VwGH 2007/05/0149

VwGH2007/05/014915.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der B GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. April 2007, Zl. BOB-619/06, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §129 Abs10;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Anlässlich einer am 13. Oktober 2006 durchgeführten Ortsaugenscheinsverhandlung ergab sich, dass im 7. Bezirk in Wien, Kaiserstraße 63, EZ 380 der KG Neubau, über dem Stiegenhaus der Stiege 3 ohne Baubewilligung eine Terrasse und ein Geländer mit ca. 1,10 m Höhe, das die gegenständliche Terrasse umfasst, sowie eine Stiege von der Terrasse der Wohnung TOP Nr. 11 der Stiege 3 zur ohne Baubewilligung errichteten Terrasse errichtet wurden.

2. In der Folge erteilte die Baubehörde erster Instanz (Magistratsabteilung 37/7) mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 den Eigentümern der Liegenschaft, darunter der Beschwerdeführerin, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) folgenden Auftrag:

"Binnen 12 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides ist die ohne Baubewilligung hergestellte Dachterrasse über dem Stiegenhaus der Stiege 3, mit ca. 34 m2, die Verbindungsstiege aus verzinktem Stahl von der Terrasse der Wohnung Top Nr. 11 im Dachgeschoss zur nichtbewilligten Dachterrasse und ein Geländer aus verzinktem Stahl mit ca. 1,10 m Höhe, dieses die gegenständliche Dachterrasse umschließt, abtragen zu lassen."

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere Folgendes festgehalten: Wie den im Akt aufliegenden Fotos entnommen werden könne, handle es sich bei der verfahrensgegenständlichen baulichen Herstellung um einen von einem Geländer umschlossenen Dachaufbau sowie um eine Stiege, über welche der Zugang auf den Dachaufbau erfolge. Der Aufbau sei auf dem Dach des allgemeinen Stiegenhauses vorgenommen worden. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, Gegenstand des Verfahrens sei das Flachdach des Stiegenhauses, sei dies unzutreffend. Den vorliegenden Fotos könne entnommen werden, dass die beanstandete bauliche Maßnahme zur einer erheblichen Änderung des äußeren Ansehens des Gebäudes führe und evidentermaßen von Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes sei, weil sicherzustellen sei, dass das Dach des Stiegenhauses auch tatsächlich eine derartige Konstruktion zu tragen vermöge. Darüber hinaus sei für die Herstellung eines solchen Dachaufbaus einschließlich der entsprechenden Erschließungsstiege ein wesentliches Maß an bautechnischer Kenntnisse erforderlich, weil auf Grund der Lage auf einem schmalen Stiegenhausdach wie auch der Neigung dieses Daches eine erhöhte Gefahr bestehe, dass die Konstruktion bei unfachmännischer Herstellung abstürzen könnte; durch diese Gefahr würden auch öffentliche Rücksichten berührt. Aus diesen Gründen sei jedenfalls davon auszugehen, dass der gegenständliche Dachaufbau bewilligungspflichtig sei. Eine Baubewilligung für diesen Dachausbau sei bislang nicht erwirkt worden. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, eine Bewilligung oder Bauanzeige sei nur erforderlich, wenn raumbildende Herstellungen vorgenommen würden, finde in der BO keine Deckung. Ebenso sei es rechtlich unerheblich, ob die konsenswidrige Baulichkeit allenfalls der Nutzung durch den Rauchfangkehrer diene.

Dem Vorbringen, der behördliche Auftrag wäre ausschließlich an einen Wohnungseigentümer der Wohnung Top Nr. 11 der Stiege 3 zu richten gewesen, sei entgegenzuhalten, dass der gegenständliche Dachaufbau auf dem Dach des allgemeinen Stiegenhaus errichtet worden sei, sohin zweifelsfrei einen allgemeinen Teil der Liegenschaft in Anspruch nehme und nicht bloß ein Wohnungseigentumsobjekt betreffe. Darüber hinaus sei der strittige Dachaufbau laut Grundbuch keinem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet. Der Umstand, dass allenfalls eine Vereinbarung bestehe, wonach dem Eigentümer der besagten Wohnung das alleinige Nutzungsrecht des Dachaufbaus zukomme, schade der Qualifizierung als allgemeiner Teil der Liegenschaft nicht (vgl. die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 13. Juni 1982, Zl. 5 Ob 17/82, und vom 24. Februar 2004, Zl. 5 Ob 18/04 i). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin normiere die BO nicht, dass baubehördliche Aufträge an Nutzungsberechtigte, Bestandsrechtsinhaber oder Verursacher zu richten wären. Vielmehr sehe § 129 Abs. 10 leg. cit. ausschließlich die Eigentümer des Gebäudes bzw. der baulichen Anlage als Adressaten eines solchen Auftrags vor.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6.1 Nach § 129 Abs. 2 BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u.dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der BO entsprechendem Zustand erhalten werden. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0162, mwH). Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden.

