Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §359b Abs1 idF 2008/I/042;
GewO 1994 §359b Abs1;
GewO 1994 §379 Abs5 idF 2012/I/085;
GewO 1994 §382 Abs55 idF 2012/I/085;
GewO 1994 §75 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2012 stellte G S gemäß § 81 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) das (näher umschriebene) Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage (Gastgewerbebetrieb). Am 6. November 2012 wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (im Folgenden: BH) gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 das beantragte Projekt bekannt gegeben und es wurde darauf hingewiesen, dass die Projektunterlagen bis zum 23. November 2012 bei der BH zur Einsichtnahme aufliegen und spätestens bis zu diesem Tag die Möglichkeit besteht, schriftliche Äußerungen zum Projekt einzubringen. Weiters wurde festgehalten, dass dadurch keine Parteistellung in diesem Betriebsanlagenverfahren begründet werde. Diese Bekanntgabe wurde an der Amtstafel der BH sowie der Standortgemeinde O öffentlich angeschlagen und die Standortgemeinde wurde ersucht, die Bekanntmachung durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bekanntzugeben.
Mit Schreiben der BH vom 3. Dezember 2012 wurde in der gegenständlichen Angelegenheit ein Lokalaugenschein für den 18. Dezember 2012 anberaumt. Zu diesem Lokalaugenschein wurden neben G S und der Standortgemeinde noch das Arbeitsinspektorat, das Amt der Kärntner Landesregierung, der Kärntner Landesfeuerwehrverband und der Amtsarzt geladen.
Mit Bescheid der BH vom 14. März 2013 wurde festgestellt, dass hinsichtlich der näher umschriebenen, von G S beantragten Änderungen der gegenständlichen Gastgewerbebetriebsanlage die in § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 für die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens festgelegten Voraussetzungen erfüllt seien und dass auf Grund der vorgesehenen Ausführung zu erwarten sei, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt seien und Belastungen der Umwelt vermieden werden. Weiters wurden mehrere Aufträge erteilt. Dieser Bescheid wurde an die zum Lokalaugenschein geladenen (Amts)Parteien zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
2. Mit Schreiben vom 13. August 2013 beantragte die Revisionswerberin (auf Grund der von der gegenständlichen Betriebsanlage zur Nachtzeit ausgehenden Lärmbelästigungen) die Zustellung des aktuellen Betriebsanlagengenehmigungsbescheides.
Mit Bescheid der BH vom 17. Dezember 2013 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Zustellung des oben angeführten Bescheides vom 14. März 2013 als unzulässig zurückgewiesen.
3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 24. April 2014 wurde die dagegen erhobene (nunmehr als Beschwerde geltende) Berufung der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.
Das Verwaltungsgericht stellte den Verfahrensgang (auch des Verfahrens nach § 359b GewO 1994) dar und erachtete für den nunmehr gegenständlichen Antrag als entscheidungserheblich, ob die Liegenschaft der Revisionswerberin ein unmittelbar benachbartes Haus im Sinn des § 359b Abs. 1 GewO 1994 sei. Diesbezüglich führte das Verwaltungsgericht aus, unter unmittelbar benachbarten Häusern seien alle Häuser zu verstehen, die "rund um die in Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser zunächst liegen". Gegenständlich sei aber unbestritten, dass zwischen der Liegenschaft der Revisionswerberin und der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage eine Entfernung von über 700 m bestehe, wobei sich dazwischen der O See und Ufergrundstücke befänden. Die Gewerbebehörde habe daher zutreffend ausgeführt, dass die Revisionswerberin nicht als unmittelbare Nachbarin im Sinn des § 359b Abs. 1 GewO 1994 anzusehen sei. Die diesbezüglich erhobene Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Revisionswerberin führt darin zur Zulässigkeit der Revision (unter Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 5. November 2010, Zl. 2010/04/0076, und vom 28. September 2011, Zl. 2009/04/0211) aus, der Verwaltungsgerichtshof habe bereits mehrfach judiziert, auch im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b GewO 1994 ergebe sich die Parteistellung allein daraus, dass die betroffene Person im möglichen Emissionsbereich der Betriebsanlage wohne. Somit sei das Verwaltungsgericht (das auf eine unmittelbare Nachbarschaft im Sinn des § 359b Abs. 1 GewO 1994 abgestellt habe) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Revisionswerberin wies weiters darauf hin, dass sie am zugrunde liegenden Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (nach § 359b GewO 1994) nicht beteiligt gewesen sei; weder sei ihr Akteneinsicht gewährt noch der Bewilligungsbescheid zugestellt worden. Die Bestimmung des § 359b GewO 1994 habe das Verwaltungsgericht insofern verkannt, als diese Norm lediglich eine Bekanntmachungsvorschrift enthalte, aber keine Änderung der Parteistellung bzw. abweichende Definition des Nachbarbegriffs beinhalte.
