VwGH 2006/09/0108

VwGH2006/09/010824.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes beim Bundeskanzleramt gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 6. April 2006, Zl. 147/16-DOK/05, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (mitbeteiligte Partei:

IR, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;
StGB §32 Abs2;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;
StGB §32 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis vom 28. September 2005 wurde die Mitbeteiligte wie folgt für schuldig erkannt und über sie eine Disziplinarstrafe verhängt:

"1. FI IR ist schuldig,

vom 1. Oktober 2003 bis 19. Dezember 2003, vom 1. Jänner 2004 bis 18. Jänner 2004, vom 20. Jänner 2004 bis zum 3. Juni 2004, vom 4. Juni 2004 bis zum 20. Juli 2004, vom 22. Juli 2004 bis 4. August 2004 und vom 6. August 2004 bis 19. Oktober 2004 Weisungen der Dienstbehörde nicht befolgt zu haben und zwar die Weisungen

vom 21. Juli 2000, GZ 108.207/2-I/2/2000; vom 20. Juni 2001, GZ 108.207/008-I/2/a/2001; vom 13. Oktober 2003, GZ BKA- 108.207/005-I/2/a/2003; vom 2. Dezember 2003, GZ BKA-108.207/007- I/2/a/2003; vom 9. Februar 2004, BKA-GZ 108.207/009-I/2/a/2004;

vom 9. August 2004, BKA-GZ 108.207/0006-I/2/a/2004

zum Verhalten, das sie im Falle ihrer krankheitsbedingten

Abwesenheit vom Dienst zu setzen hat, nämlich

* der Meldepflicht, wonach die Krankmeldungen

unverzüglich bei der Vorgesetzten zu erstatten sind, nicht nachgekommen zu sein, insbesondere am 1.10.2003, 1.11.2003, 1.1.2004, 20.1.2004, 4.2.2004, 9.2.2004, 16.2.2004, 22.7.2004, 6.8.2004, 24.1.2004, ab 16.2.2004, ab 6.8.2004;

* der Bescheinigungs- und Behandlungspflicht nicht nachgekommen zu sein, wonach bei jeder Dienstverhinderung wegen Krankheit - auch bei einer Dienstverhinderung bis zu drei Arbeitstagen - bereits für den ersten Tag der Abwesenheit vom Dienst eine ärztliche Bestätigung vorzulegen ist (siehe Schreiben des Bundeskanzlers vom 21. Juli 2000, GZ 108.207/2- I/2/2000), insbesondere am 1.10.2003, 1.11.2003, 1.1.2004, 20.1.2004, 22.7.2004;

* der Pflicht zur unverzüglichen Übermittlung der ausgestellten ärztlichen Bestätigungen an die Vorgesetzte nicht nachgekommen zu sein, insbesondere am 1.10.2003, 20.1.2004, 4.2.2004, 9.2.2004, 16.2.2004;

* der Pflicht, für den Fall, dass FI IR ihre krankheitsbedingte Abwesenheit auf ihr psychisches Krankheitsbild stützt, diese Abwesenheit nur durch Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens, das unverzüglich der Dienstbehörde zu übermitteln ist, gerechtfertigt werden kann, nicht nachgekommen zu sein; inbesondere ab 2. Dezember 2003;

* der Pflicht, für den Fall, dass FI IR psychische Verstimmungen irgendwelcher Art verspürt, unverzüglich einen Nervenfacharzt aufzusuchen und die Anordnungen des Nervenfacharztes striktest einzuhalten hat und ebenso der Pflicht, sich den angeordneten nervenfachärztlichen Behandlungen und Therapien zu unterziehen und mitzuwirken, nicht nachgekommen ist, insbesondere ab 1.1.2004;

* der Pflicht, für den Fall, dass eine Krankenstandsbestätigung eine unbestimmte krankheitsbedingte Abwesenheit bescheinigt, monatlich eine neuerliche ärztliche Bestätigung zu übermitteln, nicht nachgekommen ist, insbesondere am 1.11.2003, ab 20.2.2004, ab 4.7.2004, ab 6.9.2004, ab 22.7.2004, ab 6.9.2004;

* der Pflicht zur vertrauensärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen ist, insoweit, als - aus welcher Krankheit auch immer - FI IR bei jeder neuerlichen krankheitsbedingten Dienstverhinderung bzw. bei jeder Verlängerung einer bereits bestehenden derartigen Dienstverhinderung unverzüglich einen Termin mit der Vertrauensärztin bzw. dem Vertrauensart des Bundeskanzleramtes zu vereinbaren und sich zum vereinbarten Termin, zur vertrauensärztlichen Untersuchung einzufinden, verpflichtet war,

nicht nachgekommen zu sein, insbesondere ab 2.12.2003, 1.1.2004, ab 20.1.2004, 4.2.2004, 9.2.2004, 16.2.2004, ab 6.8.2004.

