Normen
B-VG Art140 Abs1 Z3
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
EMRK Art6 Abs1
StGG Art5
BVG-Unterbringung
Wr BauO 1930 §71c
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G129.2017
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z3 B‑VG iVm §131a Wiener Stadtverfassung gestützten Antrag begehren 34 Abgeordnete zum Wiener Landtag,
"die Norm des §71c BO für Wien, kundgemacht im LGBl Nr 11/1930, zuletzt geändert durch LGBl Nr 21/2016, zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.
in eventu
aus §71c Abs2 BO für Wien die nachstehende Wortfolge aufzuheben
'Die Nutzung bestehender Bauwerke sowie die Errichtung von Neu- und Zubauten bedarf für die in Abs1 genannten Zwecke für die Dauer von längstens 6 Monaten weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige, wenn diese Nutzung staatlich organisiert ist. Die Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen gelten dafür nicht, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, dem Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit, sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird.'
sodass jener Wortlaut/Tatbestand verbleibt bzw. in Kenntnis, dass dem VfGH keine 'positive' Gesetzgebungskompetenz zusteht, allenfalls zur Präzisierung zu ergänzen ist:
'Die Nutzung sowie die Errichtung in Leichtbauweise (Container, Fertigteilbauten) bedarf für die Dauer von längstens 6 Monaten weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige, wenn diese staatlich durch Behörden (Bundesheer, Innenministerium, Polizei etc.) organisiert ist. Die Vorschriften dieses Gesetzes und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen im Hinblick auf subjektive öffentliche Rechte gelten dafür. Der Beginn der Nutzung ist den Behörden innerhalb einer Woche schriftlich zur Kenntnis zu bringen.'
aus §71c Abs3 BO für Wien hinsichtlich der fünfjährigen Frist die nachstehende Wortfolge aufzuheben:
'… längstens auf fünf Jahre …'
aus §71c Abs4 BO für Wien die nachstehende Wortfolge
'Für Bauvorhaben nach Abs3 kann die Behörde im Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verzichten, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte steht der Bewilligung nicht entgegen; es darf jedoch die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Nachbar der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen.'
aufzuheben und allenfalls zu ergänzen wie folgt:
'Für Bauvorhaben nach Abs3 kann die Behörde im Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verzichten, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte steht der Bewilligung nicht entgegen; soweit die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte gewahrt werden, kann eine Bewilligung erteilt werden. Es darf jedoch die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Nachbar der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen.'"
II. Rechtslage
Die angefochtene Bestimmung des §71c Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bauordnung für Wien – BO für Wien), LGBl 11/1930, idF LGBl 21/2016, lautet:
"Vorübergehende Einrichtungen zur Unterbringung von Personen
§71c. (1) Soweit dies zur vorübergehenden Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen auf Grund von bereits eingetretenen oder bevorstehenden Ereignissen, insbesondere Naturereignissen, oder auf Grund völkerrechtlicher, unionsrechtlicher oder Verpflichtungen der Gemeinde bzw. des Landes gegenüber dem Bund oder aus humanitären Gründen notwendig ist, ist die Nutzung von Bauwerken und die Durchführung von Baumaßnahmen nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig.
(2) Die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke sowie die Errichtung von Neu- und Zubauten in Leichtbauweise (Container, Fertigteilbauten und dgl.) bedarf für die in Abs1 genannten Zwecke für die Dauer von längstens 6 Monaten weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige, wenn diese Nutzung staatlich organisiert ist. Die Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen gelten dafür nicht, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen. Der Beginn der Nutzung ist der Behörde innerhalb einer Woche schriftlich zur Kenntnis zu bringen.
(3) Die Durchführung von Baumaßnahmen für die in Abs1 genannten Zwecke sowie die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke für einen längeren als den in Abs2 genannten Zeitraum bedürfen einer Baubewilligung, die die Behörde auf eine bestimmte Zeit, längstens auf fünf Jahre, erteilen kann, wenn die Durchführung dieser Baumaßnahmen bzw. die Nutzung der Bauwerke staatlich organisiert sind. Dem Bauansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
1. Baupläne in dreifacher Ausfertigung;
2. die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden;
3. ein Gutachten, dass es sich um ein geringfügiges Bauvorhaben mit technisch einfacher Tragkonstruktion bzw. Fundierung handelt, bei dem aus statischen Belangen keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie das Eigentum zu besorgen ist; diese Unterlage ist von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften berechtigten Sachverständigen für das einschlägige Fachgebiet zu erstellen;
4. der Nachweis der Verfügbarkeit über eine ausreichende Wassermenge zur Brandbekämpfung;
5. Angaben über die maximal zu erwartende Personenanzahl sowie die Flucht- und Rettungswege.
(4) Für Bauvorhaben nach Abs3 kann die Behörde im Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen verzichten, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte steht der Bewilligung nicht entgegen; es darf jedoch die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Nachbar der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen.
(5) Die Durchführung von Baumaßnahmen für die in Abs1 genannten Zwecke sowie die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke für einen längeren als den in Abs3 genannten Zeitraum bedürfen einer Baubewilligung, die die Behörde auf eine bestimmte Zeit, längstens auf 15 Jahre, erteilen kann, wenn die Durchführung dieser Baumaßnahmen bzw. die Nutzung der Bauwerke staatlich organisiert sind. Dem Bauansuchen sind die in Abs3 genannten Unterlagen anzuschließen. Darüber hinaus ist der dem §63 Abs1 lite entsprechende Nachweis über den Wärmeschutz zu erbringen.
(6) Für Bauvorhaben nach Abs5 kann die Behörde im Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen verzichten, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit, den Wärmeschutz sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird und das Erdgeschoß des Bauwerks barrierefrei zugänglich ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen und es darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder keine Parteistellung (§134 Abs3) erlangt hat.
(7) Beschwerden (§136 Abs1) gegen Bescheide gemäß Abs3 und 5 haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag der Beschwerde führenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die Beschwerde führende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, hat keine aufschiebende Wirkung."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Abgeordneten legen ihre Bedenken wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"[…]
4. Darlegung der Rechtslage und Bedenken
Überschrift steht im Widerspruch zum Inhalt
Die Überschrift zu der Bestimmung des §71c Bauordnung für Wien lautet: 'Vorübergehende Einrichtungen zur Unterbringung von Personen'.
Der Normverfasser/Gesetzgeber verwendet einen zeitlich als auch inhaltlich nicht näher bestimmten Begriff. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Die Wendung 'vorübergehende Einrichtung' lässt sich nicht mit der Bestimmung des §71c Abs1 BO für Wien vereinbaren. In §71c Abs1 BO für Wien ist von Nutzung und von vorübergehenden Baumaßnahmen die Rede. Dabei handelt es sich dem Wortlaut nach um Tätigkeiten, nicht jedoch um Einrichtungen. Dass Tätigkeiten an sich 'vorübergehend' sind, ist grundsätzlich anzunehmen.
Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe
In §71c Abs2, 3 und 5 BO für Wien befinden sich 'Befristungen', welche die Nutzung regeln, über das 'Vorübergehende' der Einrichtungen sind keine Ausführungen enthalten.
Unklar in diesem Zusammenhang und aus dem Kontext nicht erschließbar ist – und diese Fragen wurden nicht beantwortet –, ob diese vom 'gewöhnlichen' Baurecht nicht erfassten 'vorübergehenden Einrichtungen zur Unterbringung von Personen'
nur für diese Zeit als 'vorübergehend' angesehen werden,
oder diese ohne weitere gesetzliche Regelung 'fiktiv' als dem sonst geltenden Recht der Bauordnung für Wien entsprechend angesehen werden sollen,
oder grundsätzliche Verlängerungen der Nutzungsfristen möglich sind – möglicherweise auch wiederholt – und
welches Organ/Behörde bestimmt, wann ein Anwendungsfall des §71c Abs1 Bauordnung für Wien als Anlassfall herangezogen wird oder auch als Verlängerungsfall angesehen wird.
Unter Anwendung der Interpretationsmethoden zur Ermittlung einer verfassungskonformen Auslegung der Bestimmung des §71c BO für Wien ist davon auszugehen, dass es sich bei den 'vorübergehenden Einrichtungen' konkret um die Nutzung von Bauwerken und die Durchführung von Baumaßnahmen handelt.
Nach der Wiener Bauordnung im Sinne des §60 Abs1 lita ('Bauvorhaben[']) sind Bauwerke nicht nur Neu-, Zu- oder Umbauten, sondern auch sonstige Bauwerke nach §60 Abs1 litb Wiener Bauordnung und darüberhinausgehend, wie in §60 Abs1 lith der Wiener Bauordnung, die anspruchsbegründende Grundlage.
Die Aufzählung ist nicht erschöpfend, wenn Bauten in Betracht gezogen werden, die über die landesgesetzliche – auf Basis der bundesverfassungsgesetzlichen – Kompetenzverteilung hinausgehen, und sind diese Bauten ebenfalls zu berücksichtigen.
Die Normregelung des §71c BO für Wien geht inhaltlich weit über den Inhalt einer Bauordnung hinaus und entspricht einem eigenen Unterbringungsgesetz, da die Unterbringung im Vordergrund steht. Die geltende Bauordnung wird aufgrund der gegenständlichen Norm des §71c mit einer Reihe von Auslegungsschwierigkeiten sowie schwerwiegenden und weitreichenden Abweichungen von den allgemeinen Bestimmungen der Bauordnung für Wien konfrontiert und belastet.
Bei der gegenständlichen Norm des §71c BO für Wien handelt es sich um eine inhaltlich rechtlich – problematische – 'Parallelbauordnung', welche zahlreiche – aufgrund Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe – offene Rechtsfragen aufwirft.
Aufgrund der Bestimmung des §71c BO für Wien wird auch ein der Rechtsordnung nicht näher bekannter bzw. bestimmter Begriff des 'Ereignisses' eingeführt, wobei, ausgehend von den Rechtsbegriffen der 'höheren Gewalt' oder 'außergewöhnlicher Umstände', innerhalb der Europäischen Union bereits idente Abläufe von Ereignissen von unterschiedlichen Rechtsordnungen unterschiedlich beurteilt werden. Der Vorfall des 'Ereignisses' muss darüber hinaus – näheres ist der gesetzlichen Bestimmung nicht zu entnehmen – nicht unbedingt im österreichischen Staatsgebiet stattfinden. Schließlich kann selbst nach den unterschiedlichen Bauordnungen im österreichischen Bundesgebiet ein- und derselbe Sachverhalt unterschiedlich beurteilt und auch unterschiedlich abgewickelt werden.
Zu berücksichtigen ist, dass ein solches 'Ereignis'
nach §71c BO für Wien
nach den gewöhnlichen Regelung der Bauordnung für Wien
nach den bestehenden bundesrechtlichen Vorschriften nach dem B‑VG BGBl I Nummer 120/2015
beurteilt und abgewickelt werden kann.
Eine solche Auswahlmöglichkeit mit jeweils jedoch unterschiedlichen Rechtsfolgen und Konsequenzen bei Vorliegen eines identen Sachverhaltes verstößt gegen den Gleichheitssatz und gegen das Legalitätsprinzip, da der von dem 'Ereignis' betroffene Liegenschaftsnachbar keine Rechtssicherheit hat, mit welchen Folgen er zu rechnen hat – die Norm des §71c BO für Wien verstößt gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit.
Auch der Begriff der 'Baumaßnahmen' ist unklar und wird in §71c BO für Wien nicht näher umschrieben. Versucht man Ziel und die Aufgaben der Regelung des §71c BO für Wien zu determinieren, so gehen diese vom Inhalt der Norm weit über das geltende bisherige Baurecht hinaus, zumal die in der Norm angeführten bzw. zu entnehmenden 'Baumaßnahmen' überhaupt nicht an irgendwelche Widmungen – nach der Raumordnung/Flächenwidmungsplan – gebunden sind.
Folgt man dem Wortlaut der Norm, sind auch solche Maßnahmen an jenen Flächen nicht auszuschließen, welche überhaupt nicht in die Kompetenz des Landesgesetzgebers fallen, beispielsweise
bei Eisenbahn- und Wasserbauten oder
das Fällen von Bäumen im angrenzenden Wienerwald (bei dem der Staat kein Liegenschaftseigentümer ist)
bei Errichtung von Baumaßnahmen (Wohnhütten).
Auch wenn in §71c Abs1 BO für Wien von einer Notwendigkeit der vorübergehenden Unterbringung einer 'größeren Anzahl von Personen' – im Übrigen auch ein unbestimmter Gesetzesbegriff – die Rede ist, ist nicht definiert, welche Behörde/Organ beurteilt,
ob ein bezügliches 'Ereignis' bereits eingetreten ist oder (überhaupt) bevorsteht oder
welche Verpflichtung oder (konkreten) Gründe gegeben sind.
Die Bauordnung für Wien normiert zwar die Zuständigkeit mehrerer Behörden, welche jedoch unter Rücksichtnahme der im B‑VG näher geregelten Kompetenzverteilung gemäß Art10 Abs1 Z7, 14 und 15 B‑VG nicht dazu legitimiert sind, zum Teil 'enteignungsähnliche gleichwertige Maßnahmen' – wie die Norm des §71c BO für Wien vorsieht – zu setzen. Dies stellt bei Gesamtbetrachtung einen Verstoß gegen das Rechtsstaats- und das Legalitätsprinzip dar. Insbesondere besteht – aufgrund der unklaren Formulierung und mangelnden Zuständigkeitsregelung – eine konkrete Gefahr des Verstoßes gegen Art6 MRK sowie die Befürchtung, dass eine Behörde selbst gesetzwidrige oder gesetzlose Handlungen mangels gesetzlich klarer Zuständigkeits- und Kompetenzregelung setzt.
Auch das – ohne Größenangabe – Anführen von einer 'größeren Anzahl von Personen' stellt einen unbestimmten Gesetzesbegriff dar, und lässt dieser – ohne Rahmenparameter – unbestimmte Begriff Auslegungen zu und kann dies zu Willkürhandlungen Anlass geben, da nicht bestimmt ist,
wer/welche Behörde/Organ die Größe/ Anzahl feststellt,
wer/welche Behörde Handlungen anzuordnen hat oder diese zulässt,
wie und in welcher Form eine solche Maßnahme kundgemacht wird oder
ob ohne all diese Voraussetzungen grundsätzlich gehandelt werden soll.
Schließlich ist nicht geregelt, wann bzw. zu welchem Zeitpunkt klar ist, dass die in §71c BO für Wien normierten Voraussetzungen vorliegen, ob diese
im Bundesgebiet,
im konkreten Bundesland Wien, betreffend den Anwendungsbereich der Wiener Bauordnung, oder
außerhalb des österreichischen Staatsgebietes
bereits eingetreten sind.
Schließlich ist auch nicht näher determiniert, was grundsätzlich unter
'Naturereignisse' (zählt dazu ein Kometeneinschlag oder eine Seuche?) oder
[']Verpflichtungen völkerrechtlicher, unionsrechtlicher oder solcher der Gemeinde oder des Landes Wien gegenüber dem Bund' oder
ganz allgemein 'humanitäre Gründe'
zu verstehen ist bzw. wie diese Begriffe auszulegen sind.
Unzulässige Doppelregelung – bereits existierende bundesverfassungsgesetzliche Regelung
Vollkommen außer Acht gelassen wird seitens des Landesgesetzgebers der Umstand, dass es bereits 2015 ein B‑VG über die Aufteilung und menschenwürdige, gleichmäßige, gerechte und solidarische Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen wie Asylwerbern, Asylberechtigten im Sinne des Art2 Abs1 Z6 Grundversorgungsvereinbarung (vgl. Art15a B‑VG), subsidiär Schutzberechtigten, Vertriebenen und anderen aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbaren Personen/Menschen im Bundesgebiet erlassen worden ist und es eine gesetzliche Grundlage daher bereits grundsätzlich gibt und die in diesem Verfassungsgesetz die Norminhalte zur Anwendung zu bringen sind (vgl. BGBl I 2015/120).
Zum Zeitpunkt der Erlassung der streitgegenständlichen Norm des §71c BO für Wien lag bereits ein Bundesverfassungsgesetz vor, welches eine allumfassende – idente – Regelung enthält, welche allfällig spätere Regelungen invalidiert oder a priori nicht zulässt.
In der Beilage wird ein Bescheid des Bundesministeriums für Inneres beigelegt: Aus dem Inhalt ergeben sich umfassend die notwendigen rechtlichen Belange der Unterbringung von Schutz- oder Hilfsbedürftigen, so dass allein aus kostenökonomischen Erwägungen eine Doppelgleisigkeit zu vermeiden ist.
Eine landesgesetzliche Regelung ist bei bestehender bundesverfassungsgesetzlicher Regelung, die die idente Sachverhaltskonstellation regelt, nicht erforderlich, dient auch nicht der Rechtssicherheit und verstößt darüber hinaus gegen die bundesverfassungsrechtlich normierte Kompetenzverteilung.
Keine abschließende Regelung
Der Norm des §71c BO für Wien ist nicht zu entnehmen, was nach Ablauf der Nutzungsdauer mit de[n] Bauwerken bzw. den durchgeführten Baumaßnahmen zu geschehen hat.
Sind Bauwerke dann konsenslos, weil die Zeit abgelaufen ist?
Ist bei unveränderten Verhältnissen ein weiterer Bestand – in-eventu – notwendigerweise eine Baubewilligung möglich?
Gilt dann das 'normale' Baurecht oder wieder Sonderbestimmungen?
Muss ein Abtragungsauftrag erteilt werden?
Kann ein Abtragungsauftrag überhaupt erteilt werden, wenn Sonderregelungen gelten?
Kann ein Abtragungsauftrag überhaupt erlassen werden, wenn die Baulichkeit nicht nach den allgemeinen Vorschriften der Bauordnung für Wien genehmigt wurde?
Unterliegt eine solche Baulichkeit nach §71c überhaupt dem Regime des §129 Bauordnung für Wien?
All diese Fragen zeigen, dass eine Lücke vorliegt, und liegt sohin ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vor.
