Normen
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art54;
AVG §1;
AVG §67c;
AWG 2002 §66 Abs2 idF 2007/I/043;
AWG 2002 §79 Abs2 Z18 idF 2007/I/043;
AWG 2002 §87b Abs1 idF 2008/I/054;
AWG 2002 §87b idF 2008/I/045;
AWGNov 2007;
B-VG Art131 Abs2;
EURallg;
VStG §24;
VStG §26 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der W B. GmbH.
Dieser Gesellschaft war mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (in weiterer Folge: Bundesminister) vom 26. Juni 2007 die Zustimmung zur Verbringung von 5.000.000 kg Abfällen der Schlüsselnummer 91103 (Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung) der ÖNORM S 2100 in Verbindung mit der Verordnung dieses Bundesministers über ein Abfallverzeichnis (AbfallverzeichnisV), BGBl. II 2003/570 in der Fassung BGBl. II 2005/89, nach Deutschland zur Verwertung bei der B Recycling GmbH in N bis zum 31. Mai 2008 über den Grenzübergang S im Rahmen der Notifizierung AT 008799 erteilt worden. Ein Transport über Tschechien war in dieser Zustimmung nicht enthalten.
Am 31. Juli 2007 wurde am österreichisch/tschechischen Grenzübergang H ein Transport von Abfällen angehalten; als Auftraggeber des Transports schien die W B. GmbH auf, an Begleitpapieren wurden der Notifizierungsbogen und das Versand- /Begleitformular AT 008799 vorgelegt. Dies geht aus einem im erstinstanzlichen Verwaltungsakt erliegenden Schreiben des tschechischen Umweltministeriums vom 29. August 2007 hervor; der englischen Übersetzung dieses Schreibens ist - in Bezug auf die Begleitpapiere, die in Kopie dem Akt beiliegen - zu entnehmen, dass andere als die genannten Papiere nicht vorgelegt wurden ("The documents accompanying waste shipment included only Austrian waybill No. AT 008799"). Unter Hinweis auf Art. 26 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (EG-VerbringungsV 1993) erachtete das tschechische Umweltministerium den (versuchten) Transport als illegale Abfallverbringung.
In weiterer Folge führte der Magistrat der Stadt (Magistrat) ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten durch. Mit Schreiben vom 29. Jänner 2008 wurde der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert und ihm dabei Folgendes zur Last gelegt:
"Angaben zur Tat:
Zeit: 31. 07.2007
Ort: Grenzübergang H
Fahrzeug: Lkw
KS-(…..)
Begangene Tat und dadurch übertretene Verwaltungsübertretung:
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 26. Juni 2007, Zl. BMLFUW-UW. 2.1.1/900-VI/1/2007-Re, wurde der W B(...) GesmbH die Zustimmung zur Verbringung von 5.000.000 kg Abfällen der Schlüsselnummer 91103 (Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung) der ÖNORM S 2100, iVm der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über ein Abfallverzeichnis (AbfallverzeichnisV), BGBl II 2003/570 idF BGBl II 2005/89, (EAK-Code: 19 12 12 (sonstige Abfälle - einschl. Materialmischungen- aus der mechanischen Behandlung von Abfällen mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 12 11* fallen) nach Deutschland zur Verwertung bei der B Recycling GmbH in D N bis zum 31. Mai 2008 über den Grenzübergang S im Rahmen der Notifizierung AT 008799 erteilt. Ein Transport über Tschechien ist in dieser Zustimmung nicht enthalten.
Am 31.7.2007 wurde am Grenzübergang H ein Transport von Abfällen mit dem Lkw KS-(…) angehalten. An Begleitpapieren wurden unter anderem der Notifizierungsbogen und das Versand Begleitformular AT 008799 vorgelegt.
Gemäß Art. 26 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (VerbringungsV) gilt als illegale Verbringung eine Verbringung ohne Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung.
Als handelsrechtlicher Geschäftsführer trifft Sie die Verantwortung für diese Übertretung.