Dies umfasst auch die Anweisung, sollte es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich sein, Gutachten von Fachärzten einzuholen, sich den von der Vertrauensärztin/dem Vertrauensarzt des Bundeskanzleramtes mit den Fachärzten festgelegten Untersuchungen zu unterziehen bzw. die von der Vertrauensärztin/dem Vertrauensarzt des Bundeskanzleramtes bekannt gegebenen Termine einzuhalten und im Sinne einer raschen Erledigung sämtliche vorhandene Befunde und ärztliche Gutachten zur Untersuchung mitzubringen.

2. FI IR ist schuldig, dadurch ihre Abwesenheit vom Dienst nicht gerechtfertigt zu haben.

FI IR hat dadurch schuldhaft i.S.d. § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBL.Nr. 333 in der geltenden Fassung (im Folgenden BDG 1979), hinsichtlich

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt zieht die Feststellungen der belangten Behörde, dass sich die Mitbeteiligte auf ihrem neuen Arbeitsplatz bewährt habe, nicht ausdrücklich in Zweifel, er meint aber, dass die Mitbeteiligte als Beamtin des Bundes auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz als Abteilungssekretärin der Abteilung II/8 des Bundeskanzleramtes untragbar geworden sei und daher zu entlassen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe weder den zuständigen Abteilungsleiter noch den zuständigen Referatsleiter oder einen anderen Mitarbeiter der nunmehrigen Abteilung der Mitbeteiligten mit der Frage befasst, ob der Mitbeteiligten nunmehr auf ihrem neuen Arbeitsplatz eine Chance zur Bewährung eingeräumt worden sei. Die belangte Behörde habe vielmehr nur die unmittelbare Vorgesetzte der Mitbeteiligten auf ihrem nunmehrigen Arbeitsplatz befragt. Es sei aber nicht üblich, unter Umgehung der zuständigen Personalabteilung eine in der Zentralbürokratie vergleichsweise niedrig eingestufte Mitarbeiterin über den Verwendungserfolg einer gleichwertig eingereihten Kollegin zu befragen. Wenn die belangte Behörde damit argumentiere, dass die Mitbeteiligte in den letzten sieben Monaten eine korrekte Dienstleistung erbracht habe, die ihre Untragbarkeit widerlege, so verkenne sie, dass die Mitbeteiligte schon von Gesetzes wegen zu einer korrekten Dienstleistung verpflichtet sei, und ein für eine Beamtin derart selbstverständliches Verhalten kein Milderungsgrund sein könne. Dem sieben-monatigen pflichtgemäßen Verhalten der Mitbeteiligten stehe ein pflichtwidriges Verhalten über einen weit längeren Zeitraum gegenüber. Der wieder gefundene Diensteifer der Mitbeteiligten stehe in zeitlichem Zusammenhang mit dem Fortgang des Disziplinarverfahrens. Das Wohlverhalten der Mitbeteiligten nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens und auch eine allenfalls günstige Zukunftsprognose könnten den entstandenen Vertrauensverlust nicht beseitigen. Es sei weder dem vorgesetzten Abteilungsleiter noch der Personalabteilung zumutbar, über Jahre hindurch einen einzelnen Mitarbeiter ständig zu überwachen, ihn andauernd nachweislich zu belehren, die Einhaltung gesetzlicher Meldepflichten zu kontrollieren bzw. unterlassene Handlungen mehrfach einzufordern und akribisch über jedes Detail Aufzeichnungen zu führen. Die ungerechtfertigte Abwesenheit über einen derart langen Zeitraum und die gezeigte Ignoranz sei eine so schwere Beeinträchtigung der Arbeitsdisziplin und des Verhältnisses gegenüber dem Dienstgeber und den Kollegen, dass dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit der Mitbeteiligten nicht mehr zugemutet werden könne. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, in denen der öffentliche Dienst einer besonders kritischen Beurteilung durch die Öffentlichkeit ausgesetzt sei, müsse ein Verhalten, wie es der Mitbeteiligten angelastet werde, mit der gebotenen Strenge sanktioniert werden.

Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt zeigt mit seinen Argumenten im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der 8. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979

1. den Verweis,

2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben

Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen

unter Ausschluss der Kinderzulage, und

4. die Entlassung

vor.

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinn nach zu berücksichtigen, diese lauten:

"Strafbemessung

Allgemeine Grundsätze

§ 32. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters.

(2) Bei Bemessung der Strafe hat das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte.

(3) Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen,

je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter

verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die

sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch

seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je

sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie

ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht

werden können

Besondere Erschwerungsgründe

§ 33. Ein Erschwerungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter

1. mehrere strafbare Handlungen derselben oder

verschiedener Art begangen oder die strafbare Handlung durch

längere Zeit fortgesetzt hat;

2. schon wegen einer auf der gleichen schädlichen

Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist;

3. einen anderen zur strafbaren Handlung verführt hat;

4. der Urheber oder Anstifter einer von mehreren

begangenen strafbaren Handlung oder an einer solchen Tat führend

beteiligt gewesen ist;

5. aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen

besonders verwerflichen Beweggründen gehandelt hat;

6. heimtückisch, grausam oder in einer für das Opfer

qualvollen Weise gehandelt hat;

7. bei Begehung der Tat die Wehr- oder Hilflosigkeit

eines anderen ausgenützt hat.

Besondere Milderungsgründe

§ 34. (1) Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der

Täter

1. die Tat nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor

Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres oder wenn er sie

unter dem Einfluss eines abnormen Geisteszustands begangen hat,

wenn er schwach an Verstand ist oder wenn seine Erziehung sehr

vernachlässigt worden ist;

2. bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat

und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem

Widerspruch steht;

3. die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen hat;

4. die Tat unter der Einwirkung eines Dritten oder aus

Furcht oder Gehorsam verübt hat;

5. sich lediglich dadurch strafbar gemacht hat, dass

er es in einem Fall, in dem das Gesetz die Herbeiführung eines

Erfolges mit Strafe bedroht, unterlassen hat, den Erfolg abzuwenden;

6. an einer von mehreren begangenen strafbaren

Handlung nur in untergeordneter Weise beteiligt war;

7. die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen hat;

8. sich in einer allgemein begreiflichen heftigen

Gemütsbewegung zur Tat hat hinreißen lassen;

9. die Tat mehr durch eine besonders verlockende

Gelegenheit verleitet als mit vorgefasster Absicht begangen hat;

10. durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende

drückende Notlage zur Tat bestimmt worden ist;

11. die Tat unter Umständen begangen hat, die einem

Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen;

12. die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden

Rechtsirrtum (§ 9) begangen hat, insbesondere wenn er wegen

vorsätzlicher Begehung bestraft wird;

13. trotz Vollendung der Tat keinen Schaden

herbeigeführt hat oder es beim Versuch geblieben ist;

14. sich der Zufügung eines größeren Schadens, obwohl

ihm dazu die Gelegenheit offen stand, freiwillig enthalten hat

oder wenn der Schaden vom Täter oder von einem Dritten für ihn

gutgemacht worden ist;

15. sich ernstlich bemüht hat, den verursachten

Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern;

16. sich selbst gestellt hat, obwohl er leicht hätte

entfliehen können oder es wahrscheinlich war, dass er unentdeckt

bleiben werde;

17. ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch

seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;

18. die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich

seither wohlverhalten hat;

19. dadurch betroffen ist, dass er oder eine ihm

persönlich nahe stehende Person durch die Tat oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder sonstige gewichtige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat.

(2) Ein Milderungsgrund ist es auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat."

Weiters ist gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042, wo es wie im vorliegenden Fall um den Vorwurf der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst ging, darauf hingewiesen, dass es sich auch bei der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 um eine Strafe handelt und sich die Disziplinarkommission auch bei einer objektiv schwer wiegenden Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und gemäß § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen hat. Die Disziplinarkommission hat in jedem Fall die Erschwerungs- und die Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen (§ 32 Abs. 2 StGB) und dabei auf alle geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Milderungsgründe Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0093).

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, ist der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich von dem in der früheren Rechtsprechung entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und hat betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach ausgehend vom objektiven Gewicht der Tat der Grad des Verschuldens maßgebend (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR

14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2008, Zl. 2007/09/0012).

Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen können.

Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.

