Normen
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200248.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 22. Jänner 2018 mit Bescheid vom 30. Juli 2019 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
2 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision bringt vor, die Rückkehrentscheidung stelle einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers, der eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin habe, dar.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei einer Rückkehrentscheidung unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0356, mwN). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA‑VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 2.12.2019, Ra 2019/14/0408, mwN).
8 Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat sich das BVwG ausführlich mit dem Privat‑ und Familienleben des Revisionswerbers in Österreich, auch im Zusammenhang mit der genannten Lebensgefährtin, befasst. Es kam vertretbar zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwögen. Dass das BVwG die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.
9 Wenn der Revisionswerber bloß allgemein Begründungsmängel im Hinblick auf die Situation kurdischer Rückkehrer sowie Ermittlungsmängel im Zusammenhang mit einer nicht „präzisen“ Einvernahme des Revisionswerbers in der Verhandlung zur Ermittlung seines Privat‑ und Familienlebens in Österreich rügt, so macht er Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Zulassungsbegründung der Revision nicht.
10 Der Revisionswerber wendet sich auch gegen die Beweiswürdigung des BVwG und bringt dabei vor, das BVwG habe die Feststellungen des BFA übernommen, ohne diese zu hinterfragen. Außerdem sei das BVwG insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der Wahrung des Parteiengehörs abgewichen, als dem Revisionswerber nicht Gelegenheit gegeben worden sei, den über die erstinstanzliche Beweiswürdigung hinausgehenden, vom BVwG angestellten (beweiswürdigenden) Überlegungen entgegentreten zu können.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (VwGH 23.3.2020, Ra 2020/14/0084, mwN). Der Revision gelingt es nicht, eine Unvertretbarkeit der vom BVwG nach Durchführung einer Verhandlung vorgenommenen Beweiswürdigung, die sich nicht nur auf den persönlichen Eindruck, sondern auch auf zahlreiche Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers stützt, aufzuzeigen.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits wiederholt festgehalten, dass der ermittelte Sachverhalt, wenn die Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden, sowie die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung nicht vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl. VwGH 9.2.2018, Ra 2017/20/0426; 23.2.2017, Ra 2016/20/0089; jeweils mwN). Eine Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich der vom BVwG angestellten beweiswürdigenden Überlegungen, denen der Revisionswerber dem Zulässigkeitsvorbringen zufolge nicht entgegentreten habe können, liegt daher schon aus dem Grund nicht vor.
13 Wenn der Revisionswerber schließlich behauptet, ihm hätte ein Aufenthaltstitel nach § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erteilt werden müssen, weil er sämtliche Voraussetzungen erfülle, ist ihm entgegenzuhalten, dass dies vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts nicht zutrifft. Auch hat das BVwG ‑ entgegen dem Vorbringen in der Revision ‑ begründet, warum dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen sei (vgl. dazu VwGH 19.2.2020, Ra 2020/14/0001).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. August 2020
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