VwGH Ra 2017/10/0213

VwGHRa 2017/10/021331.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung in 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 17. Oktober 2017, Zl. LVwG-AV-283/001-2017, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Scheibbs; mitbeteiligte Partei: M K in G), den Beschluss gefasst:

Normen

MSG NÖ 2010 §11 Abs1;
MSV NÖ 2010 §1 Abs1 Z2 lita;
MSV NÖ 2010 §1 Abs1;
MSV NÖ 2010 §1 Abs2 Z2 lita;
MSV NÖ 2010 §1 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem mit der vorliegenden außerordentlichen Revision angefochtenen Erkenntnis vom 17. Oktober 2017 erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dem Mitbeteiligten - infolge dessen Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2017 - für den Monat Jänner 2017 eine aliquote Geldleistung in Höhe von EUR 143,56 sowie vom 1. Februar 2017 bis 31. Dezember 2017 eine monatliche Geldleistung in Höhe von jeweils EUR 833,35 (statt der von der belangten Behörde zuerkannten EUR 331,25) nach dem NÖ Mindestsicherungsgesetz - NÖ MSG zu, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.

2 1.1. Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht die - unstrittigen - Feststellungen zugrunde, der Mitbeteiligte, der über kein Einkommen oder Vermögen verfüge, habe am 17. Jänner 2017 einen Antrag auf Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs nach dem NÖ MSG gestellt.

3 Er bewohne in einem Haus an einer bestimmten Anschrift eine im 1. Stock gelegene Wohnung, welche von den Räumlichkeiten (im Erdgeschoß) abgetrennt sei, alleine. Diese Wohnung bestehe aus einem Wohnraum, einer Kochgelegenheit, Bad und WC; dafür bezahle der Mitbeteiligte seinem Onkel F.B. eine monatliche Miete in Höhe von EUR 200,--.

4 F.B., ein weiterer Onkel und die Großmutter des Mitbeteiligten bewohnten das Erdgeschoß des Hauses, wo diesen jeweils ein eigenes Zimmer und eine gemeinsame Küche zur Verfügung stehe. Im Erdgeschoß gebe es kein eigenes WC und keine Dusche, weshalb die Großmutter und die zwei Onkel des Mitbeteiligten das Bad und das WC in der Wohnung des Mitbeteiligten mitbenützten. Der Mitbeteiligte benütze demgegenüber keine Einrichtungen außerhalb seiner Wohnung.

5 1.2. In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - davon aus, dass der Mitbeteiligte Anspruch auf die Mindeststandards gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 NÖ MSG (für "alleinstehende Personen") und nicht - wie die belangte Behörde vertreten hatte - die Mindeststandards gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 NÖ MSG (für "volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben") habe. Dementsprechend erkannte das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten Mindestsicherung ausgehend von den Mindeststandards für "Alleinstehende" gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 NÖ Mindeststandardverordnung - NÖ MSV zu.

6 In diesem Zusammenhang befasste sich das Verwaltungsgericht mit der hg. Rechtsprechung zum Begriff des "gemeinsamen Haushaltes" gemäß § 1 Abs. 1 und 2 NÖ MSV (VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020, und 11.8.2017, Ra 2016/10/0092) und gelangte zu dem Ergebnis, der von ihm zu beurteilende Sachverhalt unterscheide sich insbesondere von der dem hg. Erkenntnis zur Zl. Ra 2016/10/0092 zugrunde liegenden Konstellation dadurch, dass es vorliegend nicht zu einer deutlichen Kostenersparnis auf Seiten des Mitbeteiligten komme.

7 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 3.1. Die vorliegende außerordentliche Revision, welche die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt, zieht die oben (unter Punkt 1.1.) wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht in Zweifel.

11 In den gesonderten Zulässigkeitsausführungen der Revision wird eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von näher zitierter hg. Rechtsprechung zum Begriff des gemeinsamen Haushaltes im Sinn des NÖ MSG (insbesondere VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020, sowie VwGH 11.8.2017, Ra 2016/10/0092) behauptet.

12 3.2. Eine Abweichung von dieser Judikatur liegt allerdings angesichts des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhaltes nicht vor:

13 Wie die Revisionswerberin zunächst zutreffend ausführt, ist für den Begriff des "gemeinsamen Haushaltes" gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ MSV entscheidend, dass das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob - zumindest in Teilbereichen - eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht. Eine solche gemeinsame Wirtschaftsführung in Teilbereichen ist etwa dann anzunehmen, wenn der Untermieter eines Zimmers in einem Wohnhaus auch Einrichtungen, die für die Haushaltsführung notwendig sind (wie etwa Küche, Badezimmer oder Waschmaschine), mitbenützt (vgl. VwGH 11.8.2017, Ra 2016/10/0092, mwN).

14 Eine derartige Konstellation liegt im vorliegenden Fall, in dem der Mitbeteiligte in der von ihm alleine bewohnten Wohnung alle zur Haushaltsführung notwendigen Einrichtungen - nämlich vorliegend Wohnraum, Kochgelegenheit, Bad und WC - zur Verfügung hat und benützt, gerade nicht vor. Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ist auch nicht ersichtlich, dass die Tatsache, dass WC und Bad in der Wohnung des Mitbeteiligten von dessen im Erdgeschoß des Hauses wohnenden Familienangehörigen mitbenützt werden, zu einer "deutlichen Kostenersparnis" des Mitbeteiligten führen würde.

15 In dem vom Verwaltungsgericht und von der Revisionswerberin erwähnten hg. Erkenntnis zur Zl. 2012/10/0020 hat der Gerichtshof im Übrigen auch ausgesprochen, dass dann, wenn ein (unter-)gemieteter Bereich einer Wohneinheit keine eigenen Einrichtungen zum Kochen, zur Körperreinigung und zum Waschen der Wäsche aufweist, das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinn des NÖ MSG anzunehmen sei, wenn der Hilfesuchende nicht nachweise, diese Bedürfnisse außerhalb der Wohneinheiten (gemeint: auch des Hauptmieters) zu befriedigen.

16 Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ist allerdings - umgekehrt - gerade dadurch gekennzeichnet, dass die vom Mitbeteiligten alleine bewohnte Wohnung sämtliche für die Haushaltsführung notwendigen Einrichtungen umfasst.

17 Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass für den Mitbeteiligten die Mindeststandards für "alleinstehende Personen" (§ 1 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 NÖ MSV) anzuwenden sind, steht somit im Einklang mit der hg. Rechtsprechung.

18 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2018

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