VwGH Ra 2020/20/0011

VwGHRa 2020/20/001128.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A A B in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2019, W235 2119571-1/26E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §52

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200011.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 21. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). 2 Mit Bescheid vom 29. Dezember 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung (mit hier nicht weiter relevanten Spruchänderungen) als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2019, E 3247/2019-10, sprach dieser Gerichtshof aus, dass der Revisionswerber durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts,

soweit damit die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden sei, und er hob insoweit die angefochtene Entscheidung auf. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Über nachträglichen Antrag trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. November 2019, E 3247/2019-12, die Beschwerde des Revisionswerbers, soweit deren Behandlung abgelehnt worden war, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 21.8.2019, Ra 2019/20/0392, mwN).

9 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sein Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspreche und sich lediglich als "ein gedankliches Konstrukt zum Zweck der Asylerlangung" darstelle. Auch wenn die Revision einzelne Begründungselemente der Beweiswürdigung zu relativieren versucht, gelingt es ihr letztlich nicht, aufzuzeigen, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt als unschlüssig anzusehen wären.

10 Abgesehen davon, dass der Revisionswerber versucht, die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Widersprüchlichkeiten nur zum Teil aufzuklären, stützte sich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, in deren Rahmen es auch den vom Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck einbezog, auf zahlreiche weitere über die in der Revision angesprochenen Aspekte hinausgehende Widersprüche und Ungereimtheiten im Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sowie auf vage gebliebene Angaben. Mit dem Vorbringen zu einer Aktenwidrigkeit wird wiederum eine solche nicht dargelegt, sondern lediglich versucht, einen weiteren vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffenen Aspekt zur Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zu entkräften. Soweit der Revisionswerber auf von ihm nach Verlesung und Rückübersetzung des Verhandlungsprotokolles erhobene Einwendungen verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass aus diesen Einwendungen nicht hervorgeht, dass er geltend gemacht hätte, das von ihm in der Verhandlung Gesagte sei von der Verhandlungsleiterin unrichtig protokolliert worden. Aber selbst bei Vernachlässigung des darauf vom Bundesverwaltungsgericht Bezug nehmenden Aspekts ist nicht zu sehen, dass die Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Fehlerhaftigkeit leiden würde.

11 Wenn der Revisionswerber vorbringt, eine geeignete Bewertung der Aussagen (potentieller) Folteropfer könne nur durch qualifizierte Fachpersonen vorgenommen werden, weshalb das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen fällt, sondern dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen ist (vgl. VwGH 13.12.2019, Ra 2019/20/0571, mwN). Inwieweit ein Sachverständigengutachten dazu im Rahmen der Beurteilung des gegenständlichen Einzelfalles konkret einen maßgeblichen Beitrag hätte leisten können, ist anhand der Ausführungen in der Revision nicht zu sehen.

12 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2019/20/0286, mwN). Aufgrund welcher konkreten Umstände das Bundesverwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, von der Notwendigkeit weiterer amtswegiger Erhebungen auszugehen, wird in der Revision jedoch nicht dargetan.

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung betreffend die Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz auch ausreichend die allgemeine Lage im Heimatland des Revisionswerbers und kam nach Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Feststellungen zum Ergebnis, dass nicht jede Person, die sich im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhalte, schon allein aufgrund des Aufenthaltes mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, ob dem Revisionswerber im Fall seiner Rückführung die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe, die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) missachtet hätte, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

14 Auf die vom Revisionswerber vermisste Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt es fallbezogen nicht an, weil das Bundesverwaltungsgericht evident von der Möglichkeit der Rückkehr in seine Heimatregion ausgegangen ist.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2020

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