VwGH 2005/12/0061

VwGH2005/12/00615.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie Vizepräsident Dr. Thienel und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Mag. S G in V, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf und Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwälte in 9220 Velden am Wörthersee, Villacher Straße 26, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (nunmehr Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur) vom 7. Februar 2005, Zl. 3935.050947/5-III/5a/04, betreffend Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Übergenüssen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
ZustG §2 Z1;
ZustG §7 Abs1 idF 2004/I/010;
AVG §10 Abs1;
AVG §10;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
ZustG §2 Z1;
ZustG §7 Abs1 idF 2004/I/010;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist als Professorin an einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe und höheren gewerblichen Bundeslehranstalt beschäftigt.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2002 und vom 6. Februar 2003 beantragte die Beschwerdeführerin die Herabsetzung ihrer Lehrverpflichtung auf 15 Wochenstunden für die Schuljahre 2002/2003 bzw. 2003/2004. Diesen Anträgen wurde mit Bescheiden vom 24. Juli 2002 bzw. vom 1. August 2003 mit der Maßgabe stattgegeben, dass eine Herabsetzung der Lehrverpflichtung auf 15 Werteinheiten bewilligt wurde. Tatsächlich erbrachte die Beschwerdeführerin nach den insofern unbestrittenen Feststellungen im Verwaltungsverfahren im Schuljahr 2002/2003 14,188 Werteinheiten pro Woche, im Schuljahr 2003/2004 13,981 Werteinheiten. Mit Antrag vom 29. Oktober 2003 begehrte die Beschwerdeführerin die Berichtigung der Bescheide über die Herabsetzung ihrer Lehrverpflichtung auf das tatsächliche Ausmaß ihrer Lehrtätigkeit; diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 20. Jänner 2004 stattgegeben.

Mit Schreiben des Landesschulrates für Kärnten vom 25. Februar 2004 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, sie habe in der Zeit von September 2002 bis März 2004 einen Übergenuss in bestimmt bezeichneter Höhe bezogen, der im Wege der Einbehaltung in Raten ab April 2004 hereingebracht werde; dieser Übergenuss resultiert aus der Differenz zwischen der ursprünglich bescheidmäßig festgesetzten Herabsetzung der Lehrverpflichtung und der tatsächlich erbrachten (geringeren) Lehrtätigkeit. Mit einer an den Landesschulrat für Kärnten gerichteten Eingabe vom 5. März 2004 erklärte die Beschwerdeführerin, sie sei mit einer Rückzahlung der von ihr redlich erworbenen und bereits verbrauchten Beträge nicht einverstanden; nicht nur sie selbst, auch die Dienstbehörde erster Instanz und ihre Schule seien bisher der Meinung gewesen, dass die ihr in der genannten Zeit ausbezahlten Bezüge auch zustünden. Gleichzeitig setzte sie dem Landesschulrat für Kärnten eine Frist für eine Äußerung. Da innerhalb dieser Frist keine Äußerung erging, richtete der Ehegatte der Beschwerdeführerin - der Rechtsanwalt ist - ein auf dem Briefpapier seiner Kanzlei (aus dem seine Funktion als Rechtsanwalt ersichtlich ist) verfasstes Schreiben an den Landesschulrat für Kärnten, das mit 23. April 2004 datiert ist und in dem einleitend Folgendes ausgeführt wird:

"Nachdem Sie überraschenderweise auf das Schreiben meiner Frau Mag. S G vom 5.3.2004 nicht antworteten und von deren Aprilbezug bereits EUR 148,-- abgezogen haben, hat mich diese nun mit ihrer Vertretung beauftragt.

..."

Da auch dieses Schreiben zunächst unbeantwortet blieb, richtete der Vertreter der Beschwerdeführerin am 16. Juni 2004 ein weiteres Schreiben an den Landesschulrat für Kärnten, in dem das Unterbleiben einer Antwort und die bereits eingeleiteten Gehaltsabzüge bei seiner Ehegattin kritisiert werden.

In weiterer Folge erließ der als Dienstbehörde erster Instanz zuständige (§ 2 Abs. 2 DVG iVm § 1 Z. 1 DVPV-BMBWK 2003, BGBl. II Nr. 588) Landesschulrat für Kärnten eine als Bescheid bezeichnete Erledigung, in der die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Ersatz bestimmter zu Unrecht empfangener Leistungen ausgesprochen wird. Diese Erledigung - von der im vorgelegten Verwaltungsakt die Urschrift sowie eine Kopie erliegt - ist mit 24. Mai 2004 datiert und an die Beschwerdeführerin adressiert; ein Hinweis auf den als Vertreter einschreitenden Ehegatten der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich. Aus einem ferner im Akt erliegenden "Zustellnachweis" ergibt sich, dass diese Erledigung am 21. Juni 2004 der Beschwerdeführerin ausgefolgt wurde. In zwei Schreiben des Landesschulrates für Kärnten an die belangte Behörde vom 30. Juni 2004 und vom 27. September 2004 wird diese Form der Zustellung damit begründet, dass seitens der bevollmächtigten Rechtsvertreter keine Zustellvollmacht eingegangen sei.

