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BGBl I 120/2015

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

120. Bundesverfassungsgesetz: Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen
Fremden
(NR: GP XXV IA 1295/A AB 792 S. 91 . BR: 9453 AB 9450 S. 845.)

120. Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Ziel

Artikel 1. (1) Dieses Bundesverfassungsgesetz dient der menschenwürdigen, gleichmäßigen, gerechten und solidarischen Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden (Asylwerbern, Asylberechtigten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Z 6 Grundversorgungsvereinbarung - Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesverfassungsgesetzes geltenden Fassung, subsidiär Schutzberechtigten, Vertriebenen und anderen aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbaren Menschen) im Bundesgebiet. Die Unterbringung umfasst jedenfalls angemessenen Wohnraum, einen Schlafplatz und ausreichende Sanitäranlagen und darf weder gesundheits- noch umweltgefährdend sein.

(2) Bei der Unterbringung sollen sich Bund, Länder und Gemeinden - sofern diese die Unterbringung nicht selbst besorgen - nach Möglichkeit gemeinnütziger humanitärer oder kirchlicher Einrichtungen oder Institutionen der freien Wohlfahrtspflege bedienen.

Bereithaltung von Plätzen zur Unterbringung durch die Gemeinde

Artikel 2. (1) Jede Gemeinde hat im Bedarfsfall die erforderliche Anzahl von Plätzen für die Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden bereitzuhalten. Die Zahl soll 1,5% der Wohnbevölkerung betragen (Gemeinderichtwert). Hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die in Einrichtungen des Bundes oder der Länder untergebracht sind oder versorgt werden, sind in diese Zahl einzurechnen.

(2) Die Bundesregierung hat das Vorliegen des Bedarfs durch Verordnung festzustellen. Die Bundesregierung kann durch Verordnung einen höheren Gemeinderichtwert bestimmen, wenn die Zahl der unterzubringenden hilfs- und schutzbedürftigen Fremden die Zahl der im Bundesgebiet bereitzuhaltenden Plätze voraussichtlich übersteigt, sowie einen geringeren Gemeinderichtwert bestimmen, wenn die Zahl der unterzubringenden hilfs- und schutzbedürftigen Fremden die Zahl der im Bundesgebiet bereitzuhaltenden Plätze voraussichtlich unterschreitet; vor Erlassung einer solchen Verordnung hat der Bund den Ländern sowie dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Bezirksrichtwert (Art. 3 Abs. 2 Z 2) entspricht dem Gemeinderichtwert.

(3) Zur gemeinsamen Erfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 1 bzw. Abs. 2 können Gemeinden desselben politischen Bezirks Vereinbarungen über die Unterbringung und Aufteilung der hilfs- und schutzbedürftigen Fremden treffen.

Nutzung von Grundstücken, die im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung stehen

Artikel 3. (1) Der Bundesminister für Inneres kann die Nutzung und den Umbau von bestehenden Bauwerken oder die Aufstellung beweglicher Wohneinheiten auf Grundstücken, die im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung stehen, ohne vorheriges Verfahren mit Bescheid vorläufig anordnen, wenn dem überwiegende Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Umweltschutzes nicht entgegenstehen. Dieser Bescheid ersetzt die nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen. Gegen diesen Bescheid ist eine Beschwerde nicht zulässig. Vor Erlassung des Bescheides und mindestens eine Woche vor Beginn der Unterbringung hat der Bundesminister für Inneres dem Bürgermeister der betroffenen Gemeinde und der Bezirksverwaltungsbehörde dieses Vorhaben mitzuteilen.

(2) Voraussetzung für eine Nutzung von Grundstücken gemäß Abs. 1 ist, dass

  1. 1. das betroffene Land die Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden im Vormonat nicht im Ausmaß des Verhältnisses durchschnittlich geleistet hat, das in Art. 1 Abs. 4 der Grundversorgungsvereinbarung - Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesverfassungsgesetzes geltenden Fassung, festgelegt ist und
  2. 2. im betroffenen politischen Bezirk weniger hilfs- und schutzbedürftige Fremde untergebracht sind, als auf Grund des Bezirksrichtwertes unterzubringen wären.

    Unterbringungen, die die Voraussetzungen gemäß Art. 1 Abs. 1 nicht erfüllen oder nicht winterfest sind, werden hierbei nicht angerechnet.

(3) Auf einem solchen Grundstück dürfen nicht mehr als 450 hilfs- und schutzbedürftige Fremde untergebracht werden.

(4) Es sind Grundstücke in Gemeinden zu nutzen, die den Gemeinderichtwert nicht erfüllen. Stehen gleichwertige Grundstücke in mehreren in Betracht kommenden Gemeinden zur Verfügung, sind vorrangig Grundstücke in Gemeinden zu nutzen, deren Einwohnerzahl 2 000 übersteigt. Von diesen Voraussetzungen kann abgewichen werden, wenn sich im politischen Bezirk ein gleichwertiges Grundstück befindet, dessen Nutzung den in Art. 1 genannten Zielen besser entspricht.

(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat von Amts wegen in einem konzentrierten Verfahren zu prüfen, ob die Nutzung den bundes- und landesrechtlichen Vorschriften - mit Ausnahme des Bau- und Raumordnungsrechts, wohl aber hinsichtlich der Bestimmungen betreffend den Brandschutz -- entspricht. Sind Festigkeit, Brandschutz, Hygiene, Nutzungssicherheit und Umweltverträglichkeit nicht im erforderlichen Ausmaß gewährleistet, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies dem Bundesminister für Inneres in einer Stellungnahme mitzuteilen. In dieser Stellungnahme sind auch die zum Schutz dieser Rechtsgüter erforderlichen Maßnahmen zu benennen.

(6) Nach Einlangen der Stellungnahme gemäß Abs. 5 hat der Bundesminister für Inneres jene Maßnahmen zu ergreifen, die - im Hinblick auf den Verwendungszweck und die voraussichtliche Nutzungsdauer - Festigkeit, Brandschutz, Hygiene, Nutzungssicherheit und Umweltverträglichkeit im unerlässlichen Ausmaß gewährleisten, und diese Maßnahmen mit dem Bescheid über die Nutzung des Grundstücks festzulegen. Abweichungen von der Stellungnahme gemäß Abs. 5 sind zu begründen. Dieser Bescheid ersetzt den Bescheid gemäß Abs. 1 sowie die nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn auf Grund der Nutzung des Grundstückes eine Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter droht.

(7) Fallen die Voraussetzungen gemäß Abs. 2 weg und ist ein Bedarf nach Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder auf den betreffenden Grundstücken nicht absehbar, sind Bescheide gemäß Abs. 1 bzw. Abs. 6 zu widerrufen.

(8) Bescheide auf Grund dieses Artikels sind gegenüber dem Grundstückseigentümer zu erlassen. Ihre Zustellung hat durch Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde oder durch Kundmachung auf dem Grundstück zu erfolgen.

(9) Rechtsgeschäfte über die Zurverfügungstellung von Grundstücken und Bauwerken bedürfen keiner Bewilligung, Genehmigung oder Anzeige nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften, soweit sie Zwecken gemäß Abs. 1 dienen und dies vom Bundesminister für Inneres schriftlich bestätigt wird. Die vor einer vorübergehenden Nutzung zur Unterbringung bestehende Verwendungsart der Grundstücke bleibt dadurch unberührt.

Kostenersatz für die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder

Artikel 4. Der Kostenhöchstsatz gemäß Art. 9 Z 1 der Grundversorgungsvereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern sowie einer entsprechenden Nachfolgebestimmung hat ab 1. Oktober 2015 mindestens € 20,50 und ab 1. Jänner 2016 mindestens € 21,-- zu betragen.

Vollziehung

Artikel 5. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

In- und Außerkrafttreten

Artikel 6. Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. Oktober 2015 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2018 außer Kraft.

Fischer

Faymann

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