VwGH 2012/05/0080

VwGH2012/05/008023.8.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der S P in W, vertreten durch Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Leonard Bernstein Straße 4-6/9/3a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. März 2012, Zl. RU1-BR-1549/001-2011, betreffend Einwendungen und Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. H G und 2. R G, beide in A;

3. Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §56;
AVG §58;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 20. Juli 2009 beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Erteilung der Baubewilligung für die Abänderung eines auf der Liegenschaft Grundstück Nr. 61, EZ 297, KG X, bestehenden Bauwerkes.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin mit, dass das zuvor genannte Bauvorhaben eingereicht worden sei und die Beschwerdeführerin als Anrainerin nunmehr die Möglichkeit habe, gegen das Bauvorhaben Einwendungen binnen 14 Tagen zu erheben. Sollte innerhalb dieser Zeit keine Einwendung gemäß § 6 Abs. 2 und 4 der Niederösterreichischen Bauordnung (BO) eingebracht werden, entfalle gemäß § 22 Abs. 2 BO die Bauverhandlung und werde ein Baubewilligungsbescheid erlassen.

Mit Schreiben vom 5. August 2009 brachte die Beschwerdeführerin als Nachbarin "Einwendung gegen das Bauverfahren Zahl 131-A1/12 wegen technischer Mängel" vor. Sie führte aus, nachdem die Grundkonstruktion des Bauwerkes maßgeblich verändert werden solle, bestehe sie auf einer Bauverhandlung. Wie sie aus den Bauplänen habe entnehmen können, würden einige Punkte nicht der Bauordnung entsprechen. Speziell bei einem Garagenbau seien erhöhte Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Weiteres Vorbringen werde sie bei der Bauverhandlung zu Protokoll geben.

Mit Ladung vom 25. September 2009 beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Bauverhandlung für den 7. Oktober 2009 an. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass Nachbarn, soweit sie nicht spätestens vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung ihre Rechte geltend machen, ihre Parteistellung verlieren und spätere Einwendungen keine Berücksichtigung finden.

Bei der mündlichen Bauverhandlung am 7. Oktober 2009 gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, ihr Hauptanliegen sei es, dass es sich nicht um eine Abänderung, sondern um einen Neubau handle. Die Änderungen seien derart gravierend, dass nur ein minimaler Teil des Bauwerkes verbleibe. Nach § 64 Abs. 2 BO seien Abstellanlagen nur insoweit zulässig, als sie für die Bewohner zulässig seien. Auf der Baufläche .61 gebe es keine Bewohner, daher sei auch keine Garage möglich. Andernfalls könne es sich nur um einen Gewerbebetrieb handeln, der im Wohngebiet errichtet werden solle. Dabei müssten die einschlägigen Bestimmungen des Gewerberechtes sowie des Umweltschutzes eingehalten werden. Es sei bis heute nicht geklärt, ob in dem Objekt Reparaturen an Kraftfahrzeugen oder Krafträdern vorgenommen werden sollten, ob ein Zugang zum Dachgeschoß vorgesehen sei und gegebenenfalls in welcher Art und ob ein Stromanschluss und ein Wohnraum vorgesehen seien. Die Abänderungen des Bescheides vom 27. April 1993 seien nicht eingehalten worden, deshalb sei dieser Bescheid nicht rechtsgültig und gelte damit der ursprünglich vom "Bürgermeisteramt" genehmigte Baubescheid. Daher sei auf diesen Bescheid zurückzugreifen und dieser die Grundlage der jetzigen Neuwidmung.

Mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. November 2009 wurde der Beschwerdeführerin die Niederschrift der Bauverhandlung vom 7. Oktober 2009 übermittelt. Weiters führte der Bürgermeister aus, "dass eine Parteistellung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200 in der geltenden Fassung nicht gegeben ist". Das Schreiben trug die Aktenzahl 131-AL/12.

Mit Bescheid vom 3. November 2009, Zl. 131-AL/12, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die beantragte Baubewilligung. Nach dem Zustellvermerk ist dieser Baubewilligungsbescheid nicht an die Beschwerdeführerin ergangen. Es findet sich auch sonst im Akt kein Hinweis, dass diese Baubewilligung der Beschwerdeführerin zugestellt oder sonstwie zugegangen wäre.

