VwGH 2009/09/0003

VwGH2009/09/000315.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Disziplinaranwältin für den Bereich der Österreichischen Post AG in 1010 Wien, Postgasse 8, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 8. Oktober 2008, Zl. 37/10 - DOK/08, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (mitbeteiligte Partei: M F in A; weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §92 Abs1;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
BDG 1979 §92 Abs1;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I. Der im Jahr 1966 geborene Mitbeteiligten steht in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er ist seit 1982 im Postdienst tätig und wurde mit 1. Oktober 1988 zum Beamten ernannt; er wird seit seinem Dienstantritt im Gesamtzustelldienst -

zuletzt in der Zustellbasis H. - verwendet.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen den Mitbeteiligten nach mündlicher Verhandlung für schuldig, er habe

1. eine näher bezeichnete und für L. bestimmte PSK-Anweisung in der Höhe von EUR 2.493,23 nicht an L. ausbezahlt, sondern sich diesen Betrag am 23. April 2007 angeeignet, in der Folge für private Zwecke verwendet, die PSK-Anweisung am 23. April 2007 als ausbezahlt abgerechnet und zu diesem Zweck auf dieser PSK-Anweisung eigenhändig das Datum "23. April 2007" sowie die Unterschrift "L." angebracht sowie

2. den am 5. Jänner 2007 von S. bei der Abgabe einer näher bezeichneten Einschreibsendung eingehobenen Nachnahmebetrag in Höhe von EUR 298,-- nicht abgerechnet, sondern sich angeeignet und für private Zwecke verwendet und - damit diese Sendung in den Abrechnungspapieren der Zustellbasis nicht aufscheint - in der Früh am 5. Jänner 2007 nicht eingescannt.

Er habe dadurch gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 idgF (BDG 1979), verstoßen und Pflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt.

In der Begründung dieser Entscheidung führte die Disziplinarbehörde erster Instanz - primär unter Heranziehung der Aussagen des Mitbeteiligten, der zu den inkriminierten Vorwürfen ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, und der Ergebnisse der gutachterlichen Beurteilung des Mitbeteiligten durch Dr. T., Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie - zur Frage des Verschuldens und der Strafbemessung zusammengefasst aus, dass sich der Mitbeteiligte in zwei Fällen an ihm im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit anvertrauten Geldern vergriffen habe, einmal beim angenommenen Nachnahmebetrag und einmal bei einem auszubezahlenden Betrag, und diese Beträge in beiden Fällen für sich verwendet habe. Um sich diese Geldbeträge anzueignen, sei er planmäßig vorgegangen. Beim Nachnahmebetrag habe er im Vorhinein das Einscannen der zuzustellenden Sendung unterlassen und beim Auszahlungsbetrag die Auszahlung durch die Fälschung der Unterschrift der Empfängerin vorgetäuscht, weshalb an der vorsätzlichen Begehung keinerlei Zweifel bestünden, zumal der Sachverständige eindeutig und zweifelsfrei eine Störung der Impulskette, wie sie für einen pathologischen Spieler typisch wäre, ausgeschlossen habe. Eine Einschränkung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit habe nicht vorgelegen, wofür auch sein planmäßiges Vorgehen in beiden Fällen sowie die von ihm auch in der mündlichen Verhandlung geschilderten Überlegungen sprechen würden. Das Motiv des Mitbeteiligten liege in der finanziellen Situation seiner neuen Familie, hervorgerufen durch den persönlichen Konkurs seiner Ehefrau, der er nicht gewachsen gewesen sei. Statt verantwortungsvoll zukunftsorientierte Lösungen zu suchen bzw. zu finden, habe er kurzfristige Geldprobleme mit dem Zugriff auf postalische Gelder beseitigt. Auch der Umstand, dass er sich nach den Vorfällen kurzfristig von seiner Ehefrau getrennt habe, wie er bei der Untersuchung durch Dr. T. angegeben habe, und nunmehr wieder mit ihr zusammenlebe, spreche für seine Überforderung. Auch der persönliche Eindruck in drei mündlichen Verhandlungen habe diesen Eindruck bestätigt. Seine Neigung zum Spielen stelle einen zu seiner Verteidigung dienenden Vorwand dar, zumal er gewinnen habe wollen, um sich etwas leisten zu können.

