Normen
AVG §56;
AVG §8;
GewO 1994 §340;
GewO 1994 §345 Abs6;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §76a Abs1 Z4;
GewO 1994 §76a Abs1;
GewO 1994 §76a Abs2;
GewO 1994 §76a Abs3;
GewO 1994 §76a Abs4;
GewO 1994 §76a;
GewO 1994 §81 Abs3;
GewO 1994 §81;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
1 1. Die Revisionswerberin ist Nachbarin im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 eines näher bezeichneten Gastgewerbebetriebes.
2 Mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Juli 2008 wurde ein Antrag des (ehemaligen) Betreibers dieses Gastlokales auf Erteilung der Genehmigung einer Änderung der Betriebsanlage durch Hinzunahme eines Gastgartens im Innenhof abgewiesen.
3 Mit Änderung der GewO 1994 durch BGBl. I Nr. 66/2010 wurde mit der Einführung des § 76a GewO 1994 die Bewilligung von Gastgärten in Form einer Genehmigungsfreistellung unter bestimmten Voraussetzungen neu geregelt, wobei vor Inbetriebnahme des Gastgartens eine Anzeige an die Behörde zu erfolgen hatte. Diese gesetzliche Regelung sieht für den Fall des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Genehmigungsfreiheit vor, dass die Behörde dies binnen drei Monaten festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen hat (§ 76a Abs. 4 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010).
4 Am 24. Februar 2011 wurde von der (nunmehrigen) Betreiberin desselben Gastlokals die Aufnahme eines Gastgartenbetriebes mit 75 Verabreichungsplätzen gemäß § 76a GewO 1994 angezeigt. Seitens des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) als Gewerbebehörde erfolgte innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist keine Untersagung des Gastgartenbetriebes. Am 2. März 2011 erging an die Betreiberin die behördliche Mitteilung, dass keine Untersagungsgründe vorliegen.
5 2. Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 stellte die Revisionswerberin an die belangte Behörde den Antrag, dieser möge bescheidmäßig feststellen, dass der Gastgarten des verfahrensgegenständlichen Lokals im Innenhof des näher bezeichneten Gebäudes ohne erforderliche Genehmigung betrieben werde.
6 Zur Begründung des Antrags wurde vorgebracht, mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2011, G 17/11 ua., sei die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind" in § 76a GewO 1994 mit Ablauf des 30. November 2012 als verfassungswidrig aufgehoben worden. Diese mit 1. Dezember 2012 in Kraft getretene Änderung der Rechtslage habe zur Folge, dass Gastgärten nur dann der bloßen Anzeigepflicht unterliegen würden, wenn neben dem Vorliegen der in § 76a Abs. 1 Z 1 bis 3 GewO 1994 genannten Voraussetzungen auch zu erwarten sei, dass aufgrund der geplanten Ausführung des Gastgartens die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt vermieden werden. Der im Jahr 2010 genehmigungsfrei gestellte und angezeigte Gastgarten stelle trotz behördlicher Kenntnisnahme, die formlos erfolgt sei, wegen der Änderung der Rechtslage infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ab 1. Dezember 2012 eine betriebsanlagenrechtlich genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigte Betriebsanlage dar.
7 Da den Nachbarn im Anzeigeverfahren nach § 76a GewO 1994 keine Parteistellung zukomme, hätten diese jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Überprüfung, ob der betreffende Gastgarten überhaupt dem Anzeigeverfahren unterliegt. Nachdem kein anderes Verwaltungsverfahren zur Verfügung stehe, in welchem die Nachbarn dieses Recht geltend machen könnten, sei der Antrag auf Feststellung zulässig.
8 3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 2013 wurde diesem Antrag keine Folge gegeben. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, ausschlaggebend für die Genehmigungsfreiheit eines Gastgartenbetriebes nach § 76a GewO 1994 sei der Zeitpunkt der Anzeige. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes könne rückwirkend keine Genehmigungspflicht für den aufgrund der erfolgten Anzeige in Betrieb genommenen Gastgarten begründen, ohne dass in ein bestehendes subjektives Recht eingegriffen würde.
9 4. Mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
10 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG aus, es lägen die Voraussetzungen für die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheids nicht vor, weshalb der Antrag bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Darüber hinaus sei die belangte Behörde zu Recht von einem genehmigten Bestand des Gastgartens ausgegangen. Dass der Gastgarten nur unter den Voraussetzungen des § 76a Abs. 5 GewO 1994 betrieben werden dürfe, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
11 Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage der Zulässigkeit eines Feststellungsantrages in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht uneinheitlich beantwortet werde.