In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass das gänzliche Außerachtlassen von Versetzungsmöglichkeiten (oder gar von schon erfolgten Versetzungen) nach den Gesetzesmaterialien (vgl. die ErläutRV 500 BlgNR 14. GP 83) dem Willen des Gesetzgebers nicht entspricht. Sind geeignete Versetzungsmöglichkeiten - bei deren Inanspruchnahme die Begehung gleichartiger Disziplinarvergehen durch den Beamten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann - offenkundig oder werden sie vom Beamten im Disziplinarverfahren konkret ins Treffen geführt, so kann diese Frage in der Begründung dafür, warum er dessen ungeachtet zu entlassen sei, nicht zur Gänze ausgeklammert bleiben. Dies gilt auch für die Verwendung auf einem anderen Arbeitsplatz ohne Versetzung. Das bedeutet freilich keinen Anspruch des Betroffenen auf Versetzung oder Verwendung auf einem anderen Arbeitsplatz an Stelle einer Entlassung, sondern verpflichtet die Behörde lediglich dazu, sich in der Begründung ihrer Entscheidung mit einem diesbezüglichen im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten auseinander zu setzen.

Zwar ist die objektive Schwere der der Mitbeteiligten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen keinesfalls als bloß geringfügig anzusehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 96/09/0031, in einem ähnlichen Fall unerlaubter Abwesenheit vom Dienst). Soweit sich der beschwerdeführende Disziplinaranwalt allerdings auf den so genannten "Untragbarkeitsgrundsatz" beruft und meint, die Mitbeteiligte sei schon angesichts der objektiven Schwere der ihr vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen aus dem Bundesdienst zu entlassen gewesen und ihre anstandslose Verwendung auf einem anderen Arbeitsplatz und weitere Milderungsgründe seien nicht in Betracht zu ziehen gewesen, zeigt er angesichts der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu eben diesem "Untragbarkeitsgrundsatz" keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wenn die belangte Behörde im Ergebnis - ausgehend von ihrer auch vom beschwerdeführenden Disziplinaranwalt unbestrittenen Feststellung, dass sich die Mitbeteiligte auf ihrem neuen Arbeitsplatz bewährt hat und dass dort keine Begehung von weiteren Dienstpflichtverletzungen zu erwarten ist - im Ergebnis die Herabsetzung der gegen die Mitbeteiligte verhängten Disziplinarstrafe auf das von der belangten Behörde festgesetzte Maß im Hinblick darauf begründet hat, dass die Verhängung einer höheren Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um die Mitbeteiligte von der Begehung von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, so kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Nach dem klaren Wortlaut des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 kommt es nach der anzuwendenden Rechtslage nämlich entscheidend darauf, "inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten", sohin auf spezialpräventive Überlegungen an. Insoweit war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde für die Bemessung der Disziplinarstrafe im vorliegenden Fall eine - auch vom beschwerdeführenden Disziplinaranwalt letztlich unbestrittene - positive Prognose betreffend die Mitbeteiligte angenommen hat und zu dem Ergebnis gelangte, dass die von ihr verhängte Disziplinarstrafe ausreichend war, um die Mitbeteiligte von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die Einhaltung eines Dienstweges war - anders als der beschwerdeführende Disziplinaranwalt meint - bei der Aufnahme der diesbezüglichen Beweise nicht erforderlich, weil - von wenigen Ausnahmen abgesehen - dem AVG ein derartiges Beweisverwertungsverbot fremd ist.

Zwar hat die belangte Behörde keine umfassende und ausführliche Beurteilung aller in Betracht kommenden Erschwerungs- und aller Milderungsgründe vorgenommen. Sie hat jedoch einerseits den Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 StGB, nämlich dass die Mitbeteiligte mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedener Art begangen und die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetzt hat, und anderseits den Milderungsgrund der verminderten Zurechnungsfähigkeit gemäß § 34 Abs. 1 Z. 11 StGB, hinsichtlich dessen das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen nach der Aktenlage nachvollziehbar ist, in Betracht gezogen. Wenn die belangte Behörde im Ergebnis dem zweitgenannten Umstand sowie der spezialpräventiven Prognose ein hohes Gewicht beimaß, so kann bei einer zusammenfassenden Bewertung im Ergebnis noch nicht gesehen werden, dass die belangte Behörde den ihr im Grunde der §§ 92 f BDG 1979 und § 33 StGB eingeräumten Ermessensspielraum überschritten und eine zu geringe Strafe verhängt hätte. Letztlich hat auch der beschwerdeführende Disziplinaranwalt nicht bestritten, dass diese ausreichen werde, die Mitbeteiligte in Hinkunft von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 24. Juni 2009

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