Aufträge sind an Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Die Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -

Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist.

6.2. Zunächst ist festzuhalten, dass der vorliegende Auftrag lediglich den Dachaufbau auf dem Flachdach des allgemeinen Stiegenhauses der Stiege 3 (im Auftrag als "Dachterrasse" bezeichnet), das diesen umschließende Geländer sowie ferner der Stiege zur Erschließung dieses Dachaufbaus betrifft. Eine darüber hinausgehende "Dachterrasse" wird von diesem Auftrag nicht erfasst. Ferner lässt sich den von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde vorgelegten Plänen entgegen ihrer Auffassung nicht entnehmen, dass dieser Aufbau samt Stiege genehmigt worden wäre, zumal dort dieser Dachaufbau einschließlich der Stiege zu seiner Erschließung nicht aufscheint.

6.3. Den Feststellungen der belangten Behörde, dass der strittige Dachaufbau laut Grundbuch keinem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet und auf dem Dach des allgemeinen Stiegenhauses errichtet worden sei, tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Angesichts dieser auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes unbedenklichen Feststellungen kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde den vorliegenden Auftrag an alle Hausmiteigentümer, also auch an die Beschwerdeführerin richtete. Dass dieser Dachaufbau (behauptetermaßen) lediglich von einer bestimmten im Wohnungseigentum stehenden Wohnung (Top Nr. 11 der Stiege 3) aus erreichbar ist, vermag daran nichts zu ändern. So wie bei einem Baubewilligungsverfahren für die Ausführung die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich ist, müssen alle Miteigentümer die Folgen dieser konsenslosen Bauführung an allgemeinen Teilen tragen. Vor diesem Hintergrund geht die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde hätte bezüglich des ausschließlichen Zugangs zu der vom Auftrag erfassten Herstellungen von der besagten Wohnung den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben.

6.4. Die belangte Behörde stützt die aktuelle Bewilligungspflicht auf § 60 Abs. 1 lit. b und c BO, wonach - soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a BO zur Anwendung kommen - für die Errichtung aller sonstigen baulichen Anlagen über oder unter der Erde, zu deren Hersteller ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist (lit. b) bzw. für die Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, durch die (u.a.) das äußere Ansehen geändert wird oder die von Einfluss auf die Festigkeit sind (lit. c), "vor Beginn" die Bewilligung der Behörde zu erwirken ist.

Den Ausführungen der belangten Behörde, wonach für die vom Auftrag erfassten Herstellungen ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich war und diese zudem offensichtlich von Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes sind, ist die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten. Angesichts der Beschreibung der Herstellungen im Auftrag ist nicht erkennbar, dass kein solcher Einfluss gegeben wäre bzw. dass kein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse für die Herstellung erforderlich gewesen wäre. Die Auffassung der belangten Behörde, dass diese Herstellungen deshalb gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig sind und somit als Veränderungen des Gebäudes selbst iSd genannten Bestimmungen nicht unter die bewilligungsfreien Bauvorhaben iSd § 62a leg. cit. fallen können, ist nicht als rechtsirrig anzusehen. Damit kann vorliegend dahinstehen, ob die vom Auftrag erfassten Herstellungen auch das äußere Ansehen des Gebäudes änderten und damit eine Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO bewirkten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0064, mwH).

6.5. Auf dem Boden der unter Punkt 6.1. dargestellten Rechtslage ist die Beschwerdeführerin jedenfalls in keinem subjektivöffentlichen Recht verletzt, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch die vorschriftswidrigen Herstellungen einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erlassen hat, zumal für diese Herstellungen keine nachträgliche Bewilligung erwirkt wurde (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2009/05/0162). Ungeachtet dessen bestehen vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür, dass für das vorläufige Unterbleiben eines Auftrags eine sachliche Rechtfertigung bestünde. Der vorliegende Entfernungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erging daher zu Recht.

6.6. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6.7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Juni 2010

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