Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruches zu Faktum 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sowie im Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Der Beschwerdeführer stand als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Im Zeitpunkt der hier inkriminierten Vorfälle war er Justizwachebeamter an der Justizanstalt S.
I.1. Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 8. September 2005 wurde der Beschwerdeführer (u.a.) schuldig erkannt,
1. am 19. November 2004 den wegen des Verdachts des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB in Untersuchungshaft befindlichen Jugendlichen D. R. während dessen Vorführung zur Begutachtung beim Institut für forensische Psychiatrie S unbeaufsichtigt und entgegen ausdrücklicher Anordnung ungefesselt im Freien vor der Eingangstüre des Institutsgebäudes zurückgelassen zu haben, um für diesen im Warteraum des Instituts ein Feuerzeug zu holen, wodurch es geschehen konnte, dass der Untersuchungsgefangene flüchtete;
2. dem schriftlichen Auftrag der Leiterin der Justizanstalt S vom 19. August 2004 im Zusammenhang mit der gemäß § 52 BDG 1979 angeordneten Untersuchung seiner Dienstfähigkeit die entsprechenden fachärztlichen Befunde beizubringen, trotz Setzung einer Nachfrist bis Ende Oktober 2004 nicht nachgekommen zu sein.
Er habe hiedurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (insbesondere zu 1.), sowie nach § 44 Abs. 1 BDG 1979, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen (insbesondere zu 2.), verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen nach § 91 BDG 1979 begangen.
Über den Beschwerdeführer wurde wegen dieser Dienstpflichtverletzungen gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
I.2. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Berufung - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - keine Folge gegeben und das angefochtene Disziplinarerkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 105 BDG 1979 bestätigt.
I.3. Begründend verwies die belangte Behörde auf das von ihr als zutreffend erachtete Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz, dessen Feststellungen wie folgt hervorgehoben wurden:
Der Beschwerdeführer sei am 3. Mai 1993 in den Justizwachdienst eingetreten und versehe seit 1. August 1993 seinen Dienst in der Justizanstalt S. Er sei bereits wiederholt disziplinär in Erscheinung getreten. Im Zeitpunkt August 1997 bis Juli 2004 seien ihm insgesamt acht nachweisliche Ermahnungen erteilt worden, vor allem wegen verspäteten Dienstantrittes, unerlaubten vorzeitigen Verlassens des Dienstes und Nichtantretens des Dienstes. Er sei in diesem Zusammenhang mehrfach ermahnt und aufgefordert worden, Erkrankungen unverzüglich zu melden und für jeden Arztbesuch und jede Erkrankung ärztliche Bestätigungen vorzulegen. Von seinen Dienstvorgesetzten sei er als leistungsunwillig, unzuverlässig und unkollegial beschrieben worden. Betreffend das Faktum 2 habe bereits die Disziplinarkommission festgestellt, die Leiterin der Justizanstalt S habe dem Beschwerdeführer wegen der auffallend hohen Zahl seiner Krankenstandstage (im Jahr 2004 bis zum 23. Juli 41 Tage) am 19. August 2004 den schriftlichen Dienstauftrag erteilt, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, wobei er ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei, vorhandene Unterlagen bzw. fachärztliche Befunde zur amtsärztlichen Untersuchung mitzubringen. Der Beschwerdeführer habe zur Untersuchung am 15. September 2004 lediglich einen Allergietestbogen sowie Röntgenbilder beigebracht. Der Amtsarzt habe ihn aufgefordert, bis zum 30. September 2004 eine fachärztliche Stellungnahme seines behandelnden Lungenfacharztes beizubringen. Diese Frist sei vom Amtsarzt wegen Urlaub des Facharztes auf Ende Oktober 2004 verlängert worden. Der Amtsarzt habe sein Gutachten schließlich am 9. November 2004 erstattet, ohne dass die geforderte Stellungnahme des Facharztes vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, dafür zu sorgen bzw. sich zu vergewissern, dass die geforderte Stellungnahme dem Amtsarzt fristgerecht zukomme und sich darauf verlassen, dass sich die beiden Ärzte aus eigenem verständigten. In dem Gutachten des Amtsarztes werde auf die erfolglose Fristerstreckung und das Fehlen der notwendigen fachärztlichen Befunde bzw. der abverlangten Stellungnahme des Facharztes ausdrücklich hingewiesen.