Gegen diese von ihr als Bescheid qualifizierte Erledigung erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter am 23. Juni 2004 Berufung, in der einleitend darauf hingewiesen wird, der Bescheid des Landesschulrates für Kärnten sei ihr "- anstelle richtig meinen Rechtsvertretern - am 21.06.2004 zugestellt" worden.

Auf Grund dieser Berufung erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem unter Berufung auf § 66 Abs. 4 AVG unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt wird, die Beschwerdeführerin habe in der Zeit von September 2002 bis März 2004 zu Unrecht erhöhte Bezüge erhalten und sie zugleich zur Rückzahlung des in diesem Zeitraum entstandenen Übergenusses verpflichtet wird. Ihr Begehren auf "Inausgabebelassung" des festgestellten Übergenusses wegen guten Glaubens werde abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

II.1. § 10 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51 (AVG) in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:

"Vertreter

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG) in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 (in Kraft getreten am 1. März 2004), lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. 'Empfänger': die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll;

...

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. (1) Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

...

Zustellungsbevollmächtigter

§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

...

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen."

II.2. Nach dem gemäß § 1 DVG auch im Dienstrechtsverfahren anzuwendenden § 10 Abs. 1 AVG sind die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter (sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird) berechtigt, sich durch eigenberechtigte natürliche Personen oder bestimmte juristische Personen vertreten zu lassen. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren sonst erforderlichen urkundlichen Nachweis. Im gegenständlichen Fall ist der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft befugte Ehegatte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. April 2004 unter ausdrücklicher Berufung auf die ihm erteilte Beauftragung namens seiner Ehegattin eingeschritten; damit war er ab Einlangen dieses Schreibens bei dem als Dienstbehörde erster Instanz einschreitenden Landesschulrat für Kärnten als Vertreter der Beschwerdeführerin im Sinne des § 10 Abs. 1 AVG anzusehen.

Die allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG schließt im Allgemeinen die Zustellungsbevollmächtigung ein. Dies gilt auch bei Berufung eines Rechtsanwaltes auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG, sofern kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliegt (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Juni 2003, Zl. 2003/05/0010). Da sich weder aus dem im Akt in Kopie erliegenden Schreiben des Beschwerdevertreters noch aus anderen Aktenstücken ein Anhaltspunkt für eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis ergibt, war somit davon auszugehen, dass der Beschwerdevertreter auch über eine Zustellvollmacht verfügte.

Der Landesschulrat für Kärnten als Dienstbehörde erster Instanz wäre daher gemäß § 9 Abs. 3 ZustG verpflichtet gewesen, als Empfänger der von ihr intendierten bescheidförmigen Erledigung vom 24. Mai 2004 den als Vertreter seiner Ehegattin bevollmächtigten Rechtsanwalt zu bezeichnen und diese Erledigung an ihn zuzustellen. Die Zustellung an die Beschwerdeführerin persönlich durch Aushändigung der Erledigung äußerte daher keine Rechtswirkungen.

Eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 Abs. 1 ZustG ist nicht eingetreten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2004/12/0212, ausführte, liegt auch die Heilung eines Zustellmangels nach der eben zitierten Bestimmung idF der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 darin, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des "Empfängers", welcher aus dem Grunde des § 2 Z. 1 ZustG die in der Zustellverfügung bezeichnete Person ist, gelangt.

Anders als in seiner bis zur Novellierung durch BGBl. I Nr. 10/2004 bzw. nach seiner neuerlichen Novellierung durch BGBl. I Nr. 5/2008 maßgeblichen Fassung enthielt das ZustG in seiner im Zeitpunkt der Übermittlung der erstinstanzlichen Erledigung in Kraft stehenden Fassung auch keine besondere Vorschrift für die Heilung einer infolge unterbliebener Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger mangelhaften Zustellung durch tatsächliches Zukommen. Obwohl die vom Landesschulrat für Kärnten verfasste Erledigung - wie sich aus dem weiteren Verfahrensverlauf ergibt - offenkundig dem Beschwerdevertreter zugekommen ist, konnte der durch die ursprüngliche fehlerhafte Ausfolgung dieser Erledigung an die Beschwerdeführerin selbst bewirkte Zustellmangel nicht mehr saniert werden, woraus folgt, dass diese Erledigung mangels rechtswirksamer Erlassung keinen Bescheidcharakter aufweisen kann (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 16. November 2005, Zl. 2005/12/0229, und vom 20. Dezember 2005, Zl. 2005/04/0063).

Da die Erledigung des Landesschulrates für Kärnten somit nicht den Charakter eines Bescheides aufweist, war die belangte Behörde auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin zu einem meritorischen Abspruch über dieses Rechtsmittel nicht befugt, da in derartigen Fällen die Zuständigkeit nur so weit reicht, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1990, Zl. 90/10/0035 = VwSlg. 13.221/A, vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0744, vom 5. April 2002, Zl. 2001/18/0159, und vom 30. Mai 2006, Zl. 2005/12/0098).

Da die belangte Behörde dies verkannte, ist der angefochtene Bescheid mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

II.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 5. September 2008

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