VwGH 89/06/0121

VwGH89/06/012114.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. Mai 1989, Zl. Ve-550-1545/1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Gemeinde S, 2) A), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §42;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §4 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §42;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §4 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 20. Oktober 1987 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen vom 11. Oktober 1987 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei unter Anschluß der erforderlichen Unterlagen die Baubewilligung für den Wiederaufbau des abgebrannten Hofteiles auf dem Grundstück Nr. nn, KG S, jedoch mit geänderter Dachform und geänderten Funktionen der Räumlichkeiten. Den Plänen ist zu entnehmen, daß im Obergeschoß Wohn- und Schlafzimmer, Duschen, Toiletten und Pissoirs sowie im Untergeschoß ein Getränkelager usw. vorgesehen sind. Im Süden grenzt die projektierte Baulichkeit unmittelbar an den bestehenden Gastwirtschaftsbetrieb der Zweitmitbeteiligten (auf Grundstück Nr. n/2) an. Weiter im Süden schließt das Grundstück Nr. nn/4 der zweitmitbeteiligten Partei an. Sodann folgt das Grundstück des Beschwerdeführers, welches rund 100 m von dem Vorhaben entfernt liegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. November 1987 erklärte der Beschwerdeführer nach Erläuterung des Projektes, daß er bei plan- und bescheidmäßiger Ausführung des Vorhabens keinen Einwand erhebe, jedoch verlange, daß die anfallenden Abwässer ordnungsgemäß abgeleitet werden und durch die Baumaßnahmen seine Trinkwasserversorgung nicht beeinträchtigt werde.

In einem an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gerichteten Schreiben vom 12. November 1987 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gegen die äußere Form des Vorhabens nichts einzuwenden. Es stehe aber die Bezeichnung "Wiederaufbau des abgebrannten Hofteiles" mit der Nutzung laut den Plänen im Widerspruch. Bei der Verhandlung habe der Bürgermeister dargelegt, es handle sich bei dem Grundstück Nr. nn um ein Sondernutzungsrecht für ein Gasthaus. Seine Zustimmung habe sich nur auf diesen Umstand, nämlich daß es sich um ein Sondernutzungsrecht handle, bezogen. Er befürchte nunmehr den Neubau eines (zusätzlichen) Bauernhauses durch die "Hintertüre".

Dem entgegnete der Bürgermeister am 9. Dezember 1987 unter Übermittlung einer Kopie des Flächenwidmungsplanes, daß das Grundstück Nr. nn als Freiland und lediglich das Grundstück Nr. n/2 als Sonderfläche (Fremdenverkehrsgasthof) ausgewiesen sei. Seine Äußerung in der Bauverhandlung, wonach das gesamte Objekt als Sonderfläche ausgewiesen sei, beruhe auf einem Irrtum. Bezüglich der Notwendigkeit des Neubaues des Bauernhauses (es handelt sich um ein anderes Projekt) werde bereits ein Gutachten erstellt. Im übrigen sei die Entwässerung der Grundstücke Nr. n2 und nn/4 und eine teilweise Aufschüttung auf Nr. n2 bereits mit Bescheid der Landesregierung vom 28. September 1987 naturschutzrechtlich bewilligt worden.

Mit Bescheid der Landesregierung vom 18. Dezember 1987 wurde der zweitmitbeteiligten Partei auch die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das gegenständliche Vorhaben (im Gewässerschutzbereich des Hintersteinersees) erteilt.

Am 28. Jänner 1988 beantragte der Beschwerdeführer, das Bauansuchen gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung (TBO) wegen Widerspruches zur Flächenwidmung für das gastgewerbliche Objekt abzuweisen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde beschloß am 22. Dezember 1987 die Umwidmung des Grundstückes Nr. nn in landwirtschaftliches Mischgebiet gemäß § 14 Abs. 2 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG). Die Landesregierung genehmigte die Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Bescheid vom 13. Oktober 1988.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte der zweitmitbeteiligten Partei daraufhin mit Bescheid vom 2. November 1988 die beantragte Baubewilligung zur Bauführung auf dem Grundstück Nr. nn unter verschiedenen Vorschreibungen, darunter auch für die Abwasserbeseitigung. Die Parteienerklärung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung wurde wiedergegeben.