Keine Zuständigkeitsregelung
Nach §71c Abs2 BO für Wien erfolgt die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke sowie die Errichtung von Neu- und Zubauten in Leichtbauweise. Vor dem Hintergrund, der Fertigteilbauten, welche der Gesetzgeber dazu erwähnt, sind die Ausführungen nicht nachvollziehbar, und stellen sich die Fragen,
wann eine solche Bauweise tatsächlich vorliegt,
wer/welche Behörde/Organ diesen Umstand erhebt, der im Falle des Verstoßes Haftungsfragen auslösen kann,
wenn auf die Dauer von sechs Monaten weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich ist wenn die Nutzung als 'staatlich organisiert' gilt, da dadurch Privatinitiativen ausgeschlossen werden und eine sachliche Rechtfertigung, aus welchem Grund 'staatlich organisierte' Hilfestellung anders behandelt wird als Initiativen der Zivilgesellschaft, nicht ersichtlich ist.
Wenn die Vorschriften der Wiener Bauordnung sowie ihrer Durchführungsverordnung nicht gelten, so wird auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, die Hygiene und Gesundheit sowie Nutzungsicherheit Bedacht zu nehmen sein,
wem gegenüber dies angezeigt wird und
wer dafür verantwortlich ist.
Für die Behörde, welche allenfalls die Hygiene und Gesundheit beurteilt, wird es allerdings unerheblich sein, für welchen Zweck dieses Bauwerk rechtmäßig besteht. Die Unterbringung von Personen in einem leerstehenden Geschäftshaus – welches nicht zu Wohnzwecken gewidmet ist – wird durch die Bestimmung des §71c Abs2 BO für Wien nicht verhindert, da es auf die Widmung nicht ankommt.
Vor diesem Hintergrund verstößt der unbestimmte Gesetzesbegriff 'staatlich organisiert' und was darunter zu verstehen ist, wer als 'staatlich organisiert' – eine eigene Behörde? ein eigenes Organ? – auftritt, gegen das Legalitätsgebot sowie den Bestimmtheitsgrundsatz des Art18 B‑VG.
'Staatliche Organisation' können Bund, Länder, Gemeinden, Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder auch Beliehene sein. Eine nähere Determinierung, welche 'Organeinheit' nun tatsächlich dafür zuständig sein soll, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Nicht geregelt ist, wenn ein unzuständiger Organwalter – zB Bezirksvorsteher – erlaubt, im Wald- und Wiesengürtel seines Bezirkes Container zum Wohnen aufzustellen, unabhängig davon, wer rechtlich der Eigentümer ist, und für die Hygiene und Gesundheit einen Toilettenwagen verlangt.
Kein Schutz des betroffenen Eigentümers
Ob ein Eigentümer von einer solchen durch staatlich organisiertes Handeln betroffenen Liegenschaft davon etwas erfährt und gegen eine solche Maßnahme mit Besitzstörungsklage, Unterlassungs- oder Feststellungsklagen vorgeht, so ist zu beachten, dass jedes gerichtliche Verfahren wohl länger als sechs Monate dauert und daher nicht geeignet ist, einen effektiven Rechtsschutz zu entfalten.
Ausgehend von der Fiskalgeltung der Grundrechte, ist im Rahmen staatlicher Organisationsgewalt eine eindeutige gesetzliche Regelung für die Zuordnung von Imperium für Eingriffe in Eigentumsrechte – wie gegenständlich durch §71c BO für Wien normiert – zu treffen.
Zeitliche Verlängerungen ohne ausreichenden Schutz des betroffenen Nachbarn
Eine Durchführung von Baumaßnahmen sowie eine Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke für einen längeren Zeitraum – nämlich bis zu fünf Jahren – bedarf nach §71c Abs3 BO für Wien einer Baubewilligung. Neben Bauplänen unter Zustimmung des Eigentümers wird ein Sachverständigengutachten seitens des Gesetzgebers verlangt, nämlich dahingehend, dass es sich um ein geringfügiges Bauvorhaben mit technisch einfacher Tragekonstruktion und Fundierung handelt und aus Gründen der Statik keine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum besteht.
Diese Normbestimmung bezieht sich jedoch nicht auf bestehende Bauten, sondern lediglich auf Neu- oder Zubauten. Die Behörde kann im zu erlassenden Bescheid auf die Einhaltung von Bestimmungen der Wiener Bauordnung sowie ihrer Durchführungsverordnungen verzichten. Selbst die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachba[r]rechte ist kein Hindernis für die Erteilung einer solchen Bewilligung.
Als einziges Kriterium – und dies ist vor dem Hintergrund des massiven Eigentumseingriffes nicht nachvollziehbar – wird normiert, dass die Bebaubarkeit vom Nachbargrund nicht vermindert werden darf, es sei denn, ein solcher Nachbar hätte ausdrücklich zugestimmt. Vor diesem Hintergrund stellt sich grundsätzlich die Frage und Problematik des 'Verschweigens' oder eines allfälligen Verlustes einer Parteistellung, da eine Ladung von Nachbarn nicht vorgesehen ist. Nicht geregelt ist, in welcher Form dann eine Zustimmung einzuholen ist.
In §71c Abs5 BO für Wien wird die Durchführung von Baumaßnahmen sowie die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke für einen längeren Zeitraum nämlich bis zu 15 Jahren geregelt. Die Bestimmung des §71c Abs5 ist ähnlich der Bestimmung des §71c Abs3 BO für Wien, verlangt jedoch zusätzlich noch einen Nachweis eines Wärmeschutzes, sowie nach §71c Abs6 eine Barrierefreiheit im Erdgeschoss sowie das Nichtentgegenstehen subjektivöffentlicher Rechte der Bauordnung unter Bezugnahme auf §134 Abs3 BO für Wien auch eine Parteistellung der Anrainer.
Mangels entgegenstehender Bestimmung ist daher grundsätzlich eine mehrfache, letztlich unbestimmte Verlängerung des Bestandes derartiger Baulichkeiten bei unveränderter Sach- und Rechtslage grundsätzlich denkmöglich, so dass hier eine eigene Kategorie von 'Bauwerken' normiert wird.
Die in §71c Abs2, 3 und 5 BO für Wien geregelte Vorgangsweise weicht von den ebenfalls zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des AVG grundlegend ab, ohne dass Abweichungen zu der ständigen, an sich üblichen Regelung erforderlich erscheinen, und widerspricht dies dem Legalitätsprinzip.
Festzuhalten ist, dass Baumaßnahmen nach §71c BO für Wien subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht entgegenstehen dürfen. Durch die Bestimmung des §71c BO für Wien wird allerdings eine bautechnische 'Anomalie', ein alternatives Bauverfahren geschaffen, welches im Hinblick auf seine nicht ausreichende Differenzierung, der überbordenden Verwendung von unbestimmten Gesetzesbegriffen sowie des Fehlens ausreichend rechtlicher Vollzugsbestimmungen in seiner Gesamtheit des §71c BO für Wien einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG, einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip sowie bei Globalbetrachtung einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstellt.
A. Verstoß gegen das Legalitätsprinzip und d[as] Rechtstaatlichkeitsprinzip[…]
Art18 B‑VG gilt als Zentralnorm der demokratischen Rechtstaatlichkeit. In dieser Norm ist das die Gesetzgebung verpflichtete Determinierungsgebot verankert. Das Handeln der staatlichen Verwaltung/Behörde muss vorhersehbar sein, und der Bürger als Adressat der Gesetze und der auf diesen gegründeten Akten wird zum Träger subjektiver öffentlicher Rechte.
Die gesamte staatliche Verwaltung – hat als Ausfluss des Legalitätsprinzips – aufgrund von Gesetzen zu erfolgen. Wenn in §71c Abs1 BO für Wien auf völkerrechtliche und unionsrechtliche – Verpflichtungen verwiesen wird, so ist festzuhalten, dass bei einer unmittelbaren Anwendung der Staatsverträge (völkerrechtliche Verpflichtung), insbesondere wenn diese unter Erfüllungsvorbehalt stehen, eine unmittelbare Vollziehung durch das Land nicht in Betracht kommt zumal nachweislich es ein eigenes Bundesverfassungsgesetz mit identem Regelungsinhalt gibt. Es ist daher in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die in Frage stehende Staatsvertragsbestimmung unmittelbar anwendbar ist (vgl. Rill Rz 14 zu Art18 B‑VG Bundesverfassungsrecht, Rill/Schäffer).
Das Determinierungserfordernis ist Ausfluss des rechtsstaatlichen Prinzips, die Gesetzgebung hat Rechtssicherheit zu gewährleisten. Der Rechtsunterworfene muss das verwaltungsbehördliche Vorgehen vorhersehen können. Dem Telos der Rechtssicherheit folgend, fordert dies daher ein Mindestmaß an Bestimmtheit. Im Übrigen ist aus der Norm des §71c BO für Wien nicht ersichtlich, auf welche völkerrechtliche oder unionsrechtliche Verpflichtung abgestellt wird.
Das Erfordernis einer besonders exakten Determinierung ist bei eingriffsnahen Gesetzen im erhöhten Maße erforderlich (vgl. VfSlg 10.737; 15.633, OGH 08.10.2012; JBl 2013; 106). Auch diesem aus dem rechtsstaatlichen Prinzip ableitbaren Formerfordernis entspricht die Norm des §71c […] nicht.
Da die gegenständliche Bestimmung des §71c Bauordnung für Wien in Parteienrechte bzw. Nachbarrechte eingreift, ist das Erfordernis des sich aus dem Legalitätsgebot ergebenden Determinierungsgebotes, sowie der Determinierungstiefe besonders hoch. Für das Spannungsverhältnis zum Legalitätsprinzip bei gesetzlich normierten Eingriffen in Grundrechte ist daher holzschnittartig festzuhalten, dass das behördliche Handeln in dreierlei Hinsicht zu determinieren ist
durch die Vorgabe von in die Abwägung einzubeziehenden Interessen
durch die Vorzeichnung der Gewichtung der Belange im Einzelfall und
schließlich durch die Bindung an ein nachvollziehbares Verfahren.
Als Ausfluss dieses differenzierenden Legalitätsprinzips ist bei einer unterdurchschnittlichen Erfüllung des einen Elements die überdurchschnittliche Erfüllung des anderen Elements vorzusehen, um so dem Legalitätsprinzip zu entsprechen. In jenem Bereich, wo inhaltliche gesetzliche Vorgaben unter Legalitätsgesichtspunkten nicht einmal einen Minimalanspruch erfüllen, kann dies auch durch strikteste Verfahrensbindungen nicht wettgemacht werden (vgl Lienbacher, Abwägungsentscheidungen im öffentlichen Recht, in: Interessensabwägung und Abwägungsentscheidungen, Herausgeber Khakzadeh-Leiler und andere, Forschung aus Staat und Recht 175, 85 ff. insbesondere 96).
Eine formal der gesetzlichen Norm des §71c bzw. der in den einzelnen Absätzen, wie noch unten näher ausgeführt wird, zu entnehmende finale Determinierung liegt gegenständlich nicht vor. Dem Gesetz sind keine objektiv nachprüfbaren Sachverhaltselemente zu entnehmen, von denen die Behörde bei Anwendung dieser Norm auszugehen hat. Vielmehr bedient sich die Norm selbst unbestimmter Begriffe und führt nicht näher nachvollziehbare Parameter an und normiert nicht, inwieweit und inwiefern das allenfalls eingeräumte Ermessen durch sachlich nachvollziehbare und sachlich nachüberprüfbare Kriterien begrenzt ist. Da jeder Eingriff in ein Grundrecht – wie auch der gegenständliche Eingriff in das Eigentumsrecht – einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, ist die Norm mangels Schranken bzw mangels Bestimmtheit verfassungswidrig.
Ausgehend von dem für eine eingriffsnahe Norm geltenden Bestimmtheitsgebot verstößt die Bestimmung des §71c BO für Wien gegen die erforderliche Determinierungstiefe. Eine verfassungskonforme Interpretation findet ihre natürliche Schranke in jenen Bereichen, in denen durch eine besonders eingriffsnahe Norm, wie die Bestimmung des §71c BO für Wien, in absolut geschützte Rechtspositionen, insbesondere auch in den Grundsatz eines fairen Verfahrens einhergehend mit dem Recht auf rechtliches Gehör sowie Parteistellung im Sinne des §8 AVG einschränkend bzw. diese, wie gegenständlich ausschließend, durch eine abstrakt unbestimmte Norm eingegriffen wird.
Wie noch unten dargelegt wird, verstoßen die einzelnen Absätze des §71c BO für Wien mehrfach wegen mangelnder Determinierung gegen die Bestimmung des Art18 B‑VG und wegen Verstoßes des Determinierungsgebotes auch gegen das Gleichheitsgebot im Sinne des Art7 B‑VG, sowie Art2 StGG und sohin gegen das Rechtsstaatsprinzip und sind daher aus diesem Grund verfassungswidrig.
Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und aufgrund des Gleichheitssatzes ergibt sich bei einer Einschränkung von Parteienrechten grundsätzlich eine Verpflichtung der Behörde, diese – wenn schon nicht eingeräumten Rechte – durch die Behörde selbst im Verfahren sicherzustellen, sodass diese letztlich geprüft und sohin indirekt gewahrt werden. In einem gänzlichen Ausschluss solcher Parteien/Nachbarrechte wird eine Verletzung ex lege bewusst in Kauf genommen und ist daher verfassungswidrig.
Durch die Norm des §71c Bauordnung für Wien wird die in Art18 B‑VG verfassungsrechtlich strikt ausgeprägte Gesetzesbindung, durch die Hereineinnahme von nicht determinierten unbestimmten Parametern in den Hintergrund gedrängt. Gerade der Bereich der Bauordnung, ein Bereich in dem Ermessensentscheidungen zwischen öffentlichen und privaten Interessen erforderlich sind, ist vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Eigentum mit einem hohen Rechtschutzbedürfnis auszuformulieren.
Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf Eigentum, dem Grundsatz auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sowie dem Ausschluss der Willkür, sowie der Achtung der Nachbarrechte im Sinne der Achtung des Familienlebens im Sinne des Art8 MRK ergibt sich zwingend die Wahrung der Einräumung subjektiver Rechte – je intensiver und näher der Eingriff vorliegt, desto eher muss die Möglichkeit bestehen, dass ein in seinen Rechten Verletzter eine grundsätzliche Abwehr-Einschränkungsmöglichkeit hat. Je höher die Eingriffsintensität umso höher ist das Maß der erforderlichen gesetzlichen Determinierung. Eine bewusste Inkaufnahme von Verletzungen, wie dies dem Gesetz zu entnehmen ist, ist daher verfassungswidrig.
B. Verstoß gegen das Legalitätsprinzip im Einzelnen
Die Norm des §71c Bauordnung für Wien verstößt aufgrund der Vielzahl der Verwendung von unbestimmten Gesetzesbegriffen – ohne dass diese selbst oder die Erläuterungen inhaltlich rechtliche Vorgaben über nachüberprüfbare Definitionen enthalten gegen das rechtsstaatlich gebotene und normierte Bestimmtheitsgebot und sohin gegen das Legalitätsprinzip des Art18 B‑VG.
a. §71c Abs1 BO für Wien
'Soweit dies zur vorübergehenden Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen auf Grund von bereits eingetretenen oder bevorstehenden Ereignissen, insbesondere Naturereignissen, oder auf Grund völkerrechtlicher, unionsrechtlicher oder Verpflichtungen der Gemeinde bzw. des Landes gegenüber dem Bund oder aus humanitären Gründen notwendig ist, ist die Nutzung von Bauwerken und die Durchführung von Baumaßnahmen nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig.'
1. Unbestimmte Grundbegriffe
Bereits der einleitende erste Halbsatz enthält mehrfache unbestimmte Begriffe [']… soweit…zur vorübergehenden... größere Anzahl…'. Aus 'von bereits eingetretenen oder bevorstehenden Ereignissen' ist ersichtlich, dass durch die Vielzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe nicht nur gegen das Determinierungsgebot verstoßen wird, sondern der Behörde im Rahmen der Vollziehung ein schrankenloses Ermessen eingeräumt wird. Da aus 'vorübergehend' keine zeitliche Dimension ableitbar ist, auch wenn dem Abs2 eine Frist von länger als 6 Monaten, bzw. dem Abs3 ein Zeitraum von 5 Jahren zu entnehmen ist, ist doch unklar, was unter 'vorübergehend' zu verstehen ist.
Der Duden versteht unter 'vorübergehend' – 'nur zeitweilig, nur eine gewisse Zeit dauernd; momentan'.
Ebenso ist der Verweis auf eine 'größere Zahl' ein unbestimmter Gesetzesbegriff, da auch den Erläuterungen selbst keine Rahmenparameter zu entnehmen sind, was eine 'größere Zahl' ist.
Schließlich bezieht sich der erste Halbsatz auf 'Ereignisse', wobei es sich bei dem Begriff ebenfalls um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handelt, zumal im zweiten Halbsatz angeführt wird, was offensichtlich der Normgesetzgeber unter Ereignisse versteht, so dass nicht ersichtlich ist, welche weiteren, noch nicht erfassten Ereignisse noch als Ereignisse zu subsumieren sind, da diese unbestimmte Erweiterung dem Normanwender eine schrankenlose Beliebigkeit einräumt und sich letztlich alles – 'es ist schon wieder etwas passiert' – als ein[…]e Ereignis darstellen lässt.
Diese ersten beiden Halbsätze verstoßen aufgrund der Vielzahl unbestimmter Begriffe und mangelnder Bestimmtheit gegen das Determinierungsgebot des Art18 B‑VG.
2. Verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation
Der Verweis auf im Näheren nicht näher definierte völkerrechtliche bzw. unionsrechtliche oder sonstige Verpflichtungen, ohne diese näher anzuführen, um welche Norm es sich handelt, ist für den Normanwender nicht nachvollziehbar. Der Verwaltung/Vollziehung wird ein schrankenloses unbestimmtes Ermessen eingeräumt und stellt diese Normformulierung aufgrund ihrer unbestimmten Verweisung auf nicht näher angeführte 'Verpflichtungen' eine unzulässige, verfassungswidrige, formalgesetzliche Delegation dar.
