VwGH 2006/03/0018

VwGH2006/03/001826.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des U S in I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. November 2005, Zlen uvs-2005/K16/1217-3, 2005/K16/1228-3, 2005/K16/1230-3, 2005/K16/1232-3, 2005/K16/1234-2, 2005/K16/1236- 3, betreffend Übertretungen des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z3 idF 2002/I/032;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z3 idF 2002/I/032;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen

I. das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 6. April 2005, Zl 2.3-1963/8,

II. Punkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. April 2005, Zl 2.3-1920/7,

III. Punkt 4. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. April 2005, Zl 2.3-1927/8,

IV. Punkt 6. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. April 2005, Zl 2.3-1943/8,

V. Punkt 8. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. April 2005, Zl 2.3-1968/11,

VI. Punkt 10. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 14. April 2005, Zl 2.3-2022/8

gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG als unbegründet abgewiesen. Dabei wurden die Spruchpunkte der oben genannten Straferkenntnisse wie folgt richtig gestellt:

Zu I.: Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 6. April 2005, Zl 2.3-1963/8:

"Der Beschuldigte hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma U GmbH, I, der Komplementärin der Firma F T GmbH & Co KG mit selbem Sitz, zu verantworten, dass durch das zweitangeführte Güterbeförderungsunternehmen am 16.04.2004 (Kontrolle um 09.58 Uhr auf der B 180 bei Strkm. 46.070) eine gewerbsmäßige Güterbeförderung von Meran (I) nach Macon (F) mit dem von Z C gelenkten Sattelkraftfahrzeug, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen L (B) samt Sattelanhänger mit dem Kennzeichen O (NL) durchgeführt worden ist, wobei seitens des Güterbeförderungsunternehmens nicht dafür gesorgt worden ist, dass der bei dieser Fahrt eine der folgenden Berechtigungen (lautend auf die zweitangeführte Firma)

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Dem Beschwerdeführer werden im angefochtenen Bescheid Übertretungen des § 23 Abs 1 Z 3 iVm § 9 Abs 1 und § 7 Abs 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) zur Last gelegt.

Die maßgeblichen Bestimmungen hatten in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 32/2002 folgenden Wortlaut:

"§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer

...

3. als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hierfür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;

...

(3) Strafbar nach Abs. 1 Z 3 oder Z 6 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.

(4) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 5 und 7 hat die Geldstrafe mindestens 363 Euro zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z 3, 6 und Z 8 bis 10 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 hat die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen."

"§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden."

"§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

  1. 1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 ,
  2. 2. Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973,

    3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

    4. auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

    Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist."

    2. In den erstinstanzlichen Straferkenntnissen war der Beschwerdeführer, der seinen Hauptwohnsitz in I hat, für die verfahrensgegenständlichen Übertretungen als zur Vertretung nach außen Berufener der U Internationaux S.A. (mit dem Sitz in Belgien) bestraft worden. Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und zugleich den Spruch der erstinstanzlichen Straferkenntnisse dahingehend richtig gestellt, dass dem Beschwerdeführer die Übertretungen nicht als zur Vertretung nach außen Berufenem der U Internationaux S.A., sondern als handelsrechtlichem Geschäftsführer der im Spruch zu den einzelnen Spruchpunkten jeweils genannten Unternehmen, welche ihren Sitz in

    I hatten, zur Last gelegt wurden.

    3. Alle sechs verfahrensgegenständlichen Übertretungen wurden bei Kontrollen auf der B 180 (Reschen Straße) zwischen km 24,400 (Gemeindegebiet Pfunds) und km 46,070 (Gemeindegebiet Nauders) - somit jeweils im Gebiet des politischen Bezirks Landeck - festgestellt. Die Bezirkshauptmannschaft Landeck hat - offenbar gestützt auf die Überlegung, dass der Beschwerdeführer als Vertretungsbefugter des Unternehmens mit Sitz in Belgien im Ausland hätte handeln müssen und daher gemäß § 23 Abs 3 GütbefG die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Landeck gegeben sei - die Strafverfahren gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Imst übertragen.

    4. Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst ua geltend, dass die belangte Behörde mit der neuen Gestaltung des Schuldspruches in unzulässiger Weise den in den erstinstanzlichen Straferkenntnissen enthaltenen Tatvorwurf ausgewechselt und damit den Beschwerdeführer im Ergebnis wegen eines Delikts bestraft habe, welches ihm im Verwaltungsstrafverfahren nie vorgehalten worden war; nach dem Wortlaut der ihm gegenüber gesetzten Verfolgungshandlungen sei bereits Verfolgungsverjährung eingetreten gewesen.

    Gemäß § 66 Abs 4 AVG - diese Vorschrift findet zufolge des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Das bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, dass die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt, sodass sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist (vgl das hg Erkenntnis vom 21. März 1990, Zl 90/01/0019).

    § 9 Abs 1 VStG legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, findet allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der "Sache" nicht statt. Nichts anderes gilt in dem Fall, in dem die belangte Behörde den Beschuldigten als nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche er im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl 94/07/0178).

    5. Der Beschwerdeführer hat in den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse, in denen er als Vertretungsbefugter der U Internationaux SA mit Sitz in Belgien in Anspruch genommen wurde, sowie in einer weiteren Mitteilung an die belangte Behörde vorgebracht, dass die jeweiligen Beförderungen nicht durch dieses Unternehmen, sondern durch die U GmbH & Co KG durchgeführt worden seien. In seiner Beschwerde macht er geltend, dass ihm erstmals mit dem angefochtenen Bescheid zur Kenntnis gebracht worden sei, dass er die vorgehaltenen Übertretungen als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H & S Transport GmbH (Punkt II und III) sowie der F T GmbH & Co KG (Punkt I, IV, V und VI; richtig: der U GmbH als Komplementärin der

    F T GmbH & Co KG) zu verantworten habe. Es sei ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden, sich durch Benennung eines verwaltungsstrafrechtlich Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG zu exkulpieren; tatsächlich sei für die beiden genannten Unternehmen ein in der Beschwerde namentlich genannter verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 VStG vor dem Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Übertretungen bestellt worden.

    Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer einen relevanten Verfahrensmangel auf. Die belangte Behörde hat ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt, dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaften und als solcher zur Vertretung dieser Gesellschaften nach außen berufen war; implizit wurde damit auch verneint, dass für diese Unternehmen bzw für bestimmte abgegrenzte Bereiche dieser Unternehmen verantwortliche Beauftragte bestanden hätten. Zu diesen Umständen hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör gewähren müssen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, ist der geltend gemachte Verfahrensmangel auch wesentlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, hätte der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt, die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten zu behaupten und unter Beweis zu stellen.

    6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

    Wien, am 26. April 2007

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