Erschwerend sei das Vorliegen zweier Dienstpflichtverletzungen und das geplante Vorgehen zu werten, als mildernd das reumütige Geständnis des Mitbeteiligten, seine disziplinäre Unbescholtenheit, seine bisher unbeanstandeten dienstlichen Leistungen und die geleistete Schadensgutmachung. Auf Grund dieser vorliegenden Milderungsgründe und des persönlichen Eindruckes, den der Mitbeteiligte in mündlichen Verhandlungen hinterlassen habe, erscheine dem erstinstanzlichen Disziplinarsenat die Verhängung der höchstmöglichen Geldstrafe gerade noch vertretbar. Hinzu komme, dass für den erstinstanzlichen Disziplinarsenat nicht sein bekannter Hang zum Spielen Auslöser für die beiden Verfehlungen gewesen sei, sondern die anfängliche Überforderung der Ehe und die damit verbundene Verantwortung für eine Ehefrau bzw. Familie mit Schulden. Seine eigene finanzielle Situation sei nicht als besorgniserregend einzustufen. Mit der Gewährung einer Abstattung der Geldstrafe in 36 Monatsraten werde auf die finanzielle Situation des Mitbeteiligten Rücksicht genommen.

Ausschließlich gegen die Art (das Ausmaß) der in diesem Disziplinarerkenntnis verhängten Strafe erhob die Disziplinaranwältin Berufung mit dem Antrag, die Entlassung auszusprechen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens, insbesondere des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung sowie Darstellung der Rechtslage stützte die belangte Behörde, die von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung absah, ihre Strafbemessung - nach auszugsweiser Wiedergabe des hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115 - im Wesentlichen auf folgende Erwägungen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Schreibfehler im Original):

"...

Zutreffenderweise wurde das Verhalten des Beschuldigten von der erstinstanzlichen Disziplinarkommission als Dienstpflichtverletzung iSd § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG gewertet, da dieses Verhalten jedenfalls rechtswidrig und auch geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Dienstverrichtung des Beschuldigten nachhaltig zu erschüttern. Das vom beschuldigten Beamten gesetzte dienstliche Fehlverhalten hat nach Auffassung des erkennenden Senates der DOK eine schwere Beeinträchtigung der Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch ihn bewirkt. Angesichts der besonderen Schwere dieser disziplinarrechtlich erheblichen Dienstpflichtverletzung ist auch nach Auffassung des erkennenden Senates der DOK mit der Verhängung einer empfindlichen Disziplinarstrafe gemäß § 92 Abs. 1 BDG vorzugehen gewesen. Diesem Erfordernis ist der erstinstanzliche Disziplinarsenat mit der Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von fünf Monatsbezügen auch nachgekommen.

Der Disziplinaranwältin ist zwar zuzubilligen, dass dem dem Beschuldigten zur Last gelegten Fehlverhalten gerade in diesem sensiblen Bereich und des damit verbundenen Vertrauensverhältnisses gegenüber der Allgemeinheit, der ÖPAG und ihren Geschäftspartnern, durchaus ein hoher Stellenwert und Unrechtsgehalt zukommt, weshalb es sich bei dem inkriminierten Verhalten des Beschuldigten zweifellos um keine bloße Ordnungswidrigkeit handelt. Daraus aber auf eine 'Untragbarkeit' des Beschuldigten zur weiteren Dienstverrichtung und die Notwendigkeit der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung zu schließen, erweist sich aus mehreren Gründen als überzogen.

Dem Beschuldigten ist zuzugestehen, dass durch sein Fehlverhalten der ÖPAG kein unmittelbarer Schaden entstanden ist, da er die entnommenen Beträge wieder rückerstattet hat, weshalb auch die beiden gegen den Beschuldigten erstatteten Anzeigen zurückgelegt wurden (...). Dem steht allerdings erschwerend gegenüber, dass das Verhalten des Beschuldigten zweifellos geeignet war, den betroffenen Postkunden - insbesondere dem vom Verhalten gemäß Spruchpunkt 2.) betroffenen Kunden - erhebliches Ungemach zu bereiten und einen überaus hohen Nachforschungsaufwand durch den Dienstgeber mit sich gebracht hat. Überdies hat der Beschuldigte mit Bereicherungsvorsatz gehandelt, da er offensichtlich nicht beabsichtigt hatte, die angeeigneten Beträge von selbst wieder rückzuerstatten. Die im Ergebnis zur Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens geführt habende tätige Reue, wurde vom Beschuldigten erst gesetzt, als die betroffenen Postkunden selbst tätig geworden sind (im ersten Fall die Auszahlung urgierte, im zweiten Fall die Zahlung belegte). Der Beschuldigte hat somit im Aneignungszeitpunkt zweifellos vorsätzlich gehandelt.