Die schrankenlose Verweisung auf völkerrechtliche und unionsrechtliche Verpflichtungen lässt den Umstand außer Acht, dass sich gerade aus völkerrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Bestimmungen rechtlich eine Reihe von Maßnahmen ergeben, die einen Zustrom von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zahlenmäßig beschränken sollen (siehe W. Obwexer, in: Gutachten Völker- Unions und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für die beim Asylgipfel am 20.1.2016 in Aussicht genommenen Richtwert insbesondere Seite 50 ff.).
Vor diesem Hintergrund ist vorerst kein Anwendungsbereich für eine Außerkraftsetzung und Suspendierung der der BO für Wien grundsätzlich eingeräumten Nachbar- und Parteienrechte. Die Unbestimmtheit der 'Ausgangssituation' eröffnet ein Ermessen, wobei für eine Ermessensausübung jedoch erforderlich ist, dass dieses Eingrenzungen erfährt. Das gegenständlich normierte Ermessen, ohne nähere Eingrenzung, in welchem Sinn das Ermessen zu üben ist, ist verfassungswidrig, zumal der Behörde in einem Bereich Ermessen eingeräumt wird, dem mitunter bindende Regelungen wie zB europarechtliche oder völkerrechtliche Verträge, welche unter Gesetzesvorbehalt bestehen und einer Umsetzung bedürfen, dem Ermessen aufgrund der Kompetenzverteilung entgegenstehen.
Abschließend ist nicht näher definiert, was unter 'humanitäre' Gründe im Sinne des Gesetzes verstanden wird – da sich 'humanitäre' Gründe ohnehin auf die davor angeführten völkerrechtlichen, sowie unionsrechtlichen Verpflichtungen ergeben – denn nur solche können eine Verpflichtung auslösen, so dass eine nochmalige Anführung von 'humanitären' Gründen letztlich eine Generalklausel im Sinne eines Auffangtatbestandes begründet, unter dem letztlich alles als humanitär einzuordnend begründet werden kann und ist in diesem Sinne ebenso unbestimmt ausufernd wie der zuvor eingeführte Begriff 'Ereignis'.
Bei einer Gesamtschau der vielfach verwendeten unbestimmten gesetzlichen Begriffe des §71c Abs1 BO für Wien verstößt dieser Absatz […] mehrfach gegen das Legalitätsprinzip des Art18 B‑VG, da die Norm nicht von objektiven, überprüfbaren Kriterien abhängig ist, sondern den Behörden ein subjektives Ermessen eingeräumt wird und sohin einer nachvollziehbaren objektiven Kontrolle entzogen ist.
b. §71c Abs2 BO für Wien
'Die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke sowie die Errichtung von Neu- und Zubauten in Leichtbauweise (Container, Fertigteilbauten und dgl.) bedarf für die in Abs1 genannten Zwecke für die Dauer von längstens 6 Monaten weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige, wenn diese Nutzung staatlich organisiert ist. Die Vorschriften dieses Gesetz[…]es und der auf Grund dieses Gesetz[…]es erlassenen Verordnungen gelten dafür nicht, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen. Der Beginn der Nutzung ist der Behörde innerhalb einer Woche schriftlich zur Kenntnis zu bringen.'
Grundsätzlich können Bauwerke, die keiner Anzeige- oder Bewilligungspflicht unterliegen, nur dann errichtet werden, wenn sie dem sachlichen Geltungsbereich der Bauordnung entsprechen, und wenn die Regelungen zur Bauausführung grundsätzlich auch bei solchen Vorhaben berücksichtigt werden (vgl. Tolar, Baurecht, in Pürgy, Recht der Länder, Rz 47).
Zu beachten sind daher grundsätzlich die einem Grundstücksnachbarn in den einzelnen Bauordnungen subjektiv eingeräumten und gewährleisteten Rechte. Dem Nachbar stehen neben dem Recht aus der jeweiligen Landesbauordnung auch Parteienrechte zu, die sich allgemein aus dem AVG ergeben, wie insbesondere auch das Recht auf Beachtung der Rechtsanschauung des VfGH und VwGH (vgl. VwGH 25.09.2007; 2006/06/0001).
1. Ausnahmen von Bewilligungen
Der erste Halbsatz des §71c Abs2 BO für Wien normiert grundsätzlich zwei Ausnahmetatbestände von einer Baubewilligung bzw. Bauanzeige.
Einerseits ist eine Nutzung rechtmäßig bestehender (also offensichtlich solcher Bauwerke, welche nach der Bauordnung ordnungsgemäß errichtet worden sind und sohin der Bauordnung entsprechen) entsprechend auf 6 Monate zulässig ist, wobei sich für den Normanwender die Frage stellt, worauf sich dann die Nicht-Erforderlichkeit der Baubewilligung oder der Bauanzeige ergibt, da diese ja nicht umgebaut werden, sondern dieser Halbsatz lediglich eine Nutzung vorsieht.
Andererseits ist eine Baubewilligung bzw. Bauanzeige nicht erforderlich, sofern die Errichtung eines offensichtlichen Neu- bzw. Zubaues in Leichtbauweise erfolgt. Die Bestimmung ist unbestimmt, da dieser nicht zu entnehmen ist, welche Bauweise noch neben Container bzw. Leichtteilbauweise – darunter kann alles und nichts (Zelt) e[tc]. subsumiert werden, da e[s] sich um keinen juristischen Fachbegriff handelt – u. dgl. zu verstehen ist. Bei beiden Tatbeständen darf die Höchstdauer maximal sechs Monate betragen. Durch diese Bestimmung wir[d] eine 'widmungswidrige' Nutzung gesetzlich sanktioniert und fehlt eine sachliche Rechtfertigung, aus welchen Gründen ein Privater, der seine als Geschäftsräumlichkeit gewidmeten Räume bei Aufnahme von betroffenen Personen und Unterbringung aufgrund widmungswidriger Verwendung die verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung angestellt wird.
2. Nur eingeschränkte-privilegierte Nutzung
Die Einschränkung, dass diese Ausnahme nur bei staatlich organisierter Nutzung zulässig ist, ist verfassungswidrig im Sinne des Gleichheitssatzes.
Eine sachliche Rechtfertigung oder Begründung – aus welchen Gründen nicht staatlich organisierte Vereinigungen von dieser Bestimmung nicht umfasst sind und von der Privilegierung ausgeschlossen sind – ist weder dem Normtext noch der Begründung zu entnehmen. Sämtliche Privatinitiativen – welche als Ausfluss der Zivilgesellschaft im Herbst 2015 tätig geworden sind – fallen aus dem gegenständlichen Anwendungsbereich heraus und stellt dies einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, da nichtstaatliche Organisationen, die sich nicht daran halten, der Gefahr der behördlichen Verfügung und der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach §129 BO für Wien ausgesetzt sind.
3. Ausschluss der Nachbarrechte – Ausschluss subjektiver öffentlicher Rechte
Im zweiten Satz des §71c Abs2 wird ausdrücklich die Geltung einfachgesetzlich gewährleisteter subjektiver öffentlicher Rechte insbesondere des §134a Bauordnung für Wien durch Erklärung der Nichtanwendung der Bauordnung für Wien ausgeschlossen.
Der gänzliche Ausschluss dieser aus dem Grundrechtsschutz entspringenden einfachgesetzlich normierten Nachbarrechte verstößt gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum bzw. gegen den Gleichheitssatz und ist willkürlich vor dem Hintergrund, dass der Ausschluss begründungslos erfolgt und nicht nachvollziehbar ist, aus welchen sachlichen Gründen ein Ausschluss bzw eine Versagung subjektiver öffentlicher Rechte zulässig sein soll.
Der Normgesetzgeber normiert zwar die Überprüfung der Standsicherheit und einiger andere[r] Punkte, wobei unklar ist, ob sich diese nur auf die neu zu errichtenden Zu- bzw. Neubauten (Variante 2) beziehen, oder ob dadurch auch die Rechte der Nachbar[n] gewahrt werden sollen. Dass dies augenscheinlich nicht der Fall ist, ergibt sich aus §71c Abs4 Satz 2 BO für Wien.
4. Leistungsfreiheit
§71c Abs2 Satz 3 BO für Wien befreit staatlich organisiertes Handeln von Leistungen, wobei darunter wohl eine Gebührenbefreiung zu verstehen ist, und ist dies sachlich nicht gerechtfertigt, da eine allfällige Privilegierung bzw. Ausschluss eines durchzuführenden Verfahrens wohl nicht zu einer Gebührenbefreiung führen kann, und verstößt diese Bestimmung vor diesem Hintergrund, da eine Begründung auch den Erläuterungen nicht zu entnehmen ist, gegen den Gleichheitssatz.
§71c Abs2 letzter Satz und Abs4 letzter Satz befreien 'staatlich organisierte[s] Handeln' von dem Gesetzestext nicht näher zu entnehmenden Leistungen, die im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind.
Darunter sind wohl – der Gesetzeswortlaut ist unbestimmt – jedenfalls die Anliegerleistungen nach den Bestimmungen der §§50 ff. der Wiener Bauordnung zu verstehen, nämlich insbesondere Kostenbeiträge zu Verkehrsflächen (§50 der Bauordnung für Wien), Kostenbeiträge zur Herstellung von Verkehrsflächen (vgl. §51 der BO für Wien) und viel andere mehr.
Eine solche Freischaltung von Kostenbeiträgen zu öffentlichen Erschließungsleistungen ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Selbst wenn das Gesetzesvorhaben in zulässigerweise die subjektiv öffentlich gewährleisteten Rechte von Grundstücksnachbarn bzw. materielle Anforderungen der Bauordnung in zulässigerweise außer Kraft setzen kann, so ist dies nicht ohne weiteres auch für bauordnungsrechtliche Kostenbeiträge nachvollziehbar.
Auch wenn für die Errichtung von Neu- Zubauten (Unterkünften) aus Gründen des Zeitdrucks oder wegen der einfachen Bauweise notwendig sei, dass Adaptierungen der Flächenwidmungspläne, von Bebauungsplänen oder die Einhaltung bautechnischer Anforderungen aus zeit- und inhaltlichen Gründen nicht machbar seien, so trifft dies nicht auf eine Geldzahlungspflicht zu.
Dies auch vor dem Hintergrund, dass nach Ablauf der 'Befristung' offensichtlich ein Kontinuum möglich ist, und würde dadurch, insbesondere durch die im Gesetz zum Ausdruck gebrachte Begünstigung durch Feststellung einer Geldleistungspflicht ein sachlich nicht gerechtfertigter Vorteil eingeräumt werden.
Auch vor dem Hintergrund, dass eine temporäre Befreiung – nicht länger als 6 Monate – sollte sich diese im Sinne des §71c Abs3 BO für Wien über einen längeren Zeitraum (5 Jahre) erstrecken – ebenfalls 'gebührenfrei' (diesbezüglich siehe §71c Abs4 letzter Satz) ist, so ist unklar, welche Rechtsfolge im Falle des §71c Abs5 BO für Wien eintritt, wenn eine längere Frist d.h. bis 15 Jahre möglich ist, wobei eine Gebührenfreiheit an dieser Stelle nicht angeführt ist.
4. Keine Anzeige
Im letzten Satz des §71c Abs2 BO für Wien wird eine Anzeigepflicht an die Behörde lediglich im Hinblick auf die Nutzung normiert.
Eine Anzeigepflicht an die Behörde im Falle der Errichtung eines Zubaus oder eines Neubaus ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Ebenso ist ein offensichtlicher Verstoß – sohin eine nicht rechtmäßige Nutzung – infolge unterlassener Anzeige sanktionslos. Auch eine solche Privilegierung verstößt gegen den Grundgedanken der Wiener Bauordnung insbesondere aber auch gegen §129 BO für Wien.
c. §71c Abs3 BO für Wien
'Die Durchführung von Baumaßnahmen für die in Abs1 genannten Zwecke sowie die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke für einen längeren als den in Abs2 genannten Zeitraum bedürfen einer Baubewilligung, die die Behörde auf eine bestimmte Zeit, längstens auf fünf Jahre, erteilen kann, wenn die Durchführung dieser Baumaßnahmen bzw. die Nutzung der Bauwerke staatlich organisiert sind.
Dem Bauansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:
1. Baupläne in dreifacher Ausfertigung
2. die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden.
3. ein Gutachten, dass es sich um ein geringfügiges Bauvorhaben mit technisch einfacher Tragkonstruktion bzw. Fundierung handelt, bei dem au[s] statischen Belangen keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie das Eigentum zu besorgen ist; diese Unterlage ist von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften berechtigten Sachverständigen für das einschlägige Fachgebiet zu erstellen;
4. der Nachweis der Verfügbarkeit über eine ausreichende Wassermenge zur Brandbekämpfung;
5. Angaben über die maximal zu erwartende Personenzahl sowie die Flucht- und Rettungswege.'
1. Unbestimmter – widersprüchlicher Begriff – Baumaßnahme
Im Satz eins des §71c Abs3 BO für Wien werden zunächst zwei unterschiedliche
Tatbestände festgehalten, einerseits
Durchführung von Baumaßnahmen, andererseits
Nutzung bereits rechtmäßig bestehender Bauwerke,
wobei es sich bei dem Begriff 'Baumaßnahmen' erneut um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handelt, da im §71c Abs2 BO für Wien ex lege von der Errichtung von Neu- bzw. Zubauten gesprochen wird, während in der Folge nunmehr von Baumaßnahmen gesprochen wird, welche nicht nur die Neuerrichtung bzw. einen Zubau umfassen, sondern offensichtlich auch den Umbau bereits bestehender, sohin rechtmäßig im Sinne der Einhaltung der geltenden Vorschriften der Bauordnung für Wien errichteter Gebäude vorsehen.
Dadurch wird eine neue dritte Kategorie von Bauten im Sinne von Baumaßnahmen, welche nunmehr auch Umbaumaßnahmen enthalten, festgeschrieben.
Der Begriff der 'Baumaßnahme' ist unbestimmt und missverständlich, da dies zu einer weiteren Ausweitung der ohnehin schon normierten Privilegierung führt.
2. Keine Behördenprüfung
Dem Bauansuchen ist gem. §71c Abs3 Z3 BO für Wien ein Gutachten anzuschließen, wobei nicht ersichtlich ist, welche Art bzw. von welcher Qualität das Gutachten sein muss. Grundsätzlich stellt sich die Frage der Haftung, da staatlich organisiertes Handeln bzw. eine behördliche Überprüfung nunmehr durch eine Überprüfung in Form einer privatwirtschaftlich handelnden Person, welche keine Behörde iSd §38 MRG ist, ausgelagert wird. §71c Abs3 BO für Wien verstößt gegen das Rechtsstaatsgebot, da eine Überprüfung und Wahrung subjektiver öffentlicher Rechte in keinster Weise mehr gewährleistet ist, da keine Behörde mehr den Sachverhalt tatsächlich überprüft.
d. §71c Abs4 BO für Wien
'Für Bauvorhaben nach Abs3 kann die Behörde im Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen verzichten, sofern auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird. Die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte steht der Bewilligung nicht entgegen; es darf jedoch die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Nachbar der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat. Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind, sind nicht zu erbringen.'
1. Bewusste Inkaufnahme der Verletzung gesetzlich eingeräumter subjektiv-öffentlicher Rechte
Satz eins des §71c Abs4 BO für Wien bezieht sich auf Bauvorhaben nach §71c Abs3 BO für Wien, wobei als Baumaßnahmen – im Unterschied zur 'Errichtung von Neu- und Zubauten im Sinne des Abs2' – nunmehr auf die in Abs2 angeführten Bauwerke verwiesen wird, und wird im Satz 2 ausdrücklich festgehalten, dass eine Verletzung subjektiv öffentlicher Rechte einer Bewilligung nicht entgegensteht. Konkret wird nicht nur eine Gefährdung, sondern auch eine tatsächliche Verletzung von subjektiven öffentlich eingeräumten Rechten vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, ohne dass dem Betroffenen diesbezüglich ein Rechtschutz oder eine Rechtsschutzmöglichkeit eingeräumt wird.
Die gegenständliche Bestimmung ist willkürlich im Sinne des Gleichheitssatzes und verletzt das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Eigentum. Darüber hinaus verletzt sie wesentliche rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze im Sinne des Parteiengehörs, da eine solche Maßnahme letztlich eine 'Enteignung' darstellt und dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, dagegen vorzugehen.
Blickt man auf die Bestimmungen des Enteignungsrechtes (sukzessive Kompetenz), so ist Zweck und Aufgabe der Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren, in dem dem Betroffenen Parteistellung eingeräumt ist, zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Enteignung vorliegen. In einem zivilgerichtlichen Verfahren ist sodann die Frage der Höhe der Entschädigung abzuklären. Gegenständlich wird jedoch nicht einmal die Wahrung der Parteienstellung und das rechtliche Gehör, ob ein Eingriff zulässig ist oder nicht, gewahrt.
Aus der Formulierung, dass die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke nicht beeinträchtigt werden darf, ergibt sich nur scheinbar vordergründig ein Abwehrrecht eines betroffenen Liegenschaftseigentümers, welches jedoch aufgrund des Ausschlusses der Möglichkeit, dieses Recht aktiv geltend zu machen, ineffektiv ist und lediglich ein Scheinrecht darstellt.
2. Unbestimmte Ermessenseinräumung
Das Gesetz ist, folgt man dem oben dargestellten Punkt, daher nur scheinbar ausreichend bestimmt. Der Normgesetzgeber verwendet überwiegend unbestimmte Gesetzesbegriffe und verweist auf unbestimmte rechtliche Verpflichtungen, die jedoch, wie von Obwexer untersucht, eigene Maßnahmen enthalten.