Mit Schreiben vom 10. November 2009 erhob die Beschwerdeführerin "Einspruch in offener Frist gegen den Bescheid vom 3.11.2009 AZ: 131-AL/12". Ausgeführt wurde darin im Wesentlichen, im Bescheid vom 3. November 2009 werde ihr die Parteistellung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 BO entzogen. Die Parteistellung stehe ihr aber zu, und zwar nach § 6 Abs. 1 Z. 3 sowie Abs. 2 BO u.a. hinsichtlich des Brandschutzes. Daher beantrage sie, die in der Verhandlung vom 7. Oktober 2009 vorgebrachten Einwendungen Punkt für Punkt zu beantworten, um ihr die Möglichkeit des Instanzenzuges zu geben. Bei der Ladung und bei der Verhandlung vom 7. Oktober 2009 sei sie als Partei zugelassen worden. Eine Baubewilligung sei ohne vorherigen Konsens bzw. abgeschlossenen Instanzenzug nicht möglich und rechtswidrig. Sie erwarte, dass ihre Parteistellung unmittelbar anerkannt werde, wie sie eindeutig aus § 6 BO hervorgehe, und ihre Einsprüche mit Bescheid beantwortet würden. Es sei insbesondere auch zu klären, ob es sich bei einer totalen Entfernung des gesamten Objektes (auch die Pfeiler würden als "entfernungswahrscheinlich" beschrieben) noch um einen Umbau handle. Es müssten die Kriterien für einen Neubau angewendet werden.

Im Akt befindet sich weiters die Kopie eines Schreibens der Beschwerdeführerin vom 17. November 2009 an die Bezirkshauptmannschaft K. als "Aufsichtsbehörde I. Instanz für Gemeinden". Darin führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, mit Bescheid vom 3. November 2009, AZ: 131-AL/12, sei ihr die Parteistellung ohne ausreichende Begründung aberkannt worden. Gegen diesen Bescheid habe sie in offener Frist berufen und beantrage, ihre Einwendungen aus der Verhandlung Punkt für Punkt zu beantworten und ihr die Möglichkeit eines Instanzenzuges einzuräumen (wurde näher begründet). Sie erwarte, dass ihre Parteistellung unmittelbar anerkannt werde, wie dies eindeutig aus § 6 BO hervorgehe.

Mit e-mail des J.K. (offenbar ein Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde) vom 23. November 2009 wurde der Beschwerdeführerin daraufhin unter anderem mitgeteilt, dass sie den von ihr beeinspruchten Bescheid leider nicht vorgelegt habe. In der Folge übermittelte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. November 2009 "die gewünschten Unterlagen", darunter den "Einspruch in offener Frist" vom 10. November 2009 und das Schreiben des Bürgermeisters vom 3. November 2009 über ihre Parteistellung, nicht jedoch den Baubewilligungsbescheid.

Am 11. Dezember 2009 erließ der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde an die Beschwerdeführerin einen Bescheid. In dessen Präambel wurde zunächst ausgeführt, dass den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien gemäß § 14 Z. 4 iVm § 23 Abs. 1 BO die Baubewilligung mit Bescheid vom 3. November 2009, AZ. 131-AL/12, erteilt worden sei. In diesem Bescheid sei auch darüber abgesprochen worden, dass keine Parteistellung der Beschwerdeführerin gegeben sei. Eine Benachrichtigung darüber "(keine Bescheidzustellung)" an die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom 3. November 2009 ergangen. Mit Schreiben vom 28. November 2009, vom 17. November 2009 datiert und mit der Titulierung "Einspruch in offener Frist", sei von der Beschwerdeführerin ihre Parteistellung "erwartet" worden, wie es "formuliert" worden sei. Der Gemeindevorstand als Baubehörde zweiter Instanz treffe folgende Entscheidung:

"Die beantragte Parteistellung von Frau (Beschwerdeführerin) in diesem Verfahren wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der derzeit geltenden Fassung als unzulässig zurückgewiesen."

