VwGH Ra 2019/03/0001

VwGHRa 2019/03/000112.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des S S in M, vertreten durch Prof. Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. November 2018, Zl. LVwG-AV-815/001-2018, betreffend Entziehung waffenrechtlicher Dokumente (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §25 Abs3
WaffG 1996 §8 Abs2 Z3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030001.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der belangten Behörde - der ihm am 14. November 1967 für 10 genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellte Waffenpass sowie die ihm am 4. Jänner 2010 für 10 genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, dass im Zuge einer waffenrechtlichen Überprüfung gemäß § 25 WaffG erhoben worden sei, dass mit Ausnahme zweier Waffen sämtliche Waffen in versperrten Stahlschränken aufbewahrt worden seien. Hinsichtlich einer unversperrt vorgefundenen Waffe habe der Revisionswerber angegeben, diese immer im Haus bei sich zu tragen; die zweite Waffe sei erst nach längerem Suchen im Wohn-/Schlafzimmer hinter einem Schrank gefunden worden; dieses Gewehr sei bereits mit Spinnweben überzogen gewesen. Aufgrund der während der Überprüfung der Verlässlichkeit seitens der Polizeibeamten wahrgenommenen Begleitumstände seien Bedenken hinsichtlich der geistigen und körperlichen Verlässlichkeit des Revisionswerbers der zuständigen Bezirkshauptmannschaft gegenüber schriftlich geäußert und dokumentiert worden. Bei einer daraufhin erfolgten amtsärztlichen Begutachtung vor der belangten Behörde sei unter anderem ein Sehtest durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Sehkraft des Revisionswerbers beidseitig unter 6/60 liege. Die Amtsärztin habe festgestellt, dass aufgrund dieser objektivierten erheblichen Sehschwäche "nicht nur (gemeint: mehr) von einem sicheren Gebrauch von Schusswaffen ausgegangen werden könne"; der Revisionswerber habe das Anamneseblatt nicht selbständig ausfüllen können und seine eingeschränkte Sehleistung durch das Tragen einer Sehbehindertenbinde dokumentiert.

Nach Darlegung beweiswürdigender Überlegungen - insbesondere zur Glaubwürdigkeit der als Zeugin einvernommenen Amtsärztin, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die mit einer seit mehreren Jahren bestehenden Makuladegeneration erkärbare Sehschwäche (Rest der Sehkraft unter 6/60) "auch gar nicht der Richtigkeit nach bekämpft" worden sei - führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, dass gemäß "§ 8 Abs. 2 Z 2" WaffG ein Mensch, der durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen, keinesfalls verlässlich sei. Gegenständlich sei "in der objektiviert anzusehenden, medizinisch fundierten, festgestellten erheblichen Herabsetzung der Sehleistung von einem körperlichen Gebrechen zu sprechen, welches entscheidenden Einfluss auf die Fähigkeit des Betroffenen habe, mit Waffen sachgemäß umzugehen (Hinweis auf VwGH 20.1.2017, Ra 2015/03/0062).

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision geltend, dass das angefochtene Erkenntnis seinen Spruch ausdrücklich auf § 8 Abs. 2 Z 2 WaffG stütze; nach dieser Bestimmung sei ein Mensch keinesfalls verlässlich, wenn er psychisch krank oder geistesschwach sei. Im gesamten Verfahren sei eine psychische Erkrankung oder Geistesschwäche nicht einmal behauptet worden. Wenn man aber hypothetisch annähme, dass das Verwaltungsgericht § 8 Abs. 2 Z 3 WaffG (wonach ein Mensch keinesfalls verlässlich ist, wenn er durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen) gemeint habe, dann liege ein grober Verfahrensmangel vor, der "nicht im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes" stehe. Es sei ein körperliches Gebrechen - nämlich eine erhebliche Herabsetzung der Sehleistung - festgestellt worden, aber es seien "nicht die geringsten Untersuchungen" dahingehend angestellt worden, ob der Revisionswerber aufgrund dieses körperlichen Gebrechens mit Waffen sachgemäß umgehen könne oder nicht. Es seien keine Untersuchungen angestellt und keine Beweise aufgenommen worden, es seien lediglich die verba legalia wiedergegeben worden.

5 Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6 Zunächst ist festzuhalten, dass in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tatsächlich § 8 Abs. 2 Z 2 WaffG erwähnt wird; im Hinblick darauf, dass der unmittelbar darauffolgende Text den Inhalt des § 8 Abs. 2 Z 3 leg. cit. wiedergibt, kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um ein offenkundiges Versehen handelt, das nach § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG jederzeit hätten berichtigt werden können; das in Revision gezogene Erkenntnis ist daher auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechend richtigen Fassung zu lesen (vgl. etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092).

7 Soweit der Revisionswerber allgemein meint, das angefochtene Erkenntnis stehe nicht im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, unterlässt er es, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht seiner Ansicht nach in welchen Punkten abgewichen sein soll; damit wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen nicht entsprochen (vgl. VwGH 9.3.2018, Ra 2017/03/0054).

8 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof zu der hier vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bestimmung des § 8 Abs. 2 Z 3 WaffG bereits festgehalten, dass die Beurteilung der gebrechensbedingt fehlenden Fähigkeit eines sachgemäßen Umgangs mit Waffen in der Regel (wenn nicht Offenkundigkeit vorliegt) auf Sachverständigengutachten beruhende Feststellungen über die körperlichen Gebrechen des Betroffenen und die davon ausgehenden Auswirkungen auf die Fähigkeit zu einem sachgemäßen Umgang mit Waffen voraussetzt (VwGH 20.1.2017, Ra 2015/03/0062).

9 Es ist - im Sinne des eben zitierten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes - offenkundig, dass eine schwere (binokulare) Sehbeeinträchtigung (vgl. H54.1 der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme: bei Vorliegen einer - mit gegebenenfalls vorhandener Korrektur gemessenen - Sehschärfe von beidseitig geringer als 6/60) dem sachgemäßen Umgang mit einer Schusswaffe, zu dem auch das sichere Erfassen und Anvisieren des Ziels einer Schussabgabe gehört, entgegensteht.

10 Dem Verwaltungsgericht kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es - gestützt auf eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bereits durchgeführte Untersuchung durch eine Amtsärztin, deren Ergebnis betreffend eine schwere Sehbeeinträchtigung (verbliebene Sehschärfe beidseitig unter 6/60) der Revisionswerber nicht entgegengetreten ist - zum Ergebnis gekommen ist, dass der Revisionswerber mit diesem körperlichen Gebrechen zu einem sachgemäßen Umgang mit Waffen nicht in der Lage ist.

11 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2019

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