Übertretung gemäß Art. 26 Abs. 1 lit b der Verordnung (EWG) Nr. 259/93."
Der Mitbeteiligte stellte während des Verwaltungsverfahrens den Vorfall nicht in Abrede und wies darauf hin, dass der versuchte Grenzübertritt auf Grund eines Irrtumes geschehen sei. Das Fahrzeug sei an der Grenze beanstandet worden, habe letztlich dann aber die vorgeschriebene Fahrtroute über Österreich-Deutschland gewählt.
Mit Straferkenntnis des Magistrates vom 28. September 2009 wurde über den Mitbeteiligten als handelsrechtlichen Geschäftsführer der W B. GmbH wegen Übertretung gemäß Art. 26 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 eine Geldstrafe gemäß § 79 Abs. 2 Z. 18 AWG in der Höhe von EUR 1.800,--, Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden, verhängt.
Die Beschreibung der begangenen Tat und der dadurch übertretenen Verwaltungsvorschriften ist mit der in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. Jänner 2008 beschriebenen ident. Aus der Begründung des Straferkenntnisses geht hervor, dass die Tat erwiesen sei. Das Geständnis sei strafmildernd und straferschwerend sei kein Umstand angenommen worden; auf Grund der mildernden Umstände sei die Mindeststrafe verhängt worden.
Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Straferkenntnis Berufung, in der er darauf hinwies, mit 31. März 2008 aus der Firma ausgeschieden zu sein, zum damaligen Zeitpunkt sei auch ein zweiter gleichberechtigter handelsrechtlicher Geschäftsführer, der immer noch im Unternehmen sei, bestellt worden und er ersuche daher um Einstellung des Verfahrens gegen ihn und die W B. GmbH, die nur Auftraggeber für die Fahrt gewesen sei. Durchführer für die Fahrt sei hingegen die B. Transport GmbH gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.
Nach Wiedergabe der dem Beschuldigten zu Last gelegten Verwaltungsübertretung und des Berufungsvorbringens zitierte die belangte Behörde die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AWG, der EG-VerbringungsV 1993, und des § 44a Z. 1 VStG. Ohne auf das Berufungsvorbringen im Einzelnen einzugehen, und unabhängig davon, dass die im Spruch des Erstbescheides zitierte EG-VerbringungsV mit Wirkung vom 12. Juli 2007 durch die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (EG-VerbringungsV 2006) - sohin bereits zum Tatzeitpunkt 31. Juli 2007 - ersetzt worden sei, sei auszuführen, dass Tatbestand wegen einer Übertretung der im Spruch zitierten Verordnung aus dem Jahr 1993 jedenfalls eine Verbringung ohne Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörde sei. Entgegen dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 lit. b der EG-VerbringungsV 1993 und der vor der Tatzeit in Kraft getretenen EG-VerbringungsV 2006 erschöpfe sich der vorliegende Tatvorwurf neben der Anführung, dass der in Rede stehende LKW angehalten worden sei, darin, dass "an Begleitpapieren unter anderem der Notifizierungsbogen und das Versand/Begleitformular AT 008799 vorgelegt" worden sei. Damit alleine vermöge die Behörde ein Zuwiderhandeln gegen die im Spruch genannte, direkt anwendbare Rechtsvorschrift der EU nicht darzutun, zumal sie zusätzlich einräume, dass offenbar noch weitere nicht näher genannte Begleitpapiere beim gegenständlichen Transport vorhanden gewesen seien (Argumentum: "Wurden unter anderem"). Es hätte somit einer konkreten Anführung bedurft, worin nun tatsächlich eine Übertretung der genannten Verwaltungsvorschrift gesehen werde, da aus einer Anhaltung eines Transportes nichts zu gewinnen sei, um der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG gerecht zu werden. Da der dargestellte Mangel auch der im erstinstanzlichen Verfahren gesetzten Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung) anhafte, sei es auch der Berufungsbehörde trotz der ihr nach § 66 Abs. 4 AVG zustehenden Befugnis verwehrt, im Spruch des Straferkenntnisses die erforderlichen