Begründend wurde ausgeführt, aus den Einreichunterlagen und dem Ergebnis der Bauverhandlung der Baubehörde erster Instanz sei zu schließen, dass die Art des Vorhabens keine subjektivöffentlichen Nachbarrechte im Sinne des § 6 Abs. 2 BO berühre. Die Beschwerdeführerin weise in ihren Eingaben neben mehreren, für das Verfahren nicht relevanten Aussagen auf die Vermutung hin, dass ein Gewerbetrieb errichtet werden solle. Im Akt und aus den vorhandenen Unterlagen gebe es dafür keinerlei Hinweise, sodass diese "Annahme" keinen Einfluss auf die gegenständliche Entscheidung habe. Im Falle eines gewerblich ausgerichteten Vorhabens wäre außerdem nicht die mitbeteiligte Marktgemeinde mit dem baubehördlichen Verfahren befasst, da die Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürften, auf die Bezirkshauptmannschaft K. übertragen worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften legte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen dar, dass die Baubehörden der Gemeinden die Stellung der Beschwerdeführerin als Partei auf Grund des § 6 Abs. 1 BO nie in Zweifel gezogen hätten. Die Baubehörde erster Instanz habe die Beschwerdeführerin gemäß § 22 Abs. 2 BO als Partei vom Bauvorhaben verständigt und nach ihren Einwendungen eine Bauverhandlung durchgeführt. Die Feststellung des Verlustes der Parteistellung sei daher nicht auf Grund einer falschen Anwendung des § 6 Abs. 1 BO erfolgt, die Behörden der Gemeinde hätten ihren Entscheidungen auch keines der Kriterien des § 6 Abs. 1 BO zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin habe aber weder in ihrem Schreiben vom 5. August 2009 noch bei der Bauverhandlung vom 7. Oktober 2009 Einwendungen erhoben, die sich auf die im § 6 Abs. 2 BO abschließend aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bezögen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin könne der Niederschrift über die Bauverhandlung nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin in dieser Verhandlung auf eine Immissionsgefahr im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 2 BO hingewiesen hätte. § 64 Abs. 2 BO, der nur die Zulässigkeit von privaten Abstellanlagen im Bauland-Wohngebiet und nicht im hier gegenständlichen Bauland-Agrargebiet regle, begründe keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. In der Ladung vom 25. September 2009 sei auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG hingewiesen worden. Da die Beschwerdeführerin bis zum Ende der mündlichen Verhandlung weder schriftlich noch mündlich Einwendungen im Sinne des § 6 Abs. 2 BO erhoben habe, habe sie ihre Parteistellung verloren. Spätere Einwendungen habe die Berufungsbehörde nicht mehr berücksichtigen dürfen, was sie erkannt und somit zu Recht die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen habe. Im Übrigen stelle die Beschwerdeführerin im Vorstellungsschreiben selbst fest, dass ihr im Kleid eines formlosen Schreibens der Bescheid (gemeint hier offenbar: die Baubewilligung) vom 3. November 2009 zugestellt worden sei, und sie bezeichne auch den erstinstanzlichen Bescheid, von dem sie schreibe, er sei ihr nicht zugestellt worden, mit genauem Datum und genauer Aktenzahl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 42 Abs. 1 und 2 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."

§ 6 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-20 lautet auszugsweise:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

…"

