VwGH Ra 2016/09/0093

VwGHRa 2016/09/009314.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des E C in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Stütz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, OK Platz 1a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. Juni 2016, Zl. LVwG-300994/5/KLi/FE, betreffend Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §66 Abs4;
MRKZP 07te Art4;
VStG §24;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §32;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §38;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom 10. Februar 2016 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als Obmann des Vereins B-Austria mit Sitz in T und damit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass am 28. Februar 2015 1. den amtshandelnden Organen des Finanzamtes L der Zutritt zu einer näher bezeichneten Veranstaltung nicht gewährt worden sei, obwohl diese zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt seien, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtige Arbeitsstätten sowie Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer zu betreten sowie, 2. dass diesen amtshandelnden Organen auf deren Verlangen nicht alle notwendigen Auskünfte erteilt und nicht in die erforderlichen Unterlagen Einsicht gewährt worden seien, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretungen wurden über den Revisionswerber gemäß § 26 Abs. 2 iVm § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d und gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 2 lit. c Ausländerbeschäftigungsgesetz

(AuslBG) zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 252 Stunden) verhängt.

2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als im Spruch der Verein B-Austria durch den Verein B ersetzt wurde, der Revisionswerber sohin als Obmann des Vereins B schuldig erkannt und bestraft wurde. Die Geldstrafen setzte das Verwaltungsgericht auf jeweils EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 125 Stunden) herab und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei sowohl Obmann des Vereins B-Austria als auch des Vereins B (mit jeweiligem Sitz an derselben Adresse). Veranstalter der verfahrensgegenständlichen Veranstaltung sei jedoch der Verein B gewesen, was auch aus dem Strafantrag hervorgehe und aus den Erhebungen der Finanzpolizei ersichtlich sei.

3 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

5 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, so hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0071, und vom 25. Jänner 2016, Ra 2015/09/0144).

6 Der Revisionswerber stützt sich in seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst darauf, dass es zwar zulässig sei, einen Austausch der juristischen Person, für die eine Haftung nach § 9 VStG bestehe, vorzunehmen, er jedoch "klar von einem einleitungsverjährten Verwaltungsstrafdelikt ausgegangen" sei und daher wegen der "vorauszusehenden Einstellung des Verfahrens keine Beweisanträge" gestellt habe. Wäre die "vom Landesverwaltungsgericht vorgenommene Vorgangsweise früher bekannt geworden", so wären "Beweisanträge in Richtung der Vertretung" des Revisionswerbers durch "Benennung eines verwaltungsstrafrechtlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 StVG ermöglicht worden, um sich zu exkulpieren". Das Verwaltungsgericht habe dadurch das Parteiengehör verletzt. Bei rechtzeitiger und vollständiger Gewährung des Parteiengehörs sei "durch Stellung entsprechender Beweisanträge eine Exkulpierung des Revisionswerbers möglich und real gewesen".

7 Der Revisionswerber selbst hat in seiner gegen das Straferkenntnis der Behörde gerichteten Beschwerde ins Treffen geführt, dass die Veranstaltung am 28. Februar 2015 vom Verein B veranstaltet worden sei. Wenn das Verwaltungsgericht diesen Ausführungen gefolgt ist, so kann darin jedenfalls keine dem "Überraschungsverbot" widersprechende Feststellung und kein Verfahrensmangel erblickt werden.

8 Dem Revisionswerber ist im Übrigen zunächst zuzustimmen, dass - wie auch das Verwaltungsgericht erkannte - ein "Austausch" der juristischen Person für die nach § 9 VStG eine Verantwortlichkeit besteht, grundsätzlich zulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Auswechslung oder eine Überschreitung der "Sache" nicht stattfindet, wenn die belangte Behörde (nunmehr: das Verwaltungsgericht) den Beschuldigten als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche er im ursprünglichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 2010, 2008/03/0097, vom 26. April 2007, 2006/03/0018, und vom 29. Juni 1995, 94/07/0178).

9 Einen relevanten Verfahrensmangel vermag der Revisionswerber mit seinem Vorbringen jedoch nicht aufzuzeigen:

Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039). Weder benennt der Revisionswerber eine andere, nach § 9 VStG verantwortliche, Person noch behauptet er konkret, dass es überhaupt eine solche gibt. Die erforderliche Relevanz wird mit einem solchen unsubstanziierten Vorbringen daher nicht dargelegt (vgl. noch einmal das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995).

10 Soweit der Revisionswerber - ohne weitere Konkretisierung -

in seiner Zulässigkeitsbegründung von einem "einleitungsverjährten Verwaltungsstrafdelikt" spricht, ist darauf hinzuweisen, dass zwar die nach § 32 Abs. 2 VStG erforderliche Verfolgungshandlung nur dann im Sinne einer Unterbrechung der Verjährungsfrist ausreichend ist, wenn dem Beschuldigten das vorgeworfene Verhalten hinsichtlich aller maßgeblichen Tatbestandselemente vorgehalten wird, es kommt aber in diesem Stadium des Verfahrens auf eine (zutreffende) rechtliche Qualifikation des Verhaltens im Zusammenhang mit der Verfolgungshandlung (noch) nicht an; die Verfolgungshandlung bezieht sich nur auf die Tat selbst, nicht auf deren rechtliche Wertung. In diesem Sinne ist es auch ohne Belang, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat, weil diese Fragen nicht Tatbestandselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als beschuldigt angesprochenen Person betreffendes Merkmal ist, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluss ist. Es ist daher nicht als rechtswidrig gesehen und das Vorliegen der Verjährung verneint worden, wenn dem Beschuldigten erstmals im Berufungsbescheid, und zwar nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgeworfen wird, die Übertretung in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher nach § 9 VStG begangen zu haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2009, 2008/09/0011).

11 Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Revisionswerber im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes für einen anderen Verein als noch im Straferkenntnis der belangten Behörde als Verantwortlicher nach § 9 VStG belangt wird, da eine Auswechslung oder Überschreitung der "Sache" nicht stattfindet (siehe dazu bereits Rz 7 und das hg. Erkenntnis vom 29. April 2009, 2009/02/0090, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. April 2007). Von Beginn des Strafverfahrens an wurden stets Ermittlungen gegen den Revisionswerber geführt, zudem wurden diese Ermittlungen sowohl in der Anzeige als auch im Strafantrag sogar noch gegen den Revisionswerber als Verantwortlichen des Vereins B geführt. Die Tatvorwürfe waren ausreichend konkret, den Revisionswerber in die Lage zu versetzen, sich gegen diese zu verteidigen und ihn vor der Gefahr einer Doppelbestrafung zu schützen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, 2009/04/0152). Eine Verjährung ist daher nicht eingetreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, 2004/05/0168).

12 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 14. Oktober 2016

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