5. Die BH erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der beantragt wird, die außerordentliche Revision kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 359b der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der hier (auf Grund der Übergangs- bzw. Inkrafttretensbestimmungen des § 379 Abs. 5 und des § 382 Abs. 55 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2012 weiterhin) anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 42/2008, lautet auszugsweise:
"§ 359b. (1) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353), daß
- 1. ... oder
- 2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung
stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m2 beträgt, die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, dass Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden,
so hat die Behörde das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekanntzugeben, daß die Projektsunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und daß die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; statt durch Hausanschlag kann das Projekt aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn bekannt gegeben werden; nach Ablauf der im Anschlag oder in der persönlichen Verständigung angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat diesen Bescheid binnen drei Monaten nach Einlangen des Genehmigungsansuchens und der erforderlichen Unterlagen zum Genehmigungsansuchen (§ 353) zu erlassen. § 356b gilt sinngemäß. Nachbarn (§ 75 Abs. 2) haben keine Parteistellung. In der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen.
...
(8) Nach § 81 genehmigungspflichtige Änderungen einer Betriebsanlage sind dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 1 zu unterziehen, wenn die Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung die im Abs. 1 Z 1 oder 2, Abs. 4, 5 oder 6 oder in einer Verordnung gemäß Abs. 2 oder 3 festgelegten Voraussetzungen erfüllt."
2. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage, ob der Revisionswerberin die (eingeschränkte) Parteistellung im vereinfachten Genehmigungsverfahren über den Antrag des G S betreffend dessen Gastgewerbebetrieb gemäß § 359b GewO 1994 zukommt und ob ihr daher, wie beantragt, der diesbezügliche Feststellungsbescheid vom 14. März 2013 zuzustellen gewesen wäre.
3. Die Revisionswerberin hat vorgebracht, durch den Betrieb der Betriebsanlage - insbesondere durch Lärmemissionen - gefährdet bzw. belästigt (und somit Nachbarin im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO 1994) zu sein. Die Möglichkeit einer Belästigung wurde vom Verwaltungsgericht nicht geprüft.
4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Nachbarn - auf Grund dieser Stellung - im Verfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens überhaupt vorliegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. März 2008, Zl. 2005/04/0087, mwN). Dem stand auch die Regelung des § 359b Abs. 1 vorletzter Satz GewO 1994 in der hier maßgeblichen Fassung, wonach Nachbarn keine Parteistellung haben, nicht entgegen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2001, VfSlg. 16.259/2001, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 2010, Zl. 2005/04/0174, sowie die Erläuterungen zur GewO-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 85 (RV 1800 BlgNR 24. GP , 21), mit der im Sinn einer Klarstellung die ausdrückliche Normierung der beschränkten Parteistellung der Nachbarn im vereinfachten Genehmigungsverfahren erfolgte).
Das Verwaltungsgericht hat die Zustellung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides an die Revisionswerberin deshalb nicht als geboten angesehen - und damit deren Parteistellung verneint -, weil die Revisionswerberin nicht als unmittelbare Nachbarin im Sinn des § 359b Abs. 1 GewO 1994 anzusehen sei. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur unmittelbaren Nachbarschaft verwiesen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2003/04/0091).
Dabei verkennt das Verwaltungsgericht - worauf die Revision zutreffend hinweist - jedoch, dass die Regelung über den Anschlag des Projekts in den unmittelbar benachbarten Häusern eine Kundmachungsvorschrift darstellt und die Parteistellung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht (unmittelbar) betrifft.
Wenn die Revisionswerberin Nachbarin (im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO 1994; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. September 2011, Zl. 2009/04/0211) ist, kommt ihr beschränkte Parteistellung im Verfahren nach § 359b Abs. 1 GewO 1994 zu. Ein Verlust dieser Parteistellung kann gemäß § 42 Abs. 1 AVG nur im Fall der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung (in Verbindung mit dem Unterlassen der Erhebung von Einwendungen) eintreten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. März 2008, Zl. 2005/04/0087, vom 22. Juni 2011, Zlen. 2010/04/0136, 0137, und vom 26. September 2012, Zl. 2010/04/0095, jeweils mwN). Hingegen ist es für die Begründung (bzw. den Verlust) der Parteistellung nicht entscheidend, ob die Revisionswerberin in einem der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Haus wohnt.
5. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass weder den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, dass ein Verlust der Parteistellung der Revisionswerberin nach § 42 Abs. 1 AVG eingetreten ist.
6. Soweit die BH in ihrer Revisionsbeantwortung vorbringt, die Parteistellung der Revisionswerberin sei im Genehmigungsverfahren verneint worden, weil die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens geprüft und als erfüllt angesehen worden seien, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Bejahen des Vorliegens der Voraussetzungen für die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 359b GewO 1994 durch die Behörde für sich genommen am Bestehen der - auf diese Frage eingeschränkten - Parteistellung nichts ändert.
7. Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der genannten Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Wien, am 18. Februar 2015
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