In der rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer neuerlich darauf, daß das Vorhaben schon nach den der Bauverhandlung zugrunde gelegenen Plänen eindeutig zeige, daß es gewerblichen Zwecken diene. Es hätte daher das Bauansuchen sofort gemäß § 31 Abs. 3 TBO ohne mündliche Verhandlung abgewiesen werden müssen. Das Zuwarten auf die Änderung der Flächenwidmung sei unzulässig gewesen. Im übrigen hätte das Projekt auf Grund der nunmehr geänderten Flächenwidmung neuerlich mit ihm erörtert werden müssen.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. April 1989 wurde die Berufung abgewiesen. Im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei bereits die Flächenwidmung landwirtschaftliches Mischgebiet gegeben gewesen, sodaß die diesbezüglich behaupteten Mängel nicht vorgelegen seien. Eine teilweise gewerbliche Nutzung des Objektes habe im übrigen schon in früheren Jahren bestanden. Außerdem sei die Verlegung des Stalles in einen Neubau südlich des bestehenden Gasthauses der zweitmitbeteiligten Partei für diesen Betrieb und die Fremdenpension eines unmittelbar nördlich angrenzenden Nachbarn ein Vorteil. Die Berufungsbehörde hege wegen des großen Abstandes des Grundstückes des Beschwerdeführers zum Bauvorhaben überdies Bedenken, ob ihm überhaupt Parteistellung gemäß § 30 Abs. 3 TBO zukomme. Bezüglich der Abwässer sei zu bemerken, daß die Gemeinde auch den Einreichplan zur Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage für das Wirtschaftsgebäude auf dem Grundstück Nr. nn/4 geprüft habe. Danach und nach dem Gutachten des Kulturbauamtes vom 19. Jänner 1989 ergebe sich, daß die geplante Anlage (mit 30 m3) für beide Objekte ausreichend sei.

In der rechtzeitig dagegen erhobenen Vorstellung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen in der Berufung. Die Abwasserbeseitigung sei nicht ausreichend. In der Zwischenzeit sei der zweitmitbeteiligten Partei auch schon mit Bescheid vom 24. April 1989 die Baubewilligung zur Errichtung eines neuen Wohn- und Wirtschaftsgebäudes auf dem Grundstück Nr. nn/4 erteilt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 1989 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei zur mündlichen Verhandlung vom 11. November 1987 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG ordnungsgemäß geladen worden, wonach Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Vorhaben als zustimmend angesehen werden. Der Verhandlungsschrift sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer erklärt habe, bei plan- und bescheidmäßiger Ausführung keinen Einwand zu erheben und nur zu verlangen, daß die anfallenden Abwässer ordnungsgemäß abgeleitet werden und seine Trinkwasserversorgung nicht beeinträchtigt werde. Dies stelle keine Einwendung im Rechtssinn dar. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer in der Verhandlung keine Einwendungen erhoben habe, sei für den Eintritt der Präklusionsfolgen unerheblich. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. September 1984, Zl. 84/06/0143, in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen habe, komme es ausschließlich darauf an, ob eine Partei in einem konkreten Verfahren die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes geltend gemacht habe, wobei solche Einwendungen entsprechend spezifiziert werden müßten. Dabei sei es nicht entscheidend, ob der Nachbar etwa auf Grund einer unrichtigen Belehrung durch Sachverständige oder den Verhandlungsleiter die zunächst erhobenen Einwendungen zurückgenommen habe oder - wie im gegenständlichen Fall - deshalb keine Einwendungen erhoben habe. Eine eingetretene Präklusion sei für das ganze weitere Verfahren bindend. Überdies sei vom Beschwerdeführer - unabhängig von der eingetretenen Präklusion - weder in der Berufung noch in der Vorstellung konkret vorgebracht worden, auf Grund welcher Umstände er durch das Bauvorhaben in seinen Rechten verletzt werde. Wenn dies aber nicht erkennbar sei, so müsse ein derartiges Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Es sei auch festzuhalten, daß sich die im Eigentum des Beschwerdeführers befindlichen Grundstücke rund 100 m von dem Grundstück, auf dem das Vorhaben errichtet werden soll, entfernt befinden, sodaß seine Parteistellung überhaupt anzuzweifeln sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem Vorbringen, die Baubehörde erster Instanz hätte nicht das Ergebnis des Umwidmungsverfahrens betreffend das Grundstück Nr. nn abwarten dürfen, sondern das Bauansuchen nach § 31 Abs. 3 TBO ohne weiteres Verfahren, nämlich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wegen Widerspruches zur Flächenwidmung (im Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens) abweisen müssen, wie es sei unzulässig, den Versagungsgrund nach § 31 Abs. 3 TBO durch eine nachträgliche Änderung des Flächenwidmungsplanes zu beseitigen, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Die Behörden haben grundsätzlich das im Zeitpunkt ihrer Bescheiderlassung geltende Recht anzuwenden, soweit nicht besondere Bestimmungen anderes festlegen (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. 3 zu § 56 AVG, S. 382, sowie die zu § 66 Abs. 4 AVG wiedergegebenen E. 158 ff., S. 553 f.), was aber hier nicht zutrifft. Die Gemeindebehörden waren daher nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, im Zeitpunkt ihrer Entscheidungen die Änderung der Rechtslage, nämlich des Flächenwidmungsplanes, zu berücksichtigen.