12 5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben und diese dahingehend abzuändern, dass dem Feststellungsantrag stattgegeben werde.
13 Zur Begründung der Zulässigkeit bringt die Revision vor, es sei zu klären, ob die kurzzeitig geltende Genehmigungsfreistellung von Gastgärten dazu führe, dass ein während der Geltung dieser Genehmigungsfreistellung der Gewerbebehörde angezeigter und von dieser nicht untersagter Gastgarten auch nach Änderung der Rechtslage durch das Erkenntnis des VfGH vom 7. Dezember 2012, G 17/11, weiterhin als konsensgemäß anzusehen sei und ohne Betriebsanlagengenehmigungsverfahren betrieben werden dürfe.
14 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei beantragten in Form von zwei Revisionsbeantwortungen jeweils die Revision zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
15 6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 6.1. Die Revision ist wegen der von ihr ins Treffen geführten Rechtsfrage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
6.2. Zur Zulässigkeit des Feststellungsantrages:
17 Mit dem Antrag auf Feststellung, dass der verfahrensgegenständliche Gastgarten ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde, begehrt die Revisionswerberin die Klarstellung, dass der betreffende Gastgarten aufgrund der bereits im Jahr 2011 erfolgten Anzeige nach Änderung der Rechtslage mit 1. Dezember 2012 nicht mehr betrieben werden dürfe bzw. dass für den weiteren Betrieb ein Genehmigungsverfahren erforderlich sei.
18 6.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides auch dann zulässig, wenn sie zwar nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, die Erlassung eines solchen Bescheides auch nicht im öffentlichen Interesse liegt, jedoch insofern in jenem einer Partei, als sie für die antragstellende Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2011, 2010/12/0043, mwN). Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, 2008/12/0209, mwN).
19 6.2.2. In seinem Erkenntnis vom 1. März 2012, B 606/11, führt der Verfassungsgerichtshof zur Frage der Parteistellung der Nachbarn im Änderungsanzeigeverfahren betreffend Betriebsanlagen nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 unter anderem aus:
"3.2. Im Zusammenhang mit dem vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b GewO hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Ausschluss der Parteistellung in diesen Verfahren mit Rücksicht auf das Ziel der Verwaltungsvereinfachung in ‚Bagatellfällen' und im Hinblick auf die der Behörde auch in diesen Verfahren obliegende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage im Einzelfall sachlich gerechtfertigt ist (VfSlg. 14.512/1996). Es sei jedoch verfassungsrechtlich bedenklich und laufe auf eine unsachliche Ungleichbehandlung gleicher Fälle hinaus, den Nachbarn Parteirechte auch in solchen Fällen vorzuenthalten, in denen die Voraussetzungen für die Anwendung eines vereinfachten Verfahrens nicht gegeben seien. Den Nachbarn komme daher ein rechtliches Interesse an einer Überprüfung der Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens und damit in verfassungskonformer Interpretation des § 359b GewO eine auf diese Frage beschränkte Parteistellung zu (VfSlg. 16.103/2001).
3.3. Im Beschwerdesachverhalt ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein vereinfachtes Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b GewO handelt, sondern um ein Änderungsanzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 GewO; dieses ist der Sache nach die vereinfachte Variante eines Betriebsanlagenänderungsverfahrens. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Verfahren nach § 359b GewO auf Verfahren nach § 81 Abs. 3 GewO übertragen. Legt man die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Verfahren nach § 359b GewO zugrunde, wonach den Nachbarn in verfassungskonformer Auslegung des § 359b Abs. 1 GewO Parteistellung hinsichtlich der Frage der Überprüfung der Voraussetzungen dieses Verfahrens zukommt (VfSlg. 16.103/2001, 16.259/2001), so wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, den Nachbarn die Parteistellung in Anzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 iVm § 345 Abs. 6 GewO schlechthin, also auch bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des Anzeigeverfahrens überhaupt vorliegen, zu versagen und diese Beurteilung allein der Behörde zu überlassen. Ein derartiger Ausschluss der Parteistellung liefe letztlich auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Nachbarn, denen im Rahmen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 81 Abs. 1 GewO Parteistellung zukommt, einerseits, und jener Nachbarn, die deshalb keine solche Parteistellung haben, weil die Behörde zu Unrecht die Voraussetzungen des Änderungsanzeigeverfahrens angenommen hat, andererseits hinaus.