Bei einem wie in §71c BO für Wien normierten Grundrechtseingriff in das verfassungsrechtlich geschützte und gewährleistete Recht auf Eigentum und das Außerkraftsetzen des als Ausfluss rechtsstaatlichen Prinzips geltenden rechtlichen Gehörs durch allfällige im Übrigen nicht näher bestimmte Ereignisse sind daher zunächst jene Maßnahmen zu ergreifen, welche nicht oder weniger in das Grundrecht eingreifen, und erst dann, wenn andere Maßnahmen nach effektiver Überprüfung nicht ausreichen, ist unter Wahrung subjektiv öffentlicher zu gewährleistender Rechte mit genauen Schranken, mit allfälligen Grundrechtseingriffen unter Berücksichtigung der zu verfolgenden Interessen und Abwägung der berechtigten Interessen vorzugehen.
e. §71 c Abs4 und 6 BO für Wien
Die Bestimmung des §71c Abs4 und Abs6 Bauordnung für Wien ermächtigt die Behörde insoweit, dass sie auf die Einhaltung der meisten Bestimmungen der Wiener Bauordnung 'verzichten kann'. Damit soll ein Ermessen eingeräumt werden, ohne dass vom Gesetzgeber – wie verfassungsrechtlich geboten (vgl. VfSlg 5234/1966, 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.645/2002, 18.550/2008) – determiniert ist, nach welchen Kriterien das Ermessen zu handhaben ist.
Nach dem Wortlaut ist es der Behörde ins freie Belieben gestellt, auf welche baurechtlichen Vorschriften sie verzichten oder nicht verzichten will. Eine solche schrankenlose Pauschalermächtigung ohne einen Katalog, wann welche Bestimmung der Bauordnung für Wien bei Vorliegen welcher Tatbestandsvoraussetzungen zu überprüfen ist bzw. außer Kraft gesetzt werden kann, verstößt gegen Art18 Abs1 B‑VG.
C. Anschluss subjektiv öffentliches Recht – keine Parteistellung
Unter einem subjektiven Recht versteht man allgemein eine Befugnis oder einen Anspruch einer Einzelperson. Bestehen und Ausmaß subjektiver Rechte bestimmt grundsätzlich der Materiengesetzgeber. Er legt fest, ob einer angesprochenen Person ein Rechtsanspruch oder lediglich ein rechtliches Interesse eingeräumt wird. Die Bezeichnung 'öffentlich' weist darauf hin, dass es sich um Berechtigungen im Verwaltungsrecht handelt. Als subjektives öffentliches Recht ist eine materielle Berechtigung einer Person zu verstehen, die im Bereich der Hoheitsverwaltung besteht.
Wird ein solches subjektives öffentliches Recht zuerkannt – wie auch in §134a WrBauO normiert –, so muss dem Berechtigten die Möglichkeit gegeben werden, diese in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchzusetzen bzw. Eingriffe abzuwehren. Dies ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Grundprinzip, und wird durch die Gewährung von Parteistellung im Verwaltungsverfahren ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund gewährt §8 AVG einer Person Parteistellung, die einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse, also ein subjektives öffentliches Recht hat. Da das AVG auf die im Materiengesetz eingeräumte Berechtigung abstellt, erfolgt die Gewährung der Parteistellung im Materiengesetz. Falls dies nicht ausdrücklich geschieht, ist die Frage nach der Parteistellung durch Auslegung der betreffenden Materiengesetze zu lösen (vgl. VwGH 17.09.2002, 2002/01/0377 uam., wobei nach dieser Rechtsprechung die gesamte Rechtsordnung zur Auslegung heranzuziehen ist).
Auch wenn keine verfassungsgesetzliche Bestimmung ausdrücklich vorsieht, dass Parteistellung zu gewähren ist, so ist nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ein genereller Ausschluss von Parteienrechten verfassungsgesetzlich grundsätzlich nur dann zulässig, wenn tatsächlich eine sachliche, nachvollziehbare Rechtfertigung vorliegt.
Nach dem Wortlaut des §71 c Abs2 und Abs3 sowie Abs4 BO für Wien sind Nutzungs- und Baumaßnahmen selbst dann zulässig, wenn sie subjektive, öffentlich gewährleistete Nachbarrechte nach der Wiener Bauordnung verletzen.
Für bewilligungspflichtige Baumaßnahmen, die auf 5 Jahre befristet sind, wird dies in §71c Abs4 2. Satz ausdrücklich festgehalten, für bewilligungsfreie Maßnahmen wird dies in Abs3 als Ausfluss der Bewilligungsfreischreibung indiziert.
Durch die gegenständliche Normvorschrift werden Nachbarrechte iSd §134a BO für Wien auf Einhaltung des Nachbarabstandes, auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe unter Einhaltung des Flächenwidmungsplanes sowie Widmungskonformität eingegrenzt bzw. außer Kraft gesetzt.
Mit den gegenständlichen Normen werden zwei verschiedene Kategorien von Nachbarn geschaffen. Eine sachliche Differenzierung bzw. Rechtfertigung ist nicht ersichtlich.
Eine sachliche Differenzierung liegt nur vor, wenn sie innerhalb der Regelung einer bestimmten Materie vorgenommen wird. Regelungen, die Differenzierungen innerhalb eines und desselben Rechtsinstituts enthalten, welche nicht aus Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt sind, verstoßen gegen das Gleichheitsgebot (vgl. VfSlg 6411/1971; 6680/1972; 7973/1976 u.v.a.m.).
Zum einen ist – wie bereits ausgeführt – dem Gesetzgebungsakt bzw der Norm und den Erläuterungen eine sachliche Rechtfertigung nicht zu entnehmen, da ein Ausnahmezustand tatsächlich nicht vorliegt und, bevor solche Maßnahmen gesetzt werden, erst die Einhaltung der sich aus dem Völker- und dem Unionsrecht ergebenden Maßnahmen grundsätzlich zu exekutieren ist.
Ungeachtet dessen ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen bei solchen 'Baumaßnahmen bzw. Nutzungsmöglichkeiten['] der baurechtliche Nachbarabstand nicht einzuhalten ist.
Eine sachliche Rechtfertigung, aus welchen Gründen nicht trotz Einhaltung der allgemeinen baurechtlichen Abstandsvorschriften zu Gunsten von Nachbarn anderwärtig Unterkünfte bereitgestellt werden können, ist nicht ersichtlich.
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen Bestimmungen über die Gebäudehöhe bzw. über die flächenmäßige Ausnutzbarkeit von Bauplätzen über die geltenden Bestimmungen der Bebauungspläne hinsichtlich Fluchtlinien nicht eingehalten werden sollen.
Konkret ist darauf zu verweisen, dass eine sachliche Rechtfertigung dafür nicht dem Gesetzestext zu entnehmen ist, aus welchen Gründen Unterkünfte/Nutzungs- und Baumaßnahmen unmittelbar an Grundstücksgrenzen gerückt oder die baurechtlich zulässig[e] Gebäudehöhe überschritten werden [muss].
Grundsätzlich fällt es nicht in die Kompetenz der Landesgesetzgebung Maßnahmen, welche aufgrund internationaler Vorgänge ausgelöst werden, zu ergreifen, die in subjektiv gewährleistet[en] öffentliche Rechte oder verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte eingreifen.
Um einen solchen – wie in §71c Bauordnung für Wien normierten – Eingriff allenfalls rechtfertigen zu können, ist Voraussetzung, dass zunächst die internationalen, europarechtlichen Organe sämtliche Maßnahmen ergreifen und durchsetzen, die sich zunächst aus internationalen (völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Verpflichtungen) ergeben und die vorgesehenen und statuierten Maßnahmen umsetzen und überprüfen, ob diese eingehalten werden, und sind daher zunächst sämtliche europäischen Institutionen angehalten, sämtliche Mittel auszuschöpfen, bevor Eingriffe in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte bzw. subjektiv öffentlich eingeräumte Rechte – wie gegenständlich – vorgenommen werden.
Als Ausfluss der Staatenverantwortlichkeit und des Verfassungsrechts gegenüber dem einzelnen Staatsbürger wurde von Hannah Arendt als das politisch elementarste Menschenrecht, das Recht Bürger eines Staates zu sein, angesehen (vgl. H. Arendt 'Es gibt nur ein einziges Menschenrecht' in 'Die Wandlung', 1949, 754 ff.; 767), indem sie ausführt 'denn der Mensch hat rein als Mensch nur ein einziges Recht, das über alle seine verschiedenartigen Rechte als Staatsbürger hinausgeht: das Recht, niemals seiner Staatsbürgerschaft beraubt zu werden, das Recht niemals ausgeschlossen zu werden von den Rechten, die sein Gemeinwesen garantiert. … Nur die Ausschließung vom Gemeinwesen überhaupt stößt den Menschen aus jenem gesamten Bereich der Legalität, worin Rechte aus den gegenseitigen Garantien entspringen, die sie allein sichern können.'
Die Norm des §71c BO für Wien entspricht sohin in ihrer Gesamtheit nicht dem Gleichheitssatz, da die i[n] Betracht kommende Regelung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Jede einzelne unsachliche Unterscheidung ist unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig (vgl. VfSlg 11.013/1986 u.a.m.).
D. Keine Landeskompetenz
Die Rechtsmaterie, Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen ist durch das B‑VG BGBl I Nr 120/2015 – befristet bis 31.12.2018 – gem. Art6 einer umfassenden verfassungsrechtlichen Regelung zugeführt worden, so dass bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls eine Länderkompetenz für solche Gesetzgebungsmaßnahmen – wie die Bestimmung des §71c Bauordnung für Wien normiert – ausschließt.
Mit dem Regelungsinhalt des §71c Bauordnung für Wien wird auch keine Regelung nach anderen Gesichtspunkten getroffen, weil es genau dasselbe/idente durch das B‑VG BGBl I Nr 120/2015 geregeltes Sachgebiet zu regeln beabsichtigt. Vorweg ist darauf zu verweisen, dass es zunächst nicht um allfällige inhaltliche Verfassungswidrigkeiten geht, sondern um die Klärung der Frage der Zuständigkeit der Regelungsmaterie.
Für die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers im Rahmen der Wiener Bauordnung verbleibt im Hinblick auf die umfassende verfassungsgesetzliche Regelung des Bundes kein Regelungsraum. Nach Art2 und 3 des B‑VG BGBl I Nr 120/2015 wird neben raumordnungsrechtlichen Regelungen auch die Unterbringung eines Personenkreises in Bauwerken, die Voraussetzung der Nutzung, die Begrenzung der Zahl der jeweils unterzubringenden schutz-und hilfsbedürftigen Fremden, sowie der Kostenhöchstsatz unter Bezugnahme auf die Grundversorgungsvereinbarung geregelt. Mit einer Verordnung der Bundesregierung soll der Bedarf zu Bereithaltung von Plätzen zur Unterbringung festgestellt werden.
§71c der Bauordnung für Wien stellt keine Verordnung dar und kann auch nicht auf diesem Wege die Analogie mangels letzter Lücke – die Norm des §71c Wiener Bauordnung – umgedeutet werden und widerspricht daher zur Gänze – im Hinblick auf die Kompetenz zur Regelung der Materie – dem Rechtsstaatsprinzip, sowie dem bundesverfassungsrechtlich normierten Prinzip der Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und La[n]deskompetenz.
§71c Wiener Bauordnung regelt nicht,
welche Behörde/Organ den Anlass zum Einschreiten und das Handeln kontrolliert
welche/s Organ/Behörde entscheidet, ob die Notwendigkeit des Handelns -
insbesondere bei 'bevorstehenden Ereignissen' – tatsächlich trifft, um Willkürhandlungen wirksam vorzubeugen.
E. Verstoß gegen das Legalitäts- und Rechtsstaatlichkeitsprinzip
§71c Abs2 Bauordnung für Wien ermächtigt zu faktischen Amtshandlungen. Eine faktische Amtshandlung ist jedoch unter allen Umständen rechtswidrig (vgl. Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1954, 198 ff. insbesondere 199). Ohne Zustimmung von Berechtigten auf deren Eigentum/Boden Maßnahmen zu setzen, verletzt nicht nur das verfassungsgesetzlich gewährleistete und geschützte Eigentumsrecht, sondern auch das Hausrecht.
F. Bauordnung in der Bauordnung – verfassungswidriges 'Sonderopfer' zu Lasten des Grundrechtsschutzes
§71c Bauordnung für Wien erscheint insgesamt im Widerspruch zur Bauordnung zu stehen. Da keine verfahrensrechtlichen Bestimmungen – obwohl grundsätzlich erforderlich und notwendig – normiert werden, können sohin unterschiedliche Behandlungen bei gleichen Sachverhalten a priori nicht ausgeschlossen werden.
Im Einzelnen ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergeben sich anhand von nachstehenden Beispielen folgende Fragenkomplexe:
Aufstellen Sommerkinderrutsche
Das zuständige Magistrat der Stadt Wien war bei einem beabsichtigten und geplanten Aufstellen einer Sommerkinderrutsche für ein Kleinkind in einem Garten, wobei das letzte Stück des Gartens mit dem geplanten Aufstellungsplatz im Wald- und Wiesengürtel liegt, welcher zum Gartenbereich gehört und eingezäunt war, der Auffassung, dass der Wald- und Wiesengürtel in seiner Nutzung beeinträchtigt wird. Ein solches Bauwerk/das Aufstellen einer Sommerkinderrutsche ist widmungswidrig.
Nach §71c Bauordnung für Wien könnten allerdings am Nachbargrundstück nach Maßgabe des §71c Abs2 Bauordnung für Wien – ohne Gesetzesvorbehalt – sogar Wohncontainer aufgestellt werden, wobei unter der Voraussetzung des §71c Abs5 sogar 15 Jahre denkbar wären und Verlängerungen vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen werden.
In diesen Fällen werden sohin wichtige Interessen, welche durch Flächenwidmung und Bebauungsbestimmungen geschützt werden, ausgeschlossen.
Art18 Abs1 B‑VG verlangt eine dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad. Das kann auch bei einem Regelungsgegenstand wie der Norm des §71c Wiener Bauordnung nicht dazu führen, dass ganze Rechtsbereiche, die im Übrigen im Planungs- und Baurecht unverzichtbar sind, gänzlich hintangehalten werden. Eine Norm hat daher als Ausfluss des Bestimmtheitsgebotes und Legalitätsprinzips im Sinne des Determinierungsgebotes, je eingriffsnaher ein Gesetz ist, umso exakter ausgeführt zu werden.
Unterbringung Geschäftshaus
Nach dem Wortlaut des §71c Bauordnung für Wien könnte auch ein Geschäftshaus grundsätzlich ohne Umbau oder Umwidmung in einer herkömmlichen Form einer anderen Widmungsnutzung zugeführt werden.
Ebenso ist eine Unterbringung in Bauten denkbar, welche gar nicht in den Bereich der Landesgesetzgebungskompetenz fallen.
Schließlich ist eine Bauführung nach §71c Bauordnung für Wien auf alle Flächen ohne Rücksicht auf die Widmung denkbar.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass:
In sämtlich angeführten Beispielen wäre eine solche Maßnahme nach §71c Bauordnung für Wien ohne weiteres möglich und verstößt eine derart 'ausufernde' nahezu schrankenlose Anwendung und Regelung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Legalitätsprinzip, sowie den Gleichheitssatz.
Insbesondere verstoßen nachstehende Formulierungen vor den oben angeführten Ausführungen gegen den Gleichheitssatz im Hinblick auf die Vielzahl unbestimmter verwendeter Gesetzesbegriffe, welche keiner exakten Interpretation zugänglich sind und sohin auch gegen das Legalitätsprinzip verstoßen.
Anzumerken ist, dass in der gesamten Norm des §71c Bauordnung für Wien auf die ökologische wie auch auf die ökonomische bedeutende Widmung im Wege von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen bis hin zur Widmungswidrigkeit der ergriffenen Maßnahmen keine Rücksicht genommen wird. Die Norm des §71c BO für Wien stellt dies auch im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum umfassenden Umweltschutz in Widerspruch. Im Zusammenhang mit einer möglichen Verlängerung wird dadurch die Rechtskontrolle außer Kraft gesetzt und damit das Legalitätsprinzip verletzt. Nach §1 Abs2 BO für Wien ist die Festlegung der Flächenwidmung von entscheidender Bedeutung. Wird auf die Grundsätze der Flächenwidmung nicht Rücksicht genommen, so hebt der VfGH in der Regel ein Plandokument auf (vgl. Geuder/Fuchs: Bauordnung für Wien, 4. Aktualisierte Auflage, Stand: 1.9.2016, Seite 52 ff)[.]
Schließlich wird auch der Gleichheitssatz verletzt, da in einem 'normalen' Baubewilligungsverfahren eine rechtlich genau determinierte und verfahrensrechtlich abgesicherte Position mit bestimmten Rechten und Pflichten für Behörden und Parteien gegeben ist.
§71c Bauordnung für Wien enthält keine Regelung in diesem doch für einen Rechtsstaat wesentlichen Bereich. Diese Nichtbeachtung des Bestimmtheitsgebotes des Art18 B‑VG, insbesondere das Verbot der formalgesetzliche[n] Delegation betrifft den gesamten Wortlaut der der Norm §71c Bauordnung für Wien.
Schließlich ist darauf zu verweisen, dass das verfassungsgesetzlich gewährleistete und geschützte Hausrecht insbesondere durch die Bestimmung des §71c Abs2, aber auch durch §71c Abs3 und Abs5, etwa bei Miet- und Pachtverhältnissen (mangelnde Parteistellung oder Verlust [d]e[r] Parteistellung) Art9 StGG aber auch Art8 MRK im Hinblick auf mögliche Bauverbote im Sinne des Art6 MRK sowie der Gleichheitssatz verletzt werden.
Abschließend ist darauf zu verweisen, dass nach der Norm des §71c Bauordnung für Wien grundsätzlich auch mehrfache Verlängerungen nicht ausgeschlossen sind, welches im Widerspruch mit 'vorübergehend' steht, und wird auch über die 'Abtragung' oder Beseitigung keine Ausführungen getätigt, so dass auch unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips die gegenständliche Norm verfassungswidrig erscheint.