Gemäß § 22 Abs. 2 BO darf zur Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens die Bauverhandlung entfallen, wenn die Behörde die Parteien (unter anderem) nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO von dem Einlangen eines Baubewilligungsantrages unter Angabe von Zeit und Ort für die Einsichtnahme nachweislich verständigt und gleichzeitig die Parteien aufgefordert werden, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen, und innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, die Auffassung der belangten Behörde, Gegenstand der Berufung sei nicht der "Bescheid (Beschwerdeführerin)" gewesen, sondern die Baubewilligung, sei denkunmöglich und unvertretbar. Bei Zweideutigkeit wäre im Übrigen dem Gemeindevorstand aufzutragen gewesen, ein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten und die Beschwerdeführerin anzuhalten, zu konkretisieren, gegen welchen Bescheid sich ihre Berufung richte. Da nach Ansicht der belangten Behörde der "Bescheid (Beschwerdeführerin)" kein Bescheid sei, sei ihr bis heute nie ein erstinstanzlicher Bescheid zugestellt worden, der ihr ihre Parteistellung aberkannt habe. Demnach hätte die belangte Behörde der mitbeteiligten Marktgemeinde aufzutragen gehabt, ihr zunächst durch den Bürgermeister einen Bescheid zustellen zu lassen, der über ihre Parteistellung abspreche. Objektiv erkennbar habe sie sich im Übrigen schon in der Bauverhandlung auf ihren Schutz vor Immissionen berufen. Sollte eine konkretere Ausgestaltung von Einwendungen notwendig sein, wäre eine entsprechende Manuduktionspflicht anzunehmen. Wenn eine konkretere Ausgestaltung nicht notwendig sei, müssten die Einwendungen als gültig im Sinne des § 6 Abs. 2 BO anerkannt werden. Im Falle der Verletzung einer Anleitungspflicht wären auch nachträgliche Einwendungen zu beachten, soweit diese die bereits in der Bauverhandlung erstatteten Einwendungen präzisierten. Die an sich richtige Rechtsansicht, Einwendungen nach der Bauverhandlung seien unbeachtlich, treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. November 2009 der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht zugestellt worden ist. Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass sie gegen diesen Bescheid ergo auch keine Berufung eingelegt habe, ist also zu folgen. Der "Einspruch in offener Frist gegen den Bescheid vom 3.11.2009 AZ: 131-AL/12" richtete sich somit gegen das Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. November 2009, AZ: 131-AL/12, in dem dargelegt worden war, "dass eine Parteistellung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200 in der geltenden Fassung nicht gegeben ist" (in der Beschwerde "Bescheid <Beschwerdeführerin>" genannt). Dieses Schreiben hatte dieselbe Aktenzahl wie der Baubewilligungsbescheid und war auch vom selben Tag datiert.

Es ist daher zunächst zu prüfen, ob mit diesem Schreiben ein Bescheid vorliegt, gegen den Berufung erhoben werden konnte.

Voraussetzung dafür ist zunächst, dass der betreffende Akt erkennbar von einer bestimmten Verwaltungsbehörde erlassen wurde (vgl. zu den wesentlichen - konstitutiven - Bescheidmerkmalen Hengstschläger/Leeb, AVG II, S. 612 f Rz 10 ff). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, insofern der Bürgermeister als Verfasser des Schriftsatzes vom 3. November 2009, der an die Beschwerdeführerin gerichtet war und auch ergangen ist, feststeht. Ferner ist es erforderlich, dass ein tauglicher Bescheidadressat vorhanden ist. Auch dies ist im vorliegenden Fall ohne Zweifel gegeben.

Notwendig ist darüber hinaus, dass zumindest aus dem Inhalt eindeutig hervorgeht, dass gegenüber individuell bestimmten Personen eine normative (rechtsverbindliche) Anordnung getroffen werden soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 615 Rz 17). Entscheidend ist damit, ob nach dem Inhalt ein autoritatives Wollen der Behörde anzunehmen ist, ob die Erledigung also einen die zur Entscheidung stehende Rechtssache bindend regelnden Spruch im materiellen Sinne enthält, der in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 615 Rz 17, mwN).

Auch ein solcher Spruch liegt vor, indem nämlich für die Beschwerdeführerin mit dem genannten Schreiben ausgesprochen wurde, dass ihre Parteistellung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 BO "nicht gegeben ist".