Ergänzungen bzw. Abänderungen vorzunehmen. Es sei der Berufung daher schon aus diesem Grunde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Amtsbeschwerde) gemäß § 87b AWG 2002. Der Bundesminister meint, dass sich aus dem - zugegebener Maßen etwas holprig formulierten - Spruch des Erstbescheides eindeutig ergebe, dass dem Mitbeteiligten zur Last gelegt werde, er habe entgegen dem Bescheid vom 26. Juni 2007 versucht, die Abfälle ohne Zustimmung der zuständigen tschechischen Behörde über tschechisches Gebiet zu verbringen. Der Spruch erfülle nach Ansicht des Beschwerdeführers alle Anforderungen des § 44a VStG; auch der Tatzeitpunkt sei kalendermäßig eindeutig umschrieben. Es werde daher der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Mitbeteiligte erstattete dazu eine Replik, in der er die Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde beantragte. Er bezweifelte die Beschwerdelegitimation des Bundesministers und trat der rechtlichen Argumentation des angefochtenen Bescheides bei.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragte und sich den Ausführungen des Mitbeteiligten anschloss. Sie verwies weiters darauf, dass eine konkrete Tatanlastung auch im Hinblick auf die verschiedenen, für die Verbringung von Abfällen notwendigen Verfahren nicht erfolgt sei. Im Straferkenntnis fehle zudem die Angabe eines Tatortes, der die örtliche Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde begründe. Der Grenzübergang H liege nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Magistrates der Stadt. Eine Zuständigkeit leite sich aus dem Firmensitz der W B. GmbH ab, der allerdings in der gesamten Tatanlastung nicht genannt worden sei und dies widerspreche der ständigen Tatortjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
In einem Nachhang zur Amtsbeschwerde beantragte der Beschwerdeführer schließlich auch die Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes für die Verfassung der Amtsbeschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3
VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zur Beschwerdelegitimation des beschwerdeführenden
Bundesministers:
1.1. Der Mitbeteiligte bezweifelt die Beschwerdelegitimation des amtsbeschwerdeführenden Bundesministers und gründet dies darauf, dass sich der verfahrensgegenständliche Vorfall am 31. Juli 2007 zugetragen habe; dies sei lange vor der Ermächtigung des Gesetzgebers zur Erhebung von Amtsbeschwerden nach § 87b AWG 2002 geschehen. Schon aus diesem Grund fehle es an einer Beschwerdelegitimation des Bundesministers.
Selbst wenn man trotzdem eine Beschwerdelegitimation bejahe, so sei darauf hinzuweisen, dass der Bundesminister gemäß § 87b Abs. 1 AWG 2002 nur dann zur Erhebung einer Amtsbeschwerde wegen der Rechtswidrigkeit von Entscheidungen des UVS in Verwaltungsstrafverfahren berechtigt sei, wenn seine Zuständigkeit in dieser Angelegenheit in erster Instanz gegeben sei. Im Strafverfahren wegen Übertretung des AWG 2002 sei der Minister weder in erster Instanz noch sonst zuständige Behörde. Zumal es in den Strafbestimmungen des AWG 2002 zur Zuständigkeit keine gesonderten Regelungen gebe, sei gemäß § 26 VStG in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Der Bundesminister sei zwar die für die Anwendung der EG-VerbringungsV zuständige Behörde am Versand- und Bestimmungsort sowie für die Durchfuhr und als Anlaufstelle gemäß § 54 leg. cit. Die EG-VerbringungsV lege selbst jedoch keine Strafmaßnahmen fest, die im Falle einer illegalen Verbringung schlagend würden. Vielmehr verpflichte der EU-Gesetzgeber die Mitgliedstaaten, Sanktionen für Verstöße gegen die EG-VerbringungsV zu verhängen. Genau diese Verpflichtung habe der Gesetzgeber mit der AWG-Novelle BGBl. I 43/2007 umgesetzt. Im vorliegenden Fall gehe es daher um keine Angelegenheit der EG-VerbringungsV, für die der Minister in erster Instanz zuständig sei.