Die Ausführung 'wenn die Durchführung dieser Baumaßnahmen respektive diese Nutzung staatlich organisiert' geht von dem fundamentalen Prinzip des Verwaltungsrechtes ab. Die Bestimmung des §71c Abs2 1. Satz, Abs3 1. Satz und Abs5 1. Satz Bauordnung für Wien erzeugen keine Rechtssicherheit sondern stellen eine neue Begrifflichkeit dar. Es ist nicht klar,
ob die staatliche Organisation der Durchführung im Privatrecht, insbesondere der Privatwirtschaftsverwaltung, oder im öffentlichen Recht verankert ist;
wer/welche Behörde/welches Organ berechtigt ist, diese Norm handzuhaben, und wie diese Organisation abläuft und
ob diese Organisation zum Handeln berechtigt ist oder
berechtigt ist, an 'beauftragte Einrichtungen' bzw. die Ermächtigung zum Handeln an Dritte weiterzugeben oder
als Beliehene zu arbeiten.
Die Umschreibung 'staatlich organisiert' verstößt daher grundsätzlich gegen das Legalitätsprinzip, sowie das Prinzip der Gewaltenteilung und ist verfassungswidrig.
[...]."
2. Die Wiener Landesregierung erstattete ein Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages teilweise bestreitet und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegen tritt (ohne die Hervorhebungen im Original):
"[…]
Zur Zulässigkeit:
Der Hauptantrag ist auf die gänzliche Aufhebung des §71c BO für Wien gerichtet. Zwar werden im Antrag verfassungsrechtliche Bedenken zu den Abs1 und Abs6 geltend gemacht, nicht jedoch zu Abs7, der als Teil des §71c BO für Wien ausdrücklich vom Hauptantrag umfasst ist und daher auch von der Aufhebung betroffen wäre. Der Verfassungsgerichtshof geht bei der Bestimmung des Umfangs einer als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuhebenden Rechtsvorschrift stets vom Grundgedanken aus, dass ein Normprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, dass aber der nach der Aufhebung verbleibende Teil der Norm möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (VfSlg 8451 , 11.190, 11.737, 18.412). Ein Anfechtungsantrag muss also diesen engst möglichen Teil des Gesetzes erfassen, um dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, seine Aufhebungstätigkeit im Sinne des vorstehenden Grundgedankens auszuüben (Vfslg 13.019, 14.802). Ein Antrag nach Art140 B‑VG, der diese Grundsätze missachtet, ist formell unzulässig (VfSlg 14.533 und 17.517). Dies gilt auch für auf Antrag eingeleitete Verfahren zur Gesetzesprüfung (VfSlg 13.701). Ein Antrag nach Art140 B‑VG, der diese Grundsätze missachtet, ist formell unzulässig (VfSlg 14.533 und 17.517). Dies gilt auch für auf Antrag eingeleitete Verfahren zur Gesetzesprüfung (VfSlg 13.701). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich auf ein Gesetz seinem ganzen lnhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes darlegen (VfSlg 12.464, 13.140, 13.916, 17.768; VfGH vom 13.9.2013, G61/2013). Die Antragsteller haben zwar mit ihrem Hauptantrag die gesamte Bestimmung des §71c BO für Wien angefochten, jedoch zu Abs7 keine konkreten Bedenken vorgetragen. So sind im Antrag an keiner Stelle Ausführungen dahingehend getätigt worden, dass der in Abs7 vorgesehene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde irgendwelchen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sei. Zur Bereinigung der Rechtslage und der Beseitigung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken wäre es daher ausreichend gewesen, wenn die Antragsteller ihren Anfechtungsantrag auf die Abs1 bis 6 beschränkt hätten.
Der Hauptantrag ist daher unzulässig.
Auch die Eventualanträge erweisen sich als unzulässig. Zu Abs2 und 4 des §71c BO für Wien begehren die Antragsteller jeweils einzelne Wortfolgen als verfassungswidrig aufzuheben und stellen gleichzeitig die Anträge, dass der Verfassungsgerichtshof 'allenfalls' die jeweils aufzuhebenden Regelungen ,'zur Präzisierung ... ergänzen' möge. lst ein Gesetzesprüfungsantrag nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen, hat der Verfassungsgerichtshof durch Erkenntnis in der Sache selbst entscheiden. Das Erkenntnis kann dabei entweder in einer Aufhebung des Gesetzes (§64 VfGG) oder in einer Abweisung des Antrages bestehen. Dem Verfassungsgerichtshof kommt nicht die Aufgabe eines positiven Gesetzgebers zu. Für die beantragte Vorgangsweise besteht daher keine gesetzliche Grundlage.
Die Eventualanträge zu Abs2 und Abs4 des §71 c BO für Wien sind daher unzulässig.
lm Eventualantrag zu Abs3 begehren die Antragsteller nur die Wortfolge: 'längstens auf fünf Jahre' als verfassungswidrig aufzuheben. Die Aufhebung dieser Wortfolge würde aber darauf hinauslaufen, dass die in Abs3 vorgesehene Baubewilligung auf unbestimmte Zeit ausgestellt werden müsste. Die Antragsteller fechten §71c BO für Wien und auch dessen Abs3 jedoch gerade mit der Begründung an, dass die Regelung angeblich 'zeitliche Verlängerungen ohne ausreichenden Schutz des betroffenen Nachbarn' bzw. 'grundsätzliche Verlängerungen der Nutzungsfristen' zulasse. Mit der beantragten Aufhebung der in Abs3 vorgesehenen Befristung würden aber im Ergebnis genau jene verfassungsrechtlichen Bedenken entstehen, die die Antragsteller in ihrem Antrag darlegen. Der Antrag steht daher im Widerspruch zu ihrem Vorbringen. Die beantragte Aufhebung der Wortfolge 'längstens auf fünf Jahre' würde tatsächlich gleichheitswidrige Bedenken aufwerfen. Daher sieht Abs3 eine Befristung der Bewilligung auf die Dauer von maximal fünf Jahre vor, um diese Bedenken hintan zu halten.
Der Eventualantrag zu Abs3 ist daher ebenfalls unzulässig.
Dem Antrag steht aber noch ein weiterer Prozessmangel entgegen. Die Antragsteller sehen in §71c BO für Wien auch Art9 StGG über das Hausrecht und Art8 MRK über das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt, ohne jedoch die Gründe für ihre verfassungsrechtlichen Bedenken näher auszuführen. Ob die Antragsteller auch Art6 MRK als verletzt erachten, lässt sich anhand des Antrages nicht eindeutig feststellen: die Antragsteller behaupten in diesem Zusammenhang lediglich, dass Verstöße gegen das 'Rechtsstaatlichkeitsprinzip' und 'wesentliche rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze im Sinne des Parteiengehörs' vorlägen und führen verkürzt aus, dass 'Art9 aber auch 8 MRK im Hinblick auf mögliche Bauverbote im Sinne des Art6 MRK' verletzt seien. Gründe für diese Bedenken zu Art6 MRK haben die Antragsteller keine dargelegt. Die Antragsteller dürften sich in diesem Zusammenhang auf die in §71c BO für Wien als verfassungswidrig gerügte Einschränkung der Parteienrechte beziehen, jedoch ohne dies eindeutig dem Art6 MRK zuzuordnen oder dazu nähere Bedenken dazulegen. Ebenso behaupten die Antragsteller eine Verletzung des 'Rechtsstaatlichkeitsprinzips' und erachten 'wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze' als verletzt. Auch behaupten die Antragsteller mit ihrem Antrag, dass mit §71c BO für Wien 'Eingriffe in Eigentumsrechte' stattfinden würden und die Regelung sogar 'enteignungsähnliche gleichwertige Maßnahmen' vorsehe, ohne jedoch diese massive Verletzung des Art5 StGG einzelnen Bestimmungen präzise zuzuordnen und im Einzelnen mit konkreten verfassungsrechtlichen Bedenken zu unterlegen. Lediglich zu Abs2 und Abs4 des §71c BO für Wien führen die Antragsteller aus, dass der gänzliche Ausschluss der Parteienrechte aus ihrer Sicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum verstoße, wobei auch diesbezüglich eine konkrete Darlegung ihrer Bedenken unterbleibt. Es ist Prozessvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens, dass sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Norm im Einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg 17.768, 17.769). Begnügt sich ein Antrag damit, den Verstoß gegen eine Verfassungsbestimmung zu behaupten, unterlässt er aber konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg 16.923, 17.099). Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (zuletzt VfGH vom 13.6.2014, G10/2014 mit Hinweis auf die gefestigte Judikatur). Wenn mehrere Bedenken vorgetragen werden und verschiedene Gesetzesstellen (und sei es nur eventualiter) bekämpft werden, ist es Sache des Antragstellers, die jeweiligen Bedenken den verschiedenen Aufhebungsbegehren zuzuordnen (VfSlg 19.317). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen der Antragsteller zu präzisieren. (VfSlg 16.923, 17.099, 17.102, 19.675; VfGH vom 13.9.2013, G61/2013; vom 5.3.2014, G79/2013).
Die Antragsteller haben jedoch eine Darlegung konkreter verfassungsrechtlicher Bedenken zu Art9 StGG, Art8 MRK und zu Art6 MRK verabsäumt. Soweit sich die Bedenken der Antragsteller zu Art5 StGG bloß auf den Ausschluss der Parteienrechte in Abs2 und Abs4 des §71c BO für Wien beziehen, ist doch fraglich, ob dieses Vorbringen dem Erfordernis der 'Darlegung von Bedenken im Einzelnen' zur Gänze entspricht. Schließlich sehen die Antragsteller auch das rechtsstaatliche Prinzip verletzt. Das rechtsstaatliche Prinzip ist im B‑VG nicht ausdrücklich normiert, ist jedoch aus verschiedenen Regelungen der Verfassung abzuleiten (Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht, 11. Auflage, 2015, Rz 165 ff). Es wäre vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes daher die Aufgabe der Antragsteller gewesen, diese (mit dem Rechtsstaatprinzip im Zusammenhang stehenden) Bedenken in ihrem Schriftsatz genau zu bezeichnen und die Gründe im Einzelnen darzulegen und den Anträgen konkret zuzuordnen.
Die Anträge sind daher unzulässig, soweit sie auf eine Verletzung des 'Rechtstaatlichkeitsgebots', des Art5 StGG, des Art9 StGG, des Art8 MRK und des Art6 MRK gestützt sind.
Kompetenzwidrigkeit:
Nach Ansicht der Antragsteller gehe §71c BO für Wien inhaltlich weit über den lnhalt einer Bauordnung hinaus und komme einem 'eigenen Unterbringungsgesetz' gleich, da die 'Unterbringung im Vordergrund' stehe. Die Norm des §71c BO für Wien weiche schwerwiegend und weitreichend von den allgemeinen Bestimmungen der Bauordnung ab und stelle inhaltlich eine problematische 'Parallelbauordnung' dar. Mit dem B‑VG über die Aufteilung und menschenwürdige, gleichmäßige, gerechte, und solidarische Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen wie Asylwerbern, Asylberechtigten sei auf Bundesebene eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden, welche eine 'allumfassende - idente Regelung' enthalte, die 'allfällig spätere Regelungen invalidiert oder a priori nicht zulässt'. Eine landesgesetzliche Regelung sei vor dem Hintergrund dieser Rechtslage nicht erforderlich und verstoße gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung. Aus dem lnhalt eines dem Antrag beigelegten Bescheides des Bundesministers für lnneres ergebe sich zudem, dass der Bund die Unterbringung von Schutz- und Hilfsbedürftigen geregelt habe und eine Doppelgleisigkeit auch aus kostenökonomischen Gründen unterbleiben müsse.
Mit diesem wenig präzisen Vorbringen im Antrag sind vermutlich zwei Bedenken verbunden. Nach Ansicht der Antragsteller ergebe sich eine Kompetenzwidrigkeit
1) aus dem Verhältnis zwischen dem Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, BGBI. I Nr 120/2015, und
2) sei die Regelung des §71c BO für Wien in erster Linie unter dem Aspekt der Unterbringung von Personen erfolgt und würde daher den Kompetenztat- bestand 'Bauwesen' gemäß Art15 B‑VG überschreiten.
Diese Bedenken treffen aber nicht zu. lm Einzelnen ist dazu auszuführen:
zu 1):
Mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, BGBI. I Nr 120/2015, ist auf Ebene des Bundes eine Regelung über die Bereithaltung von Plätzen zur Unterbringung durch die Gemeinde (Art2), die Nutzung von im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung stehender Grundstücke (Art3) und den Kostenersatz für die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Personen getroffen worden (Art4). Der Bundesminister kann nach diesem im Verfassungsrang stehenden Gesetz die Nutzung bestehender Bauwerke oder die Aufstellung beweglicher Wohneinheiten auf im Eigentum des Bundes befindlicher oder diesem zur Verfügung stehender Grundstücke mit Bescheid anordnen (Art3 Abs1 erster Satz). Dem geht in der Regel ein konzentriertes Verfahren durch die Bezirksverwaltungsbehörde voraus, in dem geprüft wird, ob die Nutzung den bundes- und landesrechtlichen Vorschriften entspricht, wobei das Baurecht nur hinsichtlich des Brandschutzes geprüft wird (Art3 Abs5). Der darauffolgende Bescheid des Bundesministers ersetzt aber – trotz dieser eingeschränkten Prüfung – sämtliche bundes- und landesrechtliche Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen (Art3 Abs1 zweiter Satz, Art3 Abs6 zweiter Satz). Ein solcher Bescheid des Bundesministeriums für lnneres würde auch eine gemäß §71c BO für Wien erforderliche Bewilligung ersetzen. §71c BO für Wien steht dem Bundesverfassungsgesetz daher nicht entgegen. Auch umgekehrt entsteht zwischen dem Bundesverfassungsgesetz und §71c BO für Wien kein Widerspruch:
Mit dem in Rede stehenden Bundesverfassungsgesetz ist nur die Vollziehung der in der jeweiligen Bauordnung vorgesehenen brandschutzrechtlichen Bestimmungen für die in Abs1 genannten Zwecke durch das Bundesministerium für lnneres angeordnet worden. Das Baurecht ist unverändert in der Kompetenz der Länder verblieben. Als materielle Grundlage für die Einhaltung der brandschutzrechtlichen Bestimmungen (wie der übrigen landesgesetzlichen Regelungen) haben die Behörden des Bundes nämlich die jeweilige Bauordnung des Landes heranzuziehen. Aus dem Verhältnis zwischen §71c BO für Wien und dem Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, BGBI. I Nr 120/2015, kann sich daher keine Kompetenzwidrigkeit ergeben.
zu 2):
Dem Vorbringen der Antragsteller zufolge sei mit §71c BO für Wien eine kompetenzwidrige – da primär der Unterbringung von Personen dienende – Regelung erfolgt. Auch diese Bedenken sind nicht gerechtfertigt.
Fest steht, dass ein bestimmter Lebenssachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden kann und dabei – je nach Gesichtspunkt – verschiedene gesetzgeberische Zuständigkeiten bestehen (Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht, 11. Auflage, 2015, Rz 297 mit Hinweis auf VfSlg 2674,7516,7946,7960, 11860).
lnsofern die Antragsteller von einer konkurrierenden Gesetzgebung ausgehen, haben sie nicht näher dargelegt, mit welchem Kompetenztatbestand §71c BO für Wien konkret in Widerspruch stehen soll. Der Kompetenztatbestand lässt sich nur vermuten. Dem Vorbringen der Antragsteller kann daher zur Gänze entgegen getreten werden. Damit sind ihre Bedenken nicht auf präzise und schlüssige Art und Weise dargelegt worden und daher unzulässig.
Rein aus juristischer Vorsicht ist aber auszuführen:
Mit §71c BO für Wien werden keine staatlichen Maßnahmen zur Unterbringung von Personen getroffen bzw. angeordnet, sondern es werden baurechtliche Erfordernisse im Hinblick auf die Unterbringung von Personen erleichtert. lm Übrigen sind auch – basierend auf dem Kompetenztatbestand 'Bauwesen' – verfahrensrechtliche Vorschriften für das Bauverfahren vorgesehen. Unter dem Gesichtspunkt des Bauwesens kann der Landesgesetzgeber jedenfalls Regelungen in Bezug auf die Unterbringung von Personen treffen. Jede Bauordnung enthält Vorschriften über Bauwerke, die letztlich der Unterbringung von Personen dienen und schon aus diesem Grund gegen die Kompetenzverteilung verstoßen müssten, was jedoch nicht der Fall ist. Die Kompetenz der Länder zur Regelung des 'Bauwesens' wäre sonst ihrer Inhalte beraubt und würde in vielen Fällen ins Leere gehen. Auch an anderen Stellen der Bauordnung für Wien werden unter dem Gesichtspunkt des Baurechts der der jeweiligen Nutzungsart eines Gebäudes entsprechende Regelungen getroffen. So sieht etwa §121 BO für Wien spezifische Vorschriften für Beherbergungsstätten vor und wird daher nicht schon aus diesem Grund in den Kompetenzbereich des Bundes fallen. Desgleichen greift §120 BO für Wien nicht aus dem Grund in die Gewerbeordnung ein und wäre vom Bund zu regeln, weil er spezielle Vorschriften für Büro- und Geschäftsgebäude enthält.
Die Bedenken der Antragsteller zur Kompetenzwidrigkeit des §71c BO für Wien sind daher nicht gerechtfertigt.
Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG iVm Art1 des 1. ZProtMRK:
Die Antragsteller machen im Hinblick auf §71c BO für Wien auch einen Verstoß gegen das in Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums geltend. Der Antrag enthält an mehreren Stellen eine Behauptung dahingehend, dass die Norm 'enteignungsähnliche gleichwertige Maßnahmen' vorsehe und mit der Regelung teils 'massive Eingriffe in das Eigentumsrecht' verbunden seien. Nur an einer Stelle im Antrag wird der Eingriff in das Eigentumsrecht offensichtlich im Ausschluss der Parteienrechte verortet. Die Bedenken der Antragsteller zu Art5 StGG sind aber inhaltlich weder präzise noch schlüssig ausgeführt und daher einer Überprüfung nicht zugänglich.