In verfassungskonformer Interpretation sind die Bestimmungen des § 81 Abs. 3 iVm § 345 Abs. 6 GewO daher dahingehend auszulegen, dass den Beschwerdeführern ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 iVm § 81 Abs. 2 Z 9 GewO und daher eine auf die Beurteilung dieser Frage beschränkte Parteistellung zukommt."
20 Dieser Rechtsansicht hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2015/04/0018, angeschlossen und ausgesprochen, dass Nachbarn im Änderungsanzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 eine beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage zukommt, ob die Voraussetzungen für dieses Verfahren überhaupt vorliegen.
21 6.2.3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist davon auszugehen, dass einem Nachbarn auch in Zusammenhang mit einem Anzeigeverfahren gemäß § 76a Abs. 3 GewO 1994 betreffend die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage durch zusätzliche Inbetriebnahme eines Gastgartens eine beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage zukommt, ob die Voraussetzungen für dieses vereinfachte Verfahren vorliegen. Die Beurteilung dieser Frage entscheidet nämlich auch hier über die rechtliche Stellung des Nachbarn im Verfahren zur Bewilligung des Betriebes, weil das Anzeigeverfahren gemäß § 76a GewO 1994 im Unterschied zu dem sonst erforderlichen Genehmigungsverfahren nach § 81 GewO 1994 keine Beteiligung der Nachbarn vorsieht.
22 Die Minderung des Nachbarschutzes erfordert es im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, den Nachbarn ein rechtliches Interesse an der Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Genehmigungsfreistellung im Sinne des § 76a GewO 1994 zuzugestehen. Dies umso mehr, als bereits der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Dezember 2011, G 17/11 ua, hervorgehoben hat, dass Fälle erheblicher Lärmbelästigung durch Gastgärten weder selten seien, noch a priori geringes Gewicht hätten. Vielmehr sei es offenkundig, dass es durch das - einer Prüfung der Auswirkungen von Lärm im Einzelfall entzogene - System der Anzeigepflicht des Gastgewerbetreibenden nicht nur in Härtefällen, sondern in einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl an Fällen, wenn nicht sogar - zumindest in Wohngebieten - im Regelfall, zur Beeinträchtigung der Schutzinteressen der Nachbarn komme.
23 Diese vom Verwaltungsgerichtshof geteilte Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes lässt es im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geboten erscheinen, den Nachbarn im Rahmen des vereinfachten Verfahrens gemäß § 76a GewO 1994 ebenso die auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für das Anzeigeverfahren beschränkte Parteistellung einzuräumen wie im Änderungsanzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 GewO 1994. 6.2.4. Ausgehend davon kommt der Revisionswerberin als Nachbarin des betroffenen Gastgartens eine auf die Überprüfung der Voraussetzungen des § 76a Abs. 1 bzw. Abs. 2 GewO 1994 beschränkte Parteistellung zu.
Die Revisionswerberin hatte jedoch keine Möglichkeit, ihre beschränkte Parteistellung im Rahmen eines gesetzlich geregelten Verwaltungsverfahrens wahrzunehmen. § 76a GewO 1994 schreibt nur für den Fall der Untersagung des angezeigten Gastgartens eine Bescheiderlassung vor. Sieht die Behörde die Voraussetzungen für die Genehmigungsfreistellung als gegeben an, erschöpft sich das Verfahren in der Erstattung der Anzeige durch den Betreiber; ein Kenntnisnahmebescheid, dessen Zustellung die Revisionswerberin hätte beantragen können, ist nicht vorgesehen. Fallbezogen wurde die Revisionswerberin auch dem Verfahren nicht beigezogen.
Da demnach der Revisionswerberin kein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung steht, um die Überprüfung der Voraussetzungen des § 76a Abs. 1 bzw. Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen, ist der verfahrensgegenständliche Feststellungsantrag als notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzusehen. Der Feststellungsantrag dient der bescheidmäßigen Abklärung der Frage der Erlaubtheit der Inbetriebnahme des gegenständlichen Gastgartens aufgrund der Durchführung eines (bloßen) Anzeigeverfahrens gemäß § 76a GewO 1994.
