VwGH Ra 2017/17/0202

VwGHRa 2017/17/020225.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. Dezember 2016, LVwG-411656/6/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: GS in L, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Normen

UGB §12;
VStG §9;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170202.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 23. August 2016 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft (G s r o) mit Sitz in der Slowakei der Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) in Bezug auf zwei Glücksspielgeräte im Tatzeitraum Anfang April 2015 bis 21. April 2015 für schuldig erkannt; es wurden über ihn Geldstrafen von insgesamt EUR 10.000,--, sowie im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 112 Stunden, verhängt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und machte im Beschwerdeverfahren unter anderem die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes geltend.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde statt, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.

5 Davon abgesehen sei der Mitbeteiligte laut beiliegendem Firmenbuchauszug im Tatzeitraum schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr dazu befugt gewesen, die verfahrensgegenständliche Gesellschaft, die Eigentümerin der hier maßgeblichen Geräte, zu vertreten.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen. Der Mitbeteiligte erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

8 Der Revisionsfall gleicht betreffend die Frage der Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof, nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

9 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist somit ausgehend von den Verfahrensergebnissen auch im Revisionsfall nicht zu erkennen.

10 Da das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

11 Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht seine aufhebende Entscheidung auch darauf gestützt, dass der Mitbeteiligte aufgrund der im Firmenbuch eingetragenen Löschung seiner Funktion als Geschäftsführer im Tatzeitraum seit mehr als einem Jahr nicht (mehr) befugt gewesen sei, die verfahrensgegenständliche Gesellschaft zu vertreten.

12 Dem in den Verwaltungsakten einliegenden Firmenbuchauszug ist zu entnehmen, dass die am 14. April 2015 beantragte Löschung der Funktion des Mitbeteiligten als Geschäftsführer der Gesellschaft am 28. April 2015, somit nach dem zur Last gelegten Tatzeitraum von Anfang April 2015 bis 21. April 2015, ins (österreichische) Firmenbuch eingetragen wurde.

13 Die Löschung der Funktion des Mitbeteiligten als Geschäftsführer im Firmenbuch ist allerding nicht entscheidungswesentlich. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG besteht für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeitpunkt der (wirksamen) Bestellung bis zu deren (wirksamer) Beendigung (Abberufung). Auf eine allfällige Firmenbucheintragung kommt es - infolge deren bloß deklarativer Wirkung - nicht an (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 9 Rz 11). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich im Revisionsfall um eine ausländische Gesellschaft mit Zweigniederlassung in Österreich handelt, weil sich auch diesfalls die Frage der Notwendigkeit von Firmenbucheintragungen sowie deren Bedeutung und Form nach den Vorschriften des österreichischen Rechtes für Hauptniederlassungen richtet, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Mangels gesetzlicher Anordnung einer konstitutiven Wirkung sind sämtliche Eintragungen im Zusammenhang mit einer inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Rechtsträgers deklarativ (VwGH vom 29. Oktober 2015, Ra 2015/17/0030, mit Literaturnachweisen).

14 Um beurteilen zu können, ob der Mitbeteiligte im Tatzeitraum verantwortlicher Beauftragter der gegenständlichen Gesellschaft gemäß § 9 VStG war, wären vom Verwaltungsgericht Feststellungen zu treffen gewesen, auf Grund derer beurteilt werden kann, wann die Funktion des Mitbeteiligten als Geschäftsführer der gegenständlichen Gesellschaft wirksam beendet wurde (Abberufung). Die alleinige Feststellung der Eintragung der Löschung des Mitbeteiligten als Geschäftsführer im Firmenbuch ist nicht entscheidungswesentlich für die Lösung der Rechtsfrage, ob dieser im (gesamten) Tatzeitraum verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 VStG war.

15 Aufgrund Verkennens der Rechtslage hat es das Verwaltungsgericht unterlassen, die entscheidungswesentlichen Feststellungen zu treffen. Es hat das angefochtene Erkenntnis daher auch in diesem Zusammenhang mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

16 Ein Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof findet gemäß § 47 Abs 4 VwGG nicht statt.

Wien, am 25. August 2017

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