Obzwar schon an der Zulässigkeit des Vorbringens Zweifel bestehen, ist aus juristischer Vorsicht auszuführen, dass die im öffentlichen Recht wurzelnden Rechte der Nachbarn weder vom Schutzbereich des Art5 StGG noch vom Schutzbereich des Art1 des 1. ZProtMRK erfasst sind. Neben vermögenswerter Privatrechte und konkreter vermögenswerter Interessen, worunter Nachbarrechte eindeutig nicht zählen, werden öffentlichrechtliche Ansprüche durch Art5 StGG iVm Art1 des 1. ZProtMRK nur dann geschützt, wenn dem eine Leistung des Anspruchsberechtigen gegenübersteht (VfSlg 15.129, 15.448, 17.336, auch EGMR vom 8. Jänner 2013 Efe, ÖJZ2013,795). Dies trifft auf die dem öffentlichen Recht zugehörige Nachbarrechte nicht zu.
Mit §71c BO für Wien wird keine Grundlage für den Staat oder Dritte geschaffen, ohne Zustimmung des Eigentümers in dessen (fremdes) Eigentum auf irgendeine Weise einzugreifen. Seit lnkrafttreten des §71c Abs2 BO für Wien bedarf zwar die Nutzung bestehender Bauwerke und die Errichtung von Neu- und Zubauten in Leichtbauweise infolge einer Ausnahme von der Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht nicht mehr des Nachweises der Zustimmung des Eigentümers vor der Baubehörde. Dies vermag jedoch nicht die erforderliche zivilrechtliche Zustimmung des Eigentümers zu ersetzen, der sich auch nach dem lnkrafttreten des §71c Abs2 BO für Wien gegen unzulässige Eingriffe mit zivilrechtlichen Mitteln zur Wehr setzen kann. §71c BO für Wien hat – im Gegensatz zu den Bedenken der Antragsteller – die Dispositionsmöglichkeiten des Eigentümer[s] durch eine Herabsetzung baurechtlicher Anforderungen deutlich erweitert.
Es liegt daher kein Eingriff in das gemäß Art5 StGG iVm Art1 des 1. ZProtEMRK geschützte Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums vor, sodass auf das Vorliegen öffentlicher Interessen nicht näher einzugehen ist.
Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG iVm Art7 B‑VG:
Der Rechtsansicht der Antragsteller zufolge verstoße §71c BO für Wien teilweise gegen das in Art2 StGG iVm Art7 B‑VG verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. So sehe §71c BO für Wien in Abs2, Abs3 und Abs5 eine Einschränkung auf staatlich organisierte Initiativen vor und nehme private Initiativen aus, die jedoch im Jahr 2015 im Zuge der Fluchtbewegungen nach Österreich wichtige Arbeit geleistet hätten. Diese Unterscheidung sei ohne sachliche Rechtfertigung erfolgt. Der in Abs2 vorgesehene Ausschluss der Nachbarrechte sei ebenfalls ohne sachliche Begründung erfolgt. Die in Abs4 und Abs6 vorgesehene Einschränkung der Nachbarrechte vermöge ebenso wenig dem Gleichheitssatz zu entsprechen.
Für die von Abs2 erfassten Fälle sei eine Nichtanwendung baurechtlicher Bestimmungen vorgesehen. Für die von Abs4 erfassten Fälle könne die Behörde auf die Anwendung baurechtlicher Bestimmungen verzichten. Beides sei mangels sachlicher Rechtfertigung nicht von Art2 StGG iVm Art7 B‑VG gedeckt.
Die in Abs2 und Abs4 vorgesehene 'Leistungsfreiheit' sei ebenfalls am Gleichheitssatz zu messen, halte dieser Prüfung aber nicht stand, denn das Erfordernis einer raschen Bebauung bzw. Nutzung der Grundstücke dürfe nicht automatisch eine Befreiung von der Pflicht zur Zahlung von 'Geldleistungen' zur Folge haben. Die für die sonstigen Bestimmungen womöglich geltende Begründung könne daher keine Befreiung von Leistungen rechtfertigen.
Dem ist entgegen zu halten:
Für alle von den Antragstellern als unsachlich bezeichneten Fälle liegt eine sachliche Begründung vor.
Mit der in Abs2, Abs3 und Abs5 vorgesehenen Beschränkung auf staatliche Initiativen soll vermieden werden, dass aus der Unterbringung einer großen Anzahl hilfsbedürftiger Menschen im Krisenfall ein privates Geschäft entsteht. Mit §71c BO für Wien sollte daher die rasche Schaffung von Wohnraum für Hilfsbedürftige durch primär am Gemeinwohl orientierte staatliche Einrichtungen gefördert werden, ohne jedoch die Mitwirkung privater lnitiativen an der Hilfe für schutzbedürftige Personen in irgendeiner Weise in Frage zu stellen oder zu reduzieren. Es ist Privaten durch §71c BO für Wien nicht verwehrt worden, an der Bereitstellung von Unterkünften mitzuwirken, sofern diese im Rahmen einer staatlichen Organisation erfolgt. Gerade in Wien ist die Schaffung von Wohnraum zur Bewältigung der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 maßgeblich durch staatliche Einrichtungen erfolgt, dies nicht zuletzt deshalb, weil die Bewältigung derartiger Herausforderungen einer einheitlichen Koordinierung bedarf. Der Gesetzgeber hat als Beispiel zur Einführung des §71c BO für Wien die Tätigkeit einer staatlich kontrollierten Institution vor Augen, die verhindert, dass aus baurechtlichen Erleichterungen zur rascheren Bekämpfung einer Notsituation, Profit gemacht wird. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Erleichterungen des §71c BO für Wien Privaten auch dann offen stehen, wenn die jeweiligen Maßnahmen zur Unterbringung staatlich organisiert sind.
Der Gleichheitssatz bindet zwar auch den Gesetzgeber, gestattet diesem jedoch sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen, die relevante Unterschiede im Tatsachenbereich voraussetzen (vgl. z. B. VfSlg 2956, 15.373, 11.190, 11.641, 13.477, 14.521, 19.590). Mit dem Gleichheitssatz ist aber auch ein gewisser rechtspolitischer Gestaltungsspielraum verbunden, innerhalb dessen es dem Gesetzgeber freisteht, verschiedene rechtspolitische Zielvorstellungen zu verfolgen (VfSlg 11.369, 17.451, 18.883). Unzulässig sind nur exzessive Regelungen (VfSlg 9583, 9641, 10.926, 18.546, 19.508). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung das Ziel, einen möglichen Missbrauch von Geschäftsinteressen durch Private zu vermeiden und die Stellung staatlich organisierter Einrichtungen zur Bereitstellung von Unterkünften im Falle krisenhafter Ereignisse auszubauen. Der Gesetzgeber hat daher mit §71c BO für Wien seinen von der Verfassung her eingeräumten Gestaltungsspielraum für Wien nicht in exzessiver Weise überschritten.
Die gleichheitsrechtlichen Bedenken zu der in Abs2, 4 und 6 vorgesehenen Beschränkung der Parteienrechte treffen ebenfalls nicht zu.
zu Abs2:
Nach Abs2 bedarf die Nutzung rechtmäßig bestehender Bauwerke sowie die Errichtung von Neu- und Zubauten in Leichtbauweise (Container, Fertigteilbauten und dgl.) für Zwecke nach Abs1 für die Dauer von sechs Monaten weder eine[r] Baubewilligung noch einer Bauanzeige, wenn die Nutzung staatlich organisiert ist. Der Sitz einer möglichen Verfassungswidrigkeit kann nur in dem Umstand gelegen sein, dass Abs2 bestimmte Bauvorhaben und Nutzungen für bestimmte Zwecke von einer Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht ausnimmt, wodurch indirekt ein Verlust der Parteienrechte verbunden ist, da es in diesem Fall gar kein behördliches Verfahren gibt. Verfassungsrechtliche Bedenken könnten daher nur gegen eine Ausnahme von dieser Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht gerichtet sein. Die Antragsteller haben ihre auf den Gleichheitssatz gestützten Bedenken zu Abs2 aber nur auf den Ausschluss der Parteienrechte beschränkt. Somit haben sie ihre Bedenken in eine falsche Richtung gelenkt.
Dennoch ist rein aus juristischer Vorsicht darauf hinzuweisen, dass [die] in Abs2 vorgesehene Ausnahme von der Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht 1) nur für sehr kurzfristige Projekte bis maximal sechs Monate gilt, 2) auch nur Maßnahmen an bestehenden Bauwerken bzw. Bauwerke in Leichtbauweise betrifft und 3) die Kernbereiche der Bauvorschriften über die Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene, die Gesundheit und die Nutzungssicherheit (auch ohne Anzeige- oder Bewilligungsverfahren) einzuhalten sind. Daher sind Einschränkungen der Nachbarrechte gar nicht zu erwarten. Die Durchführung eines Anzeige- oder Bewilligungsverfahrens unter Beiziehung der Parteien würde zudem einer raschen Bereitstellung von Wohnungsmöglichkeiten entgegenstehen. §71c BO für Wien ist insgesamt für Notsituationen gedacht.
Diese Argumente lassen sich auch betreffend die Einschränkung der Parteienrechte sinngemäß ins Treffen führen.
zu Abs4 und 6:
§71c BO für Wien sieht in Bezug auf die Parteienrechte richtigerweise eine abgestufte Einschränkung vor. Während der Schutz der Nachbarrechte im Ergebnis nur für kurzfristige Bauvorhaben nach Abs2 und Abs4 für eine Dauer bis maximal fünf Jahren zur Gänze entfällt, dürfen einer darüber hinausgehenden Bewilligung für maximal 15 Jahre gemäß Abs5 iVm mit Abs6 die subjektiven Rechte der Nachbarn nicht entgegen stehen. Für längerfristige Bauvorhaben mit einem Bestand von über 15 Jahren kommt §71c BO für Wien nicht zur Anwendung.
Die Einschränkung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte ist im Ergebnis nur für kurzfristige Bauvorhaben bis maximal 15 Jahre vorgesehen. Bei Baumaßnahmen gemäß §71c BO für Wien ist jedenfalls auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und die Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit des Bauwerks Bedacht zu nehmen. lm Hinblick auf die kurzfristige Nutzung dieser Bauwerke sind somit wesentliche Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaften gar nicht zu erwarten. lm Übrigen kann ein langfristiges Verfahren aufgrund der Dringlichkeit in Krisenfällen nicht abgewartet werden. Die Beiziehung oft zahlreicher Parteien kann aber die rasche Abwicklung des Verfahrens durch die Erhebung von Einwendungen, der Einräumung von Parteiengehör und der Durchführung von Zustellungen erheblich gefährden. Der raschen und vorübergehenden Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen steht damit eine in der Regel kurzfristige und auf Krisenfälle beschränkte Einschränkung der Parteienrechte gegenüber. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz ist zwar ebenfalls am Gleichheitssatz und dem daraus abzuleitenden Sachlichkeitsgebot zu messen, doch kann der Gesetzgeber die Parteistellung auch entziehen, wenn ein besonderer Grund vorliegt. Je nach dem Zweck de[s] Verfahrens und der Eigenart und Bedeutung der berührten Rechtspositionen kann die Versagung der Parteistellung sachgerecht sein, wenn das Verfahren in der Hauptsache die Interessen eines anderen wahren soll (VfSlg 11.934). Die Einschränkung der Parteistellung ist daher sachlich gerechtfertigt. Sie ist auch im Hinblick auf den Regelungszweck angemessen. Der Gleichheitssatz ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann verletzt, wenn zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorgesehen sind oder die vorgesehenen, geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen würden (VfSlg 12.227: so genanntes 'Verhältnismäßigkeitsprinzip'). Damit ist gemeint, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsfolge in einem ausgewogenen Verhältnis zum erfassten Sachverhalt steht (Holoubek, FS Rill, 1995, 97). Die Einschränkung der Parteienrechte in §71c BO für Wien erfolgt abgestuft und ist nur auf kurzfristige Bauvorhaben beschränkt, während längerfristige Bauvorhaben zwischen fünf bis 15 Jahren durch eine amtswegige Prüfung der Nachbarrechte gedeckt sind. Gemildert wird diese Regelung des §71c BO für Wien dadurch, dass die Kernbereiche der Bauvorschriften über die Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene, die Gesundheit und die Nutzungssicherheit in jedem Fall einzuhalten sind, wodurch massive – das Leben und die Gesundheit der Nachbarn gefährdende – Eingriffe ausgeschlossen sind.
Nach Ansicht der Antragsteller würde auch die in §71c BO für Wien vorgesehene Ausnahme von den Bauvorschriften einer sachlichen Rechtfertigung entbehren. Dieses Vorbringen trifft ebenfalls nicht zu. Mit §71c BO für Wien sollte die Möglichkeit geschaffen werden, hilfs- und schutzbedürftigen Menschen, die auf Grund von Naturereignissen u. dgl. oder aus humanitären Gründen – etwa im Fall der Flucht aus Krisengebieten – vorübergehend eine Unterkunft benötigen, eine solche rasch, unbürokratisch und kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Mit der Einhaltung der Vorschriften der Bauordnung und der darauf basierenden Verordnungen wäre aber – wie durch die Einräumung der Parteistellung – ebenfalls eine Verzögerung des Verfahrens verbunden, obwohl es im Krisenfall gerade auf eine rasche Bereitstellung von Unterkunftsmöglichkeiten ankommt. Für diese Regelung liegt daher ein sachlicher Grund vor. Sie ist auch verhältnismäßig. Erstens sind die Kernbereiche der Bauvorschriften wie die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene, die Gesundheit und die Nutzungssicherheit in allen Fällen, und zwar auf für kurzfristige Nutzungen bis sechs Monate, einzuhalten (vgl. Abs2). Zweitens ist die Einschränkung der Bauvorschriften bei längeren Nutzungen von über sechs Monaten bis maximal 15 Jahre nur dann vorgesehen, wenn die Behörde jeweils mit Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen verzichtet (vgl. Abs4 und Abs6). Ohne behördlichen Verzicht sind auf die in den Anwendungsbereich des §71c BO für Wien fallende Projekte sämtliche Bauvorschriften unterschiedslos anzuwenden. Da §71c BO für Wien für Nutzungen über 15 Jahre gar nicht zur Anwendung kommt, besteht in diesen Fällen keine Möglichkeit der Behörde von Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften Abstand zu nehmen.
Die in Abs2 und 4 vorgesehene 'Leistungsfreiheit' ist ebenfalls sachlich gerechtfertigt. Mit §71c BO für Wien soll aus baurechtlicher Sicht ein Anreiz für die rasche und vor allem kostengünstige Bereitstellung von Unterkünften geschaffen werden. Die mit der Bewilligung nach der Bauordnung in Zusammenhang stehenden Leistungen sind aber in der Regel mit einer erheblichen finanziellen Belastung verbunden. Leistungen, die im Zusammenhang stehen sind: die Verpflichtung zur Leistung von Anliegerbeiträgen (§51 BO für Wien), zur Herstellung eines Gehsteiges (§54 BO für Wien), zur Entrichtung einer Kanaleinmündungsgebühr (§7 Gesetz über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren) und zur Schaffung von Kfz-Stellplätzen (§48 Wiener Garagengesetz 2008). Die Erfüllung dieser Leistungen würde der raschen und kurzfristigen Bereitstellung kostengünstiger Unterkünfte entgegenstehen und wäre im Hinblick auf die vorgesehene kurzfristige Nutzung auch nicht erforderlich. Da nur kurzfristige Nutzungen bis maximal fünf Jahre von einer Leistungspflicht ausgenommen sind (vgl. Abs4) und für längerfristige Nutzungen die Leistungen erfüllt werden müssen (vgl. Abs5) bestehen gegen [die] Verhältnismäßigkeit dieser Regelung daher keine Bedenken.
§71c BO für Wien entspricht daher Art2 StGG iVm Art7 B‑VG.
Verletzung des Art18 B‑VG:
Dem Vorbringen der Antragsteller zufolge sollen auch einzelne Begriffe bzw. Wortfolgen in §71c BO für Wien nicht dem in Art18 B‑VG verankerten Bestimmtheitsgebot entsprechen. lm Einzelnen treffe dies nach Ansicht der Antragsteller auf folgende Fälle zu:
Abs1:
Die Wortfolge 'vorübergehende Einrichtungen zur Unterbringung von Personen' bzw. 'vorübergehende Unterbringung' sei unklar, wodurch eine zeitlich unbegrenzte Anwendung des §71c BO für Wien möglich sei, der Begriff 'Ereignis' bzw. 'Naturereignis', die Wortfolge 'größere Anzahl von Personen' und der Begriff 'humanitäre Gründe oder völkerrechtliche und unionsrechtliche Verpflichtungen' seien jeweils zu unbestimmt.
