entgegen dem Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin ‑ zu Recht von einer Haushaltsgemeinschaft im Sinn des § 7 Abs. 5 (erster Satz) Oö. SOHAG ausgegangen, was zur Anwendung des Richtsatzes gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG geführt habe:

5 Zunächst sei festzuhalten, dass in § 7 Abs. 6 Oö. SOHAG für Wohnformen wie die vorliegende festgelegt sei, dass für volljährige Personen, die in Einrichtungen gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 Oö. Chancengleichheitsgesetz untergebracht seien, „grundsätzlich“ der Richtsatz gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG heranzuziehen sei. Nach den Gesetzesmaterialien dazu könne in Fällen, in denen die Annahme des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft widerlegt werde, sehr wohl auch der Richtsatz für alleinstehende Personen nach § 7 Abs. 2 Z 1 Oö. SOHAG zur Anwendung gelangen.

6 Zur Haushaltsgemeinschaft im Sinn des § 7 Abs. 5 Oö. SOHAG führten die Gesetzesmaterialen (Oö. Landtag: Beilage 1180/2019, XXVIII. GP, S. 12) wie folgt aus:

„Abs. 5 enthält eine Definition der Haushaltsgemeinschaft. Die grundsätzliche Annahme, dass mehrere in einer Wohneinheit oder sonstigen Wohngemeinschaft lebende Personen eine Haushaltsgemeinschaft bilden, ist auf Grund der damit regelmäßig verbundenen Kostenersparnis gerechtfertigt. Es spielt daher keine Rolle, ob zwischen den im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen oder nicht. Anderes gilt jedoch, sofern auf Grund besonderer Umstände eine (teilweise) gemeinsame Wirtschaftsführung ausgeschlossen werden kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn die zur (Unter‑)Miete lebende Person des Zimmers einer Wohneinheit nachweist, dass sie die gemeinsamen Einrichtungen des Haushalts (Küche, Badezimmer, Waschmaschine o.dgl.) auf Grund besonderer Lebensumstände nicht mitbenützt, sondern die betreffenden Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheit befriedigt werden (vgl. VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020). Ein besonderes Augenmerk ist in der Praxis dabei auf Einrichtungen zu legen, in denen mehrere Personen leben bzw. untergebracht sind (wie zB Frauenhäuser). Sofern in derartigen Einrichtungen abgetrennte Wohneinheiten zur Verfügung stehen oder ein gemeinsames Wirtschaften bereits auf Grund der besonderen persönlichen Situation, in der sich die hilfesuchenden Personen befinden, nicht vorausgesetzt werden kann, wird die Annahme des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft regelmäßig nicht zutreffend sein und in solchen Fällen der Richtsatz für alleinstehende/alleinerziehende Personen gemäß Abs. 2 Z 1 zur Anwendung gelangen.“

7 Der Verwaltungsgerichtshof ‑ so das Verwaltungsgericht weiter ‑ habe ausgesprochen, dass eine Konstellation, die nicht dadurch gekennzeichnet sei, dass eine allein bewohnte Wohnung alle zur Haushaltsführung notwendigen Einrichtungen aufweise, die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft rechtfertige (Hinweis auf VwGH 31.1.2018, Ra 2017/10/0213).

8 Im vorliegenden Fall würden die persönlichen Bedürfnisse wie Kochen und Körperreinigung in den von allen Stockwerksbewohnern gemeinsam genutzten Sanitär‑ und Küchenbereichen befriedigt; die Wäsche werde in der gemeinschaftlich genutzten Waschmaschine in der Waschküche gewaschen. Die Revisionswerberin habe nicht aufgezeigt, dass eine gemeinsame Wirtschaftsführung aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen werden könne.

9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 3.1. Die Revisionswerberin erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem „subjektiven Recht auf Anwendung des Richtsatzes gem § 7 Abs 2 Z 1 Oö SOHAG“ („für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person“) verletzt.

13 Sie bringt dazu in den Zulässigkeitsausführungen ihrer außerordentlichen Revision vor, es liege keine hg. Rechtsprechung zu § 7 Abs. 6 Oö. SOHAG vor, nämlich zur Frage, „unter welchen Parametern die gesetzliche Annahme einer Haushaltsgemeinschaft greift, wenn Menschen mit Behinderung in therapeutisch betreuten Wohngemeinschaften leben“. Die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis u.a. auf VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020, sowie 31.1.2018, Ra 2017/10/0213) beschäftige sich nicht mit „therapeutischen Einrichtungen, die in Oö SOHAG eine Sonderregelung erfahren haben“; die genannte Rechtsprechung sei „nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf Menschen anwendbar, die in therapeutischen Einrichtungen leben“ (Hinweis ebenfalls auf Oö. Landtag: Beilage 1180/2019, XXVIII. GP, S. 12).

14 3.2. Damit wird jedoch keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

15 Gemäß § 7 Abs. 5 erster Satz Oö. SOHAG bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, „soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann“, eine „Haushaltsgemeinschaft“.

16 Solche „besonderen Umstände“ liegen nach den schon vom Verwaltungsgericht wiedergegebenen Gesetzesmaterialien (Oö. Landtag: Beilage 1180/2019, XXVIII. GP, S. 12) etwa dann vor, „wenn die zur (Unter‑) Miete lebende Person des Zimmers einer Wohneinheit nachweist, dass sie die gemeinsamen Einrichtungen des Haushalts (Küche, Badezimmer, Waschmaschine o.dgl.) auf Grund besonderer Lebensumstände nicht mitbenützt, sondern die betreffenden Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheit befriedigt werden“.

17 In diesem Zusammenhang wird in den Gesetzesmaterialien auf das hg. Erkenntnis 2012/10/0020 verwiesen, dem zufolge eine gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen etwa dann gegeben ist, wenn der (Unter‑) Mieter auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind, wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine, mitbenützt.

18 Angesichts der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen (vgl. insbesondere oben Rz 2 und 3) entspricht die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Anwendung des Richtsatzes gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a Oö. SOHAG „für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen“ somit der eindeutigen Rechtslage, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorliegt (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0188, mwN).

19 3.3. Die Behauptung der Revisionswerberin, die erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (2012/10/0020 u.a.) sei „nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf Menschen anwendbar, die in therapeutischen Einrichtungen leben“, steht zum einen im Widerspruch zu dem in der Gesetzesnorm des § 7 Abs. 6 Oö. SOHAG festgelegten Grundsatz, auf welchen schon das Verwaltungsgericht hingewiesen hat (vgl. oben Rz 5); zum anderen ist Derartiges auch aus der Bezugnahme der Gesetzesmaterialien auf „Einrichtungen, in denen mehrere Personen leben bzw. untergebracht sind“ (vgl. oben Rz 6), gerade nicht ableitbar, zumal darin (u.a.) auf „abgetrennte Wohneinheiten“ abgestellt wird.

20 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2021

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