Aber auch die Rüge des Beschwerdeführers, mit der er eine Verletzung des Parteiengehörs geltend macht, vermag nicht durchzuschlagen. Wie der Beschwerdeführer selbst vorbringt, war ihm von allem Anfang an schon bei der mündlichen Bauverhandlung auf Grund der Baupläne klar, daß damit (auch) eine gewerbliche Nutzung des Objektes (als Ergänzung zum bestehenden Gasthaus) erfolgen soll. Er erhob jedoch dennoch gegen das Projekt, abgesehen von der Frage der Abwasserbeseitigung, keine Einwendungen. Als er kurz nach der Verhandlung im Wege der Baubehörde davon erfuhr, daß die Fläche, auf der der Wiederaufbau erfolgen soll, laut Flächenwidmungsplan als Freiland gewidmet war, machte er lediglich den Widerspruch des gewerblichen Vorhabens zum Flächenwidmungsplan geltend. Sodann erfolgte die Änderung des Flächenwidmungsplanes durch Umwidmung des Grundstückes in landwirtschaftliches Mischgebiet nach § 14 Abs. 2 lit. c TROG. Es trifft zwar zu, daß bei einer zwischenweilig eingetretenen Änderung der Rechtslage dies dem Nachbarn zur Kenntnis zu bringen ist, um ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme und damit zur Erhebung von Einwendungen zu geben (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1988, Zl. 87/05/0142). Wie die Aktenlage beweist, war dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die rechtskräftige Umwidmung der Grundfläche bekannt. Obwohl er in der Berufung ausreichend Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen, hat er lediglich die (unzutreffende) Meinung vertreten, ein Vorgehen durch nachträgliche Widmungsänderung sei unzulässig, es aber, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, unterlassen, irgendwelche konkreten Gründe anzugeben, aus welchen er sich als Nachbar in seinen ihm nach den baurechtlichen Vorschriften zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt erachtet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 83/05/0052). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die zweitmitbeteiligte Partei ein weiteres Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude an anderer Stelle eingebracht hatte, worauf der Beschwerdeführer verwies. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann daher nicht gesprochen werden. Auch in der Vorstellung erfolgte insoweit kein konkretes Vorbringen. Selbst die Beschwerde läßt jedwede stichhältige Ausführung dazu vermissen, wohl offensichtlich auch deshalb, weil das Vorhaben auch in Ansehung der gewerblichen Nutzung für den Gastwirtschaftsbetrieb in der bestehenden Widmung landwirtschaftliches Mischgebiet (§ 14 Abs. 2 lit. c TROG) zulässig ist.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick darauf zu dem Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer unabhängig von der Frage der Präklusion nicht aufgezeigt hat, in welchen ihm nach den baurechtlichen Vorschriften zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechten er sich verletzt erachtet. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage einer bei der Bauverhandlung eingetretenen Präklusion.

Bezüglich der vom Beschwerdeführer in der Bauverhandlung aufgeworfenen Frage der seiner Meinung nach unzureichenden Abwasserbeseitigung ist ihm zu entgegnen, daß dem Nachbarn aus den diesbezüglichen Bestimmungen der Bauordnung (§ 4 Abs.2) kein subjektiv-öffentliches Recht erwächst. Einem Nachbarn kommt im übrigen ein Schutz hinsichtlich Wasserversorgung und Wasserqualität nicht nach baurechtlichen, sondern (allenfalls) nach wasserrechtlichen Vorschriften zu, sodaß der Nachbar im Bauverfahren insoweit wirksam keine Verletzung subjektiv öffentlich-rechtlicher Rechte geltend machen kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1986, Zl. 84/06/0117). Es kann demnach auch darin, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht näher auseinandergesetzt hat, kein zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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