European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140084.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 15. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Diesen begründete er damit, dass er der sunnitischen Glaubensrichtung angehöre. Er und seine Familie seien durch eine schiitische Miliz bedroht worden. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens brachte er vor, zum Christentum konvertiert zu sein.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. November 2016 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. 4 Mit Beschluss vom 21. Jänner 2020, E 4683/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst ins Treffen geführt, das Bundesverwaltungsgericht behaupte, dass die Konversion nicht aus tiefer innerer Überzeugung stattgefunden habe, ohne dieser Beurteilung zugrundeliegende Feststellungen zu treffen. In der Entscheidung werde zudem nicht auf den Umstand eingegangen, dass der Revisionswerber jahrelang als Christ in Österreich aufgetreten sei, weshalb er bei einer Rückkehr in den Irak in hohem Maße gefährdet sei. Überdies verstoße eine Beurteilung einer Konversion als glaubwürdig oder unglaubwürdig oder als Scheinkonversion durch nicht geschultes Personal ohne entsprechende Sachverständige und mit Dolmetschern, die im Christentum und seinem Wortschatz nicht firm seien, gegen die Grundwerte der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Rückführung des Revisionswerbers in den Irak stelle im Hinblick auf die "Reisewarnung des Außenministeriums" eine Verletzung seiner Grundrechte dar. 9 Soweit sich die Revision mit ihrem Vorbringen zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0539, mwN). Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN).
10 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0260; 23.1.2019, Ra 2018/19/0453; jeweils mwN), die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand der vorliegenden Beweismittel, wie etwa einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist.
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte sowie einen Pastor und zwei weitere Mitglieder einer österreichischen Freikirche/Pfingstgemeinde, als Zeugen zu seinen religiösen Aktivitäten befragte. In seinem Erkenntnis setzte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem Glaubenswechsel ausführlich auseinander und ist anhand näher dargelegter nicht als unschlüssig anzusehender Überlegungen zu der Auffassung gelangt, dass auch unter Berücksichtigung der nach außen hin gesetzten Aktivitäten des Revisionswerbers eine innere Überzeugung des Glaubenswechsels nicht vorliege. Dabei stützte es sich bei seiner Einschätzung unter anderem auf diverse Widersprüche und Unstimmigkeiten in den Angaben des Revisionswerbers sowie seine nur allgemeinen und unsubstantiierten Ausführungen zu Bibel- und Glaubensinhalten und das Fehlen eigener spiritueller Gedanken oder Eindrücke. Dass die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre, zeigt die Revision nicht auf. 12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGG hat ein Revisionswerber einerseits konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte, und andererseits konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen noch nicht (vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0448, mwN). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zuständig (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2019/20/0401, mwN).
13 Wenn die Revision in den Raum stellt, die Beurteilung, ob eine innere Überzeugung des Glaubenswechsels vorliege, könne nicht durch ungeschultes Personal erfolgen und erfordere die Einholung eines Sachverständigengutachtens, ist zu entgegnen, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht - hier: eine aktuell bestehende Glaubensüberzeugung - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen fällt, sondern dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen ist (vgl. VwGH 13.12.2019, Ra 2019/20/0571, mwN).
14 Mit der ebenfalls ohne einen Bezug zum konkreten Fall herstellenden pauschalen Kritik an den Übersetzungsleistungen und der fachlichen Qualifikation von beigezogenen Dolmetschern, legt die Revision keine grundsätzliche Rechtsfrage dar. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann davon ausgegangen werden kann, dass eine Revision von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird (vgl. wiederum VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0448, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Revision nicht. 15 Ebenso stellt die Revision nur abstrakt unter Hinweis auf die modernen sozialen Medien in den Raum, dass der Revisionswerber bei einer Rückkehr in den Irak in hohem Maße gefährdet sei, weil er jahrelang öffentlich in Österreich als Christ aufgetreten sei. Allerdings hat der Revisionswerber selbst nie behauptet, seine religiösen Aktivitäten in den sozialen Medien veröffentlicht zu haben. Darüber hinaus muss dem Revisionswerber, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0572, mwN).
16 Soweit die Revision eine mangelnde Berücksichtigung der vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten veröffentlichten "Reisewarnung" geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass damit abermals die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften behauptet wird, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel darzulegen. Es wird insbesondere nicht ausgeführt, aus welchen Gründen sich der Inhalt der - im Übrigen an reisende österreichische Staatsbürger gerichteten - Reisewarnung für die im konkreten Fall vorzunehmende Beurteilung als maßgeblich darstellte und welche anderen Feststellungen zu einer günstigeren Entscheidung für den Revisionswerber hätten führen können (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0101). Der Verwaltungsgerichtshof hat überdies bereits festgehalten, dass eine solche "Reisewarnung" gegenüber anderen Beweismitteln keine besondere Stellung einnimmt (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0061, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. März 2020
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