VwGH 84/06/0143

VwGH84/06/014313.9.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde des P M in R, vertreten durch Dr. Rudolf Pototschnig, Rechtsanwalt in Villach, Klagenfurter Straße 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 16. Mai 1984, Zl. 8 BauR1-43/4/1984, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J P und 2. M Z, beide in R, beide vertreten durch Dr. Oskar Stefula, Rechtsanwalt in Villach, Italienerstraße 6, 3. Marktgemeinde Arnoldstein, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg impl;
BauRallg;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg impl;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- sowie den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 8.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren dieser mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Über das nach Stellungnahme des Bauanwaltes abgeänderte Bauansuchen der Erst- und Zweitmitbeteiligten auf Errichtung eines zweigeschossigen unterkellerten Wohnhauses auf der Grundparzelle n/1, KG.X, wurde am 24. August 1983 eine mündliche Verhandlung abgeführt, zu der u.a. der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 42 AVG geladen worden war und auch teilnahm. Nach dem Inhalt der in Maschinschrift abgefaßten Verhandlungsschrift, die auch der Beschwerdeführer unterfertigte, "stimmte" er als Anrainer "der Bauführung vorbehaltslos zu". Bei einer weiteren Verhandlung am 7. September 1983, an der der Beschwerdeführer ebenfalls teilnahm und deren maschinschriftliche Niederschrift er unterfertigte, wurde zunächst die Verhandlungsschrift vom 24. August 1983 verlesen. Die anwesenden Anrainer mit Ausnahme der A T verwiesen danach auf die in der Verhandlungsschrift vom 24. August 1983 abgegebenen Zustimmungserklärungen zur Bauführung. Lediglich A T erhob Einwendungen hinsichtlich des Abstandes des Bauwerkes, worauf der Amtssachverständige ausführte, aus welchen Gründen diese Einwendungen unberechtigt seien.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1983 wurde die Baubewilligung erteilt und der Antrag der A T als unbegründet abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer zwar aus, aus welchen Gründen der Sachverständige Schattenpunkte und Abstandsflächen falsch ermittelt habe, behauptete jedoch nicht etwa die Unrichtigkeit der Niederschriften über die Verhandlungen. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1983 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück, da er es unterlassen habe, spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung Einwendungen gegen die beabsichtigte Bauführung zu erheben. Darüber hinaus legte die Berufungsbehörde noch dar, aus welchen Gründen die Berufung des Beschwerdeführers auch meritorisch unberechtigt sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, daß dieser sehr erhebliche Einwände in bezug auf Situierung und Größe des Bauwerkes erhoben und im Zuge des Verfahrens angeregt habe, daß entweder das Bauwerk einige Meter in Richtung Süden verschoben werde oder aber nach Norden, wobei die nördliche Anrainerin bereit gewesen sei, den entsprechenden dazu notwendigen Grund zu verkaufen oder zu tauschen. Diese Varianten seien vom anwesenden Verhandlungsleiter und dem bautechnischen Sachverständigen mit der Begründung abgelehnt worden, daß das beantragte Projekt allen Vorschriften der Kärntner Bauordnung und der Kärntner Bauvorschriften entspreche. Im Hinblick auf diese "falsche Belehrung" durch Organe der Marktgemeinde Arnoldstein habe sich der Beschwerdeführer dazu bewegen lassen, "formell keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben". Der Beschwerdeführer habe auch auf die Ausführungen insbesondere hinsichtlich der Berechnung der Abstandsflächen seitens der Organe der Gemeinde vertrauen müssen. Nachträgliche Berechnungen hätten nun ergeben, daß die Berechnung falsch gewesen sei und dies, offensichtlich bewußt, aus Anlaß der Bauverhandlung verschwiegen worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter anderem die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den baubehördlichen Berufungsbescheid als unbegründet ab. Gemäß § 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950 habe eine durch Verständigung der Beteiligten anberaumte Verhandlung zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung selbst vorgebracht würden, keine Berücksichtigung fänden und die Beteiligten dem Parteiantrag als zustimmend angesehen würden. Der Beschwerdeführer habe laut Verhandlungsprotokoll vom 24. August 1983 der Bauführung vorbehaltslos zugestimmt und weiters laut Verhandlungsprotokoll vom 7. September 1983 auf die in der zitierten Verhandlungsschrift abgegebene Zustimmungserklärung verwiesen. Es könne keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben habe. Dafür, daß nachträgliche Berechnungen etwas anderes ergeben hätten, gälten die Folgen des § 42 AVG 1950. Der Widerruf einer beider Verhandlung abgegebenen Zustimmungserklärung sei rechtlich wirkungslos. Sei aber die Präklusion eingetreten, so sei die Berufungsbehörde nicht berechtigt, die Einwendungen in der Berufung einer sachlichen Prüfung zu unterziehen. Der belangten Behörde sei daher verwehrt, auf das Sachvorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, durch das Bauvorhaben der Mitbeteiligten nicht in seiner Sicherheit, Gesundheit und Vermögen geschädigt zu werden, insbesondere im Recht auf Einhaltung der Abstandsflächen.