Der Mitbeteiligte verweist schließlich auch noch auf die Materialien zu § 87b AWG 2002, denen zufolge die Amtsbeschwerde deshalb eingeführt worden sei, um "einen einheitlichen Vollzug und eine einheitliche Anwendung betreffend grenzüberschreitende Verbringungen in Österreich sicherzustellen." Der Grund für die Aufhebung des erstinstanzlichen Strafbescheides, der nunmehr mit Amtsbeschwerde bekämpft werde, sei jedoch nicht materiellrechtlicher, sondern formalrechtlicher Natur. Eine Vereinheitlichung des Vollzuges der EG-VerbringungsV werde dadurch nicht bewirkt.
Auch aus diesen Gründen bestehe keine Beschwerdelegitimation.
1.2. Mit BGBl. I Nr. 54/2008 (AWG-Novelle Batterien) wurde § 87b ins AWG eingefügt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Amtsbeschwerde
§ 87b. (1) Sofern eine Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in erster Instanz gegeben ist, ist er in diesen Angelegenheiten berechtigt, gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafverfahren und Verfahren gemäß § 67c AVG Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
(2) ..."
Die Erläuterungen zu dieser Novelle (327 der Beilagen XXIII. GP, Seite 7) führen dazu aus:
"Art. 50 der EG-VerbringungsV verpflichtet die Mitgliedstaaten, Vorschriften für Sanktionen festzulegen. Dies ist mit der AWG-Novelle 2007 erfolgt. Zusätzlich gilt es aber auch sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen für deren Anwendung setzen. Um einen einheitlichen Vollzug bzw. eine einheitliche Anwendung insbesondere betreffend grenzüberschreitende Verbringungen in Österreich sicherzustellen, wird die Möglichkeit der Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit eingeführt."
Die in den Erläuterungen genannte AWG-Novelle 2007, BGBl. Nr. 43, hat (u.a.) die Anpassung der Bestimmungen des AWG 2002 an die EG-VerbringungsV 2006 zum Inhalt. Unter anderem wurden die Bestimmungen der §§ 62 ff AWG 2002 entsprechend modifiziert; auch § 79 Abs. 2 Z 18 AWG erhielt seine im Tatzeitpunkt geltende Fassung.
Dazu heißt es in den Erläuterungen zu dieser Novelle (89 der Beilagen XXIII. GP, S. 17), dass u.a. diese Strafbestimmung "gemäß Art. 50 der EG-VerbringungsV 2006 festgelegt werde."
1.3. Nach § 66 Abs. 2 AWG 2002 (in der Fassung der AWG-Novelle 2007, BGBl. Nr. 43) ist der Bundesminister für die Anwendung der EG-VerbringungsV zuständige Behörde am Versandort, zuständige Behörde am Bestimmungsort, für die Durchfuhr zuständige Behörde und Anlaufstelle gemäß Art. 54 der EG-VerbringungsV. Eine Zuständigkeit des Bundesministers als Behörde erster Instanz in diesen Angelegenheiten der EG-VerbringungsV 2006 ist daher auf dieser Grundlage gegeben.
Dass sich die Befugnis zur Erhebung einer Amtsbeschwerde nur auf die Fälle beziehen soll, in denen der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auch konkret als Behörde erster Instanz eingeschritten ist oder einschreiten kann - wie der Mitbeteiligte meint - kann der Bestimmung des § 87b Abs. 1 AWG 2002 aber nicht entnommen werden. Dort ist ausdrücklich davon die Rede, dass der Bundesminister "in diesen Angelegenheiten" berechtigt sei, "gegen Bescheide der Unabhängigen Verwaltungssenate im Verwaltungsstrafverfahren" Amtsbeschwerde zu erheben.