Im Hinblick allerdings auf die Ausführungen im obzitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates des VwGH sieht sich der erkennenden Senat der DOK außerstande, dem Berufungsbegehren der Disziplinaranwältin zu folgen, denn es hat das Verhalten des Beschuldigten dennoch keinen derart weitgehenden Vertrauensverlust verursacht, dass dies zur 'Untragbarkeit' des Beschuldigten führen würde. Das gilt auch im Lichte des planvollen Vorgehens bei beiden Dienstpflichtverletzungen, insbesondere bei der Dienstpflichtverletzung gemäß Spruchpunkt 2.). Daraus kann allerdings noch keine negative Zukunftsprognose abgeleitet werden, denn es hat der Beschuldigte die beiden Taten - wie die Erstinstanz zutreffend festgestellt hat - jeweils wegen akuter finanzieller Engpässe, die nunmehr behoben sind (siehe Seite 8 des in Berufung gezogenen Bescheides: 'Seine eigene finanzielle Situation ist nicht als besorgniserregend einzustufen'), gesetzt, und nicht etwa, wie die Erstinstanz ebenfalls festgestellt hat, auf Grund einer allfällig vorliegenden Spielsucht. Auf Grund der in spezialpräventiver Hinsicht von der Erstinstanz ausgesprochenen höchstmöglichen Geldstrafe und der dieser innewohnenden Abschreckungswirkung geht der erkennende Senat der DOK davon aus, dass der Beschuldigte bei allfällig auftretenden zukünftigen finanziellen Engpässen einen anderen Weg der Problemlösung suchen und finden wird, sodass nicht von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden kann.

Erschwerend war bei der Strafbemessung weiters der Umstand zu werten, dass das (überaus planvolle) Fehlverhalten unter Ausnutzung der dienstlichen Befugnisse des Beschuldigten gesetzt wurde, sowie dass es sich um zwei während eines doch relativ kurzen Zeitraumes begangene Dienstpflichtverletzungen handelt. Im Hinblick auf § 93 Abs. 2 BDG ist der erkennende Senat der DOK der Auffassung, dass die gemäß Spruchpunkt 2.) gesetzte Dienstpflichtverletzung trotz ihres relativ geringen Betrages auf Grund des überaus planvollen und mit hoher krimineller Energie umgesetzten Vorgehens des Beschuldigten die schwerere Dienstpflichtverletzung darstellt, weshalb die Dienstpflichtverletzung gemäß Spruchpunkt 1.) als Erschwerungsgrund zu werten war.

Als mildernd waren das reumütige Geständnis des Beschuldigten vor der erstinstanzlichen Disziplinarkommission, seine bisherige disziplinäre Unbescholtenheit, seine langjährige bisher offenbar tadellose gute Dienstverrichtung, die geleistete Schadensgutmachung sowie der Umstand zu werten, dass sein Fehlverhalten keinen unmittelbaren Schaden nach sich gezogen hat.

Auch wenn daher eine schwere Störung des Vertrauensverhältnisses zum Beschuldigten vorliegt, ist das Vertrauen in seine Dienstverrichtung dennoch noch nicht derart erschüttert, dass nicht mit der Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG das Auslangen gefunden werden könnte.

Der erkennende Senat der DOK geht bei diesem Abwägungsprozess von einem geringfügigen Überwiegen der Erschwerungs- gegenüber den Milderungsgründen aus, was aber im Ergebnis nicht hinreichend ist, die verhängte Disziplinarstrafe dem Berufungsantrag entsprechend abzuändern. Infolge dessen und unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten kann daher mit der erstinstanzlich ausgesprochenen Disziplinarstrafe der Geldstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG in Höhe von fünf Monatsbezügen (in Höhe von etwas unter EUR 1.700,-- brutto) das Auslangen gefunden werden. Die oben genannten Erschwerungsgründe sind nach Ansicht des erkennenden Senates der DOK im Hinblick auf das obzitierte Disziplinarerkenntnis des verstärkten Senates des VwGH nicht geeignet, eine höhere als die von der ersten Instanz bereits verhängte Disziplinarstrafe - nämlich die beantragte Entlassung - zu rechtfertigen, weshalb von der Strafbemessung durch die erste Instanz nicht abzugehen war. Mit der Verhängung dieser höchstmöglichen Geldstrafe wird weiters neben spezial- auch generalpräventiven Erwägungen hinreichend Rechnung getragen, um neben dem Beschuldigten auch andere Bedienstete von der Begehung gleichartiger Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie in eventu die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme einer Gegenschrift vor und begehrte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.1. Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (Abs. 2 dieser Bestimmung).