Sowohl die belangte Behörde einerseits als auch der Erst- und die Zweitmitbeteiligte andererseits erstatteten je eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Anrainer nach § 18 der Kärntner Bauordnung vom 30. Juni 1969, LGBl. Nr. 48, in der Fassung der LGBl. Nr. 56/1972 und 79/1979, zutrifft, ist auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich deren dieses Mitspracherecht, also ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, besteht (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A). Darüber hinaus werden jedoch sowohl die Berufungsbehörde als auch die Vorstellungsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes durch eine gemäß § 42 AVG 1950 eingetretene Präklusion auf eine Prüfung im Rahmen rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt, da durch diese der Prüfungsbereich endgültig abgesteckt worden ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1964, Slg. N.F. Nr. 6246/A, und vom 12. April 1984, Zl. 83/06/0246). Im vorliegenden Fall hat zwar die Berufungsbehörde zu Unrecht die Berufung des Beschwerdeführers zurück- statt abgewiesen, wie dies der neueren Rechtsprechung entspräche; da dabei jedoch die Frage der Präklusion inhaltlich geprüft worden ist, handelt es sich lediglich um ein Vergreifen im Ausdruck, eine Verweigerung der Sachentscheidung lag in Wahrheit nicht vor, so daß dies allein nicht zu einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers führen konnte (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A).

Maßgeblich ist also ausschließlich, ob die Baubehörden beider Instanzen und die Vorstellungsbehörde mit Recht eine Präklusion des Beschwerdeführers annehmen durften oder nicht. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde kommt es nun nicht etwa darauf an, ob der Beschwerdeführer vorbehaltslos oder mit bestimmtem Vorbehalt dem Bauvorhaben zugestimmt hat, sondern ausschließlich darauf, ob er in einem konkreten Verfahren die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht hat, wobei die Einwendungen entsprechend spezialisiert werden müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. September 1981, Zl. 06/2533/79). Dabei ist nicht entscheidend, ob der Nachbar etwa auf Grund einer unrichtigen Belehrung durch Sachverständige oder Verhandlungsleiter die zunächst erhobenen Einwendungen zurückgenommen hat, sondern nur darauf, ob er dies überhaupt getan oder ob er (wie die andere Nachbarin) ungeachtet der Belehrung die Einwendungen aufrecht erhalten hat. Hiezu verweist die belangte Behörde aber mit Recht nicht nur auf den Inhalt der maschingeschriebenen und vom Beschwerdeführer unterfertigten Niederschriften, sondern auch auf den Inhalt der Vorstellung, wonach sich der Beschwerdeführer durch falsche Belehrung von Organen der mitbeteiligten Gemeinde habe bewegen lassen, "formell keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben". Soweit der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde einen etwas anderen Standpunkt vertritt, handelt es sich um eine gemäß § 41 VwGG 1965 unzulässige und daher nicht zu berücksichtigende Neuerung. Die Baubehörden beider Instanzen und die belangte Behörde haben vielmehr zu Recht eine Präklusion des Beschwerdeführers angenommen, die eine materielle Prüfung seines Vorbringens, insbesondere zur Frage der Abstandsflächen, hinderte. Mangels Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers war daher seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Da infolge der Präklusion weder die belangte Behörde den § 4 der Kärntner Bauvorschriften angewendet hat, noch der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmung anzuwenden hatte, konnten die Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmung und eine allfällige entsprechende Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof unterbleiben.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über die Beschwerde erübrigte es, über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abzusprechen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965. Dabei konnte der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei für deren Gegenschrift die verzeichnete Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden, da diese mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten ist.

Wien, am 13. September 1984

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