Abs2 bis 6:
Der Begriff 'Neu- und Zubauten in Leichtbauweise' in Abs2, die Wendung 'staatlich organisiert' in Abs2, Abs3 und Abs5, der Begriff 'Leistungen' in Abs2 und Abs4, und der Begriff 'Baumaßnahmen' in Abs3 und Abs5 sei nicht […] mit [dem] in der Verfassung vorgesehenen Bestimmtheitserfordernis des Art18 B‑VG vereinbar. Die in Abs4 und Abs6 vorgesehene Möglichkeit der Behörde, mit Bescheid auf die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der aufgrund des Gesetzes erlassenen Verordnungen zu verzichten, sehe für die Behörde ein schrankenloses Ermessen vor. Die zuständige Behörde sei in §71c BO für Wien nicht klar festgelegt. Ebenfalls ungeregelt sei die gesetzmäßige Vorgangsweise nach Ablauf der in §71c BO für Wien geregelten Nutzungsdauer.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss der jeweilige Determinierungsgrad einer Vorschrift dem Regelungsgegenstand adäquat sein (VfSlg 17.348, 19700). Daher kann – entgegen dem Vorbringen der Antragsteller – auch die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe aufgrund des Regelungsgegenstandes erforderlich sein (vgl. z.B. VfSlg 16.625). Nur wenn – und dies übersehen die Antragsteller ebenfalls – unter erschöpfender Zuhilfenahme aller Interpretationsmethoden nicht bestimmbar ist, was im Einzelfall rechtens sein soll, ist Art18 B‑VG verletzt (zuletzt VfGH vom 10.12.2014, G133/2014 mwN, [vgl.] auch VfSlg 10.296, 11.499, 11.859, 13.301, 13.785, 14.466, 14.631, 14.767, 15.447, 16.030, 18.142), wobei auch die Verwendung mehrerer unbestimmter Gesetzesbegriffe zulässig ist, solange diese nicht durch ihre Gegensätzlichkeit zu unbestimmt sind (VfSlg 10.296, 11.859, 12.932, 13.301). Die Antragsteller begründen ihr zu Art18 B‑VG erstattetes Vorbringen auch damit, dass es sich bei §71c BO für Wien um ein eingriffsnahes Gesetz handle und daher besonders strenge Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot gelten. Die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe ist aber auch in eingriffsnahen Bereichen zulässig, mit denen der Gesetzgeber zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt (VfSlg 10.737). So hat der Verfassungsgerichtshof etwa den (weit gefassten) Begriff, 'längere Zeit' im Arbeitslosenversicherungsrecht – ein als eingriffsnah geltender Bereich – als zulässig erachtet (VfSlg 14.466).
Die genannten Begriffe lassen sich – entgegen dem Vorbringen der Antragsteller – durch Interpretation auslegen.
Im Einzelnen ist daher folgendes auszuführen:
Mit 'vorübergehender Unterbringung' in Abs1 ist in Verbindung mit Abs2, Abs3 und Abs5 klargestellt, dass §71c BO für Wien nur auf Bauvorhaben bzw. Nutzungen mit einer Dauer bis maximal sechs Monate (Abs2), fünf Jahre (Abs3) und 15 Jahre (Abs5) beschränkt ist. lm Gegensatz zum Vorbringen der Antragsteller ist daher eine unbefristete Anwendung des §71c BO für Wien ausgeschlossen. Übersteigt die Dauer der Nutzung des Bauwerkes die in Abs2 genannte Frist von sechs Monaten, so ist gemäß Abs3 eine Bewilligung bis maximal fünf Jahre zu erwirken. Reicht auch diese Frist nicht aus, ist unter den Voraussetzungen des Abs5 eine Bewilligung bis maximal 15 Jahre zu erteilen. Die gesetzmäßige Vorgangsweise ist daher über eine systematische Zusammenschau der Absätze für jedermann nachvollziehbar geregelt.
Eine Alternative für die Wortfolge 'größere Anzahl von Personen' gibt es nicht. Die zahlenmäßige Abschätzung der Anzahl von Personen, die aufgrund von krisenhaften Ereignissen einer Unterkunft bedürfen, ist dem Gesetzgeber faktisch nicht möglich, wodurch der höhere 'Abstraktionsgrad' gerechtfertigt ist. Aus Abs1 ergibt sich zudem, dass nicht jede 'größere Anzahl von Personen' die Anwendung des §71c BO für Wien rechtfertigt, sondern dieser nur auf die Fälle beschränkt ist, wo die Unterbringung dieser Personen aufgrund bestimmter Ereignisse wie Naturkatastrophen, völkerrechtliche[r] oder unionsrechtlicher Verpflichtung oder aufgrund humanitärer Gründe unbedingt notwendig ist. Damit ist nach dem Wortlaut der Regelung eindeutig ausgeschlossen, dass §71c BO für Wien auch dort Anwendung findet, wo eine größere Anzahl von Personen aus anderen als den in Abs1 genannten Gründen einer Unterbringung bedarf (etwa durch einen mittelfristigen Engpass am Mietmarkt, der die starke Nachfrage nach Unterkunftsmöglichkeiten nicht befriedigen kann).
Der Begriff 'Ereignis' in Abs1 ist mit dem Beispiel 'Naturereignis' verdeutlicht. Auch lassen sich aufgrund der einschlägigen Bestimmungen derzeit bestehende unionsrechtliche oder völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs ermitteln, die im Falle bestimmter Ereignisse ausgelöst werden und Österreich etwa zur Aufnahme einer größeren Anzahl von Personen verpflichten. Auch humanitäre Gründe lassen sich auf dem Boden völkerrechtlicher Regelungen bestimmen. Den Antragstellern ist daher entgegen zu treten, wenn sie meinen, jedes 'beliebige' Ereignis könne die Anwendung des §71c BO für Wien zur Folge haben. Es muss sich – entgegen dem Vorbringen der Antragsteller – in der Tat um krisenhafte Ereignisse entweder im ln- oder Ausland handeln, die die Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen erforderlich machen.
Dem Begriff 'Neu- und Zubauten in Leichtbauweise' sind zwei Beispiele nachgestellt. Es kann sich bei diesen Neu- und Zubauten daher nur um Container, Fertigteilbauten oder Ähnliches handeln. Wird ein unbestimmter Gesetzesbegriff durch Beispiele erläutert, so haben diese Beispiele die Interpretation mitzubestimmen (VfSlg 14.380). Die Antragsteller lassen in ihrem Antrag aber unberücksichtigt, dass dem Rechtsanwender diese zwei in Abs2 genannten Beispiele zur Verfügung stehen und der Begriff im Übrigen auch durch allgemeines Erfahrungswissen im Einzelfall leicht zu bestimmen sein wird.
Bei der in Abs2 und Abs4 vorgesehenen Befreiung von 'Leistungen' kann es sich dem Wortlaut der Bestimmung zufolge nur um solche handeln, die 'sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung' vorgeschrieben werden. Diese Leistungen sind in der Bauordnung für Wien und deren Nebengesetzen klar und abschließend festgelegt. Es handelt sich dabei um die Verpflichtung zur Leistung von Anliegerbeiträgen (§51 BO für Wien), zur Herstellung eines Gehsteiges (§54 BO für Wien), zur Entrichtung einer Kanaleinmündungsgebühr (§7 Gesetz über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren) und zur Schaffung von Kfz-Stellplätzen (§48 Wiener Garagengesetz 2008). Daher lässt sich auch dieser Begriff durch systematische Interpretation auslegen.
Der Begriff 'Baumaßnahmen' kommt in der Bauordnung in einer Reihe von Bestimmungen vor (§§38, 39, 62, 62a, 85, 115, 134a, 135, 139) und wird dort regelmäßig als ein Überbegriff für Neu-, Zu- und Umbauten bzw. bauliche Änderungen verwendet. Im Zusammenhang mit §71c Abs3 und Abs5 ist der Begriff daher eindeutig als Auffangtatbestand zu verstehen. Gemäß ArtI Abs2 BO für Wien hat die Bauordnung insofern keine Geltung, als eine Angelegenheit in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Damit sind auch Bedenken der Antragsteller nicht berechtigt, wonach unter 'Baumaßnahmen' auch Maßnahmen fallen könnten, die überhaupt nicht in die Kompetenz des Landes fallen.
Auch die für die Vollziehung des §71c BO für Wien zuständige Behörde kann nur der Magistrat sein, dem, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Handhabung der Bauordnung obliegt (§132 Abs1 BO für Wien). Somit treffen auch diese Bedenken nicht zu.
Da der Ablauf der Nutzungsdauer gemäß Abs2 eine Bewilligungspflicht nach Abs3 auslöst und der Ablauf der Nutzungsdauer gemäß Abs3 wiederum einer Bewilligungspflicht gemäß Abs5 unterliegt, kann es sich nur um eine Abweichung von Bauvorschriften gemäß §129 Abs10 BO für Wien handeln, wenn für das jeweilige Bauvorhaben keine der Nutzungsdauer gemäß §71c BO für Wien entsprechende Bewilligung erwirkt wird. §129 Abs10 BO für Wien gilt für alle der Bauordnung unterliegenden Bauten (VwGH vom 15.06.2010, 2007/05/0149). Eine Konsenswidrigkeit liegt nämlich nicht nur vor, wenn eine Baubewilligung gar nicht erwirkt wurde, sondern auch dann, wenn eine solche unwirksam wird oder abgelaufen ist. (VwGH vom 28.6.2005, 2005/05/0075, vom 13.12.2011, 2011/05/0154, auch Kirchmayer, Wiener Baurecht, Anm zu §129 Abs10 BO für Wien). Die Auslegung dieser Wortfolge bereitet daher keine Probleme.
Die Wortfolge 'staatlich organisiert' lässt sich ebenfalls durch Auslegung bestimmen.
Nach der juristischen Fachsprache (vgl. auch die in der Rechtsordnung häufig verwendeten Begriffe 'staatlich anerkannt', 'staatlich geprüft', 'staatlich autorisiert', 'staatlich kontrolliert') ist darunter zu verstehen, dass die Organisation der Nutzung von Bauwerken durch Gebietskörperschaften oder öffentliche Einrichtungen (etwa von Gebietskörperschaften finanziell oder organisatorisch beherrschte Fonds) erfolgt. ln diesem Zusammenhang ist auch auf den – vergleichbaren – Begriff des 'öffentlichen Auftraggebers' gemäß §3 Abs1 Bundesvergabegesetz 2006 zu verweisen.
Schließlich wird mit der Möglichkeit zum Verzicht auf baurechtliche Bestimmungen der Behörde kein schrankenloses Ermessen eingeräumt, da bei einem solchen Verzicht jedenfalls auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit sowie die Nutzungssicherheit Bedacht zu nehmen ist. Im Übrigen besteht eine ähnliche Möglichkeit des Verzichtes auf die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen auch gemäß dem verfassungsrechtlich unbedenklichen §71 BO für Wien (VfGH vom 16.12.1981, B523/78).
Im Ergebnis sind sämtliche verfassungsrechtliche Bedenken der Antragsteller ungerechtfertigt.
[…]."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat sowohl das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst als auch sämtliche Länder eingeladen, zum Antrag Stellung zu nehmen:
3.1. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst tritt in seiner Stellungnahme der Auffassung der Antragsteller entgegen, wonach das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen, BGBl I 120/2015 ("BVG Unterbringung"), eine "Sperrwirkung" zu Gunsten des Bundes entfalte und eine Landeskompetenz zur Erlassung einer Regelung wie §71c Bauordnung für Wien ("Wr. BauO") bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 nicht mehr bestehe. Das BVG Unterbringung sei deshalb im Verfassungsrang beschlossen worden, weil es ein konzentriertes Verfahren vorsehe, in dem die Bezirksverwaltungsbehörde zu prüfen habe, ob die Nutzung den bundes- und landesrechtlichen Vorschriften – mit Ausnahme des Bau- und Raumordnungsrechtes – entspreche. Die Erlassung bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften durch den Landesgesetzgeber beruhe auf der Kompetenz gemäß Art15 Abs1 B‑VG. Im Übrigen sei es verfassungsrechtlich unproblematisch, wenn ein Landesgesetz die Vorgaben eines Bundesverfassungsgesetzes bloß wiederhole. Da auch vor dem 1. Jänner 2019 eine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Erlassung einer Bestimmung wie des §71c Wr. BauO bestehe, liege kein Verstoß gegen die Kompetenzverteilung vor.
§71c leg.cit. verstößt nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst auch nicht gegen Art18 B‑VG: Die Bestimmung sei unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden einer Auslegung zugänglich. Es sei auch zu beachten, dass es sich bei der angefochtenen Rechtsvorschrift um eine Art "Notkompetenz" handle, durch die vorübergehenden Umständen und besonderen Anforderungen, die eine rasche Reaktion erforderten, Rechnung getragen werden solle. Dies werde auch in den Gesetzesmaterialien betont. Mit den vorübergehenden Umständen korrespondiere auch, dass §71c Wr. BauO bloß eine zeitlich befristete Ausnahme von den Bestimmungen der Wiener Bauordnung vorsehe.
3.2. Die Oberösterreichische Landesregierung teilt in ihrer Äußerung die Bedenken der Antragsteller nicht: §71c Wr. BauO enthalte ein zeitlich gestaffeltes System von Grundsätzen und Ausnahmen sowie "Kann-Bestimmungen", welche den erforderlichen Interessenausgleich, eine Einzelfallbetrachtung und die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermöglichten. Die angefochtene Bestimmung sei insbesondere unter Heranziehung der Wortinterpretation und der teleologischen Interpretation einer Auslegung zugänglich, der Verweis auf die in §71c Abs1 Wr. BauO genannten völker- und unionsrechtlichen Verpflichtungen bzw. Verpflichtungen der Gemeinde bzw. des Landes gegenüber dem Bund diene der Erläuterung, aus welchem Grund die gesetzliche Regelung notwendig sei. Eine "formalgesetzliche Delegation" finde nicht statt. Die Oberösterreichische Landesregierung teile auch nicht die kompetenzrechtlichen Bedenken der Antragsteller. Das BVG Unterbringung treffe keine abschließende Regelung, die sonstige landesgesetzliche Regelungen ausschließe. Das erwähnte Bundesverfassungsgesetz und §71c Wr. BauO hätten jeweils unterschiedliche sachliche und örtliche Anwendungsbereiche, zur Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen seien sowohl Maßnahmen des Bundes als auch der Länder erforderlich. §71c Wr. BauO stelle eine sinnvolle Ergänzung zum BVG Unterbringung dar, zumal keine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Schaffung der erforderlichen Anzahl an Quartieren bestehe. Art3 BVG Unterbringung stelle nur eine punktuelle Durchbrechung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung dar, eine Kompetenzwidrigkeit des §71c Wr. BauO ergebe sich daraus nicht. Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Ausnahmeregelung des §71c Wr. BauO nur für eine staatlich organisierte Nutzung vorzusehen.
3.3. Die Salzburger Landesregierung tritt in ihrer Stellungnahme den von den Antragstellern geltend gemachten kompetenzrechtlichen Bedenken entgegen: Durch das BVG Unterbringung komme es zu einer zeitlich, örtlich und sachlich begrenzten Durchbrechung der Bau- und Raumordnungskompetenz der Länder. Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Art3 BVG Unterbringung nicht vor, sei es dem Landesgesetzgeber nicht verwehrt, Regelungen zur Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden zu erlassen.
3.4. Nach Auffassung der Tiroler Landesregierung verstößt §71c Wr. BauO nicht gegen die bundesverfassungsgesetzliche Kompetenzverteilung. Das BVG Unterbringung bewirke keinen allgemeinen Ausschluss der Bau- und Raumordnungskompetenz der Länder, diese werde allenfalls nur "punktuell" verdrängt. An der Schaffung einer Bestimmung wie §71c Wr. BauO bestehe auch ein öffentliches Interesse, die Rechtsvorschrift sei daher sachlich gerechtfertigt.
3.5. Die übrigen Landesregierungen haben sich am Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht beteiligt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Landtages, wenn dies landesverfassungsgesetzlich vorgesehen ist. §131a Wiener Stadtverfassung normiert, dass ein Drittel der Mitglieder des Landtages das Recht hat, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Landesgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu stellen. Die einschreitenden 34 Abgeordneten verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des aus 100 Abgeordneten bestehenden Wiener Landtages (vgl. §10 iVm §113 Wiener Stadtverfassung); dem in Art140 Abs1 Z3 B‑VG normierten Erfordernis ist daher entsprochen.
1.2. Bei einem Gesetzesprüfungsverfahren, das auf Antrag eines Drittels der Mitglieder eines Landtages durchgeführt wird, handelt es sich um ein Verfahren sui generis, in dem sich die Prüfung der Legitimation – in Abweichung von der grundsätzlichen verfahrensrechtlichen Regel, nach der es bei der Beurteilung der Prozessvoraussetzungen auf den Zeitpunkt der Entscheidung ankommt – auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen hat. Das zur Antragstellung legitimierte Drittel der Mitglieder des Wiener Landtages ist ab dem Zeitpunkt der wirksamen und zulässigen Antragstellung einer einheitlichen Verfahrenspartei gleichzuhalten, die als solche unabhängig davon fortbesteht, ob einzelne ihrer Mitglieder aus dem Landtag ausscheiden (vgl. VfSlg 19.800/2013, 20.092/2016).
1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letztes liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
Wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit Anträgen nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG sowie zu Anträgen nach Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG bereits ausgesprochen hat, macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit durch alle von einem Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erfassten Bestimmungen gegeben ist oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (siehe VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.; vgl. zu auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen von Gerichten, die, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im übrigen Teil abzuweisen sind, VfSlg 19.746/2013 und 19.905/2014). Umfasst ein Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG auch Bestimmungen, die den Antragsteller nicht unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre betreffen, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (VfGH 9.12.2014, G73/2014; VfSlg 19.942/2014; siehe auch VfSlg 18.298/2007, 18.486/2008). Anträge von Gerichten nach Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG sind nach dieser Rechtsprechung dann partiell zurückzuweisen, wenn der Antrag auch Bestimmungen umfasst, die für das antragstellende Gericht offenkundig nicht präjudiziell sind, und die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind (VfSlg 19.939/2014). Diese Überlegungen sind auf Anträge auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art140 Abs1 Z3 B‑VG zu übertragen (vgl. VfSlg 20.000/2015). Soweit ein solcher Antrag die Aufhebung von Bestimmungen begehrt, gegen die im Einzelnen konkrete Bedenken in schlüssiger und überprüfbarer Weise dargelegt werden (siehe zur abstrakten Normenkontrolle VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004 und im Übrigen etwa VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989; VfGH 11.6.2012, G120/11; VfSlg 19.938/2014; zuletzt VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua. – die Zuordnung pauschal vorgetragener Bedenken zu einzelnen angefochtenen Bestimmungen ist demgegenüber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, siehe nur VfSlg 17.102/2004, weiters etwa VfSlg 13.123/1992, 17.099/2003; zuletzt VfSlg 19.938/2014), oder mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, ist der Antrag daher, wenn auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Umfasst ein Antrag nach Art140 Abs1 Z3 B‑VG darüber hinaus noch weitere Bestimmungen, führt dies, wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind, zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl. bereits VfSlg 14.802/1997).