Insgesamt ist somit festzuhalten, dass damit ein Bescheid vorlag, gegen den sich die als "Einspruch" bezeichnete Berufung vom 10. November 2009 gerichtet hat. Zu bemerken ist, dass ein Abspruch über die Parteistellung nicht antragsgebunden ist, sodass der Bürgermeister auch nicht mangels eines Antrages zur Erlassung eines solchen Bescheides unzuständig gewesen wäre.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass dann, wenn Gegenstand der Berufung tatsächlich die Baubewilligung und nicht der "Bescheid (Beschwerdeführerin)" gewesen wäre, der Gemeindevorstand die Berufung nicht mangels Parteistellung hätte zurückweisen dürfen, sondern wegen Unzuständigkeit, weil der Beschwerdeführerin ja die Baubewilligung nie zugestellt worden sei. Die belangte Behörde hätte bei konsequenter Fortführung ihrer Ansicht der Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge geben und den Bescheid des Gemeindevorstandes aufheben müssen.

In diesem Zusammenhang ist zum Bescheid des Gemeindevorstandes vom 11. Dezember 2009 zunächst festzuhalten, dass nach seiner Präambel in der Baubewilligung vom 3. November 2009 auch darüber abgesprochen worden sei, dass für die Beschwerdeführerin keine Parteistellung gegeben sei. Eine Benachrichtigung darüber "(keine Bescheidzustellung)" sei an die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3. November 2009 ergangen. Ferner heißt es in der Präambel, mit Schreiben, datiert vom 17. November 2009 und tituliert "Einspruch in offener Frist", sei von der Beschwerdeführerin ihre Parteistellung "erwartet" worden. Sodann folgte der "Spruch", wonach die "beantragte Parteistellung" der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG "als unzulässig zurückgewiesen" wird.

Die Formulierung des Spruches des genannten Bescheides vom 11. Dezember 2009 ist zwar sprachlich missglückt. Dies ändert aber nichts daran, dass in seiner Präambel ausdrücklich der "Einspruch" der Beschwerdeführerin vom 17. November 2009 erwähnt wird, womit auf das Schreiben der Beschwerdeführerin an die Bezirkshauptmannschaft verwiesen wird, in dem, insbesondere auch im Zusammenhang mit seiner Ergänzung durch Unterlagen, wiederum eindeutig der Bescheid des Bürgermeisters vom 3. November 2009 (nur) über die Parteistellung als angefochten bezeichnet worden war. Auch wenn der Bescheid des Gemeindevorstandes vom 11. Dezember 2009 nicht als "Berufungsbescheid", sondern lediglich als "Bescheid" bezeichnet ist, und auch wenn in seiner Präambel ausgeführt ist, dass an die Beschwerdeführerin lediglich eine Benachrichtigung über ihre mangelnde Parteistellung "(keine Bescheidzustellung)" erfolgt sei, ändert dies alles nichts daran, dass nach dem Verfahrensstand der Gemeindevorstand zuständig war, über die als Einspruch bezeichnete Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 3. November 2009 (nur) über ihre Parteistellung zu erkennen. Über die Parteistellung abzusprechen, war auch der Bescheidwille des Gemeindevorstandes, der im Spruch hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Damit hat der Gemeindevorstand als zuständige, nämlich als Berufungsbehörde nach dem oben genannten Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Dezember 2009 betreffend (nur) die Parteistellung, über die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin entschieden, und zwar - inhaltlich eindeutig - dahingehend, dass der Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Dezember 2009 bestätigt und die Parteistellung, ebenso wie vom Bürgermeister, auch vom Gemeindevorstand verneint wurde. Auch durch die Zitierung des § 66 Abs. 4 AVG kommt zum Ausdruck, dass es sich um einen Berufungsbescheid gehandelt hat. Zwar wäre die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen, dadurch, dass die Worte "die beantragte Parteistellung … wird … als unzulässig zurückgewiesen" gewählt wurden, liegt aber inhaltlich kein anderer Bescheidwille als eine Abweisung der Berufung und auch keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin vor. Es verschlägt auch nichts, wenn sich der Gemeindevorstand selbst "nicht bewusst" war, dass er als Berufungsbehörde über die als Einspruch bezeichnete Berufung der Beschwerdeführerin vom 10. November 2009 entscheidet (dass dies ausdrücklich nicht der Fall sein sollte, kommt in seinem Bescheid vom 11. Dezember 2009 nicht zum Ausdruck); maßgeblich ist nur, dass er in der gegebenen Verfahrenslage inhaltlich über die Parteistellung der Beschwerdeführerin bescheidmäßig erkannte.