Zum Faktum 1 habe die Disziplinarkommission festgestellt, der Beschwerdeführer habe am 19. November 2004 den Dienstauftrag erhalten, einen wegen Mordes verdächtigen und in Untersuchungshaft befindlichen Jugendlichen zur Begutachtung in das Institut für forensische Psychiatrie S auszuführen. Dieser habe im Verdacht gestanden, unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie seinen Großvater durch zahlreiche Messerstiche getötet zu haben. Im schriftlichen Ausführungsauftrag sei ausdrücklich das dem Strafverfahren zu Grunde liegende Delikt erwähnt und das Anlegen von Fesseln als Sicherheitsmaßnahme angeordnet gewesen. Der Beschwerdeführer habe bereits am Vortag denselben Beschuldigten in das forensische Institut ausgeführt und sei besorgt gewesen, diese Ausführung alleine, das heißt ohne Unterstützung durch einen weiteren Justizwachebeamten, durchführen zu müssen, weil er einen Fluchtversuch befürchtet habe. In einer Pause der Untersuchung habe der Beschwerdeführer dem Gefangenen eine Rauchpause im Freien gestattet. Dabei habe er es vorschriftswidrig unterlassen, dem Gefangenen die Handfesseln wieder anzulegen. Auf eine Bitte des Gefangenen, ihm Feuer zu geben, sei der Beschwerdeführer durch einen Windfang in das Institutsgebäude gegangen, um ein Feuerzeug oder Zünder aus seiner an der Garderobe abgelegten Jacke zu holen. Trotz des nur relativ geringen räumlichen Abstandes zwischen dem Raucherbereich vor der Tür und der Garderobe habe für kurze Zeit kein direkter Sichtkontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Gefangenen bestanden. Diesen kurzen Zeitraum, in welchem er ungefesselt, unbeobachtet und allein im Freien zurückgelassen gewesen sei, habe der Gefangene zur Flucht genützt. Der Gefangene sei binnen kurzer Zeit zur Wohnung seiner Angehörigen gelangt, wo er die dort Anwesenden gefährlich mit dem Tode bedroht habe. Auf Grund einer telefonischen Meldung einer Angehörigen sei es mit massivem Polizeieinsatz gelungen, den Gefangenen etwa eine halbe Stunde nach der Flucht festzunehmen. In den Medien sei kritisch über die Flucht berichtet worden.
Rechtlich führte die belangte Behörde zu Faktum 1 aus, es sei für den Beschwerdeführer nichts daraus zu gewinnen, dass der Begriff "Flucht" aus statistischer Sicht nach internationalen Gepflogenheiten in drei Kategorien unterteilt werden könne (Ausbrüche, Entweichungen und Nichtrückkehr), und ebenso wenig aus dem Umstand, dass die Flucht des Gefangenen bereits nach etwa einer halben Stunde habe beendet werden können. Es sei unwiderlegt, dass er durch sein unverantwortliches und grob nachlässiges Verhalten die Flucht eines bekanntermaßen gefährlichen Häftlings verursacht habe und dass dieser tatsächlich kurze Zeit nach der gelungenen Flucht bereits eine weitere Straftat gesetzt habe. Halte man sich vor Augen, welche Angst jene Familienmitglieder verspürt haben müssten, denen plötzlich der Geflohene gegenüber gestanden sei, der erst kurze Zeit zuvor ein anderes Familienmitglied getötet haben solle und den sie in sicherer Verwahrung der Justiz gewähnt hätten, und dass der Gefangene erst durch einen Großeinsatz der Polizei wieder festgenommen habe werden können noch bevor es zu Schlimmerem habe kommen können, so falle die Behauptung des Beschwerdeführers, der Dienstbetrieb sei nicht gröblich gestört worden, in sich zusammen. Ebenso wenig halte das Argument des Beschwerdeführers einer Überprüfung stand, er habe erfolglos um die Zuteilung eines zweiten Beamten gebeten. Denn die Flucht des Gefangenen habe sich nach ihrem Ablauf gerade nicht als Verwirklichung jener Gefahr erwiesen, die möglicherweise dadurch geschaffen worden sei, dass der Beschwerdeführer als einziger Beamter mit der Bewachung des Gefangenen betraut worden sei. Die Flucht sei dem Gefangenen vielmehr deshalb gelungen, weil der Beschwerdeführer ihn einige Augenblicke ungefesselt und unbeobachtet vor dem Gebäude zurückgelassen habe.
