VwGH Ra 2019/03/0093

VwGHRa 2019/03/00932.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Mai 2019, Zl. LVwG-750659/2/MZ, betreffend eine Angelegenheit nach dem Waffengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck; mitbeteiligte Partei: F P in S, vertreten durch Dr. Michael Langhofer in 5201 Seekirchen, Wallerseestraße 4), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1
WaffG 1996 §12 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030093.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 25. September 2017 war über den Mitbeteiligten gemäß §§ 12 Abs. 1 WaffG, 57 Abs. 1 AVG ein Waffenverbot verhängt worden. 2 In der Begründung dieses Bescheids heißt es, die belangte Behörde "geht von folgendem Sachverhalt aus:

"Aufgrund einer Anzeige wegen des Verdachtes der Körperverletzung und der Sachbeschädigung zum Nachteil des (M), wurde die Sicherheitsbehörde anonym auch darüber informiert, dass Sie gegenüber Nachbarn u.a. Personen, auch gegenüber dem Bürgermeister und Mitarbeitern der Gemeinde, seit längerer Zeit äußerst aggressiv seien und in Ihrer Umgebung als 'tickende Zeitbombe, vor dem man sich fürchten muss und die jederzeit ausrasten könnte' bezeichnet werden. So wurden auch Vorfälle genannt, die Sie im Zusammenhang mit Ihren Schusswaffen gebracht haben.

Die Nachfrage am Gemeindeamt (St.) ergab, dass auch dort die anonymen Hinweise bekannt seien. So z.B. sei auch bekannt, dass Sie schon mehrmals gedroht hätten, mit Waffen vorzugehen, wie jedenfalls in einem Fall, wo Sie diese Drohung gegen Ihren eigenen Bruder gerichtet hätten. Es wurde auch bestätigt, dass Sie streitsüchtig seien und zu aggressiven Beschimpfungen neigen und immense launische Schwankungen zeigen würden.

Die Nachfrage bei der Polizeiinspektion (St.) hat ergeben, dass aus den genannten Gründen Ihre waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben ist.

Zuletzt wurde der Sicherheitsbehörde ebenfalls anonym mitgeteilt, dass Sie Langwaffen frei in Ihrer Wohnung aufgehängt haben, was als völlig unzulässige Verwahrung einzustufen ist.

Auf Grund des vorangeführten Sachverhalts muss angenommen werden, dass Sie die angeführten Rechtsgüter durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen gefährden könnten.

Es ist Ihnen daher der Besitz von Waffen und Munition zu verbieten.

Wenn es sich um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, kann die Behörde gemäß § 57 Abs. 1 AVG bei Gefahr im Verzug einen Bescheid ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren erlassen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit wird diese Bestimmung angewendet."

3 Der Mitbeteiligte erhob dagegen Vorstellung, der mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 12. März 2019 keine Folge gegeben wurde; das Waffenverbot wurde bestätigt. 4 In der Begründung dieses Bescheids wurde die (oben dargestellte) Begründung des Mandatsbescheids wiedergegeben und ausgeführt, dass der Mitbeteiligte dagegen Vorstellung eingebracht "und sich gegen diese Behauptungen ausgesprochen" habe. Im Weiteren gab die belangte Behörde § 12 Abs. 1 WaffG ebenso wieder wie sich aus der Judikatur ergebende Grundsätze für die Verhängung eines Waffenverbots und führte fallbezogen - zusammengefasst - Folgendes aus:

5 Das "Gerichtsverfahren" sei durch diversionelle Entscheidung abgeschlossen worden. Durch die "umfangreichen Schilderungen der Gemeinde, Polizei sowie anonymer Eingaben und der behördlichen Erhebungen ist klar festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Waffenverbotsverfahrens" nicht vorlägen. Die "eingangs der Begründung dieses Bescheids beschriebenen und auf Grund des behördlichen Ermittlungsverfahrens hinsichtlich Ihrer Person als erwiesen angenommenen Tatsachen stehen sohin mit Rücksicht auf Ihren Unrechtsgehalt und die darin zum Ausdruck gekommene Problematik rund um Ihr öfter zu Tage kommendes persönliches Verhalten, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und eine Bedrohung eines der besonders schutzwürdigen Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit dar". Es sei daher "aufgrund der bekannten Umstände sowie des nunmehr zu beurteilenden Sachverhaltes" spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

6 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss entschied das Verwaltungsgericht über die dagegen erhobene Beschwerde. Dieser wurde "insoweit stattgegeben", als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückverwiesen wurde; die Revision wurde für unzulässig erklärt.

7 Nach einer Darlegung des Verfahrensgangs und einer Wiedergabe der Begründung des behördlichen Bescheids führte das Verwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe hinsichtlich des in der Begründung ihres Bescheids angeführten Sachverhalts keine Ermittlungen vorgenommen. Im Behördenakt befänden sich lediglich einige Polizeiberichte, es seien aber weder der Mitbeteiligte selbst, noch sein im Bescheid genannter Kontrahent bei der Anlasstat oder der ebenso genannte Bürgermeister befragt worden; ebensowenig andere in den Polizeiberichten erwähnte Personen. 8 Ausgehend von der (auszugsweise näher zitierten) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs komme eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Dies sei hier der Fall:

9 Insoweit die belangte Behörde in der Bescheidbegründung auf mangelnde Verlässlichkeit des Mitbeteiligten abgestellt habe, könne dies von vornherein ein Waffenverbot nicht tragen. Im Übrigen habe die belangte Behörde das Waffenverbot - soweit überhaupt nachvollziehbar - auf einen am 21. Juni 2017 stattgefundenen Vorfall gestützt, aufgrund dessen der Mitbeteiligte wegen der Vergehen der Körperverletzung und der Sachbeschädigung angeklagt worden sei; aus der Beendigung dieses Verfahrens durch Diversion könnten für sich genommen keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Weitere Vorfälle würden von der belangten Behörde nicht genannt, dazu seien auch keine Ermittlungen vorgenommen worden. Solche seien aber nötig, um ein Tatsachensubstrat zu erlangen, das allenfalls ein Waffenverbot rechtfertige.

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision macht geltend, die angefochtene Entscheidung weiche in zweifacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die belangte Behörde habe "jegliche" erforderliche Ermittlungen unterlassen, sei der Umfang des Ermittlungsverfahrens im Verfahrensakt ersichtlich und in der Begründung des Bescheids nachvollziehbar. Zudem weiche die angefochtene Entscheidung insofern von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, als eine Kassation und Zurückverweisung iSd § 28 Abs. 4 und 4 VwGVG nur ausnahmsweise in Betracht komme.

15 Mit diesem Vorbringen wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht entsprochen, weil es unterlässt, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revision in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. nur etwa VwGH 12.4.2019, Ra 2019/03/0001, mwN). 16 Nur der Vollständigkeit halber:

17 § 12 Abs. 1 WaffG erlaubt es, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 17.5.2017, Ra 2017/03/0028, VwGH 20.3.2018, Ra 2018/03/0022, und VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131). Danach ist (zusammengefasst) für die Verhängung eines Waffenverbotes entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Hiebei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahren ein strenger Maßstab anzulegen.

Es ist daher von der Waffenbehörde wie auch gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht bei der Anwendung des § 12 Abs. 1 WaffG 1996 eine Prognoseentscheidung anzustellen und aus bekannten und beweispflichtigen Tatsachen auf die Gefahr einer künftigen missbräuchlichen Waffenverwendung, die mit einer Gefährdung von Leben, Gesundheit, Freiheit oder fremdem Eigentum verbunden sein könnte, zu schließen. Der Hinweis etwa auf einen in einer Anzeige erhobenen Tatverdacht reicht zur Erfüllung des Tatbestandes des § 12 Abs. 1 WaffG nicht aus (vgl. VwGH 5.5.2014, Ro 2014/03/0033, mwN).

Behördliche (wie auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen) haben eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Es ist daher in einer eindeutigen (die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und gegebenenfalls einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen) Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen zur Ansicht gelangt wurde, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet wurde (vgl. nur etwa - erneut - VwGH Ro 2014/03/0033).

Voraussetzung für die Beurteilung der Frage, ob "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen, ist somit ein mängelfreies Ermittlungsverfahren, aufgrund dessen in einer ausreichend begründeten Entscheidung festgestellt wird, dass die betreffende Person die ihr zur Last gelegten Taten, auf die das Waffenverbot gestützt werden soll, auch tatsächlich begangen hat.

Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit der Aktenlage ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, am Maßstab der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, und die daran anknüpfende Folgejudikatur) sei im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der meritorischen Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts gewesen, weil die belangte Behörde bloß "ansatzweise" Ermittlungen getätigt habe, noch vertretbar.

18 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2019

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