1.4. Da keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der (Haupt‑)Antrag als zulässig. Ein Eingehen auf die Frage der Zulässigkeit der Eventualanträge erübrigt sich schon deswegen, weil diese enger als der Hauptantrag gefasst sind.
2. In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Der Antrag ist nicht begründet.
2.1. Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B‑VG
2.1.1. Die Antragsteller meinen, §71c Wr. BauO bzw. einzelne Absätze dieser Bestimmung verstießen gegen Art18 B‑VG, wobei die Notwendigkeit einer hinreichenden Determinierung auf Grund der Eingriffsintensität der Bestimmung als besonders hoch anzusehen sei. Die angefochtene Bestimmung enthalte eine Vielzahl unbestimmter Gesetzesbegriffe, welche §71c Wr. BauO insgesamt als zu unbestimmt qualifizierten: So sei nicht ersichtlich, wie sich die Wortfolge "vorübergehende Einrichtungen" zu den in §71c Wr. BauO beschriebenen "Tätigkeiten" und vorgesehenen Befristungen verhalte und wie die im Rahmen dieser Bestimmung maßgeblichen Begriffe "(Natur-)Ereignis", "Baumaßnahmen", "größere Anzahl von Personen", "Leichtbauweise", "staatlich organisiert" und "humanitäre Gründe" ausgelegt werden müssten; darüber hinaus sei unklar, ob die Voraussetzungen im Bundesland bzw. im österreichischen Staatsgebiet eintreten müssten oder auch außerhalb des Staatsgebietes stattfindende Ereignisse berücksichtigt werden könnten, welche baurechtlichen Vorschriften die Behörde im Rahmen des §71c Wr. BauO suspendieren könne sowie wie mit den Bauwerken nach Ablauf der Nutzungsdauer zu verfahren sei. Durch die überwiegende Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe werde den Verwaltungsbehörden im Ergebnis ein unbestimmtes Ermessen bzw. eine Auswahlmöglichkeit eingeräumt; dies gebe Anlass zu Willkürhandlungen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass §71c Abs1 Wr. BauO auf nicht näher definierte völkerrechtliche, unionsrechtliche und sonstige Verpflichtungen verweise und damit zu einer verfassungswidrigen formalgesetzlichen Delegation führe.
2.1.2. Das im Art18 Abs1 B‑VG
verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an – die Behörde bindende – Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG (vgl. die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum "differenzierten Legalitätsprinzip", zB VfSlg 13.785/1994 mwN, 20.130/2016; VfGH 26.9.2017, G39/2017).
Ob eine gesetzliche Vorschrift dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B‑VG entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach der Entstehungsgeschichte, dem Inhalt und dem Zweck der Regelung. Bei der Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Eine Regelung verletzt die in Art18 B‑VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse dann, wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt (VfSlg 16.137/2001, 20.130/2016).
2.1.3. Die Gesetzesmaterialien führen zu §71c Wr. BauO wie folgt aus (LG –00577-2016/0001/LAT):
"Auf Grund von Ereignissen, wie sie etwa Naturereignisse oder der Zustrom hilfs- und schutzbedürftiger Menschen aus Krisengebieten darstellen, oder aus humanitären Gründen ist es erforderlich, betroffenen Personen rasch vorübergehend eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Dies stößt in der Praxis insofern auf Probleme, als oftmals prinzipell geeignete Unterkünfte auf Grund von bautechnischen Anforderungen erst nach deren Adaptierung verwendet werden können bzw. Verfahren zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes (etwa durch Änderung eines Flächenwidmungsplanes) zu lange dauern würden. Da in den genannten Fällen vorübergehender Belegung die Interessen an einer raschen Unterkunft überwiegen, soll durch Ergänzung der Bauordnung für Wien die Nutzung von Bauwerken oder die Durchführung von Baumaßnahmen für diese Zwecke auch dann ermöglicht werden, wenn die baurechtlichen oder -technischen bzw. raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht vollständig eingehalten werden. Interessen der Sicherheit und Gesundheit müssen dabei aber jedenfalls gewahrt werden.
Zwecks Verfahrensbeschleunigung soll den gegen solche Bescheide gerichteten Beschwerden an das Verwaltungsgericht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommen."
2.1.4. Der Verfassungsgerichtshof kann keinen Verstoß der Bestimmungen des §71c Wr. BauO gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG erkennen: Allen im Antrag wegen ihrer vermeintlichen Unbestimmtheit gerügten Wortfolgen ist –unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden – eine hinreichende Determinierung des behördlichen Verhaltens zu entnehmen.
Entgegen dem Antragsvorbringen besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel, dass es sich bei den in §71c Wr. BauO genannten "Ereignissen" ("Soweit dies zur vorübergehenden Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen auf Grund von bereits eingetretenen oder bevorstehenden Ereignissen, insbesondere Naturereignissen […] notwendig ist, […]") sowohl um solche handeln kann, die sich im österreichischen Staatsgebiet ereignet haben, als auch um solche, die im Ausland stattfanden.
Auch insoweit als §71c Wr. BauO auf die Notwendigkeit der vorübergehenden Unterbringung einer größeren Anzahl von Personen "auf Grund völkerrechtlicher, unionsrechtlicher oder Verpflichtungen der Gemeinde bzw. des Landes gegenüber dem Bund" abstellt, ist für den Verfassungsgerichtshof kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG erkennbar: Entgegen dem Antragsvorbringen handelt es sich dabei nicht um eine formalgesetzliche Delegation, wenn der Wiener Landesgesetzgeber an derartige Verpflichtungen anknüpft. Die angefochtene Bestimmung ist – wie erwähnt – einer Auslegung zugänglich und daher hinreichend bestimmt.
Schließlich ist entgegen dem Antragsvorbringen §71c Wr. BauO auch klar zu entnehmen, welche baurechtlichen Vorschriften die Behörde suspendieren kann – nämlich jene der Wiener Bauordnung ("dieses Gesetzes") und der auf Grund der Wiener Bauordnung erlassenen Verordnungen – und wie mit den Bauwerken nach Ablauf der Nutzungsdauer zu verfahren ist: Nach Ablauf der auf Grund des §71c Wr. BauO befristet erteilten Bewilligungen gelten die allgemeinen baurechtlichen Vorschriften. §71c Wr. BauO bietet insofern nur die Grundlage für zeitlich befristete (zT auch fiktive) Sonderbewilligungen.
2.2. Gleichheitsgrundsatz
2.2.1. Die Antragsteller sind ferner der Ansicht, Teile der angefochtenen Bestimmung – insbesondere §71c Abs2, 3, 4 und 6 Wr. BauO – verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz: Unter anderem sei es verfassungswidrig, die in §71c Wr. BauO vorgesehenen Privilegierungen (darunter auch die "Leistungsfreiheit", welche im Sinne einer Gebührenbefreiung zu verstehen sein dürfte) nur für staatlich organisierte Baumaßnahmen bzw. eine staatlich organisierte Nutzung, nicht aber für Privatinitiativen vorzusehen. Darüber hinaus sei der begründungslose Ausschluss der Nachbarrechte – ohne dass deren Interessen von der Behörde selbst wahrzunehmen seien – gleichheitswidrig. Dies schaffe in bedenklicher Weise unterschiedliche Kategorien von Nachbarn. Die unbestimmten Gesetzesbegriffe ermöglichten dabei eine sachlich nicht gerechtfertigte Auswahlmöglichkeit der Behörde und damit die Entstehung von "Sonderopfern". Schließlich sei unklar, warum im Rahmen des §71c Wr. BauO die sonstigen Vorgaben der Bauordnung suspendiert werden könnten und wie der zeitliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift begrenzt sei.
2.2.2. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten:
Die von §71c Wr. BauO angeordnete Freistellung von Leistungen, die sonst im Zusammenhang mit der Baubewilligung oder Bauausführung vorgeschrieben sind, ist nicht unsachlich. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, diese nur im Hinblick auf staatlich organisierte Vorhaben vorzusehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass grundsätzlich keine verfassungsrechtliche Bestimmung Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert (zB VfSlg 15.274/1998, 15.581/1999, 16.103/2001). Es ist der Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers überlassen, ob und inwieweit er diesen Personen rechtlichen Schutz gewährt, die durch den einer anderen Person gegenüber ergangenen verwaltungsbehördlichen Bescheid in ihren Interessen betroffen sind. Jene ist verfassungsrechtlich lediglich dadurch begrenzt, dass das die Parteirechte bestimmende Gesetz dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot unterliegt (VfSlg 14.512/1996 mwN, 19.617/2012).
Für den Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, dass die Anordnung des §71c Abs4 Wr. BauO, wonach subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn der Bewilligung nicht entgegenstehen, dem Sachlichkeitsgebot widerspricht. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des sachlich und zeitlich beschränkten Anwendungsbereiches dieser Bestimmung, der Dringlichkeit der damit geregelten Unterbringungsmaßnahmen und der Anordnung, wonach die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen – vorbehaltlich der Zustimmung des Nachbarn – nicht vermindert werden darf.
Weiterhin bietet §71c Wr. BauO entgegen dem Antragsvorbringen auch keine Grundlage für eine dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende "Auswahlmöglichkeit" der Behörde. Wie bereits unter Punkt 2.1.4. ausgeführt, sind die Vorgaben des §71c Wr. BauO hinreichend bestimmt und ermöglichen eine Vorhersehbarkeit des Behördenhandelns.
Schließlich verstößt auch die von §71c Wr. BauO gewährte Möglichkeit, auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen zu verzichten, sofern insbesondere auf die allgemeinen Anforderungen an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Hygiene und Gesundheit (den Wärmeschutz) sowie die Nutzungssicherheit Bedacht genommen wird (und das Erdgeschoß des Bauwerks barrierefrei zugänglich ist), vor dem Hintergrund des beschränkten Anwendungsbereiches dieser Bestimmung und des vorübergehenden Charakters der darauf gestützten Maßnahmen nicht gegen das Sachlichkeitsgebot. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass §71c Wr. BauO ein "zeitlich abgestuftes System" vorsieht, welches auf den Zeitraum, für den die befristete Baubewilligung erteilt wird, abstellt und abhängig von der Frage, ob die Baubewilligung für maximal fünf oder maximal fünfzehn Jahre erteilt werden soll, verschiedene Genehmigungsvoraussetzungen statuiert. Im Besonderen ist für jene Bewilligungen, die gemäß §71c Abs5 Wr. BauO für einen maximalen Zeitraum von fünfzehn Jahren erteilt werden können, zusätzlich vorgesehen, dass eine Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn dieser Bewilligung durch die Wiener Bauordnung gewährte subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegen stehen und die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke nicht vermindert wird, es sei denn, dass der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder keine Parteistellung erlangt hat.
2.3. Bundesstaatliche Kompetenzverteilung
2.3.1. Die Antragsteller sind darüber hinaus der Auffassung, §71c Wr. BauO verstoße gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung: Unter anderem erweitere diese Bestimmung durch ihre unklaren Vorgaben den Anwendungsbereich der Wiener Bauordnung über die Kompetenz des Landesgesetzgebers hinaus (zB könnten auch Maßnahmen auf Flächen, die einer Bundeswidmung unterlägen, erfasst sein), womit sie inhaltlich einem eigenen Unterbringungsgesetz bzw. einer "Parallelbauordnung" entspreche. Darüber hinaus existiere mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen, BGBl I 120/2015, –befristet bis zum 31. Dezember 2018 – bereits eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung, die eine landesgesetzliche Regelung hinsichtlich desselben Sachverhaltes ausschließe. §71c Wr. BauO stelle insofern eine unzulässige Doppelgesetzgebung dar.
2.3.2. Auch dieses Vorbringen ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht zutreffend: Weder ist erkennbar, dass §71c Wr. BauO den Anwendungsbereich des Gesetzes über die bundesverfassungsgesetzlich eingeräumte Generalkompetenz des Landesgesetzgebers gemäß Art15 B‑VG hinaus erstreckte, noch schließt das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen, BGBl I 120/2015, eine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung von (baurechtlichen) Aspekten der vorübergehenden Unterbringung generell aus.
Soweit auf Grund einer Inanspruchnahme der darin vorgesehenen Ermächtigungen die besonderen Verfahrensregelungen des Bundesverfassungsgesetzes über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen, BGBl I 120/2015, zur Anwendung kommen, verbleibt kein Anwendungsbereich für die Vorgaben der Wiener Bauordnung im Allgemeinen sowie des §71c Wr. BauO im Besonderen: Der vorläufige Bescheid des Bundesministers für Inneres ersetzt gemäß Art3 Abs1 BVG Unterbringung alle nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Bewilligungen, im konzentrierten Verfahren gemäß Art3 Abs5 BVG Unterbringung sind die Vorgaben des Bau- und Raumordnungsrechts (mit Ausnahme der Brandschutzbestimmungen) nicht zu prüfen. Es besteht kein Anhaltspunkt, dass der Wiener Landesgesetzgeber mit §71c Wr. BauO eine dem widersprechende Anordnung erlassen hat.
2.4. Rechtsstaatsprinzip und Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK
2.4.1. Im Antrag wird weiters vorgebracht, durch die von §71c Wr. BauO ermöglichten enteignungsähnlichen Maßnahmen in Verbindung mit den darin verwendeten unklaren Formulierungen, der mangelnden Zuständigkeitsregelung und dem Ausschluss der Nachbarrechte werde gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK verstoßen. Unter anderem sei die Überprüfung des in §71c Abs3 Z3 Wr. BauO vorgesehenen Gutachtens in keiner Weise gewährleistet. Dabei stelle sich auch die Frage, wie ein betroffener Grundstückseigentümer von der Nutzung seines Grundstückes erfahre und wie er (zivilrechtlich) gegen die behördlichen Maßnahmen vorgehen könne; dies vor dem Hintergrund, dass ein zivilrechtliches Verfahren im Regelfall längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Die Formulierung in §71c Wr. BauO, wonach die Bebaubarkeit von Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt werden dürfe, stelle bloß ein scheinbares Abwehrrecht dar.
2.4.2. Gemäß Art6 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Ungeachtet der Frage, ob die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung eine Entscheidung über ein "civil right" iSd Art6 EMRK darstellt (vgl. VfSlg 11.500/1987), ist nicht alles, was Einfluss auf jemandes Rechtsstellung hat, "seine Sache" iSd Art6 Abs1 EMRK. Denn nicht jede Wirkung einer Entscheidung auf ein Rechtsverhältnis zu einer anderen Person macht die Angelegenheit auch schon mit zu deren Sache (VfSlg 11.934/1988). Aus Art6 Abs1 EMRK allein kann daher eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Einräumung der Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren nicht abgeleitet werden (VfSlg 14.786/1997; vgl. auch VfSlg 19.724/2012; vgl. zur Beschränkung der Parteistellung auch bereits die Ausführungen unter Punkt 2.2.2.).
2.4.3. Es liegt auch keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips vor. Dies insbesondere, weil die Bestimmung entgegen dem Antragsvorbringen eine hinreichende Determinierung des Behördenhandelns (dazu bereits oben Punkt 2.1.4.) sowie – in Zusammenschau mit §132 Abs1 Wr. BauO, der eine subsidiäre Zuständigkeit des Magistrates anordnet – eine klare Zuständigkeitsregelung aufweist.
Soweit das Antragsvorbringen dahingehend zu verstehen ist, dass die Behörde auf Grund der beschränkten Beteiligung der Nachbarn nicht verpflichtet wäre, das Vorliegen der von §71c Wr. BauO statuierten Voraussetzungen (ua. des Gutachtens gemäß §71c Abs3 Z3 Wr. BauO) zu überprüfen, kann dem nicht gefolgt werden: Auch ohne Mitwirkung der Nachbarn ist die Behörde von Amts wegen dazu verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu überprüfen.
Im Übrigen werden durch die Bestimmung des §71c Wr. BauO zivilrechtliche Ansprüche der Nachbarn gemäß §364 Abs2 ABGB nicht berührt. Die pauschale Behauptung des Antrages, wonach zivilgerichtliche Verfahren im Regelfall längere Zeit in Anspruch nehmen, zeigt keine Verfassungswidrigkeit des §71c Wr. BauO auf.
2.5. Art11 Abs2 B‑VG
2.5.1. Ferner bringt der Antrag vor, die in §71c Wr. BauO vorgesehenen Abweichungen von den Vorgaben des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens-gesetzes hinsichtlich der Parteistellung von Nachbarn seien nicht "erforderlich" iSd Art11 Abs2 B‑VG.
2.5.2. Auch in dieser Hinsicht ist das Vorbringen des Antrages nicht begründet: Art11 Abs2 B‑VG bezieht sich – abgesehen vom allgemeinen Verwaltungsstrafrecht – nur auf verfahrensrechtliche Bestimmungen. Da die von §8 AVG verwendeten Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" erst durch die anzuwendende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt erfahren, der es ermöglicht, das Vorliegen der ParteisteIlung zu beurteilen (VfSlg 5648/1967; VwGH 30.6.2015, 2013/03/0041), kommt eine Abweichung von dieser Vorschrift durch die Regelung subjektiv-öffentlicher Rechte in den Materiengesetzen von Vornherein nicht in Betracht.
2.6. Sonstige Bedenken
2.6.1. Der Antrag macht schließlich einen Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sowie gegen das Hausrecht gemäß Art9 StGG geltend, ohne dass diesen inhaltliche Bedenken zugeordnet werden könnten. Einzig der Ausschluss der Nachbarrechte wird (auch) als Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit qualifiziert.
2.6.2. Auch in dieser Hinsicht vermag der Verfassungsgerichthof dem Antragsvorbringen – soweit dieses überhaupt von zuordenbaren Bedenken getragen ist – nicht zu folgen, zumal nicht erkennbar ist, inwiefern durch die Erteilung einer Baubewilligung in das Eigentumsrecht der Nachbarn eingegriffen wird (vgl. dazu VfSlg 16.077/2001).
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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