Normen
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §8;
B-VG Art132 Abs1;
VStG §32 Abs1;
VStG §32;
VStG §44a;
VStG §45 Abs1 Z2;
VStG §9;
VwGVG 2014 §50;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170902.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Kärnten vom 17. Juli 2017 wurde der nunmehrige Revisionswerber "als Gesellschafter" einer näher genannten GmbH und Betreiber eines Wettbüros wegen der unternehmerischen Beteiligung an näher bestimmten Ausspielungen mit vier Eingriffsgegenständen wegen vier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) am 6. März 2015 zur Zahlung von vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 4.000,-- verpflichtet; weiters wurden vier Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (LVwG) zurückgewiesen. Begründend führte es aus, dass dem nunmehrigen Revisionswerber angelastet worden sei, sich als Gesellschafter einer GmbH an verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt zu haben. Er sei am 9. Jänner 2015 als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser GmbH eingetragen und am 27. Jänner 2016 in dieser Funktion gelöscht worden. Innerhalb dieses Zeitraumes sei er Gesellschafter der GmbH gewesen. Der Revisionswerber habe die ihm im Straferkenntnis angelasteten Tätigkeiten nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH, sondern im Rahmen seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer ausgeführt. Die Beteiligung am Umsatz des Lokals sei sohin durch die juristische Person und nicht den Gesellschafter erfolgt. Die strafrechtliche Verantwortung könne sohin nicht den Gesellschafter der GmbH, sondern nur den strafrechtlich Verantwortlichen der juristischen Person treffen, weshalb eine Zustellung des Straferkenntnisses an den Revisionswerber - in seiner Eigenschaft als Gesellschafter - zu Unrecht erfolgt sei. Die Beschwerde sei daher, da eine organschaftliche Verantwortung des Revisionswerbers als Gesellschafter nicht feststellbar sei, aus diesem Grunde als unzulässig zurückzuweisen.
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision. Der Revisionswerber bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass der angefochtene Beschluss im Widerspruch zum Prüfungsumfang nach § 27 VwGVG und der meritorischen Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach den §§ 28 und 50 VwGVG stehe. Das Verwaltungsgericht habe nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich in der Sache zu entscheiden und die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden gewesen sei (VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027). In Verwaltungsstrafverfahren normiere § 50 VwGVG eine unbedingte Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0024). Das Verwaltungsgericht hätte daher über die Beschwerde inhaltlich absprechen müssen. Zu den Revisionsgründen bringt der Revisionswerber vor, dass seiner Beschwerde hätte Folge gegeben werden müssen und das Verwaltungsstrafverfahren hätte eingestellt werden müssen.
4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich den Ausführungen des Revisionswerbers bezüglich der Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur inhaltlichen Entscheidung anschloss und Aufwandersatz betreffend den Schriftsatzaufwand beantragte.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist im Sinne des Zulässigkeitsvorbringens zulässig. Sie ist auch begründet:
7 Das Verwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 50 VwGVG grundsätzlich immer in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist. Eine Beschwerde ist insbesondere dann unzulässig, wenn dem Beschwerdeführer keine Parteistellung zukommt (vgl. z.B. VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161).
8 Hier war nun das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 17. Juli 2017 an den Revisionswerber als Beschuldigten gerichtet. Beschuldigter ist gemäß § 32 Abs. 1 VStG dabei jene Person, die im Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Letzteres ergibt sich aus dem Spruch (allenfalls in Verbindung mit der Begründung) eines Straferkenntnisses (VwGH 21.10.1994, 94/11/0206).
9 Gemäß § 32 Abs. 1 VStG ist der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren Partei im Sinne des AVG. Dem Beschuldigten steht daher das Recht der Beschwerde gemäß Art. 132 Abs. 1 B-VG zu. Lediglich einer Person, die nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht Beschuldigte des Strafverfahrens ist, fehlt die Beschwerdelegitimation (vgl. dazu wiederum VwGH 21.10.1994, 94/11/0206).
10 Der Revisionswerber war daher als nach dem Spruch eindeutig Beschuldigter berechtigt, gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde Beschwerde zu erheben. Gemäß § 50 VwGVG war das Verwaltungsgericht in der Folge verpflichtet, über diese zulässige und nach der Aktenlage nicht offensichtlich verspätete Beschwerde in der Sache zu entscheiden. Die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht der Meinung war, der Revisionswerber habe die angelasteten Taten nicht begangen, berechtigt das Verwaltungsgericht nämlich nicht zur Zurückweisung seiner Beschwerde, sondern würde bei Zutreffen der Rechtsansicht vielmehr zur Stattgabe der Beschwerde und Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren in Ansehung dieses Vorwurfes führen.
11 Ob der Beschuldigte die ihm angelasteten Taten in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft bzw. einer anderen Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat, ist ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal, das aber auf die Vollständigkeit einer Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG ohne Einfluss ist (vgl. jüngst etwa VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0863, mwN, sowie VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0093).
12 Die Frage, in welcher Eigenschaft der Revisionswerber die angelasteten Übertretungen allenfalls zu verantworten hat, ist daher vom Verwaltungsgericht in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren zu klären, wobei das Verwaltungsgericht für den Fall, dass der Abspruch der ersten Instanz hinsichtlich der Verantwortlichkeit fehlerhaft wäre, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, diesen Abspruch richtig zu stellen. Dabei ist zu beachten, dass die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG für die Dauer der Organfunktion besteht, also ab dem Zeitpunkt der (wirksamen) Bestellung bis zu deren (wirksamer) Beendigung (vgl. VwGH 25.8.2017, Ra 2017/17/0202).
13 Indem das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurückgewiesen hat, anstatt über sie in der Sache zu entscheiden, hat es die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
14 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
16 Ein Aufwandersatzanspruch für die Revisionsbeantwortung stand gemäß § 47 Abs. 2 VwGG nicht zu.
Wien, am 31. Jänner 2018
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