Normen
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §13a
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140130.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte im Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 ab, und sprach aus, dass dem Revisionswerber von Amts wegen keine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem Erkenntnis vom 5. Dezember 2018 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2019, E 243/2019-9, ab. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat er diese mit Beschluss vom 4. Februar 2020, E 243/2019-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision in erster Linie gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts, das zum Ergebnis gekommen ist, es sei dem Revisionswerber nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass er tatsächlich zum Christentum konvertiert und deswegen im Heimatland der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2020/20/0011, mwN).
10 Gemäß dem nach § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 AVG bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises (§ 45 Abs. 1 AVG). Im Übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 45 Abs. 2 AVG).
11 Der mit § 45 Abs. 2 AVG normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass die Behörde bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434; 5.11.2019, Ra 2018/01/0110; 11.12.2019, Ra 2019/20/0538, 0539). 12 Da es sich dabei somit immer um eine die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beleuchtende Beurteilung handelt, ist es schon am Boden dieser Rechtslage verfehlt, wenn der Revisionswerber auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes verweist, in denen die dort den jeweiligen Einzelfall betreffenden konkreten Erwägungen des Verwaltungsgerichts als fallbezogen unvertretbar eingestuft wurden.
13 Soweit der Revisionswerber aber - teilweise und der Sache nach - auch ins Treffen führt, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei seinen beweiswürdigenden Überlegungen ein Verstoß gegen die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien vorzuwerfen wäre, ist dem entgegenzuhalten, dass es der Revision nicht gelingt, aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts im hier gegenständlichen Fall als unvertretbar einzustufen wäre.
14 Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. etwa VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0356; 29.5.2019, Ra 2019/20/0230, jeweils mwN). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/18/0258, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich im Rahmen seiner Entscheidung - nach Durchführung einer Verhandlung, in der es den Revisionswerber ausführlich auch zum vorgebrachten Glaubenswechsel befragte - mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinander. Das die beweiswürdigenden Erwägungen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würden, vermag die Revision nicht darzutun.
16 Es ist dem Revisionswerber zwar darin beizupflichten, dass bei "theologischen Wissenslücken" keine überzogene Erwartungshaltung an das diesbezügliche Wissen des Asylwerbers anlegt werden darf (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441). Aber auch bei der Beurteilung, welches Wissen konkret von einem Asylwerber erwartet werden kann, handelt es sich letztlich immer um eine Beurteilung im Einzelfall, bei der auch sonstige nach der konkreten Sachlage maßgebliche Umstände zu berücksichtigen sind (etwa, wenn es um Wissen geht, von dem angenommen werden kann, dass es eine die Konvertierung ernsthaft anstrebende Person jedenfalls erworben hat, umso mehr wenn sie angibt, an bestimmten kirchlichen Unterrichtseinheiten teilgenommen zu haben). 17 Das Bundesverwaltungsgericht hat aber bei seinen beweiswürdigenden Überlegungen ohnedies Wissenslücken nicht unangebracht in den Vordergrund gerückt, sondern tragend damit argumentiert, dass der Revisionswerber - aufgrund näher dargestellter Umstände in seinem Aussageverhalten - den Eindruck erweckt habe, er habe die Antworten zuvor bloß für die Verhandlung einstudiert. Auch sein Vertreter habe eingeräumt, dass er mit dem Revisionswerber am Tag vor der Verhandlung (zum Teil) gleichartige Fragen besprochen und ihn auf diese Weise auf die Befragung in der Verhandlung vorbereitet habe. Dem vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Aber auch sonst ist anhand der Revision nicht zu sehen, dass sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Gesamtheit als unschlüssig darstellen würden. Soweit der Revisionswerber eigene beweiswürdigende Ausführungen darbringt, ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung - wie oben bereits dargestellt - im Revisionsverfahren dem Umstand, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre, keine Bedeutung zukommt. 18 In der Revision wird aber auch nicht dargetan, dass die behaupteten Verfahrensfehler vorlägen oder für den Verfahrensausgang von Relevanz wären.
19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. auch dazu VwGH 28.1.2020, Ra 2020/20/0011, mwN).
20 Wenn in der Revision die unterbliebene Vernehmung eines Zeugen angesprochen wird, so räumt der Revisionswerber selbst ein, dass der von ihm gestellte Beweisantrag zurückgezogen wurde. Dem (unwidersprochen gebliebenen) Protokoll zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist zu entnehmen, dass dies vom Vertreter des Revisionswerbers damit begründet wurde, dass durch die Vernehmung des Zeugen (lediglich) hätte bewiesen werden sollen, dass "nicht jeder" Aufnahme in die katholische Kirche finde und die Absolvierung eines dreijährigen Taufvorbereitungskurses "sowie die Zulassung" erforderlich seien, was sich aber ohnedies schon aus dem im Verfahren vom Revisionswerber vorgelegten Schreiben der Erzdiözese ergebe.
21 Aufgrund welcher konkreten Umstände das Bundesverwaltungsgericht vor diesem Hintergrund gehalten gewesen wäre, von der Notwendigkeit weiterer amtswegiger Erhebungen - insbesondere von der Notwendigkeit der Vernehmung des ursprünglich namhaft gemachten Zeugen trotz der mit der oben dargestellten Begründung erfolgten Zurückziehung des Beweisantrages - auszugehen, geht aus den Ausführungen in der Revision nicht hervor.
22 Soweit sich der Revisionswerber auf § 13a AVG beruft, kann es hier damit sein Bewenden haben, darauf hinzuweisen, dass es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass der nach § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendende § 13a AVG nicht dazu verpflichtet, die Partei zur Stellung bestimmter Beweisanträge anzuleiten (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0169, mwN). 23 Zudem ist im Fall einer unterbliebenen Vernehmung - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN). Dem kommt die Revision nicht nach.
24 Wenn der Revisionswerber schließlich geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, für seine Feststellungen zur Lage in seinem Heimatland aktuelle Länderberichte "zur Situation von Konvertiten bzw. Apostaten in Afghanistan" heranzuziehen, geht er vom eigenen Vorbringen zum Grund einer möglichen Verfolgung im Herkunftsstaat aus. Das Bundesverwaltungsgericht ist aber in seinen Feststellungen, von denen nach dem Gesagten auszugehen war (§ 41 VwGG), diesem Vorbringen nicht gefolgt, sodass schon deshalb dem auf der eigenen Sachverhaltsprämisse aufbauenden weiteren Revisionsvorbringen der Boden entzogen ist. Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist nämlich gemäß § 41 VwGG zunächst grundsätzlich der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG - wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung - zu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 10.9.2018, Ra 2018/16/0114, mwN).
25 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. März 2020
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