VwGH 2009/09/0187

VwGH2009/09/018726.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes des Bundesministers für Inneres bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 22. April 2009, Zl. 8/8-DOK/09, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979 (mitbeteiligte Partei: NK in E, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wiener Straße 44-46/1/11), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §125a Abs3 Z5;
BDG 1979 §125a Abs3;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2002/I/087;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §95 Abs1;
DienstrechtsNov 2008 Art1;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
BDG 1979 §125a Abs3 Z5;
BDG 1979 §125a Abs3;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2002/I/087;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §95 Abs1;
DienstrechtsNov 2008 Art1;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Die Polizeiinspektion Baden erstattete am 11. Februar 2006 Disziplinaranzeige gegen den als Bezirksinspektor tätigen und in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Mitbeteiligten. Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 29. Dezember 2008 wurde der Mitbeteiligte wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

"(Der Mitbeteiligte) ist schuldig,

er habe am 05.11.2005 während der Dienstausübung unter Ausnützung seiner Amtsstellung den ihm in den späten Nachmittagsstunden in der Bezirksleitstelle Baden, 2500 Baden, Conrad von Hötzendorf-Platz 6, von einem serbischen Asylwerber, Nikola B., zwischen 17.00 und 17.30 Uhr übergebenen Fund (ein Plastiksäckchen mit diversem Altpapier, einer Packung Zigaretten unbekannter Marke und insgesamt 335,-- Euro Bargeld) unterschlagen und sich dadurch unrechtmäßig bereichert,

er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 i.d.g.F. i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F.

begangen.

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi. 4 BDG die

Entlassung verhängt."

Mit (rechtskräftigem) Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom

15. September 2008 sei der Mitbeteiligte zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen zu je EUR 7,-- (insgesamt EUR 1.400,--) und zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten (bedingt auf drei Jahre) verurteilt worden, weil er seine Befugnisse, Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht habe, dass er einen Fundgegenstand, nämlich eine Packung Zigaretten sowie Bargeld in der Höhe von EUR 335,--, nicht ordnungsgemäß an die zuständigen Stellen weitergeleitet, sondern sich angeeignet habe, und überdies den von ihm selbst und dem Finder Nikola B. unterschriebenen Aktenvermerk vernichtet habe. Er habe dadurch den Finder B., die Eigentümer Maximilian H. und Nadja M. sowie den Staat in ihrem Recht auf vorschriftsmäßige Fundbehandlung geschädigt.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 sei die Disziplinarkommission an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Dem Urteil liege auch zu Grunde, dass zwar kein Umstand als erschwerend gewertet worden sei, jedoch werde auch angeführt, dass "ohnehin noch ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird, welches mit ernstlich zu besorgenden Nachteilen für den Beamten verbunden sein wird".

Das Oberlandesgericht Wien habe ausgeführt, dass gerade aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe notwendig gewesen sei, weil der Mitbeteiligte bis zuletzt eine uneinsichtige, jegliche Schuld von sich weisende Haltung eingenommen habe, sodass mit Recht anzunehmen gewesen sei, dass eine geringere Strafe nicht ausreichen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Gericht habe auch generalpräventive Gründe hervorgehoben, "da der Beruf des Polizeibeamten im beachtlichen öffentlichen Interesse" stehe. Die verhängte Strafe solle nicht nur Signalwirkung für Angehörige dieses Berufsstandes haben, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Polizeiapparat stärken.