Der Mitbeteiligte weist richtig darauf hin, dass die im Verwaltungsstrafverfahren zuständige Erstbehörde die Bezirksverwaltungsbehörde ist. Träfe die Interpretation des Mitbeteiligten zu, so wäre der Bundesminister in keinem einzigen Verwaltungsstrafverfahren amtsbeschwerdebefugt, weil ihm dort keine Zuständigkeit als Behörde erster Instanz zukommt.
Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, eine Norm geschaffen zu haben, die in ihrem Hauptanwendungsbereich (Bescheide der Unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafverfahren) gar nicht zur Anwendung kommen könnte. Auch die Materialien zeigen, dass die Bestimmung des § 87b AWG 2002 vor dem Hintergrund der in Art. 50 der EG-VerbringungsV 2006 gründenden Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu verstehen ist, effektive Vorschriften für Sanktionen gegen Verstöße gegen die EG-VerbringungsV 2006 vorzusehen und Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Anwendung zu treffen. Eine solche Maßnahme, die die Anwendung der Sanktionsbestimmungen (des § 79 AWG 2002) und ihre bundesweit einheitliche Handhabung sicherstellen soll, stellt die Amtsbeschwerde durch den Bundesminister dar.
§ 87b Abs. 1 AWG 2002 unterscheidet auch nicht zwischen Formal- und Sachentscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafverfahren. Dem Bundesminister kommt daher Beschwerdebefugnis auch gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate zu, mit denen ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.
§ 87b AWG trat mit 10. April 2008 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Bundesminister jedenfalls alle nach diesem Zeitpunkt ergangenen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate, somit auch den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28. Juni 2010, in Beschwerde ziehen. Auf den Tatzeitpunkt kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. zum Wirksamwerden einer Beschwerdebefugnis auch das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, 2008/07/0027).
Der Bundesminister ist daher zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auf der Rechtsgrundlage des § 87b Abs. 1 AWG 2002 befugt.
2. Zur Entscheidung in der Sache:
2.1. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG das Verfahren gegen den Mitbeteiligten eingestellt wurde. Nach dieser Bestimmung hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Das ist gemäß § 31 Abs. 1 VStG dann der Fall, wenn gegen eine Person binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist.
Die belangte Behörde geht offenbar davon aus, dass keine dem Gesetz entsprechende Verfolgungshandlung gesetzt wurde, weil die Aufforderung zur Rechtfertigung an den Mitbeteiligten nicht den Vorgaben des § 44a VStG entsprochen habe; die Tat sei daher verjährt, sodass es der belangten Behörde auch nicht möglich sei, im Rahmen ihrer Befugnisse als Berufungsbehörde den Erstbescheid inhaltlich abzuändern.
Der Mangel in der Verfolgungshandlung liegt nach Ansicht der belangten Behörde darin, dass der Vorwurf, der LKW sei "angehalten worden und an Begleitpapieren seien u.a. der Notifizierungsbogen und das Versand-/Begleitformular AT 008799 vorgelegt worden", nicht ausreichend sei, um den Verdacht einer gesetzwidrigen Verbringung gegen die im Spruch genannte EG VerbringungsV zu begründen, zumal die Erstbehörde einräume, dass offenbar noch weitere nicht näher genannte Begleitpapiere beim gegenständlichen Transport vorhanden gewesen seien.
Ergänzend, wenn auch nicht tragend, weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid noch darauf hin, dass zum Tatzeitpunkt eine andere als die von der Erstbehörde genannte EG-VerbringungsV gegolten habe.
2.2. Eine Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben; das erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 2011, 2007/07/0158).
Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, wegen welcher Tat sich die Verfolgung der Behörde gegen die beschuldigte Person richtet. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053, VwSlg 11.894 A/1985, wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a (nunmehr § 44a Z 1) VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1992, 91/09/0199, und vom 24. November 2010, 2009/08/0262).
