VwGH Ra 2020/14/0001

VwGHRa 2020/14/000119.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B in C, vertreten durch Mag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 14/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019, Zl. W195 2218112- 1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs2
FrPolG 2005 §52
MRK Art8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140001.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 27. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er zusammengefasst vor, aufgrund seiner politischen Tätigkeiten für die BNP-Partei Verfolgung in Bangladesch ausgesetzt zu sein.

2 Mit Bescheid vom 2. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Die dagegen erhobene Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst vor, der Revisionswerber könne bei einer Rückkehr nach Bangladesch nicht auf ein bestehendes soziales Netzwerk zurückgreifen. Das Erkenntnis des BVwG sei zudem angesichts der getroffenen Feststellungen zur politischen Lage in Bangladesch und der damit einhergehenden instabilen Situation im Hinblick auf die Gefährdung des Revisionswerbers absolut unschlüssig und widersprüchlich. Das BVwG übernehme die Feststellungen des BFA, ohne diese zu hinterfragen, obwohl die Widersprüche in der Beschwerdeschrift aufgegriffen worden seien. Das BVwG wäre weiters verpflichtet gewesen, den Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung detaillierter zum Privat- und Familienleben in Österreich zu befragen, und hätte durch ergänzende Erhebungen zur Situation und den Perspektiven eines Rückkehrers feststellen müssen, ob und welche Gefährdung dem Revisionswerber im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK drohe. Die Rückkehrentscheidung stelle einen unzulässigen Eingriff in das bestehende Privat- und Familienleben des Revisionswerbers dar. Das BVwG habe sich rechtlich überhaupt nicht mit seinem Privat- und Familienleben befasst. Er habe nachweislich den Beruf des Kochs erlernt. Dabei handle es sich um einen Mangelberuf. Der Revisionswerber habe somit die "Wartezeit" in seinem Asylverfahren für eine konkrete Berufsausbildung, die Begründung eines Privat- und Familienlebens und seine Integration im Sinne eines der österreichischen Volkswirtschaft dienlichen Mitglieds der österreichischen Gesellschaft genutzt. Aus all diesen Gründen sei dem Revisionswerber daher ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005

(AsylG 2005) zu erteilen. Das BVwG unterlasse in seinem Erkenntnis jegliche Begründung, weshalb eine Erteilung dieses Aufenthaltstitels aus durchaus berücksichtigungswürdigen Gründen unterblieben sei, und ignoriere somit relevante Verfahrensergebnisse.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, der Revisionswerber habe in der Beschwerdeschrift vorgebracht, er könne bei einer Rückkehr nicht auf ein bestehendes soziales Netz zurückgreifen, ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerde ein entsprechendes Vorbringen nicht zu entnehmen ist. Zudem hat der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, wöchentlichen Kontakt zu seiner Familie (Eltern und Geschwister) in Bangladesch zu haben. Weiters gab der Revisionswerber an, dass sein Vater Agrargrundstücke verpachte, Mietwohnungen vermiete und seine Familie der oberen bis mittleren finanziellen Schicht in Bangladesch angehöre. Die Feststellungen des BVwG zur finanziellen Situation der Familie des Revisionswerbers in Bangladesch und zum bestehenden aufrechten Kontakt entsprechen somit den Angaben des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung. Der Schlussfolgerung des BVwG, der Revisionswerber verfüge im Fall der Rückkehr über familiäre Anknüpfungspunkte, kann daher nicht entgegengetreten werden.

9 Zum Vorbringen, das Erkenntnis des BVwG sei im Hinblick auf die Gefährdungslage des Revisionswerbers angesichts der getroffenen Feststellungen absolut unschlüssig und widersprüchlich und das BVwG übernehme die widersprüchlichen Feststellungen des BFA, ohne diese zu hinterfragen, ist zum einen anzumerken, dass das BVwG dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, er werde aufgrund seines politischen Engagements verfolgt, keinen Glauben schenkte und die Revision nicht aufzeigt, dass die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen unvertretbar wären. Zum anderen macht der Revisionswerber, wenn er Begründungsmängel behauptet, Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht. 10 Weiters behauptet die Revision eine Verletzung der Ermittlungspflicht. Nach Ansicht des Revisionswerbers wäre das BVwG verpflichtet gewesen, den Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung detaillierter zum Privat- und Familienleben in Österreich zu befragen. Dies hätte durch ergänzende Erhebungen zur Situation und den Perspektiven eines Rückkehrers zur Feststellung geführt, ob und welche Gefährdung ihm im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK drohe. Auch hier macht der Revisionswerber im Ergebnis Verfahrensmängel geltend. Eine Relevanzdarlegung im Sinn der oben genannten Rechtsprechung ist der Zulässigkeitsbegründung aber nicht zu entnehmen (vgl. wiederum VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN; VwGH 29.10.2019, Ra 2019/14/0390, mwN). 11 Soweit sich die Revision gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0356, mwN).

12 Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat sich das BVwG umfangreich mit dem Privat- und Familienleben des Revisionswerbers in Österreich befasst. Es bezog sämtliche in der Revision genannten Integrationsschritte sowie sein Familienleben in die Interessenabwägung ein und kam vertretbar zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwögen. Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf hinverweist, er habe eine Lehre in einem Mangelberuf absolviert und arbeite auch in diesem Beruf, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Berücksichtigung einer Lehre in einem Mangelberuf als öffentliches Interesse zugunsten des Fremden nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu grundlegend VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003).

13 Wenn der Revisonswerber schließlich vermeint, ihm sei ein Aufenthaltstitel nach § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu erteilen gewesen, weil er sämtliche rechtliche Voraussetzungen erfülle, verkennt er, dass sein Aufenthalt nicht seit mindestens einem Jahr im Sinn des § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 geduldet ist. Auch hat das BVwG - entgegen dem Vorbringen in der Revision - begründet, warum dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen sei. 14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 19. Februar 2020

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