Der Mitbeteiligte habe sich auch während der mündlichen Disziplinarverhandlung nicht geständig gezeigt und vorgebracht, sich nicht an die Entgegennahme eines Fundgegenstandes erinnern zu können bzw. den Fundgegenstand offensichtlich nicht sorgfältig genug behandelt zu haben. Dass auch das vom Mitbeteiligten und vom Finder unterschriebene Formular betreffend den Fund abhanden gekommen sei, erzeuge zwar, wie der Mitbeteiligte selbst angeführt habe, "eine schiefe Optik", aber sämtliche Vorhalte würden nichts an der beinahe als starrsinnig zu bezeichnenden Haltung des Mitbeteiligten ändern. Die leugnende Aussage des Mitbeteiligten sei eine bloße Schutzbehauptung, mit der er versucht habe, sein bedenkliches Verhalten herunterzuspielen. Dies mit Aussagen wie "er könne sich nicht an den Fund erinnern" und "es war an diesem Tag vielleicht viel zu tun", oder "vielleicht habe er das Papiersackerl mit Inhalt und Aktenvermerk weggeschmissen". Dennoch sei bei den entscheidenden Beweisfragen eine Änderung seiner Körpersprache in Form einer Zunahme der Körperbewegungen auf dem Stuhl zu beobachten gewesen. Er habe unruhig gewirkt und sei dem Augenkontakt dadurch ausgewichen, dass er seinen Blick nach oben gerichtet habe, wodurch insgesamt eine große innere Anspannung bemerkbar geworden sei. Die Aussagen des Mitbeteiligten seien insgesamt nicht glaubwürdig gewesen.

Der Mitbeteiligte habe schwerwiegendste Dienstpflichtverletzungen begangen. Sein Verhalten sei vorsätzlich und wissentlich gewesen. Er habe dadurch ein Bild vermittelt, welches üblicherweise nicht mit der österreichischen Polizei in Zusammenhang gebracht werde. Er sei im Kernbereich seiner polizeilichen Aufgaben, nämlich dem Schutz des Eigentums, straffällig geworden. Wenn ein Polizeibeamter einen abgegebenen Fund nicht ordnungsgemäß bearbeite und sich den Fund aneigne, habe dies zur Folge, dass das Vertrauen in den konkreten Beamten zerstört und die Glaubwürdigkeit in die Integrität der Polizei massiv beeinträchtigt werde. Die kriminelle Energie zeige sich u. a. darin, dass der Mitbeteiligte nicht davor zurückgeschreckt habe, das von ihm und vom Finder unterfertigte Formular betreffend den Fund zu vernichten. Zudem habe der Mitbeteiligten seinen überhöhten Schuldenstand zu verschweigen versucht. Er habe auf die Frage nach seinen finanziellen Verhältnissen zunächst lediglich einen Landeskredit mit geringen Rückzahlungsmodalitäten angegeben. Erst auf Vorhalt, dass es noch einen weiteren Kredit in der Höhe von EUR 120.000,-- gebe, habe der Mitbeteiligte angeführt, vergessen zu haben, diesen zu erwähnen. Dies offensichtlich deshalb, um kein mögliches Motiv für seine Tathandlung zu liefern. Gerade dieser Schuldenstand mache den Mitbeteiligten auch für zukünftige polizeiliche Tätigkeiten - egal in welchem Bereich er bei der Polizei eingesetzt werde - korruptionsanfällig.