Die gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 11. Dezember 2009 erhobene Vorstellung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Ausgehend von den bisherigen Darlegungen ist daher zu prüfen, ob die Parteistellung von den Gemeindebehörden zu Recht verneint wurde.

In diesem Zusammenhang ist zunächst im Einklang mit der belangten Behörde und auch dem Beschwerdevorbringen festzuhalten, dass die Gemeindebehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin als Nachbarin gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO angesehen hat. Die Baubehörde erster Instanz ist entsprechend § 22 Abs. 2 BO vorgegangen, hat also die Beschwerdeführerin als Partei nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO behandelt.

Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend entnommen werden kann, sind die Gemeindebehörden aber davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen gemäß § 6 Abs. 2 BO ihre Parteistellung im Sinne des § 42 AVG verloren hat.

An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass die Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 BO taxativ ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2012, Zl. 2009/05/0346). Zur Vermeidung der Präklusion hätte die Beschwerdeführerin somit spätestens bis zum Ende der mündlichen Verhandlung Einwendungen erheben müssen, mit denen sie die Verletzung eines konkreten subjektiven Rechtes im Sinne des § 6 Abs. 2 BO geltend macht (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 611, unter E 32 f zitierte hg. Judikatur). Zwar besteht keine Verpflichtung, dass der Nachbar angibt, auf welche Norm sich das geltend gemachte subjektive Recht stützt, und es ist auch nicht erforderlich, dass die Einwendungen näher begründet werden (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 612 unter E 37 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Es muss jedoch wenigstens erkennbar sein, welcher Art das geltend gemachte Recht ist und welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 613 unter E 40 f wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Ausgehend davon, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angenommen hat, dass die Beschwerdeführerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen erhoben hat, mit denen sie ein subjektivöffentliches Nachbarrecht im Sinne des § 6 Abs. 2 BO geltend gemacht hätte. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde kann ihrem Vorbringen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung auch nicht entnommen werden, dass sie sich durch Immissionen in ihren Rechten verletzt erachte. Dass eine Garage mangels Bewohner nicht möglich sei, dass es sich nur um einen Gewerbebetrieb handeln würde, der die einschlägigen Bestimmungen des Gewerberechtes sowie des Umweltschutzes einhalten müsste, und dass nicht geklärt sei, ob Reparaturen an Kraftfahrzeugen oder Krafträdern vorgenommen werden sollten, lässt alles nicht erkennen, dass sie sich konkret wegen Immissionen gegen das Bauvorhaben wendet.

Im Übrigen ist zwar einzuräumen, dass sowohl ein Zubau als auch bloße bauliche Änderungen voraussetzen, dass das bestehende Gebäude über einen baurechtlichen Konsens verfügt. Auch eine Nichtbeachtung dieser Voraussetzung, die von der Beschwerdeführerin behauptet wurde, könnte sie allerdings als Nachbarin nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn sie dadurch auch in einem Recht gemäß § 6 Abs. 2 BO verletzt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2012, Zl. 2010/05/0167, mwN). Eine solche Rechtsverletzung hat die Beschwerdeführerin aber, wie gesagt, nicht vorgebracht. Zu bemerken ist ergänzend, dass der Nachbar nur die Rechte nach § 6 Abs. 2 BO geltend machen kann und dass er kein Recht hat, dass aus anderen Gründen ein diese Rechte nicht verletzender Bau überhaupt nicht oder nur anders geplant oder ausgeführt werden dürfte oder müsste (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/05/0025, mwN).

Die Beschwerdeführerin rügt schließlich, dass die Baubehörde erster Instanz die Manuduktionspflicht verletzt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, auf Grund ihrer Manuduktionspflicht inhaltliche Mängel von Parteieneingaben aus der Welt zu schaffen. Auch eine Beratung von Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht zählt nicht zu den Pflichten der Behörde. Die Manuduktionspflicht umfasst keine Anleitung dahingehend, ob und welches inhaltliche Vorbringen die Partei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hat (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 362 f unter E 8 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. August 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte