VwGH 2009/06/0224

VwGH2009/06/022417.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der CL und 2. des GL, beide in M, beide vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. August 2009, Zl. FA13B- 12.10-M221/2009-34, betreffend Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG, zu Recht erkannt:

Normen

VVG §10 Abs2 Z3;
VVG §2 Abs1;
VVG §2 Abs2;
VVG §4 Abs2;
VVG §10 Abs2 Z3;
VVG §2 Abs1;
VVG §2 Abs2;
VVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Bürgermeister der Gemeinde M erteilte den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 25. August 2005 als Eigentümer des Grundstückes Nr. 439, KG S., gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG den Auftrag, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides das sich auf dem vorgenannten Grundstück befindliche Wohnhaus, sowie es in der Natur ausgeführt bzw. in dem näher angeführten Plan beschrieben sei, zu beseitigen. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg drohte den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 gemäß § 4 Abs. 1 VVG die Ersatzvornahme an, wobei gleichzeitig eine Fristsetzung von 8 Wochen zur Erfüllung der ihnen vorgeschriebenen Leistung erfolgte.

Die Bezirksbauleitung Leibnitz schätzte in der Folge im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg in dem Schreiben vom 11. Februar 2009 (gerichtet an die Bezirkshauptmannschaft) die Kosten für die Beseitigung des in Frage stehenden Wohnhauses (Abbruchskosten in Höhe von EUR 27.408,30). Dazu wurde den Beschwerdeführern Parteiengehör eingeräumt. Die Beschwerdeführer nahmen dazu in der Weise Stellung, dass ihre finanzielle Lage sehr schlecht geworden sei, da sie sehr viel Geld auf Grund der Finanzkrise verloren hätten und es unmöglich sei, die Abbruchskosten zu bezahlen.

Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg trug den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 29. Mai 2009 auf, die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von EUR 27.408,30 binnen drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg zu hinterlegen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Sie führte dazu insbesondere aus, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035, VwSlg. Nr. 12.942/A, ausgesprochen habe, dass der Kostenvorauszahlungsauftrag keine Vollstreckungsverfügung sei. Der Kostenvorauszahlungsauftrag diene nicht dem Zweck, den bescheidmäßigen Zustand im Wege des Verwaltungszwanges herzustellen, er beinhalte nicht unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung, vielmehr diene er der Schaffung eines Exekutionstitels.

Unabhängig von dieser Frage könne die Frage der Rechtmäßigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Titelbescheides, der letztlich vollstreckt werden solle und auf Grund dessen der Vorauszahlungsauftrag erfolgt sei, in diesem Verfahrensstadium nicht mehr aufgeworfen werden, könne also nicht Gegenstand einer Berufung sein. Lediglich die Änderung des Sachverhaltes seit der Zustellung des Titelbescheides hätte die Unzulässigkeit der Vollstreckung bewirken können. Die Beschwerdeführer wendeten in ihrer Berufung lediglich ein, dass in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides an Stelle der Gemeinde M die Marktgemeinde W angeführt sei, was die Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides ihrer Ansicht nach bewirke.

Diesbezüglich werde festgehalten, dass aus dem gesamten erstinstanzlichen Bescheid eindeutig hervorgehe, dass der Beseitigungsauftrag mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde M vom 25. August 2005 erteilt worden sei. Soweit in der Rechtsmittelbelehrung die Marktgemeinde W angeführt sei, handle es sich aber offensichtlich um einen Schreibfehler, der an der Verpflichtung an sich nichts verändert habe. Ein weiterer Einwand werde seitens der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Vollständigkeitshalber werde hinsichtlich des Kostenanbotes festgehalten, dass dieses preislich durchaus angemessen sei und auch diesbezüglich von den Beschwerdeführern nichts Gegenteiliges vorgebracht werde. Abschließend werde noch darauf hingewiesen, dass bei Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages gemäß § 4 Abs. 2 VVG nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 2. Februar 1986, Zl. 85/03/0145, u.a.) die wirtschaftliche Lage des Verpflichteten nicht zu berücksichtigen sei. Dies habe erst bei der Vollstreckung des Vorauszahlungsauftrages zu geschehen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten vorgenommen werden.

Gemäß § 4 Abs. 2 VVG kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Kostenvorauszahlung ist vollstreckbar.

Gemäß § 2 Abs. 1 VVG haben die Vollstreckungsbehörden bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse an dem Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung dürfen Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die vom Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989 vertretene Auffassung, dass es sich bei einem Kostenvorauszahlungsantrag bloß um die Schaffung eines Exekutionstitels handle, nicht jedoch um die Vollstreckung eines solchen, weshalb die Frage der Gefährdung des Unterhaltes dabei gemäß § 2 Abs. 2 VVG noch nicht zu prüfen sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführer müsse der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 2 VVG generell für alle unmittelbaren und mittelbaren Zwangsmaßnahmen angewendet werden. In dem angeführten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass der Kostenvorauszahlungsauftrag noch nicht Teil der exekutiven Maßnahmen des VVG sei. Dem gegenüber habe der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 24. November 2008, Zl. 2008/05/0179, die Ansicht vertreten, dass das eigentliche Vollstreckungsstadium bereits mit dem Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Partitionsfrist beginne. Von diesem Zeitpunkt an bis zum tatsächlichen Abschluss der Ersatzvornahme seien die Eigentümer der hievon betroffenen Baulichkeit als Verpflichtete bezüglich des Auftrags zur Vorauszahlung der Kosten ungeachtet einer nachfolgenden Änderung der Eigentumsverhältnisse anzusehen. Daraus folge nach Ansicht der Beschwerdeführer, dass all jene unmittelbaren und mittelbaren Zwangsmaßnahmen nach dem VVG, die nach Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Partitionsfrist vorgenommen würden, jedenfalls als Vollstreckungshandlungen im Sinne des VVG zu qualifizieren seien. Dies gelte somit auch für den vorliegenden Vorauszahlungsauftrag. Weiters habe der Verwaltungsgerichtshof in dem hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2003, Zl. 2003/07/0084, die Ansicht vertreten, dass der Verpflichtete nicht gehindert sei, im Verfahren über den Kostenvorauszahlungsauftrag einen Einwand im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG in Richtung einer Änderung des Sachverhaltes zu erheben. Nach Ansicht der Beschwerdeführer sei es gleichheitswidrig, wenn Gründe der Unzulässigkeit gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG im Berufungsverfahren gegen einen Kostenvorauszahlungsauftrag zulässig seien, nicht aber Gründe gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 (nämlich ein Widerspruch zu § 2, also die Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes).

Wenn der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 6. Juni 1989 vertreten habe, dass die Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes noch im Zuge der Vollstreckung selbst erhoben werden könne und dieser Gedanke deshalb gerechtfertigt sei, weil die für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften über das exekutionsfreie Existenzminimum sowie über die der Exekution entzogenen Gegenstände auch für die Vollstreckung im Verwaltungsweg gelten würden, sei dem entgegenzuhalten, dass dies gerade nicht deckungsgleich der Fall sei. Unter dem "notdürftigen Unterhalt" im Sinne des VVG sei weniger als unter dem in § 79 AVG und im § 14 Abs. 1 und § 54a Abs. 1 Z. 1 VStG vorgesehenen notwendigen Unterhalt zu verstehen, sodass darunter nur das falle, was zur Existenzerhaltung gerade noch notwendig sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juli 1998, Zl. 98/02/0479).

Das gerichtliche Exekutionsverfahren nach der EO kenne einen Schutz vor Gefährdung des Existenzminimums in Wahrheit nur im Bereich der Forderungsexekution. Ansonsten kenne die EO keinerlei Schonungsprinzip. Sie kenne keine Schonung vor der Wegnahme der im eigenen Eigentum stehenden Wohnstatt. Die EO kenne also keine dem VVG ebenbürtige Schonung des notdürftigen Unterhaltes des Schuldners.