Zu Faktum 2 führte die belangte Behörde aus, bereits die Behörde erster Instanz habe zutreffend einen Zusammenhang zwischen dem gegenständlichen Vorwurf der Nichterfüllung eines Dienstauftrages und den bereits zuvor in acht Fällen erfolgten nachweislichen Ermahnungen hergestellt, die gerade auch die Erfüllung von Meldepflichten im Krankheitsfall betroffen hätten. Ein solcher Dienstauftrag könne nicht delegiert werden, vielmehr bestehe bei der Notwendigkeit der Mitwirkung Dritter die Verpflichtung des Beamten, auf diese Mitwirkung hinzuwirken, diese zu kontrollieren und dabei auftretende Probleme dem Vorgesetzten zu melden. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Leiden (an bronchialem Asthma seit Kindheitstagen) enthöben ihn nicht von der Pflicht, Krankenstände ordnungsgemäß zu melden, ärztliche Bestätigungen darüber vorzulegen und Dienstaufträgen im Zusammenhang mit seiner amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen. Insgesamt vermöge die Berufung die Richtigkeit weder der Schuldsprüche noch des Ausspruchs der Entlassung in Zweifel zu ziehen. Die belangte Behörde schließe sich demnach dem sorgfältig und umfassend begründeten Schluss des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses an, dass der Beschwerdeführer derart erhebliche Dienstpflichtverletzungen begangen und dadurch das Vertrauensverhältnis zum Dienstgeber zerstört habe, dass als Sanktion nur die Entlassung in Betracht komme.
II. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, sondern beantragte lediglich die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
III. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
III.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 43 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2002 (BDG 1979), lauten:
"§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
(3) Der Beamte hat die Parteien, soweit es mit den Interessen des Dienstes und dem Gebot der Unparteilichkeit der Amtsführung vereinbar ist, im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zu unterstützen und zu informieren.
...
§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
...
§ 52. (1) Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen gesundheitlichen Eignung des Beamten, so hat sich dieser auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
(2) Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Beamte hat sich auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinne des ersten Satzes ist spätestens drei Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens drei Monaten zu erteilen.
...
§ 91. (in der Stammfassung) Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
...
§ 92. (in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995)
(1) Disziplinarstrafen sind
- 1. der Verweis,
- 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage,
4. die Entlassung.
(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.
...
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
...
§ 125a. (1) Die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, sofern er nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden ist.
(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
- 1. die Berufung zurückzuweisen ist,
- 2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
- 3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
(4) In den Fällen des Abs. 1 ist vor schriftlicher Erlassung des Disziplinarerkenntnisses dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen."