Nachdem das Anzeigeverfahren außer für den Fall der Untersagung durch die Gewerbebehörde keine Bescheiderlassung vorsieht, steht dem Feststellungsantrag kein rechtskraftfähiger Abspruch über die Qualifikation der Inbetriebnahme des Gastgartens als bloß anzeigepflichtig entgegen.
Allerdings erlangt ein Betreiber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76a Abs. 1 bzw. Abs. 2 GewO 1994 den Rechtsvorteil der Genehmigungsfreistellung für den Betrieb des Gastgartens. Liegen bei einem angezeigten Projekt diese gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, so kann für dieses Projekt die ex lege vorgesehene Erlaubnis zum Betrieb nicht entstehen. Daran kann auch eine unterbliebene Untersagung durch die Gewerbebehörde nichts ändern (vgl. in diesem Sinne zur Wirkung einer Bauanzeige ohne einen der Rechtskraft fähigen Abspruch nach § 15 NÖ Bauordnung 1996 das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, 2003/05/0181).
6.3. Zur Erlaubtheit des Gastgartenbetriebes:
6.3.1. Zum Zeitpunkt der Anzeige des verfahrensgegenständlichen Gastgartens lautete § 76a GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010 auszugsweise:
"§ 76a. (1) Für Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 8 bis 23 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn
1. sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen,
- 2. sie über nicht mehr als 75 Verabreichungsplätze verfügen,
- 3. in ihnen lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste, Singen und Musizieren vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind, und
4. auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden; eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 4 ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.
(2) Für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 9 bis 22 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis Z 4 sinngemäß erfüllt sind.
(3) Der Betrieb eines Gastgartens im Sinne des Abs. 1 oder des Abs. 2 ist der Behörde vorher anzuzeigen. Dieser Anzeige sind Unterlagen im Sinne des § 353 Z 1 lit. a bis lit. c in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.
(4) Sind die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 nicht erfüllt, so hat die Behörde unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff dies festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen. Die Behörde hat diesen Bescheid spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige samt Unterlagen zu erlassen.
(5) Wenn die in Abs. 1 oder Abs. 2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden, hat die Behörde den Gastgarteninhaber mit Verfahrensanordnung zur Einhaltung der Voraussetzungen aufzufordern. Kommt der Gewerbetreibende dieser Aufforderung nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die Schließung des Gastgartens zu verfügen.
§ 360 Abs. 4 letzter Satz und Abs. 5 sind sinngemäß anzuwenden.
(6) Mit Erteilung einer Genehmigung gemäß § 81 treten Bescheide gemäß Abs. 4 oder Abs. 5 außer Wirksamkeit.
(7) Gastgärten, die im Sinne des Abs. 1 Z 1 bis Z 4, jedoch über die in Abs. 1 oder Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus betrieben werden, bedürfen einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.
(8) Auf Gastgärten, die im Sinne des Abs. 1 oder Abs. 2 betrieben werden, sind die §§ 79 und 79a mit der Maßgabe anzuwenden, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 nur soweit vorzuschreiben sind, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. (...)"
24 6.3.2. Mit seinem Erkenntnis vom 7. Dezember 2011, G 17/11 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z 1 bis Z 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in § 76a Abs. 1 Z 4 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 66/2010 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz mit Ablauf des 30. November 2012 auf.
25 6.3.3. Die Revision wirft die Frage auf, ob Gastgärten, die vor dem 1. Dezember 2012 noch während der Geltung des § 76a GewO 1994 aF ordnungsgemäß durch den Betreiber der Behörde angezeigt wurden, nach diesem Zeitpunkt weiterhin betrieben werden dürfen, oder ob diese neuerlich anzuzeigen und von der Behörde im Lichte der geänderten Rechtslage zu beurteilen sind. Fallbezogen bringt die Revision dazu vor, ein entsprechender Antrag auf Genehmigung der Betriebsanlagenänderung für einen Gastgarten an diesem Standort sei bereits vor Einführung des § 76a GewO 1994 wegen Gesundheitsgefährdung der Nachbarn abgewiesen worden.
26 6.3.4. Vorweg ist festzuhalten, dass das in § 76a GewO 1994 geregelte Anzeigeverfahren keine bescheidmäßige Kenntnisnahme der Behörde vorsieht. § 76a GewO 1994 ordnet die Erlassung eines Bescheids nur für den Fall an, dass die Behörde die Voraussetzungen für den Betrieb des Gastgartens im Sinne des § 76a Abs. 1 oder Abs. 2 als nicht erfüllt ansieht. Die Anzeige kann daher mangels Bescheid betreffend ihre Kenntnisnahme keinen Bestandteil des Genehmigungsbescheides im Sinne des § 345 Abs. 6 GewO 1994 bilden.