Bei einer unzureichenden Sanktion gegenüber einem solcherart straffällig gewordenen Polizisten würde in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass die Polizei die Bedeutung von Amtspflichten verkenne und Straftaten in den eigenen Reihen bagatellisiere. Diese Vorgangsweise wäre geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Polizei und mithin in die gesamte staatliche Ordnung langfristig zu erschüttern. Dies würde dazu führen, dass sich die Allgemeinheit von der Polizei und den staatlichen Organen abwende, weil diese ihre Aufgaben offensichtlich nicht ernst genug betrieben. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe sei daher vor allem aus spezial- aber auch aus generalpräventiven Gründen unbedingt notwendig. Die Handlungen des Mitbeteiligten führten zu einem nicht wieder herstellbaren Vertrauensverlust und begründeten seine Untragbarkeit für den Polizeidienst, somit seine Entlassung.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007 habe der Verwaltungsgerichtshof zwar festgestellt, dass er seine Rechtsansicht, wonach es bei der Entlassung bloß auf die Untragbarkeit des Beamten in objektiver Hinsicht ankomme, nicht mehr aufrecht erhalte. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass bei der Beurteilung des Ausmaßes der "Schwere der Dienstpflichtverletzung" iSd § 93 Abs. 1 BDG 1979 vom objektiven Unrechtsgehalt auszugehen sei. Bei einem sehr hohen Unrechtsgehalt der Tat könnten unter Umständen auch beträchtliche Milderungsgründe die Verhängung der schwersten Disziplinarstrafe nicht verhindern. Als mildernd sei lediglich die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Mitbeteiligten zu werten. Diesem Milderungsgrund stünde die Vorsatzhandlung und die Wissentlichkeit "sowie die Vorbildwirkung als Vorgesetzter" gegenüber. Der sei weder geständig noch reumütig und habe weiterhin versucht, seine Handlungen herunterzuspielen. Er habe seine Handlung nicht aus Unbesonnenheit gesetzt, sondern - wie das Vernichten des Formulars zeige - geplant und unter bewusstem Inkaufnehmen aller Konsequenzen durchgeführt. Das führe dazu, dass die Verhängung der schwersten Disziplinarstrafe unbedingt notwendig sei. Ein allfälliges Wohlverhalten seit der Tat könne nicht als Milderungsgrund herangezogen werden, weil der Mitbeteiligte seit dem Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzung suspendiert gewesen sei. Für eine positive Zukunftsprognose wäre es zumindest notwendig gewesen, dass der Mitbeteiligten zumindest ein Tatsachengeständnis ablege. Davon sei er aber weit entfernt gewesen. Er habe sich weder reumütig noch bereit gezeigt, in allen Bereichen die Wahrheit zu sagen. Er hätte seien Vertrauenswürdigkeit z.B. auch dadurch zeigen können, dass er den Schaden von sich aus wieder gut mache, indem er das verschwundene Geld ersetzt und dem Finder einen entsprechenden Finderlohn bezahlt hätte. Dies auch unter der Voraussetzung, dass er tatsächlich nur sorgfaltswidrig gehandelt hätte. Dies habe der nicht getan. Sein Verhalten während der mündlichen Verhandlung sei vielmehr davon geprägt gewesen, seine Schuld herunterzuspielen, Ausflüchte zu suchen - wie etwa, er hätte Wichtigeres im Kopf, nämliche seine bevorstehende Kur - und während der gesamten Dauer der gegen ihn in dieser Sache anhängigen Verfahren bzw. Ermittlungen nur das zuzugeben, was unmittelbar habe nachgewiesen werden können. Insgesamt habe daher nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden können, dass der Mitbeteiligte keine weiteren Dienstpflichtverletzungen begehen werde, und zwar auch dann, wenn er an eine andere Polizeiinspektion versetzt würde.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung, in der er vorbrachte, ihm könne lediglich auf Grund der Bindungswirkung an die strafgerichtliche Entscheidung vorgeworfen werden, dass er eine gerichtlich strafbare Handlung begangen und dadurch das Vertrauen der Kollegen in ihn geschwächt habe. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass durch diese Handlung jegliches Vertrauen in einen Beamten, der seit nunmehr 20 Jahren seinen Dienst bei der Polizei verrichte, auf Grund einer einzigen unbesonnenen, unüberlegten Tat, verloren gehe. Die Entlassung sei im Hinblick auf eine (alleine) zu berücksichtigende Spezialprävention keinesfalls erforderlich.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Disziplinarerkenntnis hat die belangte Behörde die Berufung des Mitbeteiligten hinsichtlich des Schuldspruches gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 105 BDG 1979 abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt. Hinsichtlich der Strafbemessung gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als über den Mitbeteiligten die Disziplinarstrafe der Geldstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 iVm § 93 BDG 1979 in Höhe von fünf Monatsbezügen (EUR 12.500,--) erhängt werde.

Zwar habe der Mitbeteiligte durch die Unterschlagung des Fundes bzw. durch das damit gesetzte Vergehen des Amtsmissbrauches ein Verhalten gesetzt, das geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Amtsführung nachhaltig zu stören. Er habe dadurch eine dermaßen leichtfertige und unverantwortliche Haltung zur Rechtsordnung, zur Respektierung fremden Eigentums und zur Wahrung der Dienstpflichten zum Ausdruck gebracht, dass er für eine weitere Dienstverrichtung beinahe untragbar geworden sei. Dieser, wenn auch nur einmalige rechtswidrige Angriff auf fremdes Eigentum, einem Rechtsgut, dessen Achtung und Schutz zum Kernbereich der Dienstpflichten des Mitbeteiligten zähle, sei von ihm vorsätzlich bzw. wissentlich begangen worden und als äußerst gravierende Dienstpflichtverletzung anzusehen. Dies ungeachtet des geringen Schadenswertes des von ihm unterschlagenen Bargeldes. Durch sein Versagen im Kernbereich seiner Dienstpflichten als Exekutivbeamter habe der das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Dienstführung nahezu völlig zerstört.

Dennoch solle dem Mitbeteiligten eine letzte Chance gegeben werden, sich im öffentlichen Dienst zu bewähren. Er sei für den Exekutivdienst nicht völlig untragbar geworden. Auf Grund der trotz des hohen Unrechtgehaltes gegebenen Einmaligkeit der Tat sei das Fehlverhalten nicht geeignet, eine völlige Untragbarkeit im öffentlichen Dienst zu begründen. Dem Mitbeteiligten sei zu Gute zu halten, dass "bei einer vernünftigen Durchschnittsbetrachtung ihm jedenfalls eine gute Zukunftsprognose beizumessen" sei, weil seine Verfehlung im krassen Gegensatz zu seinem ansonsten tadellosem dienstlichen wie außerdienstlichen Vorleben stehe und keine kriminelle Neigung des Mitbeteiligten vorliege. Hätte der Mitbeteiligte "tatsächlich eine kriminelle Neigung, dann hätte er sich nicht über drei Jahre seit Begehen der ihm angelasteten Tat wohlverhalten". Vermögensdelikte könnten von einem suspendierten Beamten auch außerhalb des Dienstes gesetzt werden. Eine "Korruptionsanfälligkeit" des Mitbeteiligten sei weder nach der Aktenlage noch nach seinem gesamten Vorleben nachvollziehbar.

Bei der Strafbemessung sei zu prüfen, ob das dem Mitbeteiligten vorgeworfene Verhalten "vor dem Hintergrund von als Untragbarkeitsfällen gewerteten Einzelfällen" hinreichend schwer wiegend sei, um eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Mitbeteiligten und dem Dienstgeber annehmen zu können. Dabei sei auf die objektive Schwere des Tatverhaltens des Mitbeteiligten abzustellen. Hiebei dürfe der Untragbarkeitsgrundsatz nicht überspannt werden. Dem stehe auch die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Von der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung könne daher noch einmal abgesehen werden. Durch die Verhängung einer Geldstrafe im gesetzlichen Höchstausmaß werde sowohl der Spezialprävention gegenüber dem Mitbeteiligten als auch der Generalprävention gegenüber seinen Kollegen ausreichend Rechnung getragen. Als mildernd sei die disziplinäre Unbescholtenheit des Mitbeteiligten, sein ansonsten tadelloser Lebenswandel, die ihm zuzubilligende positive Zukunftsprognose sowie sein Wohlverhalten im Zeitraum von drei Jahren seit der Tatbegehung zu werten. Als erschwerend sei lediglich die Funktion des Mitbeteiligten als Dienstführender und damit seine negative Beispielswirkung auf jüngere, ihm unterstellte Kollegen zu werten.

Der Vorsatz bei der Tatbegehung in Form der Wissentlichkeit sei Tatbestandsmerkmal des strafbaren Fehlverhaltens und daher nicht erschwerend zu werten. Die lediglich durchschnittliche Dienstverrichtung bzw. Dienstbeschreibung des Mitbeteiligten stelle ebenfalls keinen zu seinen Lasten zu würdigenden Umstand dar, schließt aber den Strafmilderungsgrund der tadellosen Dienstverrichtung aus. Die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von fünf Monatsbezügen werde in Anbetracht des hohen Unrechtsgehalts der Verfehlung des Mitbeteiligten zwar für erforderlich, letztlich aber auch für ausreichend erachtet. Die (schlechten) wirtschaftlichen Verhältnisse des Mitbeteiligten stünden der Verhängung einer exemplarisch hohen Geldstrafe nicht entgegen.

Der Strafbemessung stehe § 93 Abs. 1 BDG 1979 idF der Dienstrechtsnovelle 2008, die eine Entlassung allein aus generalpräventiven Erwägungen ermöglichen sollte, nicht entgegen, weil die neue Rechtslage in Anbetracht des vor dem Inkrafttreten der Novellierung gesetzten Verhaltens des Mitbeteiligten keine Anwendung zu finden habe.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde habe gemäß § 125a Abs. 2 bzw. Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 abgesehen werden können, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus dem Strafurteil klar hervorgehe. Hinsichtlich des Vorliegens der für die Strafbemessung wesentlichen Erschwerungs- und Milderungsgründe sei durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nichts zu gewinnen, weil die für die Strafbemessung wesentlichen Gesichtspunkte auf Grund der Aktenlage hinreichend nachvollziehbar gewesen seien und keiner Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde bedürft hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die die Strafbemessung bekämpfende Beschwerde des Disziplinaranwaltes mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2002 (BDG 1979), lauten:

"Allgemeine Dienstpflichten

§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

... 8. Abschnitt Disziplinarrecht

... Dienstpflichtverletzungen

§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

Disziplinarstrafen

§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind

  1. 1. der Verweis,
  2. 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

    3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage, und

    4. die Entlassung.

    ...

Strafbemessung

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(seit dem 1. Jänner 2009 in der Fassung des Art. 1 Z. 11 der Dienstrechts-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 147/2008:

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.)

...

Zusammentreffen von gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen

§ 95. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

(seit dem 1. Jänner 2009 in der Fassung des Art. 1 Z. 12 der Dienstrechts-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 147/2008: § 95. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der Verfolgung abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.)

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

(seit dem 1. Jänner 2009 in der Fassung des Art. 1 Z. 13 der Dienstrechts-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 147/2008, ist § 95 Abs. 3 entfallen)

...

Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von

der mündlichen Verhandlung

§ 125a. (1) ...

(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.

(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

  1. 1. die Berufung zurückzuweisen ist,
  2. 2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
  3. 3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

    4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder

    5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint."

    Mit der Dienstrechts-Novelle 2009 wurde in das BDG 1979 gegenüber der bisherigen Rechtslage ein zusätzliches Strafzumessungskriterium eingefügt, nämlich dass bei der Zumessung der Disziplinarstrafe nicht mehr nur Rücksicht darauf zu nehmen ist, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, sondern auch darauf, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken (Generalprävention). Angesichts der Vollendung der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der § 93 Abs. 1 und § 95 Abs. 1 BDG 1979 idF der Art. 1 Z. 11 - 13 der Dienstrechts-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 147/2008, am 1. Jänner 2009, findet diese strengere Strafdrohung für den vorliegenden Fall noch keine Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2009/09/0209, mwN).

    In seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 2008, Zl. 2007/09/0012, führte der Verwaltungsgerichtshof zu den Strafbemessungsregeln der §§ 93 ff BDG 1979, in der Fassung vor Inkrafttreten der Dienstrechts-Novelle 2009 wie folgt aus:

    "Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde von dem in der früheren Judikatur entwickelten 'Untragbarkeitsgrundsatz' abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als 'Maß für die Höhe der Strafe' festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der 'Strafbemessungsschuld' des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR

    14. GP 83).

    Das objektive Gewicht der Tat (der 'Unrechtsgehalt') wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021).

    An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen können.

    Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.

    Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten.

    Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.

    Das gänzliche Außerachtlassen von Versetzungsmöglichkeiten (oder gar von schon erfolgten Versetzungen) entspricht nach den Gesetzesmaterialien (vgl. die ErläutRV 500 BlgNR 14. GP 83) nicht dem Willen des Gesetzgebers. Sind geeignete Versetzungsmöglichkeiten - bei deren Inanspruchnahme die Begehung gleichartiger Disziplinarvergehen durch den Beamten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann - offenkundig oder werden sie vom Beamten im Disziplinarverfahren konkret ins Treffen geführt, so kann diese Frage in der Begründung dafür, warum er dessen ungeachtet zu entlassen sei, nicht zur Gänze ausgeklammert bleiben. Das bedeutet freilich keinen Anspruch des Betroffenen auf Versetzung statt Entlassung, sondern verpflichtet die Behörde lediglich dazu, sich in der Begründung ihrer Entscheidung mit einem diesbezüglichen im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten auseinander zu setzen.

    Ist nach einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilung ein Schuldspruch zu fällen, ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu prüfen, ob und inwieweit es - zusätzlich zu den vom Gericht oder der Verwaltungsbehörde verhängten Sanktionen - einer Disziplinarstrafe bedarf, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. dazu im Einzelnen das schon erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Verhängung einer Disziplinarstrafe zusätzlich zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafe ist daher nur zulässig, wenn und soweit dies aus spezialpräventiven Gründen erforderlich ist, oder anders gewendet: Wenn und soweit die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe für sich alleine nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass der Beamte keine weiteren Dienstpflichtverletzungen begehen wird.

    Diese Überlegungen gelten insbesondere auch, soweit es um die schwerste Disziplinarstrafe der Entlassung geht: Liegt eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung vor, die sich auf denselben Sachverhalt bezieht, so ist auch für die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu begründen, dass und aus welchen Gründen es ihrer Verhängung bedarf, um den Beamten - mit ausreichender Wahrscheinlichkeit - von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. An die nur teilweise - nämlich in Bezug auf weitere gerichtlich strafbare Handlungen - auf die gleiche Gefahr bezogene Prognose des Strafgerichts ist die Disziplinarbehörde dabei freilich, anders als hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, nicht gebunden, geht es im Disziplinarverfahren doch um die Gefahr der Verletzung der spezifisch die öffentlichrechtlich Bediensteten treffenden aus dem Dienstrecht erfließenden Dienstpflichten."

    (Wörtlich gleichartige Formulierungen finden sich in den hg. Erkenntnissen vom 15. Mai 2008, Zl. 2006/09/0073, 16. Oktober 2008, Zl. 2007/09/0136, 20. November 2008, Zl. 2006/09/0242, 24. Juni 2009, Zl. 2006/09/0108, 31. Juli 2009, Zl. 2008/09/0223, 16. September 2009, Zl. 2008/09/0360, 15. Oktober 2009, Zlen. 2008/09/0004, 2008/09/0005, 2008/09/0332, 2009/09/0003.)

    Diese Überlegungen haben auch im vorliegenden Fall Bedeutung.

    Die belangte Behörde war gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an die Feststellungen, die in dem gegen den Mitbeteiligten ergangenen, verurteilenden Strafurteil getroffen wurden, gebunden. Die Bindungswirkung umfasst auch die Feststellungen zum "inneren Tatbestand" (Schuldform) und zur "Zurechnungsfähigkeit", soweit sie dem Spruch zu Grunde gelegt wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2000, Zl. 97/09/0199).

    Die Schwere der dem Mitbeteiligten zur Last liegenden Dienstpflichtverletzung ist angesichts ihres großen objektiven Unrechtsgehaltes so hoch, dass auch bei Vorliegen von Milderungsgründen grundsätzlich die Entlassung als Disziplinarstrafe in Betracht kommt. Der Mitbeteiligte hat nämlich durch die von ihm begangenen Straftaten auf gravierende Weise gerade jene Rechtsgüter verletzt, deren Schutz ihm als Sicherheitswachebeamter grundsätzlich oblag.

    Die belangte Behörde hat - anders als die erstinstanzlichen Disziplinarbehörde - von einer Entlassung Abstand genommen und ihre mildere Strafzumessung in Form einer (hohen) Geldstrafe im Wesentlichen damit begründet, dem Mitbeteiligten sei eine gute Zukunftsprognose zu stellen, er besäße keine kriminelle Neigung und es bedürfe nicht der Verhängung einer höheren Strafe, um ihn von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