III.2. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für inhaltlich rechtswidrig, weil in seiner Begründung die angelasteten Tathandlungen und das Anforderungsprofil des Beamten nicht einander gegenübergestellt wurden und keine Begründung dafür aufweise, warum eine weitere Beschäftigung unzumutbar bzw. das Vertrauensverhältnis zerstört sei.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es zu Unrecht unterlassen, ihn zur Stellung eines Berufungsantrages bzw. zur Stellung von Beweisanträgen anzuleiten, vielmehr habe sie lediglich einen Berufungsantrag "erschlossen" wodurch er benachteiligt worden sei. Zu Faktum 2 habe sich die Behörde nicht mit der Frage beschäftigt, dass Gegenstand eines schriftlichen Dienstauftrages nur solche Unterlagen und Befunde zur Beibringung hätten Gegenstand sein können, welche auch vorhanden gewesen seien. Ihm werde aber vorgeworfen, dass dem Amtsarzt eine fachärztliche Stellungnahme nicht vorgelegen sei. Dabei handle es sich aber nicht um einen Befund im Sinne des schriftlichen Dienstauftrages. Eine Dienstpflichtverletzung liege daher zu diesem Faktum nicht vor. Nachdem die bisherigen Bescheide keine Begründung für die Erschütterung des Vertrauens auswiesen, die dem Gesetz genügen, insbesondere auch nicht, dass jedes der beiden Fakten für sich allein den Vertrauensverlust bewirke, sei die Entlassungsentscheidung bereits auf Grund des Wegfalls einer Dienstpflichtverletzung zu Faktum 2 nicht haltbar. Die belangte Behörde habe es auch gänzlich unterlassen, zu prüfen, ob die Schwere der festgestellten Dienstpflichtverletzung nicht bereits durch die höchste Geldstrafe angemessen hätte geahndet werden können. Auch bestehe die Möglichkeit, dass der Beamte versetzt werden könne, wenn die Dienststelle die Meinung vertrete, wegen der Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung sei der Beamte an dieser Dienststelle nicht mehr tragbar.
III.3. Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.
Insoweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte ihn im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht anleiten müssen, einen geeigneten Berufungsantrag bzw. geeignete Beweisanträge zu stellen, zeigt er weder die Relevanz dieses von ihm behaupteten Verfahrensmangels auf noch wodurch konkret seine subjektivöffentlichen Rechte verletzt worden sein sollen, hat doch die Behörde seine Berufung ohnedies inhaltlich behandelt und nicht etwa mangels eines geeigneten Berufungsantrages zurückgewiesen. Im Übrigen ist er darauf zu verweisen, dass die Behörde nach § 13a AVG nur zur Anleitung im Hinblick auf die von der Partei zu setzenden Verfahrensschritte, nicht aber dazu verhalten ist, der Partei Anweisungen zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten habe, damit ihrem Standpunkt Rechnung getragen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0463).
Der Beschwerdeführer bestreitet sein Fehlverhalten in Bezug auf das Faktum 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht. Insbesondere behauptet er nicht, dass das Entweichen des inhaftierten Verdächtigen etwa nicht durch sein schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten ermöglicht worden sei. Dass es aber nicht dem Anforderungsprofil eines Justizwachebeamten entspricht, einen als gefährlich eingestuften inhaftierten Verdächtigen unbeaufsichtigt und ungefesselt vor einem Gebäude - wenn auch nur für kurze Zeit - zurückzulassen, bedarf wohl ernsthaft keiner näheren Begründung. Der Schuldspruch zu diesem Faktum begegnet daher keinen Bedenken.
Im Ergebnis zutreffend macht der Beschwerdeführer aber zu Faktum 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses geltend, die Vorlage einer ihm nicht zur Verfügung stehenden Unterlage (Befund) beim Amtsarzt könne nicht Gegenstand einer Weisung sein. Diese - mit 18. August 2004 datierte - Weisung lautete:
"Sie werden von Anstaltsleiterin der Justizanstalt S über Auftrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz aufgefordert, sich im Sinne des § 52 BDG 1979 einer amtsärztlichen Untersuchung durch Dr. C R, allenfalls auch unter Beiziehung eines Facharztes/Sachverständigen, zu unterziehen.
Sie werden hiezu angewiesen, sich spätestens bis zum 15.09.2004 bei
Bundespolizeidirektion Salzburg
Amtsärztlicher Dienstag
Oberrat Dr. C R
Alpenstraße 90, 5020 S
zu melden, einen Termin zu vereinbaren und diesen, ebenso wie einen allfällig erforderlichen Facharzt-Termin aus eigenem wahrzunehmen.
Bereits vorhandene Unterlagen, fachärztl. Befunde, etc. sind zur Untersuchung mitzubringen und dort vorzulegen."