Der dem Mitbeteiligten gegenüber geäußerte Tatvorwurf ist demnach in seiner Gesamtheit zu lesen und an den genannten Anforderungen zu messen. Dem Mitbeteiligten wurde u.a. zur Kenntnis gebracht, dass ein Transport über Tschechien "ohne Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung" (gemeint EG-VerbringungsV 1993) als "illegale Verbringung gelte" und dass ihn als handelsrechtlichen Geschäftsführer die Verantwortung für "diese Übertretung" treffe. Darin, nämlich dass der Mitbeteiligte nicht über die notwendige Zustimmung der zuständigen Behörden verfügt habe und dennoch eine Abfallverbringung vornehmen wollte, liegt der zentrale Tatvorwurf; dieser ergibt sich - wenn auch sprachlich holprig - so doch eindeutig aus der Aufforderung zur Rechtfertigung.
Die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Umstände, wonach der Mitbeteiligte den Notifizierungsbogen und das Versand/Begleitformular AT 008799 vorgelegt habe, reichen aus, um diesen Vorwurf zu tragen, wird damit doch nicht die notwendige Zustimmung der zuständigen Behörden nachgewiesen.
Der Überlegung der belangten Behörde, die Erstbehörde habe eingeräumt, dass auch andere Begleitpapiere vorhanden gewesen seien (arg.: "unter anderem"), weshalb ein Zuwiderhandeln nicht dargetan worden sei, ist nicht zu folgen. Bei verständiger Würdigung des Gesamtvorwurfes ist vielmehr davon auszugehen, dass die Erstbehörde die aus rechtlicher Sicht allein relevanten Begleitpapiere vollständig nannte und mit dem Vorhalt dem Mitbeteiligten zur Kenntnis brachte, dass diese Papiere für eine gesetzeskonforme Verbringung eben nicht ausreichten.
Im Übrigen ergibt sich dies auch zweifelsfrei aus dem vorgelegten erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Die - im Akt erliegende - englische Übersetzung der Anzeige des tschechischen Umweltministeriums ("The documents accompanying waste shipment included only Austrian way-bill No. AT 008799" - Unterstreichung nicht im Original) ist diesbezüglich eindeutig und zeigt eine in diesem Punkt fehlerhafte Übersetzung ins Deutsche ("An Begleitpapieren wurden unter anderem der Notifizierungsbogen und das Versand/Begleitformular AT 008799 vorgelegt.")
Zur Frage der Subsumtion der Übertretung unter die richtige Norm ist darauf hinzuweisen, dass eine zunächst unrichtige rechtliche Qualifikation eines Tatvorwurfs durch die Erstbehörde nicht dazu führt, dass eine Verfolgungshandlung unzureichend wäre. Eine Verfolgungshandlung hat sich auf alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen, hingegen ist nicht erforderlich, dem Beschuldigten die Subsumtion der ihm angelasteten Übertretung zur Kenntnis zu bringen; die rechtliche Qualifikation der angelasteten Verwaltungsübertretung ist für die Verfolgungsverjährung bedeutungslos (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 25. März 2009, 2009/03/0024, und vom 25. April 2002, 2002/07/0024).
Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid genannten Gründe für den Eintritt von Verfolgungsverjährung liegen nicht vor; die auf diese Gründe gestützte Einstellung des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG erweist sich daher als rechtswidrig.
2.3. In der Gegenschrift deutet die belangte Behörde schließlich noch an, dem Straferkenntnis erster Instanz fehle die Angabe eines Tatortes, der die Zuständigkeit der Erstbehörde begründen könne.
Nun kann ein in der Gegenschrift nachgetragenes Begründungselement eine mangelhafte Bescheidbegründung nicht (mehr) beseitigen. Mit der Frage, ob ein Mangel der Tatortbeschreibung vorliegt und bejahendenfalls, ob es sich dabei um einen sanierungsfähigen Mangel handelt, wird sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu befassen haben.
3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die Beschwerdebefugnis des Bundesministers nach § 87b Abs. 1 AWG 2002 ist ein Fall der sogenannten Amtsbeschwerde nach Art. 131 Abs. 2 B-VG, daher findet nach § 47 Abs. 4 VwGG für ihn kein Aufwandersatz statt. Der Kostenantrag war zurückzuweisen.
Wien, am 22. März 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)