    Gegen diese Ansicht wendet sich der beschwerdeführende Disziplinaranwalt und bringt vor, er könne sich der positiven Zukunftsprognose der belangten Behörde angesichts der Tatsache, dass der Mitbeteiligte keine Schuldeinsicht gezeigt habe, nicht anschließen. Es liege kein Geständnis vor. Der Mitbeteiligte habe die Vorwürfe bis zuletzt bestritten und versucht, sein Verhalten herunterzuspielen. Dieser Verschleierungsabsicht habe auch der Versuch gedient, einen Kredit in der Höhe von EUR 120.000,-- zu verheimlichen, um kein mögliches Motiv für seine Tathandlung zu liefern. Gerade dieser Schuldenstand mache den Mitbeteiligten aber auch künftig korruptionsanfällig. Der hohe Unwert der Tat und das völlige Fehlen einer geständigen Verantwortung des Mitbeteiligten brächten dessen ablehnende und gleichgültige Einstellung zu dem Rechtsgut des fremden Eigentums zum Ausdruck. Es lasse sich kein überzeugender Beweis dafür finden, dass der Mitbeteiligte Anstrengungen für eine innere Umkehr unternommen hätte oder aktuell unternehme. So habe er auch nicht angeboten, den verursachten Schaden wieder gut zu machen, also z.B. das Geld zu ersetzen. Die innere Einstellung und die fehlende Verantwortung des Beschwerdeführers ließen den Rückschluss zu, dass er sich aus Gründen, die in seiner Persönlichkeit lägen, durch eine - wenn auch hohe - Geldstrafe auch in Zukunft nicht von Dienstpflichtverletzungen abhalten lassen werde. Das Wohlverhalten seit der Tatbegehung könne nicht gewertet werden, weil der Mitbeteiligte seit dem Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzung suspendiert gewesen sei.

    Mit diesem Vorbringen zeigt der Disziplinaranwalt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

    Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gegen den Mitbeteiligten verhängten Strafe ist angesichts des § 93 Abs. 1 BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2002 von entscheidender Bedeutung, ob die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzung notwendig war, um den Mitbeteiligten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die belangte Behörde hat dies verneint, hat dazu aber lediglich die Auffassung dargelegt, dem Mitbeteiligten sei "eine gute Zukunftsprognose" beizumessen, es bestünde bei ihm keine "kriminelle Neigung" und durch die Verhängung der Geldstrafe im gesetzlichen Höchstausmaß werde "sowohl der Spezialprävention gegenüber dem Beschuldigten als auch der Generalprävention gegenüber den Kollegen des Beschuldigten Rechnung getragen."

    Während die erstinstanzliche Behörde mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung aussprach, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzung notwendig war, um den Mitbeteiligten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, gelangte die belangte Behörde - ohne sich von der Persönlichkeit des Mitbeteiligten im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung einen persönlichen Eindruck verschafft zu haben - zum gegenteiligen Ergebnis, wobei sie dieses durch keinerlei substanzielle Überlegungen untermauert, sondern letztlich nur auf die Leerformel "einer vernünftigen Durchschnittsbetrachtung" gestützt hat. Mit dieser Argumentation vermochte sich die belangte Behörde auf keine ausreichende sachverhaltsmäßige Basis zu stützen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso dem nicht geständigen, jede Verantwortung für seine Straftat ablehnenden und überdies seine (unter dem Aspekt der Rückfallsgefahr zu berücksichtigenden) Vermögensverhältnisse unrichtig darstellenden Mitbeteiligten - im Gegensatz zur Auffassung der Disziplinarbehörde erster Instanz - eine "positive Zukunftsprognose" in dem Sinn zu attestieren wäre, dass bei ihm keine relevante Gefahr weiterer Dienstpflichtverletzungen bestünde. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung aus spezialpräventiven Erwägungen nicht erforderlich wäre.

    Gemäß § 125a Abs. 3 BDG 1979 kann ungeachtet eines Parteienantrages von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission unter anderem Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet (Z. 4) oder der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint (Z. 5). In Anbetracht dessen, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung spezialpräventiver Erforderlichkeit der zu bemessenden Strafe und damit auch bei der dafür ausschlaggebenden Einschätzung der Persönlichkeit des Täters zu einer von der Entscheidung erster Instanz abweichenden Auffassung gelangte, ist nicht nachvollziehbar, weshalb es die belangte Behörde vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK unterließ, sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Juli 2011, Zl. 2011/09/0097, mwN, sowie vom heutigen Tag Zl. 2011/09/0181). Im fortzusetzenden Verfahren wird eine solche Verhandlung durchzuführen sein.

    Da die belangte Behörde somit ihre Begründung zur (positiven) Zukunftsprognose weder auf nachvollziehbare Überlegungen noch auch auf einen in einer Berufungsverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindruck gestützt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

    Bei diesem Ergebnis konnte von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof im Grunde des § 39 Abs. 1 Z. 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

    Die Abweisung des Antrages auf Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 5 VwGG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 97/08/0442).

    Wien, am 26. Jänner 2012

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