Aus dem Wortlaut dieses als Weisung zu wertenden Dienstauftrages geht klar hervor, dass der Beschwerdeführer lediglich dazu verhalten wurde, "bereits vorhandene Unterlagen, fachärztl. Befunde" mitzubringen und vorzulegen. In dieser Weisung wurde dem Beschwerdeführer NICHT aufgetragen, fachärztliche Befunde oder Stellungnahmen erst erstellen zu lassen und dann vorzulegen. Jene Unterlagen, die ihm im Zeitpunkt der von ihm wahrgenommenen Befundaufnahme durch den Amtsarzt zur Verfügung standen, hat der Beschwerdeführer aber auch nach den von der Behörde getroffenen Feststellungen zur Untersuchung mitgebracht. Der Umstand, dass diese Unterlagen für eine umfassende Begutachtung als nicht ausreichend erachtet wurden, hätte daher eher Anlass für den Amtsarzt sein müssen, "allenfalls" einen Facharzt/Sachverständigen der Untersuchung beizuziehen.
Da sohin der dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt 2 gemachte Vorwurf weisungswidrigen Verhaltens einer Überprüfung nicht standhält, war der angefochtene Bescheid in dem diesbezüglichen Schuldausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid keine Gewichtung im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG 1979 vorgenommen, sondern lediglich auf die Ausführungen der Disziplinarkommission, insbesondere auch zur Strafbemessung, verwiesen. Die Disziplinarkommission hatte im Rahmen ihrer Erwägungen zum Ausspruch der Entlassung dargelegt, dass
"durch das jeweils festgestellte schuldhafte Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und der Leitung der Justizanstalt zerstört ist und des dem Dienstgeber daher nicht weiter zugemutet werden kann, mit einem sich als derart unzuverlässig erweisenden Beamten weiter zusammenzuarbeiten. In einem solchen Fall kommen weitere Differenzierungen und Ermessenserwägungen nicht zum Tragen, sondern kommt als angemessene Ahndung jedes dieser Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten nur die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht."
Durch ihren Verweis auf diese erstbehördliche Begründung hat sich die belangte Behörde erkennbar der wiedergegebenen Argumentation angeschlossen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2000, Zl. 97/21/0445, mwN). Auch bei Wegfall des Faktums 2 wäre auf Grund des solcherart verbleibenden Faktums 1 also die Entlassung ausgesprochen worden.
Aus der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung der Strafbemessung durch die Behörde erster Rechtsstufe, die durch den Verweis der belangten Behörde durch diese rezipiert wurde, lässt sich aber eine Auseinandersetzung mit den in § 93 BDG 1979 genannten Kriterien nicht erkennen. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde von dem in der früheren Judikatur entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen können.
Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Sinne der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis. Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten. Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.
Das gänzliche Außerachtlassen von Versetzungsmöglichkeiten (oder gar von schon erfolgten Versetzungen) entspricht nach den Gesetzesmaterialien (vgl. die ErläutRV 500 BlgNR 14. GP 83) nicht dem Willen des Gesetzgebers. Sind geeignete Versetzungsmöglichkeiten - bei deren Inanspruchnahme die Begehung gleichartiger Disziplinarvergehen durch den Beamten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann - offenkundig oder werden sie vom Beamten im Disziplinarverfahren konkret ins Treffen geführt, so kann diese Frage in der Begründung dafür, warum er dessen ungeachtet zu entlassen sei, nicht zur Gänze ausgeklammert bleiben. Das bedeutet freilich keinen Anspruch des Betroffenen auf Versetzung statt Entlassung, sondern verpflichtet die Behörde lediglich dazu, sich in der Begründung ihrer Entscheidung mit einem diesbezüglichen im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten auseinander zu setzen.
Die Behörde hätte sich daher in ihrer Bescheidbegründung eingehend mit den oben dargestellten Bemessungskriterien auseinander zu setzen gehabt. Dabei ist - um Missverständnisse zu vermeiden - zu betonen, dass die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seiner Strafbemessung nicht bedeutet, dass ein Ausspruch der Entlassung nicht mehr möglich wäre; dem Verwaltungsgerichtshof ist es lediglich verwehrt, in der Sache selbst zu entscheiden, das heißt die Strafbemessung im konkreten Einzelfall vorzunehmen.
Aus diesem Grunde war auch der Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im Übrigen jedoch, das heißt hinsichtlich des Schuldspruches zu Faktum 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. November 2008
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