Die Beschwerdeführer können mit ihren Ausführungen die in dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989 vertretene, ausführlich begründete Auffassung insbesondere zur rechtlichen Qualifikation eines Kostenvorauszahlungsauftrages und zur Nichtanwendung des § 2 Abs. 2 VVG bei Erlassung eines solchen Auftrages in keiner Weise in Frage stellen. Nach diesem Erkenntnis sind Vollstreckungsverfügungen nur die Verfügungen der Vollstreckungsbehörden, die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehen und unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand haben. Der Kostenvorauszahlungsauftrag fällt nicht in dieses Stadium des Vollstreckungsverfahrens. Weiters kommt § 2 Abs. 2 VVG seinem Wortlaut entsprechend nur dann zur Anwendung, wenn es um die zwangsweise Einbringung von Geldleistungen geht. Bei der Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages geht es nicht um die zwangsweise Einbringung einer Geldleistung, sondern, wie dies der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1989 dargelegt hat, um die Schaffung eines Exekutionstitels (vgl. in diesem Sinne auch die hg. Erkenntnisse vom 12. Juni 1990, Zl. 89/05/0186, vom 18. Juni 1991, Zl. 91/05/0051, vom 27. Jänner 1992, Zl. 92/10/0014, vom 30. Mai 1994, Zl. 94/10/0077, vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/05/0249, vom 29. Mai 2000, Zl. 2000/10/0074 und vom 20. Oktober 2005, Zl. 2003/06/0191).

Die aus dem Erkenntnis vom 24. November 2008, Zl. 2008/05/0179, betreffend einen Eigentümerwechsel im Verfahren von den Beschwerdeführern angesprochene Passage, dass das eigentliche Vollstreckungsstadium mit dem Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Partitionsfrist beginne, steht mit dieser Judikatur nicht in Widerspruch. Der Kostenvorauszahlungsauftrag ergeht danach zwar im Vollstreckungsverfahren, es geht bei ihm aber nicht um die unmittelbare Durchführung der Vollstreckung. In diesem Erkenntnis wird auch ausdrücklich auf die in dem Erkenntnis vom 6. Juni 1989 festgestellte Rechtsnatur des Kostenvorauszahlungsauftrages hingewiesen und auch ausgeführt, dass sich das Schonungsprinzip gemäß § 2 Abs. 1 VVG immer nur auf die Auswahl der Zwangsmittel bezieht, aber nicht dazu herangezogen werden kann, um eine Vollstreckung überhaupt als unzulässig ansehen zu können (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, Zl. 96/07/0231). Das Schonungsprinzip betreffend einen Kostenvorauszahlungsauftrag wird danach dann verletzt, wenn ein Kostenvorschuss vorgeschrieben wird, der nicht der Höhe der für die Bestreitung der Ersatzvornahme erforderlichen Kosten entspricht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis vom 17. Jänner 1997 ausgesprochen hat, ist wirtschaftliche Bedrängnis, in welche das Zwangsvollstreckungsverfahren die Beschwerdeführer bringen müsse, kein rechtlich tragender Grund gegen die Zwangsvollstreckung und den in deren Rahmen erlassenen Kostenvorauszahlungsauftrag, weil auch das im § 2 VVG ausgesprochene Schonungsprinzip nicht dazu herangezogen werden darf, von der Vollstreckung eines Titelbescheides überhaupt abzusehen.

Sofern die Beschwerdeführer meinen, es sei problematisch, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis vom 13. Oktober 2003 als Berufungsgrund gegen einen Kostenvorauszahlungsauftrag auch Gründe der Unzulässigkeit der Vollstreckung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG, aber nicht auch die Gründe gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 VVG zugelassen hat, genügt es darauf hinzuweisen, dass sich Z. 3 dieser Bestimmung nur auf Zwangsmittel

bezieht. Ein Kostenvorauszahlungsauftrag stellt ein solches Zwangsmittel nicht dar, weshalb diese Berufungsgründe gegen einen Kostenvorauszahlungsauftrag nicht in Frage kommen.

Wenn die Beschwerdeführer letztlich offensichtlich meinen, dass der durch § 2 Abs. 2 VVG gewährte Schutz bei der unmittelbaren Durchführung der Vollstreckung nicht ausreichend sei, weil die Bestimmung nur auf den notdürftigen Unterhalt und nicht - wie andere Bestimmungen (z.B. § 79 AVG) - auf den notwendigen Unterhalt, und deshalb diese Bestimmung bereits in Vollziehung eines Kostenvorauszahlungsauftrages angewendet werden müsse, handelt es sich dabei um rechtspolitische Überlegungen. Weiters ist - wie bereits ausgeführt - wirtschaftliche Bedrängnis, in die die Zwangsvollstreckung einen Verpflichteten bringt, kein rechtlich tragender Grund gegen die Zwangsvollstreckung. Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen den dem Kostenvorauszahlungsauftrag zu Grunde liegenden § 4 Abs. 2 VVG keine verfassungsrechtlichen Bedenken, solche werden auch von den Beschwerdeführern selbst nicht aufgeworfen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2009

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