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der 8. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 92 Abs. 1 BDG 1979 sind Disziplinarstrafen der Verweis (Z. 1), die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezugs unter Ausschluss der Kinderzulage (Z. 2), die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage (Z. 3) und die Entlassung (Z. 4).

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 in der Fassung BGBl. Nr. 333/1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinn nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt wird, nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

Gemäß § 125a Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 123/1998 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

  1. 1. die Berufung zurückzuweisen ist,
  2. 2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
  3. 3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

    4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder

    5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.

    II.2. In der Beschwerde wird zusammengefasst vorgebracht, dass die gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen, die unmittelbare Auswirkungen auf Postkunden gehabt hatten, den Kernbereich der Dienstpflichten des Beschwerdeführers getroffen haben und in höchstem Maße geeignet gewesen seien, nicht nur das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sondern auch das Vertrauen in die redliche, getreue und gewissenhafte Aufgabenerfüllung zu zerstören. Die daraus resultierende objektive Schwere der Dienstpflichtverletzungen könne durch das reumütige Geständnis des Mitbeteiligten, seine bisherige disziplinäre Unbescholtenheit und gute Dienstbeschreibung nicht aufgewogen werden. Eine lückenlose Kontrolle sei bei der Tätigkeit des Mitbeteiligten nicht möglich und hätte er auch weiterhin vielfältige Möglichkeiten, sich fremdes Geld oder andere Vermögenswerte anzueignen. Auch auf jedem anderen Arbeitsplatz, der seiner dienst- und besoldungsrechtlichen Stellung entsprechen würde, wäre dies der Fall, noch dazu, da der Mitbeteiligte gezeigt habe, dass er unweigerlich vorhandene Lücken im System auch tatsächlich zu orten und auszunützen weiß; schon aus diesem Grund könne auch keine positive Zukunftsprognose gestellt werden.

    Mit diesen Argumenten kann die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der Strafbemessung aufzeigen:

    Im - von der belangten Behörde zitierten - hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde - zur Rechtslage des BDG 1979 vor der Novelle BGBl. I. Nr. 147/2008 - von dem in der früheren Judikatur entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen können.

    Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis. Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten.

    Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.

    Im vorliegenden Fall sind die Ausführungen der belangten Behörde, soweit sie darin auf die "Untragbarkeit" oder "Tragbarkeit" des Beschwerdeführers abstellt, zwar verfehlt, weil dies keinen maßgeblichen Strafzumessungsgrund darstellt (vgl. das zuvor genannte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115). Der angefochtene Bescheid hält aber den Anforderungen zur Strafbemessung stand, zumal die belangte Behörde in ihrer ausführlichen Begründung sich erkennbar mit den Erschwernis- und Milderungsgründen auseinandergesetzt und nachvollziehbar begründet hat, warum trotz der objektiven Schwere der Tat - in Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung - von einer Entlassung Abstand genommen werden und mit der höchstmöglichen Geldstrafe (noch) das Auslangen gefunden werden konnte. Mit der bloßen spekulativen Behauptung in der Beschwerde, schon aus dem Verhalten des Mitbeteiligten bei den beiden inkriminierten Tathandlungen wäre auf eine negative Zukunftsprognose zu schließen, kann der im erstinstanzlichen Erkenntnis zum Ausdruck gebrachte positive Eindruck des Mitbeteiligten in der Verhandlung nicht entkräftet werden bzw. die Notwendigkeit einer mündlichen Berufungsverhandlung aufgezeigt werden. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte über etwa 25 Jahre ein unauffälliges und tadelloses Dienstverhalten an den Tag gelegt und nach den unbestrittenen erstinstanzlichen Feststellungen seit 1986 regelmäßig in einem Wettbüro in seinem Heimatort gespielt hat und seine - auch an der Dienststelle bekannte - Spielleidenschaft vor den zwei gegenständlichen Vorfällen zu keinen dienstlichen Beeinträchtigungen geführt hat.

    Angesichts dessen erweist sich die Strafbemessung der belangten Behörde als frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

    Wien, am 15. Oktober 2009

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