27 6.3.5. Die Behörde hat jedoch gemäß § 76a Abs. 4 GewO das allfällige Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigungsfreistellung bescheidmäßig festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen. Die Prüfung der Erlaubtheit des Gastgartens gemäß § 76a Abs. 4 GewO 1994 hat binnen drei Monaten ab Einlangen der Anzeige zu erfolgen, wobei die Anzeige vor Inbetriebnahme zu erstatten ist. Da das Gesetz hinsichtlich der Prüfung der Erlaubtheit auf den Zeitpunkt der Anzeige des Gastgartens abstellt, kommt es für diese auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Anzeige an (vgl. zur ähnlichen Rechtslage betreffend die Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 340 GewO 1994 das hg. Erkenntnis vom 29. April 2014, 2013/04/0155, mwN).
28 Nach dem oben Gesagten sind nach Aufhebung der als verfassungswidrig angesehenen Wortfolge in § 76a Abs. 1 Z 4 GewO 1994 idF BGBl. I 66/2010 die vor Inkrafttreten dieser Aufhebung angezeigten Gastgärten im Fall der Nichtuntersagung als im Umfang des durch die Anzeige definierten Konsenses erlaubterweise in Betrieb genommen anzusehen. Die eingetretene Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Voraussetzungen für die in § 76a GewO 1994 normierte Genehmigungsfreistellung beseitigt die - als gesetzliche Folge eines bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Anzeige zu Recht durchgeführten Anzeigeverfahrens erlangte - rechtliche Erlaubnis zum Betrieb des angezeigten Gastgartens nicht. Dieser unterliegt auch keiner neuerlichen Anzeigepflicht, zumal sich die ab 1. Dezember 2012 aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes geänderte Rechtslage dem Wortlaut der bestehen bleibenden Bestimmung zufolge wiederum nur auf künftig in Betrieb zu nehmende Gastgärten beziehen kann (in diesem Sinne Schulev-Steindl, Gastgärten quo vadis - was folgt aus VfGH 7.12.2011, G 17/11 ua? in ZfV 2012/1005, 627 (632)). Dies steht zudem in Einklang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu dem aufgrund des Gleichheitssatzes geforderten Vertrauensschutz für Investitionen (vgl. VfGH vom 19. Juni 1998, G 454/97; VfSlg. 12.186/1989, 12.944/1991, 14.149/1995).
29 6.3.6. Die Revisionswerberin hat als Nachbarin im Rahmen ihrer beschränkten Parteistellung (nur) das Recht, die Frage prüfen zu lassen, ob zum Zeitpunkt der Anzeige des Gastgartens die Voraussetzungen für das eingeschlagene vereinfachte Verfahren vorlagen und somit der angezeigte Gastgarten erlaubterweise nach Durchführung des Anzeigeverfahrens in Betrieb genommen wurde oder nicht. Darüber hinaus stehen der Revisionswerberin als Nachbarin im Zusammenhang mit dem Anzeigeverfahren keine Rechte zu. Folglich kann sich die mit dem Feststellungsantrag begehrte Prüfung ebenso nur auf den Zeitpunkt der Anzeige vor Inbetriebnahme des Gastgartens und damit auf die zu diesem Zeitpunkt gegebene Sach- und Rechtslage beziehen.
30 6.3.8. Fallbezogen gründet die Revisionswerberin ihren Feststellungsantrag nicht auf das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 76a GewO 1994 zum Zeitpunkt der Anzeige, sondern vielmehr auf die später erfolgte Änderung der Rechtslage. Damit wird kein Sachverhalt aufgezeigt, der den rechtlichen Schluss zulassen würde, der konkrete Gastgarten hätte zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme nicht nach Durchführung eines (bloßen) Anzeigeverfahrens in Betrieb genommen werden dürfen.
31 Die Revision erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
32 Der Vollständigkeit halber ist auf die Möglichkeit nachträglicher Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeiten gemäß § 76a Abs. 8 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 60/2014 hinzuweisen.
6.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das über den zugesprochenen Pauschalbetrag hinausgehende Aufwandersatzbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen.
Wien, am 23. November 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)